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Art. 223 Abs. 2 und Art. 229 ZPO
Art. 257 Abs. 1 ZPO
Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO
Art. 117 ZPO

Art. 119 ZPO, Art. 326 ZPO

Regeste:

Art. 119 ZPO, Art. 326 ZPO – Das Novenverbot im Beschwerdeverfahren gemäss Art. 326 ZPO gilt auch im Verfahren betreffend unentgeltliche Rechtspflege, unabhängig davon, dass in diesem Verfahren der beschränkte Untersuchungsgrundsatz gilt (E. 2.4). Stellt die klagende Partei ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege hat die beklagte Partei im Hauptprozess auch im UP-Verfahren Parteistellung. Sie ist im UP-Verfahren anzuhören und ihr ist bei Obsiegen auch eine Parteientschädigung zuzusprechen (E. 3.3)

Aus den Erwägungen:

(...)

1.1 Nach Art. 117 ZPO hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege ist subsidiär zu allfälligen Unterhaltspflichten (insbesondere zur Prozesskostenvorschusspflicht der Ehegatten). Die Bedürftigkeit ist zu verneinen, wenn der Gesuchsteller finanzielle Mittel auf Grundlage solcher Verpflichtungen erhältlich machen kann. Leben Ehegatten in einem gemeinsamen Haushalt ist deshalb ihr gemeinsames Einkommen, Vermögen und notwendiger Lebensunterhalt in einer Gesamtrechung zu bestimmen (Lukas Huber, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, Zürich/St. Gallen 2011, Art. 117 N 29; Viktor Rüegg, in Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Basel 2010, Art. 117 N 13).

(...)

2.4 Soweit der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren zur Bedürftigkeit neue Tatsachenbehauptungen aufstellt und neue Beweismittel einreicht, ist er damit nicht zu hören. Diese Vorbringen sind aufgrund des Novenverbots gemäss Art. 326 ZPO ausgeschlossen, unabhängig davon, dass im Verfahren betreffend unentgeltliche Rechtspflege der beschränkte Untersuchungsgrundsatz gilt (BGer 5A_405/2011 vom 27. September 2011, E. 4.4 f.; BZ 2011 98; Botschaft vom 28. Juni  2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7379; Freiburghaus/Afheldt, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, a.a.O., Art. 326 N 3 - 5; Karl Spühler, in: Spühler / Tenchio / Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, a.a.O., Art. 326 N 2 f.; Peter Volkart, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, a.a.O., Art. 326 N 4; Alexander Brunner, in: Oberhammer [Hrsg.], Kurzkommentar ZPO, Basel 2010, Art. 326 N 4; a.A. Lukas Huber, a.a.O., Art. 121 N 9).

(...)

3.1 Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen.

3.2 Bei diesem Ausgang sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (BGE 137 III 470 ff. = BGer 5A_405/2011 vom 27. September 2011, E. 6).

3.3 Der anwaltlich vertretene Beschwerdegegner verlangt für das vorliegende Verfahren eine Entschädigung. Diesem Antrag ist aus folgenden Gründen zu entsprechen: Nach Art. 119 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist die Gegenpartei des Hauptprozesses immer anzuhören, wenn die unentgeltliche Rechtspflege die Leistung der Sicherheit für die Parteientschädigung umfassen soll. Dies ist immer dann der Fall, wenn die klagende Partei ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege stellt. Ausgenommen von einer Pflicht zur Anhörung bei einem Gesuch der klagenden Partei ist der eher unwahrscheinliche Fall, dass ausdrücklich keine Befreiung von der Kautionspflicht beantragt wird. Ansonsten kommt der Gegenpartei Parteistellung zu, weshalb sie zwingend anzuhören ist und ihr bei Obsiegen auch eine Parteientschädigung zu entrichten ist (Lukas Huber, a.a.O., Art. 119 N 23; Viktor Rüegg, a.a.O., Art. 119 N 9).

Obergericht, II. Beschwerdeabteilung, 12. April 2012

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