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Art. 261 ZPO, Art. 55 Abs. 1 ZPO

Regeste:

Art. 261 ZPO, Art. 55 Abs. 1 ZPO - Der Erlass vorsorglicher Massnahmen ist an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen geknüpft. Als formelle Voraussetzungen gelten dabei die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts sowie das Rechtsschutzinteresse des Gesuchstellers. Als materielle Voraussetzungen gelten das Vorhandensein eines Verfügungsanspruchs, d.h. eine wahrscheinlich begründeten, vorsorglich zu schützenden materiellrechtlichen Anspruchs, sowie eines Verfügungsgrundes, d.h. eines Anlasses zu beschleunigtem richterlichem Handeln (E. 3.1). Trotz Beweismassreduktion (vgl. Art. 261 Abs. 1 ZPO) gilt im vorliegenden Massnahmeverfahren die Verhandlungsmaxime, weshalb es nach Art. 55 Abs. 1 ZPO den Parteien obliegt, dem Richter die Tatsachen, auf die sie ihre Begehren stützen, darzulegen und die Beweismittel anzugeben. Es trifft sie mithin je eine subjektive Behauptungs- und Beweislast (E. 3.2 und 3.3).

Aus den Erwägungen:

(...)

2. Soweit die Gesuchsgegnerin geltend macht, die Begehren der Gesuchstellerin seien nicht genügend bestimmt, so dass sie nicht vollstreckbar seien und es der Gesuchstellerin daher im Grunde bereits an einem Rechtsschutzinteressen mangle (vgl. act. 7 Rz 39 f. und act. 14 Rz 2), ist darauf nicht näher einzugehen. Das Massnahmegesuch ist, wie nachfolgend zu zeigen sein wird, ohnehin abzuweisen. Immerhin erscheint es in der Tat höchst fraglich, ob die Rechtsbegehren im vorliegenden Fall genügend bestimmt sind bzw. ob diese durch den Richter so eingeschränkt werden könnten und dürften, dass sie dem Bestimmtheitsgebot entsprechen (BGE 107 II 82 ff. E. 2b; BGE 97 II 92 ff.; Urteil 4C.169/2004 E. 1.4). Namentlich Unterlassungsbegehren müssen nämlich auf das Verbot eines genau umschriebenen, tatsächlichen Verhaltens gerichtet sein. Als unzulässig gilt demgegenüber die Verwendung auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe in Unterlassungsbegehren bzw. -befehlen. Die Formulierung des Verbots muss in jedem Falle so präzise sein, dass die verpflichtete Partei und die Vollstreckungs- oder Strafbehörden durch blosse tatsächliche Kontrolle ohne weiteres feststellen können, welche Handlungen gegen das Verbot verstossen. Es ist nicht deren Aufgabe, das Verhalten rechtlich zu qualifizieren (BGE 131 III 70 ff., E.3.3; BGE 84 II 450 ff. E.6; 4C.361/2005 E.3.3). Wenn die Gesuchstellerin der Gesuchsgegnerin generell zu verbieten verlangt, die Zeichen «S.» und «L.» für Produkte der Klasse 11 und das Zeichen «S.» für die Klasse 9 gemäss Nizza-Klassifikation in der Schweiz zu gebrauchen, genügt das dem erwähnten Bestimmtheitsgebot wohl kaum. Dasselbe gilt auch für die Adressaten des verlangten Verbots, insoweit diese mit «verbundenen Unternehmen» bezeichnet werden.

3. Gemäss Art. 261 Abs. 1 ZPO trifft das Gericht die notwendigen vorsorglichen Massnahmen, wenn die gesuchstellende Partei glaubhaft macht, dass (a) ein ihr zustehender Anspruch verletzt ist oder eine Verletzung zu befürchten ist, und (b) ihr aus der Verletzung ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.

3.1 Der vorsorgliche Rechtsschutz ist provisorischer, umfassender oder beschränkter, richterlicher Schutz der Rechtsposition des Massnahmegesuchstellers zur Abwehr von Nachteilen, die diesem aus der Dauer des Verfahrens um definitiven Rechtsschutz entstehen können. Wie der definitive Rechtsschutz ist auch der Erlass vorsorglicher Massnahmen an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen geknüpft. Als formelle Voraussetzungen gelten dabei die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts sowie das Rechtsschutzinteresse des Gesuchstellers, welches etwa dann fehlt, wenn ein Massnahmebegehren bereits beurteilt wurde (res iudicata) oder - wie eben erwähnt - nicht genügend bestimmt ist. Als materielle Voraussetzungen für den Erlass vorsorglicher Massnahmen gelten das Vorhandensein eines Verfügungsanspruchs, d.h. eines wahrscheinlich begründeten, vorsorglich zu schützenden materiellrechtlichen Anspruchs, sowie eines Verfügungsgrundes, d.h. eines Anlasses zu beschleunigtem richterlichem Handeln. Diese beiden materiellen Voraussetzungen ergeben sich ausdrücklich aus Art. 261 Abs. 1 ZPO (vgl. zum Ganzen etwa Thomas Sprecher, in: Basler Kom-mentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Basel 2010, Vor Art. 261-269 N 1 ff. u. Art. 261 N 10 ff.; Damian Schai, Vorsorglicher Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht, Basel 2010, Rz. 33, Rz. 44 und Rz. 102 ff. mit zahlreichen Hinweisen; auch Stephen Berti, Vorsorgliche Massnahmen im Schweizerischen Zivilprozess, in: ZSR 1997 II, S. 173 ff.; speziell zu den Voraussetzungen auch Daniel Alder, Der einstweilige Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht, Bern 1993, S. 63 ff.; ferner n. publ. Entscheide JZ 2008 96 E. 2.1; JZ 2010 83 E. 2.2).

3.2 Das Tatsachenfundament, auf welches die Parteien ihre Rechtsbegehren stützen, muss im Prozess grundsätzlich bewiesen werden. Da der vorsorgliche Rechtsschutz schnell gewährt werden soll, ist die Beweisstrenge im Massnahmeverfahren reduziert; das Gesetz verlangt gemäss Art. 261 Abs. 1 ZPO bloss das Glaubhaftmachen der tatsächlichen Grundlagen der vorgenannten Massnahmevoraussetzungen. Die Gesuchstellerin muss demnach im vorliegenden Massnahmeverfahren keinen vollen Beweis für ihre Behauptungen erbringen, sondern bloss eine gewisse Wahrscheinlichkeit für deren Richtigkeit dartun. Dabei genügen aber nicht blosse Behauptungen, sondern sie hat dem Richter objektive Anhaltspunkte zu liefern, die für eine erhebliche Wahrscheinlichkeit des behaupteten Sachverhaltes sprechen. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache aber immerhin schon dann, wenn für deren Vorhandensein gewisse Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnte. Die Reduktion des Beweismasses gilt aber für beide Parteien gleichermassen. Auch die Gegenpartei hat m.a.W. ihre Einreden oder Einwendungen nur glaubhaft zu machen (zum Ganzen BGE 132 III 83 E.3.2 und 715 ff. E. 3.1; BGE 130 III 321 E.3.3; 103 II 287 E.2; JZ 2003 53.104; ausführlich Thomas Sprecher, a.a.O., Art. 261 N 50 ff.). Die Rechtslage ist vom Gericht lediglich summarisch zu prüfen (Leuenberger/Uffer-Tobler, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Bern 2010 N 11.193).

3.3 Trotz Beweismassreduktion gilt im vorliegenden Massnahmeverfahren die Verhandlungsmaxime, weshalb es nach Art. 55 Abs. 1 ZPO den Parteien obliegt, dem Richter die Tatsachen, auf die sie ihre Begehren stützen, darzulegen und die Beweismittel anzugeben. Es trifft sie mithin je eine subjektive Behauptungs- und Beweislast. Die Gesuchstellerin muss das tatsächliche Fundament ihres Begehrens dabei schlüssig behaupten, d.h. jedenfalls so detailliert schildern, dass ihre Tatsachbehauptungen für den Richter nachvollziehbar sind und von diesem - soweit er sie als glaubhaft gemacht erachtet - unter eine bestimmte Norm subsumiert werden können. Folge dieser sog. Substanziierungslast ist, dass rechtserhebliche Sachverhaltselemente, die nicht, oder nicht genügend substanziiert behauptet werden, als nicht glaubhaft gemacht anzusehen sind (vgl. zum Ganzen Paul Oberhammer, in: Oberhammer [Hrsg.], Kurzkommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, Basel 2010, Art. 55 N 12; Thomas Sutter-Somm/Gregor von Arx, in: Sutter-Somm u.a. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich 2010, Art. 55 N 20 ff.; je m.w.H.).

4. Der Verfügungsgrund, also das spezifische Rechtsschutzinteresse im Rahmen des vorsorglichen Rechtsschutzes stellt im Einzelfall die Konkretisierung der Gefahr im Verzug dar. Der Verfügungsgrund ist aus prozessrechtlicher Sicht der Anlass zu beschleunigtem gerichtlichem Eingreifen, wobei sich die Gefährdungssituation aus der zeitlichen Dauer von Prozessen ergibt, welche die Durchsetzung eines Rechtsanspruchs massgeblich erschweren oder illusorisch machen kann (Michael Leupold, Nachteilsprognose als Voraussetzung des vorsorglichen Rechtsschutzes, in: sic! 2000, S. 266).

4.1 Soweit die Gesuchstellerin in diesem Zusammenhang eine Marktverwirrung wegen des Auftritts der Gesuchsgegnerin auf einer Messe in Basel geltend macht, ist darauf nicht mehr einzutreten, da diese mittlerweile zu Ende ist. Die Gesuchstellerin hält denn auch ihr diesbezügliches Rechtsbegehren Ziff. 3 nicht mehr aufrecht. Soweit sie eine Marktverwirrung namentlich damit behauptet, dass die Gesuchsgegnerin in ihrem am 1. September 2011 versandten Katalog sowie im Begleitschreiben dazu mit den Marken «L.» und «S.» werbe, genügt sie ihrer Substanziierungslast nicht. Zu Recht macht die Gesuchsgegnerin geltend, dass der blosse Hinweis, dass eine Marktverwirrung drohe, nicht genügt, um einen nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil i.S. von Art. 261 Abs. 1 lit. b ZPO darzutun. Als Marktverwirrung wird die Beeinflussung des Marktes durch rechtswidrige Praktiken im Bereich des Immaterialgüter- und Wettbewerbsrechts verstanden. Verpönte Praktiken führen jedoch nicht immer zu einer derartigen Verwirrung des Marktes, dass ein besonderes Interesse an der Realvollstreckung anzunehmen ist. Vielmehr sind hier im Geltungsbereich der Verhandlungs-maxime substantielle Darlegungen nötig, in welcher Weise sich die vermeintliche Rechtsverletzung auf den Markt auswirkt, denn liberalisierte, offene Märkte, auf denen Wettbewerbsdruck herrscht, sind oft eher durch Chaos und rasch ändernde Verhältnisse denn durch Ordnung, Stabilität und Übersichtlichkeit gekennzeichnet (Michael Leupold, a.a.o., S. 271). Die Gesuchstellerin hat es aber versäumt, hier näher darzulegen, inwiefern eine relevante Verwirrung oder Verzerrung im Markt hervorgerufen werden soll. Wenn sie einfach ausführt, der Markt wisse nicht mehr, welchem Hersteller die Produkte, die mit «S.» oder «L.» gekennzeichnet seien, zuzuordnen seien, genügt das nicht. Sie behauptet denn auch ohne Substanziierung, der heutige Markt ordne die Produkte «S.» und «L.» der Gesuchstellerin zu. Eine Marktverwirrung durch den Auftritt der Gesuchsgegnerin unter Verwendung der Zeichen «S.» und «L.» ist sodann umso weniger ersichtlich, als diese Kennzeichen zum einen schwach sind und zum andern eine Vielzahl von Anbietern auf dem Schweizer Markt diese Bezeichnungen «L.» und «S.» für Beleuchtungsprodukte verwendet, was zu einem entsprechenden Verwässerungseffekt führt, wie die Gesuchsgegnerin glaubhaft und zutreffend darlegt. Die Gesuchstellerin begnügt sich aber auch mit der blossen Behauptung, dass der durch die Gesuchsgegnerin mit den inkriminierten Produkten erwirtschaftete Gewinn - und damit der Verlust der Gesuchstellerin - nur schwer eruierbar sei. Sie legt namentlich nicht dar, und es ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich, weshalb diese Schäden im Rahmen eines ordentlichen Prozesses nicht nachgewiesen oder zumindest gestützt auf Art. 42 OR abgeschätzt werden könnten (Michael Leupold, a.a.O., S. 270).

4.2 Mangelt es aber schon an der Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes, ist das Schicksal des vorliegenden Massnahmegesuches bereits entschieden. Dieses muss abgewiesen werden und die Gesuchstellerin ist auf den ordentlichen Prozessweg zu verweisen.

Obergericht, II. Zivilabteilung, 10. Januar 2012

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