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Art. 22 SchKG
Art. 275 SchKG

Art. 278 SchKG

Regeste:

Art. 278 SchKG – Der Drittschuldner ist nur dann im Sinne von Art. 278 Abs. 1 SchKG durch den Arrest in seinen Rechten betroffen und zur Beschwerde legitimiert, wenn nebst der Anweisung, nicht mehr befreiend an den Schuldner leisten zu können, erschwerende Umstände dazukommen, die in wesentlichem Umfang in seine Rechtsposition eingreifen (E. 1.1 - 2.4). Das Nichteintreten auf die Beschwerde führt dazu, dass keine Nichtigkeitsprüfung stattfindet (E. 2.5)

Aus den Erwägungen:

1.1 Wer durch einen Arrest in seinen Rechten betroffen ist, kann nach Art. 278 Abs. 1 SchKG innert zehn Tagen, nachdem er von dessen Anordnung Kenntnis erhalten hat, beim Gericht Einsprache erheben. Das Gericht gibt den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme und entscheidet ohne Verzug (Art. 278 Abs. 2 SchKG). Der Einsprachentscheid kann mit Beschwerde nach der ZPO angefochten werden. Vor der Rechtsmittelinstanz können neue Tatsachen geltend gemacht werden (Art. 278 Abs. 3 SchKG).

1.2 Gemäss Art. 320 ZPO kann mit der Beschwerde die unrichtige Rechtsanwendung (lit. a) oder die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes (lit. b) geltend gemacht werden.

1.3 Im Beschwerdeverfahren können die Parteien neue Tatsachen geltend machen (Art. 278 Abs. 3 Satz 2 SchKG). Gemäss der Botschaft über die Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) vom 8. Mai 1991 (S. 173 f.) sind damit echte Noven, d.h. Tatsachen, die nach dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind, gemeint. Das Bundesgericht hat in zwei Entscheiden vom 17. November 2005 (5P.296/2005 E. 4.2.1 und 5P.330/2005, E. 4.2.1) unter Hinweis auf die Botschaft und die Lehre festgehalten, das Obergericht des Kantons Bern habe Art. 278 Abs. 3 SchKG nicht willkürlich angewendet, indem es grundsätzlich lediglich echte, nicht aber unechte Noven zugelassen habe. Ein Teil der Lehre folgert daraus, dass im Beschwerdeverfahren nur echte Noven zulässig sind (Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 8. A., Bern 2008, § 51 N 74; Felix C. Meier-Dieterle, in: Daniel Hunkeler [Hrsg.], Kurzkommentar SchKG, Basel, 2009, Art. 278 N 15; vgl. ferner Walter A. Stoffel, Das neue Arrestrecht, in: AJP 1996 S. 1411), während anderen Lehrmeinungen zufolge auch unechte Noven gehört werden können, jedoch nur falls sich daraus die Nichtigkeit des Arrestes ergibt oder sie entschuldbar nicht bereits im Einspracheverfahren vorgetragen worden sind (Hans Reiser, in: Staehelin/ Bauer/Staehelin [Hrsg.], Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs II, 2. A., Basel 2010, Art. 278 N 47 - 49; Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 4. A., Zürich 1997/99, Art. 278 N 28).

2.1 Gemäss der Vorinstanz fehlt es der Beschwerdeführerin an der Legitimation zur Einsprache gegen den Arrestbefehl, weshalb auf ihre Einsprache nicht eingetreten werden könne. Zur Begründung hielt der Arrestrichter fest, der gewöhnliche Drittschuldner, für den sich der Arrest dahingehend auswirke, dass er nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Gläubiger leisten könne und bei Nichtbeachtung dieser Pflicht eine Doppelzahlung riskiere, sei nicht in seinen Rechten betroffen. Dies treffe für die Beschwerdeführerin zu, welche nicht dargelegt habe, welche konkreten wirtschaftlichen oder faktischen Nachteile sie durch die Sperrung der verarrestierten Vermögenswerte erleide. Mangels Betroffenheit sei auf ihre Arresteinsprache daher nicht einzutreten.

2.2 Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, die Vorinstanz stütze sich sinngemäss auf ein Zitat im Basler Kommentar zum SchKG (Hans Reiser, a.a.O., Art. 278 N 24), wonach der gewöhnliche Drittschuldner wohl nicht in seinen Rechten betroffen gelten könne. Sie verschweige jedoch, dass namhafte Autoren anderer Meinung seien (gleiches Zitat) und dass der Dritte jedenfalls dann zur Einsprache legitimiert sei, wenn der Arrest stark in seinen Geschäftsbetrieb eingreife (Reiser, a.a.O., Art. 278 N 25 mit Hinweis auf BGE 96 III 109). Gegen den Arrestvollzug habe das Bundesgericht das Beschwerderecht sogar einer Bank zuerkannt, die Schuldnerin des Arrestschuldners gewesen sei (BGE 96 III 109). In einer viel ungemütlicheren Lage befinde sich im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin. Ihr sei angezeigt worden, dass sie rechtsgültig nur noch an das Betreibungsamt leisten könne. Gegen­stand der Arrestlegung seien alles streitige Forderungen. Im Falle eines sich möglicherweise als Inhaberaktionär ausweisenden Aktionärs wäre die Beschwerdeführerin als aus dem Wertpapier Verpflichtete gezwungen, Zahlungen zu leisten, wolle sie nicht schadenersatzpflichtig werden. Sie habe deshalb ein evidentes Interesse daran, dass die Nichtigkeit des Arrestes festgestellt bzw. der Arrest aufgehoben werde, zumal der Arrestbefehl sehr weit gefasst sei (sämtliche Rechte an den im Eigentum des Arrestschuldners stehenden 1'199 Namenaktien).

2.3 Hans Reiser (a.a.O., Art. 278 N 24), der dem gewöhnlichen Drittschuldner die Einsprachelegitimation abspricht, beruft sich zur Begründung seiner Ansicht auf ein Urteil des Bundesgerichts vom 26. November 2007 (BGer vom 26.11.2007, 5A_554 / 2007). In diesem Entscheid beanstandete das Bundesgericht im Rahmen der Beurteilung einer Verfassungsbeschwerde den Schluss der Vorinstanz nicht, dass die dortige Beschwerdeführerin als Drittschuldnerin nicht in ihren Rechten betroffen sei, weil sie nicht mehr mit befreiender Wirkung an ihren Gläubiger leisten dürfe und sie bei Nichtbeachtung dieser Pflicht eine Doppelzahlung riskiere. In dem von der hiesigen Beschwerdeführerin angerufenen BGE 96 III 109 kam das Bundesgericht unter Hinweis auf BGE 80 III 124 f. zum Ergebnis, dass der Drittschuldner zur Beschwerde gegen den Arrestvollzug legitimiert sei, falls dieser stark in seinen Geschäftsbetrieb eingreife. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist der Drittschuldner nach den zutreffenden Lehrmeinungen nur dann im Sinne von Art. 278 Abs. 1 SchKG durch den Arrest in seinen Rechten betroffen und zur Beschwerde legitimiert, wenn nebst der Anweisung, nicht mehr befreiend an den Schuldner leisten zu können, erschwerende Umstände dazukommen, die in wesentlichem Umfang in seine Rechtsposition eingreifen (Walder/Kull/ Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. A., Bd. II, Zürich 1997/99, Art. 278 N 8, mit Hinweisen; ferner Felix C. Meier-Dieterle, a.a.O., Art. 278 N 2).

2.4 In der Arresteinsprache vom 13. April 2012 führte die Beschwerdeführerin ohne weitere Begründung aus, als angebliche Drittschuldnerin sei sie ohne weiteres zur Arresteinsprache legitimiert. Zu den Ausführungen der Beschwerdegegnerin in der Stellungnahme zur Arresteinsprache vom 27. April 2012, wonach die Beschwerdeführerin als gewöhnliche Drittschuldnerin nicht zur Arresteinsprache legitimiert sei, liess sich die Letztere nicht vernehmen, obwohl ihr die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin zur Kenntnisnahme zugestellt worden war. Soweit sich die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren erstmals auf eine besondere Betroffenheit beruft, da sie nicht bloss gewöhnliche Drittschuldnerin sei, handelt es sich dabei um ein unechtes Novum, das im Beschwerdeverfahren nach einem Teil der vorzitierten Lehre nicht gehört werden kann. Stellt man dagegen auf diejenige Lehrmeinungen ab, wonach im Beschwerdeverfahren eingeschränkt unechte Noven zulässig sind, kann die Beschwerdeführerin daraus ebenfalls nichts zu ihren Gunsten ableiten. Weder legt sie dar noch ist ersichtlich, dass sich aufgrund dieses unechten Novums die Nichtigkeit des Arrestes er­gibt oder dieses unechte Novum entschuldbar nicht bereits im Einspracheverfahren hätte vorgetragen werden können. Kann die im Beschwerdeverfahren erstmals vorgetragene Darstellung der Beschwerdeführerin, wonach sie von dem gegen den Arrestschuldner verfügten Arrest besonders betroffen sei, nicht gehört werden, ist sie gewöhnliche Drittschuldnerin. Demzufolge ist die Vorinstanz zu Recht nicht auf die Arresteinsprache der Beschwerdeführerin eingetreten und mangels Betroffenheit fehlt es ihr auch an der Beschwerdelegitimation (Reiser, a.a.O., Art. 278 N 43).

2.5 Soweit die Beschwerdeführerin sich in der Beschwerde auf die Nichtigkeit des Arrestes beruft, weil dieser vom örtlich unzuständigen Arrestrichter erlassen worden sei, kann dies nicht gehört werden. Das Nichteintreten auf die Beschwerde führt dazu, dass keine Nichtigkeitsprüfung stattfindet (Anwaltsrevue 11 - 12/2011, S. 498).

Obergericht, II. Beschwerdeabteilung, 13. September 2012

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