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Art. 29 Abs. 2 BV, § 12 VRG, Art. 42 Abs. 1 und 2, Art. 50 Abs. 1 und 2, Art. 51 Abs. 2, Art. 62 lit. a AuG

Regeste:

Art. 29 Abs. 2 BV, § 12 VRG, Art. 42 Abs. 1 und 2, Art. 50 Abs. 1 und 2, Art. 51 Abs. 2, Art. 62 lit. a AuG, In der antizipierten Beweiswürdigung kann keine Verletzung des rechtlichen Gehörs erblickt werden, wobei den Behörden ein weiter Ermessensspielraum zukommt. Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn der Ausländer sich in fremdenpolizeilichen Verfahren auf eine Ehe beruft, welche nur (noch) formell besteht oder aufrechterhalten wird, mit dem alleinigen Ziel, ihm eine Anwesenheitsberechtigung zu ermöglichen.

Aus dem Sachverhalt:

Der aus dem Kosovo stammende X. (geb. 1974) reiste 1990 im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung. Am 2. September 1999 heiratete er die kurz zuvor eingereiste Landsfrau Z., die ihm am 14. Juli 1999 den gemeinsamen Sohn Y. geboren hatte. Ehefrau und Sohn kehrten mangels Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in den Kosovo zurück. Auch X. hatte sich damals in der Heimat aufgehalten, weshalb seine Aufenthaltsbewilligung von den Luzerner Migrationsbehörden mit Verfügung vom 24. Januar 2002 als erloschen betrachtet und er rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen wurde. Am 7. September 2004 liess er sich in der Heimat scheiden, nachdem er dort zum zweiten Mal Vater geworden war. Er stellte erfolglos ein Gesuch um Wiedereinreise in die Schweiz. Nach trotzdem erfolgter illegaler Einreise heiratete X. am 24. März 2005 W. (geb. 1983), welche das Schweizer Bürgerrecht besitzt. Gestützt auf diese Ehe erhielt er schliesslich eine bis zum 24. März 2006 gültige Aufenthaltsbewilligung, obwohl die Eheleute bloss ein von der Ehefrau gemietetes Zimmer in Cham als gemeinsame Wohnung angegeben hatten und am 20. Juni 2005 bei einer Befragung übereinstimmend erklärten, sie dürften erst zusammenleben, wenn sie nach muslimischem Brauch in Weiss geheiratet hätten. Eine solche Hochzeit fand aber - nach Angabe der Eheleute aus finanziellen Gründen - nie statt. Am 25. August 2006 gebar W. den Sohn V. Als dessen Vater gilt aufgrund der gesetzlichen Vermutung von Art. 255 ZGB X. Am 3. Oktober 2006 liess sich X. in seiner Heimat das alleinige Sorgerecht für den Sohn Y. übertragen. Dieser war von seiner Mutter im September 2006 zu den Eltern von X. nach H gebracht worden. Am 15. Februar 2007 erhielt Y. von den Zuger Migrationsbehörden eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seinem Vater, nachdem das Ehepaar X.W. auf den 1. Dezember 2006 eine Wohnung in Unterägeri gemietet hatte. Dort besuchte Y. ab März 2007 den Kindergarten. Am 22. Februar 2008 teilte X. der Schulbehörde Unterägeri mit, Y. werde künftig in H zur Schule gehen und dort von der Grossmutter betreut werden. Er selber sei dazu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage. Daraufhin sahen sich die Zuger Migrationsbehörden veranlasst, die Eheleute im Juni 2008 erneut zu befragen. Trotz gewisser Widersprüche und Ungereimtheiten in der Befragung verlängerte das Migrationsamt des Kantons Zug am 9. April 2009 die Aufenthaltsbewilligungen von X. und seinem Sohn Y. W. war zu diesem Zeitpunkt allerdings von einem Dritten schwanger: Nachdem sie am 15. Mai 2009 noch die definitive Trennung von ihrem Mann gemeldet hatte, gebar sie am 19. Juli 2009 den Sohn U. Der Vater ist ihrer Ansicht nach T., mit welchem sie gemäss Befragung vom 22. September 2009 «seit ca. September/Oktober 2008» eine Beziehung führte. Auf Klage von X. hob das Amtsgericht Luzern Land am 22. September 2009 das Kindesverhältnis zwischen diesem und U. auf. Die Ehe X.W. wurde am 7. Dezember 2009 rechtskräftig geschieden. Für den - vermutungsweise - gemeinsamen Sohn V. erhielt X. ein gerichtsübliches Besuchsrecht zugesprochen. Einen Vaterschaftstest hatte er verweigert. X. ist psychisch krank. Mit Verfügung der Eidgenössischen Invalidenversicherung vom 10. Februar 2009 erhielt er rückwirkend auf den 1. Juni 2007 eine ganze Invalidenrente sowie - für Y. und V. - zwei Kinderrenten zugesprochen. Nachdem das Amt für Migration des Kantons Zug das rechtliche Gehör gewährt hatte, verlängerte es mit Verfügung vom 18. November 2010 die Aufenthaltsbewilligungen von X. und Y. nicht mehr und wies diese aus der Schweiz weg. Zur Begründung erwog es im Wesentlichen, X. könne sich für sein Aufenthaltsrecht nicht (mehr) auf die Ehe mit einer Schweizerin berufen. Ausserdem habe er sich zumindest die beiden letzten Verlängerungen der Aufenthaltsbewilligungen mittels Verschweigen wesentlicher Tatsachen erschlichen. Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Zug mit Beschluss vom 5. April 2011 ab. Am 5. Mai 2011 liessen X. und Y. Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben.

Aus den Erwägungen:

2. (...) Obschon von Anfang an seitens der Behörden Zweifel bestanden, ob es sich bei der Heirat nicht bloss um eine Zweckehe handle und entsprechende Abklärungen immer wieder vorgenommen wurden, wurde die Jahresaufenthaltsbewilligung von X. jährlich wieder erteilt, letztmals bis zum 24. März 2010. Sein im Jahr 1999 geborener Sohn Y., ebenfalls kosovarischer Staatsangehöriger, erhielt nach seiner Einreise am 15. Februar 2007 eine erste bis zum 24. März 2008 befristete Aufenthaltbewilligung mit dem Zweck «Aufenthalt beim Vater». Unbestritten ist, dass das Aufenthaltsrecht in der Schweiz des Sohnes Y., der in keinem zivilrechtlichen Kindesverhältnis zur geschiedenen zweiten (Schweizer) Frau seines Vaters steht, ein von der Aufenthaltsbewilligung seines leiblichen Vaters abgeleitetes Recht darstellt; es ist somit allein abhängig von dessen Bestand. Im Folgenden ist daher nur zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer X. ein Aufenthaltsrecht zusteht oder nicht.

3. (...) Im hier vorliegenden Verwaltungsverfahren stellt die Behörde gemäss § 12 VRG den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Das geltende Untersuchungsprinzip berechtigt (und verpflichtet) die Partei zur Mitwirkung im Beweisverfahren. Der in Art. 29 Abs. 2 BV garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht, Beweisanträge zu stellen und - als Korrelat - die Pflicht der Behörde zur Beweisabnahme. Beweise sind aber nur über jene Tatsachen abzunehmen, die für die Entscheidung erheblich sind. Gelangt eine Behörde bei pflichtgemässer Beweiswürdigung zur Überzeugung, der Sachverhalt, den eine Partei beweisen will, sei nicht rechtserheblich oder der angebotene Beweis vermöge keine Abklärung herbeizuführen, kann auf ein beantragtes Beweismittel verzichtet werden. In der damit antizipierten Beweiswürdigung kann keine Verletzung des rechtlichen Gehörs erblickt werden (vgl. BGE 122 V 162). Die Behörden verfügen diesbezüglich über einen weiten Ermessensspielraum (vgl. Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, § 8 N. 31 ff.). Die entscheidende Behörde muss sich zwar grundsätzlich mit den Parteivorbringen auseinandersetzen, sie muss dabei aber nicht jede einzelne tatsächliche Behauptung im Einzelnen widerlegen, sondern darf sich auf das Entscheidwesentliche beschränken (BGE 126 I 97 Erw. 2b S. 103 f.). Der Beschwerdegegner hat konkret in seinem Entscheid nachvollziehbar begründet, unter Bezug auf welche Akten und aus welchen Gründen er seine Schlüsse gezogen hat. Damit kann ihm offensichtlich kein mangelhaftes Vorgehen vorgeworfen werden. Ob er mit seiner Beurteilung der Beschwerdeangelegenheit in materieller Hinsicht eine Rechtsverletzung begangen hat, wird zu prüfen sein.

4. (...)

b) Gemäss Art. 42 Abs. 1 AuG haben ausländische Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen in einer gemeinsamen Wohnung zusammenwohnen. In diesen Fällen wird den Ausländerinnen und Ausländern eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt, welche an den Zweck «Verbleib beim Ehegatten» gebunden ist. Nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren haben die Ehegatten Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung (Art. 42 Abs. AuG). Der Gesetzeswortlaut verlangt für die Anwesenheitsberechtigung eine gemeinsame Wohnung bzw. Hausgemeinschaft der Ehegatten (vgl. Spescha, in: Spescha/Thür/Zünd/Bolzli, a.a.O., AuG 42 N9). Gemäss der Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002 (BBl 2002, S. 3753 f.) setzt die Gewährung des Aufenthaltsanspruches zudem eine tatsächlich gelebte eheliche Beziehung und einen entsprechenden Ehewillen voraus. Das Erfordernis des Zusammenwohnens besteht gemäss Art. 49 AuG ausnahmsweise nicht, wenn für getrennte Wohnorte wichtige Gründe (beispielsweise beruflicher Art) geltend gemacht werden und die Familiengemeinschaft trotzdem weiter besteht. Entscheidend bleibt aber der Ehewille (vgl. zum Ganzen: Spescha, in: Spescha/Thür/Zünd/Bolzli, a.a.O., AuG 49 N2 f.).

Gestützt auf Art. 50 Abs. 1 AuG besteht nach Auflösung der Ehe oder Familiengemein-schaft der Anspruch des Ehegatten auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Art. 42 weiter, wenn a. die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht; oder b. wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen. Wichtige persönliche Gründe können namentlich vorliegen, wenn die Ehegattin oder der Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt wurde und die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint (Art. 50 Abs. 2 AuG). Ein weiterer Aufenthalt kann sich allenfalls als erforderlich erweisen, wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind, zu denen eine enge Beziehung besteht und die in der Schweiz gut integriert sind. Zu berücksichtigen sind jedoch stets die Umstände, die zur Auflösung der Gemeinschaft geführt haben. Es ist unerlässlich, die konkreten Umstände des Einzelfalles zu prüfen (BBl, 2002, S. 3754). Ziel dieser Regelung ist die Vermeidung von Härtefällen.

c) Gemäss Art. 51 Abs. 1 AuG erlöschen die Ansprüche nach Artikel 42, wenn: a. sie rechtsmissbräuchlich geltend gemacht werden, namentlich um Vorschriften dieses Gesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen über die Zulassung und den Aufenthalt zu umgehen; b. Widerrufsgründe nach Art. 63 vorliegen. Eine Schein-, Ausländerrechts- oder Umgehungsehe liegt nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung vor, wenn eine Ehe einzig und allein eingegangen wurde, um die ausländerrechtlichen Bestimmungen zu umgehen und die Ehegatten von Anfang an keine echte eheliche Gemeinschaft zu führen beabsichtigten (Caroni, in: Caroni/Gächter/ Thurnherr, Stämpflis Handkommentar zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, Art. 51 N9 mit Hinweisen). Das Vorliegen einer Scheinehe entzieht sich in der Regel dem direkten Beweis und muss daher durch Indizien erstellt werden. Feststellungen über das Bestehen solcher Indizien können äussere Begebenheiten, aber auch innere, psychische Vorgänge (Wille der Ehegatten) betreffen. Beispielsweise das Fehlen einer Haushaltsgemeinschaft ohne sachliche Begründung gilt als gewichtiges Indiz dafür, dass eine Ehe geschlossen wurde, allein um ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz zu erhalten oder wenn vor der Heirat eine sehr kurze Bekanntschaftszeit bestand. Das Vorliegen einer Scheinehe darf aber nicht leichtfertig angenommen werden (vgl. Spescha, in: Spescha/Thür/Zünd/Bolzli, a.a.O., AuG 5d1 N2 mit Hinweisen). Doch auch wenn eine Ehe nicht bloss zum Schein eingegangen wurde, heisst das nicht zwingend, dass dem Ehepartner der Aufenthalt ungeachtet der weiteren Entwicklung gestattet werden muss. Zu prüfen ist, ob sich die Berufung auf die Ehe nicht als rechtsmissbräuchlich erweist. Nach gefestigter bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt Rechtsmissbrauch vor, wenn der Ausländer sich in fremdenpolizeilichen Verfahren auf eine Ehe beruft, welche nur (noch) formell besteht oder aufrechterhalten wird, mit dem alleinigen Ziel, ihm eine Anwesenheitsberechtigung zu ermöglichen (Urteil 2C_799/2010 vom 20. Februar 2011, Erw. 2.1). Auch wenn eine Ehe aufgrund des Scheidungswillens des Schweizer Partners definitiv scheitert, sich der ausländische Partner noch um den Fortbestand der Ehe bemühte, kann sich eine Berufung auf die Ehe als rechtsmissbräuchlich ergeben, wenn nach den objektiven Umständen die Wiederaufnahme der Ehe als ausge-schlossen erscheint (vgl. Urteil 2D_30/2007 vom 17. Juli 2007, Erw. 3.2 und 3.3).

(...)

8. a) Der Staatsanwalt kam bei seinen Ermittlungen zum Schluss, dass der Tatbe-stand einer Scheinehe, als eine von Beginn an in Absicht der Umgehung ausländerrechtlicher Vorschriften eingegangene Ehe, aus strafrechtlicher Sicht nicht genügend erhärtet sei. Dieser Ansicht kann durchaus gefolgt werden, auch wenn immerhin der Entschluss zur Eheschliessung seitens W. zumindest als überstürzt bezeichnet werden kann (wie sie dies übrigens bei der Befragung vom 16. Juni 2008 dann auch selber eingestand), nachdem sie den damals noch in erster Ehe verheirateten Beschwerdeführer X. Ende Juli 2004 während weniger Tage kurz kennengelernt und dann im Oktober nochmals drei Wochen besuchte. Dass ihm seinerseits im Herbst 2004 ein Einreisevisum verweigert wurde, mag sicher seinen Entschluss zur erneuten Heirat kurz nach seiner ersten Scheidung beschleunigt haben. Dass die eilige Hochzeit nach der illegalen Einreise des Beschwerdeführers X. unter anderem auch ausländerrechtlich motiviert hätte sein können, könnte auch daraus geschlossen werden, dass sie die Ehe eingingen, obwohl sie sich die - nach eigener Aussage - für beide so grundlegend bedeutende weisse Hochzeit aus finanziellen Gründen nicht leisten konnten und ihnen deswegen ein gemeinsames Zusammenleben nach muslimischen Anschauungen nicht erlaubt gewesen sei, und dass sie überdies auch keine eheliche Wohnung bezogen. Es ist daher schlüssig, wenn der Regierungsrat unter diesen Umständen zumindest in der Zeit, als die Ehefrau in Cham bloss Zimmermieterin war, eine gelebte eheliche Gemeinschaft verneinte. Erst per 1. Dezember 2006 mietete das Ehepaar X.W. eine Wohnung in Unterägeri, wobei W. am 15. Februar 2007 beim AFM aussagte, sie seien erst am Einrichten. Notwendig wurde der Bezug einer eigenen Wohnung, da der Beschwerdeführer X. seinen aus erster Ehe stammenden Sohn Y. nachziehen wollte, was ihm Ende September 2006 verweigert wurde, da weder eine familientaugliche Wohnung vorhanden noch er das Sorgerecht für sein Kind hatte. Letzteres wurde ihm allerdings durch Gerichtsurteil vom 3. Oktober 2006 erteilt, da er vor dem kosovarischen Gericht geltend machte, obwohl er zugegebenermassen bisher seine Unterstützungspflichten für seinen Sohn in strafrechtlich relevanter Weise vernachlässigt habe, sei er nun zukünftig in der Lage, in der Schweiz für seinen Sohn zu sorgen. Wenn er heute beispielsweise wiederum behauptet, der Wechsel von Y. von der Schule in Unterägeri nach H im Februar 2008 sei wegen der Trennung von dessen leiblicher Mutter Z. erfolgt, von einer Trennung von seiner zweiten Ehefrau sei nicht die Rede gewesen, so ist eine solche Begründung im Zusammenhang mit den tatsächlichen Geschehnissen schlicht nicht nachvollziehbar. Die Schulbehörden konnten und durften diese Aussage nur so verstehen, dass sich die aktuelle Ehefrau wegen der Trennung vom Beschwerdeführer nicht mehr um Y. kümmern würde. Ein anderes Verständnis ergibt keinen Sinn und ist gar nicht möglich, da die im Kosovo lebende Mutter keine Betreuungsaufgaben in Unterägeri hatte und insofern aus Sicht der Behörden nicht wegfallen konnte. Dass der Beschwerdeführer X. seinerseits unter allen Umständen an der Ehe festhalten wollte, ist durchaus begreiflich, doch ergeben die Fakten und die Aussagen von W. ein ganz anderes Bild. Es ist nämlich nicht einsichtig, weshalb sich die Ehefrau bei der Befragung beim AFM vom Juni 2008 zu solch schwerwiegenden Äusserungen hätte hinreissen lassen sollen, dass sie seit November 2007 versuche, von ihrem Ehemann Abstand zu nehmen, dass sie immer Gründe finde, um ihm auszuweichen und dass überdies der während der Ehe geborene Sohn V. nicht von ihm gezeugt worden sei. Dass sie sich solcherart nur ihren finanziellen Unterstützungspflichten habe entziehen wollen, wie dies der Beschwerdeführer X. darstellt, erscheint, gerade in Bezug auf die Vaterschaft von V., nicht plausibel. Handschriftlich gab W. dem AFM Ende Juli 2008 bekannt, dass sie sich von ihrem Ehemann getrennt habe, und sie bat gleichzeitig das Amt, ihren Aufenthaltsort nicht bekannt zu geben. Im Übrigen gab auch der Beschwerdeführer X. im Juni 2008 zu, dass er vornehmlich in H bei seinem Sohn lebe; er erklärte auch den Schulbehörden, dass er voraussichtlich im Herbst 2008 richtig nach H ziehen werde.

b) Tatsächlich muss eine vorübergehende Krise, die gar zu einer zeitweisen Trennung führt, nicht den Schluss nach sich ziehen, dass eine Ehe als Ganzes inhaltsleer und eine Berufung auf ihren Bestand als rechtsmissbräuchlich zu gelten hat. Wenn der Beschwerdeführer aber in diesem ausländerrechtlichen Verfahren vorbringt, noch im April 2009 hätten die Ehepartner an den Fortbestand geglaubt, wie sie dies beide gegenüber dem AFM bei der Befragung vom 9. April 2009 kundgetan hätten, steht dies in krassem Widerspruch zu seinen Aussagen, die er im Vaterschaftsanfechtungsprozess von U. machte. Damals sagte er bei der gerichtlichen Befragung explizit aus, dass er und seine Frau seit Mai 2008 getrennte Schlafzimmer und keinen Geschlechtsverkehr mehr hätten, dass sie nur noch eine Art Wohngemeinschaft bildeten. W. ihrerseits erklärte dazu, dass sie seit September/Oktober 2008 eine Beziehung mit dem leiblichen Vater von U. führe; sie sei seit ihrer Schwangerschaft «richtig» mit diesem Mann zusammen. Auch seine Erklärung, bis im Mai 2009, somit bis zum 6. Schwangerschaftsmonat, habe er gar nichts davon bemerkt, er habe bloss gedacht, seine Frau habe etwas zugenommen, sagt dies doch einiges über die Qualität einer Ehe aus. Unter diesen Umständen noch behaupten zu wollen, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine intakte, jedenfalls zukunftsträchtige Ehe geführt worden sei, spricht für ein unübliches, seltsames Eheverständnis. In sämtlichen Befragungen kam darüber hinaus zum Ausdruck, dass die Eheleute X.W. weder je gemeinsame Freunde noch Freizeitaktivitäten pflegten und oft an Wochenenden getrennte Wege gingen; beispielsweise tauschten sie auch keine Geschenke aus. Auch wenn alle Faktoren je einzeln für sich betrachtet noch nichts über den guten (Fort-)Bestand einer Ehe aussagen, führen diese Indizien zusammen zur berechtigten Annahme, dass der Beschwerdeführer X. und W. überwiegend mehr eine Zweck- denn eine eheliche Lebensgemeinschaft bildeten. Wenn auch vielleicht der Wille für eine Lebensgemeinschaft zwischendurch wieder aufgeflackert haben sollte, muss doch in Übereinstimmung mit dem Beschwerdegegner festgestellt werden, dass die eigentlich gelebte eheliche Beziehung jedenfalls keine drei Jahre dauerte. In diesem Sinn ist es vorliegend auch nicht erheblich, dass die Staatsanwaltschaft den Tatbestand einer von einer Beginn an beabsichtigten Scheinehe als nicht erhärtet betrachtete. Der Beschwerdegegner hat mit seinen Schlüssen kein Recht verletzt, weshalb dem Beschwerdeführer 1 gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG kein Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zusteht.

(...)

10. Die Vorinstanz erwog, dass ein allfälliger Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung auch erloschen wäre, da der Beschwerdeführer falsche Angaben gemacht und wesentliche Tatsachen verschwiegen habe (vgl. Art. 51 Abs. 2 AuG i.V.m. Art. 62 lit. a AuG), was vom Beschwerdeführer X. vollumfänglich bestritten wird. Auch diese Behauptung hat der Beschwerdegegner zu Recht widerlegt. Auf die am 18. Juni 2008 gestellte Frage des AFM, ob der Beschwerdeführer seit seiner Einreise in die Schweiz einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, antwortete er mit einem klaren Nein, obwohl er bei der Garage J. AG am 1. September 2006 eine Stelle als Automonteur angenommen hatte. Auch wenn er diese Arbeit wegen seiner Erkrankung nicht lange ausführen konnte, konnte er aufgrund dieses Arbeitsverhältnisses immerhin während zwei Jahren Leistungen von der Krankentaggeldversicherung sowie Kinderzulagen beziehen. Aus welchem Grund er solche Leistungen hätte erhalten sollen, wenn nicht aus dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses, hätte selbst ihm einleuchten müssen und können. Dass er das blosse Beziehen von Geldleistungen nicht als Arbeit empfand, wie dies sein Rechtsvertreter darstellt, ist kein vernünftiger und einsichtiger Grund, um die Frage zu verneinen, ob seit der illegalen Einreise je ein Arbeitsverhältnis eingegangen worden sei, sondern ist ohne weiteres als Schutzbehauptung zu werten. Dass mit dem Verschweigen der Schwangerschaft von W. beim Gespräch vom 9. April 2009 den Behörden eine wichtige Tatsache verheimlicht wurde, ist so offenkundig, dass es an sich keiner weiteren Erläuterungen mehr bedürfte. Wenn der Beschwerdeführer behauptet, er seinerseits habe davon keine Kenntnis gehabt und daher nichts verschwiegen, erscheint dies nur dann glaubwürdig, wenn er über längere Zeit überhaupt keinen relevanten Kontakt mit seiner Ehefrau pflegte, die Ehe also wirklich nur noch auf dem Papier geführt wurde. Dies brachte er im Übrigen im Vaterschaftsprozess, wo seine Interessen offensichtlich diametral anders als in den ausländerrechtlichen Verfahren gelagert waren, auch so zum Ausdruck. Zumindest die Ehefrau wäre aber entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers 1 gestützt auf die gesetzlich statuierte Mitwirkungspflicht (Art. 90 AuG) verpflichtet gewesen, den Behörden von dieser Tatsache Kenntnis zu geben. Aus all den vielen Gesprächen, die im Laufe der Jahre zwischen dem AFM und beiden Ehepartnern geführt wurden, war Letzteren die Bedeutung der zwischen ihnen bestehenden Gemeinschaft als Grundlage für die Beurteilung eines Aufenthaltsrechts klar bewusst. Die sinngemässe Aussage, eine Schwangerschaft sei in diesem Zusammenhang nicht von Relevanz, muss als blanke Ausrede bezeichnet werden.

11. Insgesamt müssen die Vorbringen des Beschwerdeführers X. in diesem Verfahren als reine Schutzbehauptungen angesehen werden, um seine Aufenthaltsbewilligung zu «retten». Wie der Beschwerdegegner zu Recht ausführt, weisen alle Indizien darauf hin, dass von einer gelebten, von gemeinsamem Ehewillen getragenen Gemeinschaft wenn überhaupt nur für kurze Zeit gesprochen werden kann. Die Akten zeigen klar, dass diesbezüglich ungünstige Aussagen von Ehefrau und Beschwerdeführer X. immer wieder dann beschönigend zurechtgebogen wurden, wenn die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung im Raum stand. In gleicher Art konnte der Beschwerdeführer so auch das Sorgerecht für Y. gerichtlich erwirken, was vielleicht nicht geschehen wäre, wenn er gegenüber dem kosovarischen Gericht seine persönliche Situation in gesundheitlicher und wirtschaftlicher Hinsicht etwas präziser und realitätsnäher dargestellt hätte.

Auch unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit steht der Verweigerung der Aufenthalts-bewilligung nichts entgegen. Der Beschwerdeführer X. verbrachte seine Jugend bis zum 16. Altersjahr im Kosovo, lebte dann bis Ende Dezember 2000 in der Schweiz, verbrachte ein Jahr wiederum im Kosovo, worauf er im Dezember 2001 wieder einreiste, wurde mit Entscheid vom 10. Mai 2002 des Wirtschaftsdepartements des Kantons Luzern rechtskräftig ausgewiesen und reiste dann im Dezember 2004 erneut illegal in die Schweiz ein. Er verbrachte somit einen bedeutenden Teil seines Lebens im Kosovo, wo er nach eigenen Ausführungen ein Haus besitzt und wo er in den vergangenen Jahren auch regelmässig seine Ferien verbrachte. Er ist somit bestens vertraut mit seiner Heimat, so dass es ihm nicht allzu schwer fallen sollte, sich wieder einzugliedern, was ihm dank seiner IV-Rente auch in wirtschaftlicher Hinsicht einfacher gelingen sollte. Für den Beschwerdeführer Y., der ohnehin keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus eigenem Recht gelten machen kann, ist die Rückkehr aber auch zumutbar, lebt doch dort seine leibliche Mutter und sein jüngeres Geschwister und wird ihm so der zwar in diesen Verfahren nie angesprochene, aber jedenfalls ebenfalls wichtige Kontakt zu seiner Familie ermöglicht. Die Würdigung der Aussagen und Fakten ergibt somit, dass der Beschwerdegegner unter allen Titeln zu Recht die Ansprüche des Beschwerdeführers X. und daraus folgend des Beschwerdeführers Y. auf Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung verneint hat. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. September 2011 V 2011 / 66

Eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wies das Schweizerische Bundesgericht mit Entscheid vom 22. Juni 2012 ab, soweit darauf einzutreten war.

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