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Art. 8 BV

§ 5 Bürgerrechtsgesetz

Regeste:

§ 5 Bürgerrechtsgesetz: Bei selbständigen Einbürgerungsgesuchen von Minderjährigen und jungen Erwachsenen ohne eigenes regelmässiges Einkommen und ohne Vermögen, hat die Einbürgerungsbehörde zu prüfen, ob deren Eltern bzw. gesetzliche Vertreter das Kriterium der geordneten finanziellen Verhältnisse erfüllen (Erw. 4.2 d). Bei der Prüfung der übrigen Eignungskriterien ist ein altersgerechter Massstab anzulegen, so auch bei der Kenntnis der mit dem Bürgerrecht verbundenen Rechte und Pflichten (Erw. 5.1 und 5.2). – § 28 VRG: Zieht eine ursprünglich verfügende Behörde, die im Beschwerdeverfahren nach § 39 VRG vor dem Regierungsrat unterlegen ist, den Fall ans Verwaltungsgericht weiter, wird sie zu einer «Partei mit gegensätzlichen Interessen» im Sinne von § 28 Abs. 2 Ziff. 1 VRG. Folgen für die Zusprache der Parteientschädigung (Erw. 7.2; Praxisänderung).

Aus dem Sachverhalt:

A.B. wurde am 17. November 1995 in Schwyz als mazedonische Staatsangehörige geboren. Seit dem 1. Juni 2000 wohnt sie in der Gemeinde X. im Kanton Zug. Am 29. Juni 2009 leiteten ihre Eltern für sie ein Einbürgerungsverfahren ein. Am 12. April 2010 lud der Bürgerrat der Bürgergemeinde X. die damals 14-jährige Gesuchstellerin und ihre Eltern zu einem Gespräch ein. Dabei empfahl der Bürgerrat A.B. die Rückstellung ihres Einbürgerungsgesuchs. In der Folge verlangten die Eltern den Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung, worauf der Bürgerrat am 15. Dezember 2010 feststellte, dass A.B. die gesetzlichen Voraussetzungen von § 5 des kantonalen Bürgerrechtsgesetzes zur Zeit nicht erfülle, und ihr Einbürgerungsgesuch abwies. Dagegen liess A.B. beim Regierungsrat Beschwerde einreichen. Dieser hiess die Beschwerde gut und wies die Sache zur Neubeurteilung an den Bürgerrat zurück. Kosten wurden keine erhoben, und eine Parteientschädigung liess der Regierungsrat der obsiegenden Seite nicht ausrichten.

Gegen diesen Entscheid lässt der Bürgerrat der Bürgergemeinde X. (fortan: Beschwerdeführer) am 20. Oktober 2011 Verwaltungsgerichtsbeschwerde einreichen und unter Kostenfolgen beantragen, der Entscheid des Regierungsrats sei aufzuheben. In der Folge beantragt der Regierungsrat (fortan: Beschwerdegegner 2) die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Auch die Gesuchstellerin (fortan: Beschwerdegegnerin 1) lässt u.a. die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Beschwerdeführers, auch für das vorinstanzliche Verfahren.

Aus den Erwägungen:

(...)

3. Vorliegend handelt es sich um das selbständige Einbürgerungsgesuch einer minderjährigen, in der Schweiz geborenen und seither ununterbrochen in der Schweiz wohnenden Person. Es ist zunächst die gesetzliche Regelung der Bürgerrechtserteilung durch behördlichen Beschluss für diesen Fall darzustellen.

3.1 Neben den im Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 29. September 1952 (BüG CH, SR 141.0) statuierten Mindestvorschriften (BGer 1D_5/2009 vom 25. August 2010, Erw. 3.2.) befinden sich die einschlägigen Vorschriften im Kanton Zug im Gesetz betreffend Erwerb und Verlust des Gemeinde- und des Kantonsbürgerrechts vom 3. September 1992 (BüG ZG, BGS 121.3). (...)

3.2 In Bezug auf die formelle Zulassung ist Art. 15 Abs. 1 BüG CH zu entnehmen, dass das Gesuch um Bewilligung nur der Ausländer stellen kann, der während insgesamt zwölf Jahren in der Schweiz gewohnt hat, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuches. Weiter bestimmt Art. 15 Abs. 2 BüG CH, dass für die Frist von zwölf Jahren die Zeit, während welcher der Bewerber zwischen seinem vollendeten 10. und 20. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet wird (...) Laut Art. 34 Abs. 1 BüG CH können Unmündige das Gesuch um Einbürgerung nur durch ihren gesetzlichen Vertreter einreichen. Art. 34 Abs. 2 BüG CH statuiert, dass über 16 Jahre alte Bewerber zudem ihren eigenen Willen auf Erwerb des Schweizer Bürgerrechts schriftlich zu erklären haben. Gemäss § 10 Abs. 1 BüG ZG können Ausländer, die im Besitz der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung sind, das Gemeinderecht der Wohngemeinde erwerben, wenn sie mindestens fünf Jahre im Kanton Zug gewohnt haben, wovon die letzten drei Jahre ununterbrochen in der Einbürgerungsgemeinde. Paragraph 11 BüG ZG regelt unter der Überschrift «Wohnsitzerfordernisse für jugendliche Ausländer der zweiten Generation» in Absatz 1, dass jugendlichen, in der Schweiz geborenen und aufgewachsenen Ausländern, die das Einbürgerungsgesuch vor dem 22. Altersjahr stellen und nach § 5 geeignet sind, nach Erteilung der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung das Gemeindebürgerrecht der Wohngemeinde zu erteilen ist, wenn sie mindestens fünf Jahre im Kanton Zug gewohnt haben. (...) Aufgrund von § 8 BüG ZG können Unmündige nach zurückgelegtem 16. Altersjahr selbständig das Gesuch um Einbürgerung stellen, jüngere Bewerber und Bevormundete oder Entmündigte nur durch den gesetzlichen Vertreter.

3.3 Das Einbürgerungsverfahren im Kanton und in der Gemeinde wird durch das kantonale Recht geregelt (Art. 15a BüG CH). Paragraph 5 BüG ZG bestimmt in Absatz 1, dass das Gemeinde- und das Kantonsbürgerrecht nur Bewerbern erteilt werden darf, die auf Grund ihrer persönlichen Verhältnisse hierzu geeignet sind. Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung ist insbesondere zu prüfen, ob der Bewerber mit den schweizerischen, kantonalen, örtlichen Lebensgewohnheiten vertraut ist, die mit dem Bürgerrecht verbundenen Rechte und Pflichten kennt und beachten will, genügend Sprachkenntnisse zur Verständigung mit Behörden und Mitbürgern besitzt sowie geordnete persönliche, familiäre und finanzielle Verhältnisse nachweisen kann.

3.4 In Einbürgerungsverfahren wird über den rechtlichen Status von Einzelpersonen entschieden. Das Einbürgerungsverfahren wird auf Gesuch des Bewerbers eingeleitet. In diesem Verfahren wird insbesondere abgeklärt, ob der Bewerber in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert ist und mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut ist, d.h. es erfolgt eine einzelfallbezogene Prüfung. Das Verfahren endet mit der Erteilung des Bürgerrechts oder der Abweisung des Gesuchs, d.h. einer individuell-konkreten Anordnung, die alle Merkmale einer Verfügung erfüllt. Das Einbürgerungsverfahren ist kein Vorgang in einem rechtsfreien Raum: Auch wenn kein Anspruch auf Einbürgerung besteht, muss die zuständige Behörde die einschlägigen Verfahrensbestimmungen und den Anspruch der Bewerber auf möglichste Wahrung ihres Persönlichkeitsrechts beachten; sie darf weder willkürlich noch diskriminierend entscheiden. Sie muss ihr Ermessen – auch wenn es sehr weit ist – pflichtgemäss, nach Sinn und Zweck der Bürgerrechtsgesetzgebung ausüben. Es handelt sich materiell um einen Akt der Rechtsanwendung. Die Gesuchsteller haben im Einbürgerungsverfahren Parteistellung: Sie haben Anspruch auf einen Entscheid über ihr Gesuch, d.h. auf verfügungsmässige Erledigung des Einbürgerungsverfahrens. Als Partei eines Verwaltungsverfahrens haben sie Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs und auf eine Begründung, wenn ihr Gesuch abgewiesen wird (vgl. BGE 129 I 232, Erw. 3.3). (...)

(...)

4. Der Beschwerdeführer lässt sinngemäss vortragen, er verfüge bei der Entscheidfindung bei der Prüfung der Voraussetzung der geordneten persönlichen finanziellen Verhältnisse im Rahmen von § 5 BüG ZG über einen Ermessensspielraum. Er dürfe generell voraussetzen, dass die Beschwerdegegnerin 1 ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten könne, ohne auf die Unterstützung Dritter angewiesen zu sein. Er verfüge über eine gefestigte und rechtsgleich angewandte Praxis, Gesuche von minderjährigen einbürgerungswilligen Personen erst dann zu behandeln, wenn diese mindestens eine Lehre abgeschlossen hätten.

4.1 Es ist richtig, dass der Beschwerdeführer über einen Ermessensspielraum bei seiner Entscheidfindung verfügt, so auch bei Einbürgerungsverfahren von jugendlichen Ausländern der zweiten Generation. Es stellt sich allerdings die Frage, ob er im vorliegenden Fall sein Ermessen missbraucht hat. (...)

4.2 a) Wie der Beschwerdegegner 2 richtig festgestellt hat, will der Bundesgesetzgeber die Einbürgerung Unmündiger privilegieren, indem er bei einem formellen Zulassungskriterium zum Verfahren – der Wohnsitzfrist des Gesuchstellers in der Schweiz – die Hürde für Jugendliche erheblich herabgesetzt hat. Aufgrund von Art. 15 Abs. 2 BüG CH i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BüG CH kann ein in der Schweiz geborener Jugendlicher bereits nach dem vollendeten elften Lebensjahr ein Einbürgerungsgesuch stellen. Aus Art. 34 Abs. 1 und Abs. 2 BüG CH ergibt sich zudem, dass solche Jugendliche auch nur für sich alleine das Einbürgerungsverfahren durchlaufen können. Wie der Beschwerdegegner 2 zudem richtig angeführt hat, war diese Privilegierung Jugendlicher bei Erlass des eidgenössischen Bürgerrechtsgesetzes im Jahre 1951 bewusst angestrebt worden, da im Allgemeinen ein erhöhtes Interesse an einer Einbürgerung der hier aufwachsenden ausländischen Kinder besteht (vgl. BBl 1951 II 669, S. 695). Auch der Gesetzgeber im Kanton Zug wollte bei der Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes im Jahre 1991 die Einbürgerung von jugendlichen Ausländern der zweiten Generation gezielt erleichtern. Dies tat er einerseits über eine Verkürzung der Wohnsitzfristen in § 11 BüG ZG, indem bei diesen Jugendlichen lediglich an der ununterbrochenen Wohnsitzdauer von fünf Jahren im Kanton Zug angeknüpft wird und nicht, wie bei den Erwachsenen in § 10 BüG ZG, zusätzlich noch eine ununterbrochene Wohnsitzfrist von drei Jahren in der Einbürgerungsgemeinde gefordert wird, bevor sie zum Einbürgerungsverfahren in ihrer Wohngemeinde zugelassen werden. Ferner bekamen diese Jugendlichen gegenüber den Erwachsenen auch im Verfahren eine privilegierte Stellung, (...). Die Kompetenz zur Einbürgerung der in der Schweiz geborenen Jugendlichen wurde nämlich schon 1992 dem Bürgerrat übertragen, während die erwachsenen Ausländer und nicht in der Schweiz geborene Jugendliche weiterhin durch Beschluss der Bürgergemeindeversammlung eingebürgert wurden (vgl. mit § 16 Abs. 2 BüG ZG in der Fassung vom 3. September 1992, in: GS Zug 24 129, S. 133). Dem regierungsrätlichen Bericht und Antrag zu Händen des Kantonsrates aus dem Jahr 1991 ist denn auch zu entnehmen, dass die im Gesetz vorgesehenen Erleichterungen für jugendliche Ausländer der zweiten Generation eine der sechs wesentlichen Änderungen des totalrevidierten Bürgerrechtsgesetzes darstellen würde (vgl. Regierungsratsvorlage Nr. 7568, Totalrevision des kantonalen Bürgerrechtsgesetzes vom 19. November 1991, S. 8), ferner dass sich im Vernehmlassungsverfahren gezeigt habe, dass gerade die erleichterte Einbürgerung von jugendlichen Ausländern von vielen Seiten ausdrücklich befürwortet worden sei (ebda., S. 9) und dass mit dieser Erleichterung eine Empfehlung der Konferenz der Aufsichtsbehörden im Zivilstandswesen umgesetzt werde (ebda. S. 14). Während den parlamentarischen Debatten zum totalrevidierten Bürgerrechtsgesetz erfolgten mit Blick auf die Regelung in § 11 BüG ZG keine Stellungnahmen (KR-Proto­kolle vom 21. Mai 1992, Nr. 354, S. 584-589 und vom 3. September 1992, Nr. 427, S. 746 f.). Die erleichterte Einbürgerung von jugendlichen in der Schweiz geborenen Ausländern im Kanton Zug war beim damaligen Gesetzgeber offenbar unbestritten. Wie schon das eidgenössische Bürgerrechtsgesetz sieht auch das kantonale Gesetz seit seiner Totalrevision im Jahr 1992 die Möglichkeit vor, dass Minderjährige selbständig, also ohne ihre Eltern, ein Einbürgerungsverfahren durchlaufen können. Solange sie noch nicht 16 Jahre alt sind, kann das verfahrenseinleitende Gesuch allerdings nur durch ihren gesetzlichen Vertreter gestellt werden (vgl. § 8 BüG ZG i.V.m. § 7 Abs. 1 BüG ZG). Weder im regierungsrätlichen Bericht und Antrag vom 19. November 1991 noch in den parlamentarischen Debatten wurde auf diese Regelung besonders eingegangen. Damit ist davon auszugehen, dass sie unbestritten und vom Gesetzgeber bewusst so gewollt war. Aufgrund der Regelung im Bürgerrechtsgesetz des Kantons Zug in Kombination mit derjenigen im eidgenössischen Bürgerrechtsgesetz kann also ein in der Schweiz geborener Ausländer, der seither in der Schweiz gelebt hat und ab seinem sechsten Lebensjahr ununterbrochen im Kanton Zug wohnt, schon nach seinem vollendeten elften Lebensjahr ein Einbürgerungsgesuch durch seinen gesetzlichen Vertreter stellen lassen und anschliessend selbständig ein Einbürgerungsverfahren durchlaufen.

b) Die Beschwerdegegnerin 1 erfüllte zum Zeitpunkt der Einreichung ihres Gesuchs als damals 13-Jährige unbestrittenermassen die obgenannten Voraussetzungen. Sie konnte demnach von den in den beiden anwendbaren Bürgerrechtsgesetzen bewusst gewollten Erleichterungen für in der Schweiz geborene und aufgewachsene ausländische Jugendliche profitieren. Entsprechend hatte auch der Bürgerrat der Gemeinde X. als für sie zuständige Einbürgerungsbehörde das Verfahren in Bezug auf das Gemeindebürgerrecht durchzuführen (§ 16 Abs. 1 BüG ZG), was er denn auch korrekterweise tat. Dabei hat er die Eignungskriterien anhand von § 5 BüG ZG geprüft, was ebenfalls nicht zu beanstanden ist.

c) Bei dieser Prüfung ist der Beschwerdeführer allerdings zum Schluss gekommen, dass die Beschwerdegegnerin 1 das Kriterium der geordneten finanziellen Verhältnisse nicht erfülle. (...) Er verfüge daher über eine gefestigte und rechtsgleich angewandte Praxis, Gesuche von minderjährigen einbürgerungswilligen Personen erst dann zu behandeln, wenn diese mindestens eine Lehre abgeschlossen hätten. Die Beschwerdegegner haben daraus gefolgert, dass der Beschwerdeführer damit faktisch die Einbürgerung unmündiger Einbürgerungswilliger verunmögliche. Der Beschwerdegegner 2 hat mit Blick auf Sinn und Zweck der vom Gesetz vorgesehenen erleichterten Einbürgerungsbedingungen für minderjährige Ausländer der zweiten Generation zudem festgehalten, dass diese Praxis auf eine nicht im Gesetz vorgesehene Voraussetzung gründe, womit der Beschwerdeführer das Legalitätsprinzip verletzt habe. Diesen Schlussfolgerungen ist beizupflichten, zumal diese Praxis nicht nur minderjährige Jugendliche, sondern auch junge Erwachsene trifft. Die meisten Jugendlichen haben ihren 18. Geburtstag schon länger hinter sich, wenn sie nach der dreijährigen Berufslehre ihre erste Stelle antreten und ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten können. Die Praxis des Beschwerdeführers zu Ende gedacht bedeutet ausserdem, dass Jugendliche, die eine vierjährige Lehre absolvieren, und solche, welche die Sekundarstufe II (Kantonsschule, Fachmittelschulen und Wirtschaftsmittelschulen) besuchen, erst in ihrem 19. oder 20. Lebensjahr Aussicht auf Behandlung ihres Einbürgerungsgesuchs in X. haben, vorausgesetzt sie treten nach ihrer Ausbildung sofort ins Berufsleben ein. Ferner könnten junge ausländische Erwachsene, welche die tertiäre Bildungsstufe in Anspruch nehmen (Besuch von Universität, ETH oder Fachhochschulen) überhaupt nicht von den erleichterten Einbürgerungsbedingungen gemäss § 11 BüG ZG profitieren, wenn sie in der Gemeinde X. wohnen, da sie bis zu ihrem vollendeten 22. Lebensjahr in den allermeisten Fällen noch über gar kein eigenes regelmässiges Einkommen verfügen. Die Praxis des Beschwerdeführers führt schliesslich auch dazu, dass ausländische Minderjährige der zweiten Generation in der Gemeinde X. umgekehrt dann gute Aussichten auf Behandlung ihres Einbürgerungsgesuchs haben, wenn sie selber vermögend sind oder als Ausnahmetalente etwa im sportlichen oder künstlerischen Bereich über eine eigene regelmässig Einkommensquelle verfügen, aber auch, wenn sie nach der obligatorischen Schulzeit auf eine Berufslehre verzichten und eine Arbeitsstelle antreten, für die keine besonderen Qualifikationen verlangt werden. Ferner müsste die erwähnte Praxis des Beschwerdeführers, konsequent umgesetzt, dazu führen, dass es keine Einbürgerungen mehr von unmündigen Kindern geben könnte, die gemäss § 7 Abs. 1 BüG ZG in das Einbürgerungsgesuch ihrer Eltern einbezogen worden sind. Denn auch diese sind auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen und würden damit die Voraussetzung der geordneten finanziellen Voraussetzungen von § 5 Abs. 2 BüG ZG in der Interpretation des Beschwerdeführers nicht erfüllen. Dass dies alles nicht Absicht des Gesetzgebers war, als er die erleichterten Zulassungskriterien zum Einbürgerungsverfahren für jugendliche Ausländer der zweiten Generation ins Gesetz schrieb, steht nach dem Gesagten (vgl. Erw. 4.2.a) ausser Zweifel. Die Praxis des Beschwerdeführers widerspricht damit eklatant Sinn und Zweck von § 11 Abs. 1 BüG ZG und erweist sich als unhaltbar. (...)

d) Es stellt sich die Frage nach einem geeignetem Kriterium zur Feststellung der geordneten finanziellen Verhältnisse bei Einbürgerungsgesuchen von Ausländern der zweiten Generation, die ihr Gesuch als Minderjährige oder junge Erwachsene stellen und die über kein eigenes Einkommen oder Vermögen verfügen. Der Beschwerdegegner 2 verweist in diesem Zusammenhang auf einen Entscheid des Bundesgerichts, der einen Fall aus dem Kanton Zürich betrifft. Massgebende Gesetzesgrundlage bei der Eignungsprüfung von einbürgerungswilligen, in der Schweiz geborenen jungen Ausländern ist in Zürich § 21 Abs. 2 des Gemeindegesetzes vom 6. Juni (GemeindeG, LS 131.1) i.V.m. § 21 Abs. 1 GemeindeG. Ein in der Schweiz geborener Ausländer wird demnach in das Gemeindebürgerrecht aufgenommen, wenn er neben anderen zu erfüllenden Voraussetzungen seine Familien zu erhalten vermag. Paragraph 5 der Bürgerrechtsverordnung vom 25. Oktober 1978 (BüV ZH, LS 141.11) verdeutlicht sodann, was unter der verlangten Fähigkeit der wirtschaftlichen Erhaltung zu verstehen ist. Sie besteht gemäss dieser Bestimmung, wenn die Lebenskosten und Unterhaltsverpflichtungen eines Bewerbers voraussichtlich in angemessenem Umfang durch Einkommen, Vermögen und Rechtsansprüche gegen Dritte abgedeckt sind. Im vom Bundesgericht zu beurteilenden Fall befand sich die Gesuchstellerin ebenfalls noch in Ausbildung und war finanziell von den Eltern abhängig. Diese bezogen aber Sozialhilfe, und das Bundesgericht hat festgestellt, dass die Gesuchstellerin somit faktisch auch Sozialhilfe beziehen würde, womit die Fähigkeit zur wirtschaftlichen Erhaltung nicht gegeben und die Gesuchstellerin somit zurecht nicht eingebürgert worden sei (BGer 1D_5/2009 vom 25. August 2010, Erw. 3.2 und 3.3). Insofern ist der Zürcher Fall mit dem hier Vorliegenden nicht zu vergleichen. Indessen führt das höchste Gericht in seinen Erörterungen ebenfalls aus, dass abgesehen von der durch ihn zu beurteilenden Konstellation Unterhaltsansprüche von Einbürgerungswilligen gegenüber ihren Eltern an sich als Rechtsansprüche gegen Dritte im Sinne von § 5 BüV ZH anzusehen seien, indem es ausführte: «Entscheidend ist in erster Linie der Umstand, dass nicht angenommen werden kann, dass mit § 21 GemeindeG und § 5 BüV der Unterhaltsanspruch von Kindern – sowohl nach Art. 276 wie Art. 277 ZGB – hätte vorbehalten werden sollen. Auch im Zusammenhang mit der ausländerrechtlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung sind keine Anzeichen für eine derartige Auslegung ersichtlich» (BGer 1D_5/2009, Erw. 3.2). Somit war es nicht falsch, wenn der Beschwerdegegner 2 in seinem Entscheid auf das erwähnte Bundesgerichtsurteil abstellte. Da, wie festgestellt, es Sinn und Zweck von § 11 BüG ZG ist, minderjährige und erwachsene Jugendliche, die in der Schweiz auf die Welt gekommen und im Kanton Zug aufgewachsen sind, erleichtert einzubürgern, müssen die Behörden bei diesem Personenkreis auch das materiellrechtliche Eignungskriterium der geordneten finanziellen Verhältnisse in § 5 Abs. 2 BüG ZG jugendgerecht auslegen und entsprechend anwenden. Nach dem Gesagten ist es somit nicht zu beanstanden, wenn der Beschwerdegegner 2 feststellt, dass Sinn und Zweck von § 5 BüG ZG in diesem Punkt mit demjenigen von § 5 BüV ZH übereinstimmt. (...) Im Sinne eines Zwischenergebnisses ist somit an dieser Stelle festzuhalten, dass an der vom Beschwerdegegner 2 vorgenommenen Auslegung von § 5 Abs. 2 BüG ZG im Hinblick auf Einbürgerungsgesuche von den in § 11 BüG ZG erfassten minderjährigen und erwachsenen jugendlichen Ausländern der zweiten Generation nichts zu beanstanden ist. Somit wird der Beschwerdeführer angehalten, bei ähnlich gelagerten Fällen seine bisherige Praxis nicht mehr weiter zu verfolgen. Bei den gestützt auf § 11 BüG ZG gestellten Einbürgerungsgesuchen von Minderjährigen und jungen Erwachsenen, die noch über kein eigenes regelmässiges Einkommen oder noch über kein eigenes Vermögen verfügen und die sich noch in der ordentlichen Erstausbildung befinden, hat die zuständige Einbürgerungsbehörde bei der Prüfung der Voraussetzung der geordneten finanziellen Verhältnisse darauf abzustellen, ob die Eltern bzw. gesetzlichen Vertreter der Gesuchsteller dieses Kriterium erfüllen. Ist dies zu bejahen, kann ihnen die Einbürgerung nicht mit der Begründung verweigert werden, sie würden nicht in geordneten finanziellen Verhältnissen leben. Auch eine Sistierung des Einbürgerungsgesuchs ist mit dieser Begründung in solchen Fällen nicht statthaft.

(...)

5. Der Beschwerdeführer stellt sich weiter auf den Standpunkt, der Beschwerdegegner 2 habe unerlaubt in seine Autonomie eingegriffen, indem er in seinem Entscheid vom 20. September 2011 erwog, das Kriterium der Kenntnisse der mit dem Bürgerrecht verbundenen Rechte und Pflichte sei bei jugendlichen Gesuchstellern weniger stark zu gewichten als bei Erwachsenen.

5.1 Es trifft zu, dass der Beschwerdeführer auch bei der Prüfung der in § 5 Abs. 2 BüG ZG enthaltenen Voraussetzung der Kenntnisse der mit dem Bürgerrecht verbundenen Rechte und Pflichten über einen Ermessensspielraum verfügt. Doch gilt hier das Gleiche, wie zuvor schon festgehalten, nämlich dass auch dieses Kriterium in den Einbürgerungsfällen gemäss § 11 BüG ZG entsprechend dem Sinn und Zweck des Gesetzes auszulegen und anzuwenden ist (Erw. 4.2 d). Dies bedeutet, dass die zuständige Behörde bei ihrer Prüfung insbesondere auf das Alter und den Ausbildungsstand des Einbürgerungskandidaten Rücksicht zu nehmen hat. Hat sie das nicht getan, wie von den Beschwerdegegnern behauptet, hätte sie unverhältnismässig gehandelt und damit eine Rechtsverletzung begangen (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV) und damit das ihr eingeräumte Ermessen missbraucht. Diese Frage gilt es nachfolgend zu klären. Den Akten kann dazu Folgendes entnommen werden:

a) Dem am 1. Juli 2009 bei der Direktion des Innern eingegangenen Einbürgerungsgesuch der zu diesem Zeitpunkt 13-jährigen Beschwerdegegnerin 1 war auch ein ergänzender Fragebogen des Zivilstands- und Bürgerrechtsdienstes beigefügt, den die Beschwerdegegnerin 1 ebenfalls ausgefüllt hat. In Ziffer 4 wurde in diesem ergänzenden Fragebogen nach den politischen Interessen gefragt. Die Beschwerdegegnerin 1 gab dabei an, dass sie nicht an politischen Aktivitäten teilnehme und nicht in einer politischen Partei oder Gruppierung aktiv sei. Bei der Frage c) «Wie ist Ihre Einstellung zur schweizerischen Demokratie» antwortete sie: «Ich kenne mich nicht aus.» Aus dem Fragebogen geht weiter hervor, dass die Gesuchstellerin in jenem Zeitpunkt die erste Klasse im Oberstufenschulhaus der Gemeinde X. besuchte.

(...)

c) Dem Protokoll der Bürgerratssitzung vom 12. April 2010 kann entnommen werden, dass die Vertreter des Beschwerdeführers sich zuerst eine Viertelstunde alleine mit der Beschwerdegegnerin 1 – sie war damals inzwischen 14-jährig – unterhalten haben. Danach fand ein 25 Minuten dauerndes Gespräch mit den Eltern statt. Im ersten Teil berichtete die Beschwerdegegnerin 1 zunächst über ihre aktuelle Lebenssituation. Darauf erkundigten sich die Behördenvertreter danach, ob sie in der Schweiz weitere Verwandte habe. Anschliessend hielt ihr der Bürgerratspräsident vor, sie habe in ihrem Gesuch Personen als Referenzen angegeben, welche sie gar nicht kennen würden. Er erklärte weiter, dass es nicht gehe, falsche Angaben zu machen und es riskant sei, solche Angaben auf einem öffentlichen Papier zu machen. Darauf teilte ihr der Bürgerpräsident mit, dass die Integration und die Deutschkenntnisse kein Problem darstellen würden. Anders würde es sich mit der finanziellen Unabhängigkeit verhalten. Diese sei noch nicht gegeben. Er empfehle ihr, das Gesuch zurückzustellen, bis sie eine Ausbildung beendet habe und eine Anstellung vorhanden sei. Die mangelnden staatsbürgerlichen Kenntnisse wurden beim Gespräch mit der Beschwerdegegnerin 1 gemäss Protokoll nicht angesprochen. Dem Papier kann weiter entnommen werden, dass beim nachfolgenden Gespräch zwischen Vertretern des Beschwerdeführers und den Eltern der Beschwerdegegnerin 1 die fehlerhaften Referenzen und die finanzielle Abhängigkeit der Beschwerdegegnerin 1 thematisiert wurden. Die mangelnden Kenntnisse der Beschwerdegegnerin 1 im Bereich Politik und Staatskunde wurden bei diesem zweiten Gespräch nicht zur Sprache gebracht.

d) In einem an die Beschwerdegegnerin 1 gerichteten Schreiben vom 30. April 2010 erklärt der Beschwerdeführer, wieso er ihr empfehle, das Einbürgerungsgesuch bis zu einem Ausbildungs-/Lehrende zurückzustellen. (...) Die mangelnden staatsbürgerlichen Kenntnisse sind in diesem Brief kein Thema.

e) In der beschwerdefähigen Verfügung vom 15. Dezember 2010 wird der Beschwerdegegnerin 1 in den Erwägungen in Abschnitt N vorgehalten, sie sei noch nicht ausreichend in der Lage, die mit dem Bürgerrecht verbundenen Rechte und Pflichte und insbesondere die Tragweite einer innerhalb der Familie isoliert erfolgten Einbürgerung richtig einzuschätzen.

5.2 Führt man sich dieses Geschehen vor Augen, ist Folgendes festzuhalten: Die Beschwerdegegnerin 1 hat als damals 13-jährige Gesuchstellerin auf einem offensichtlich für erwachsene Gesuchsteller konzipierten Fragebogen auf die Frage nach ihrer Einstellung zur schweizerischen Demokratie mit entwaffnender Offenheit diejenige Antwort gegeben, welche höchstwahrscheinlich die meisten ihrer Altersgenossen, welche die Oberstufe im Kanton Zug besuchen, in derselben Situation auch geben würden, nämlich dass sie sich nicht auskenne. (...) Aus den Akten geht aber auch hervor, dass die Vertreter der Beschwerdeführer, fast ein Jahr nachdem die Beschwerdegegnerin 1 den Fragebogen ausgefüllt hat, sich nicht danach erkundigt haben, ob die nunmehr 14 Jahre alt gewordene Oberstufenschülerin inzwischen doch über staatsbürgerliche Kenntnisse bzw. Interessen verfügt. Der Beschwerdeführer hat in seinen Rechtschriften behaupten lassen, die Beschwerdegegnerin 1 würde staatsbürgerlichen Unterricht geniessen. Dies steht allerdings keineswegs fest, jedenfalls hat er die Behauptung durch nichts belegt. Doch wenn der Beschwerdeführer sich schon auf diesen Standpunkt stellt, erstaunt es umso mehr, dass er das Gespräch vom 12. April 2010 mit der Beschwerdegegnerin 1 nicht zum Anlass genommen hat, altersgerecht nachzuhaken und sich mit ihr über dieses Schulfach zu unterhalten. Aufgrund ihrer Antworten hätte er gewiss ein differenzierteres Bild über die vorhandenen staatspolitischen Kenntnisse und Interessen der Beschwerdegegnerin 1 gewonnen als vorliegend, (...). Hätte die Beschwerdegegnerin 1 anlässlich des Gesprächs gar geantwortet, dass staatsbürgerliche Themen in ihrer Schule noch gar nicht unterrichtet worden seien, dann hätte sich jedes weitere Nachfragen wohl erübrigt; denn es wäre stossend von einer 14-jährigen ausländischen Jugendlichen, die sich für die Schweizer Staatsbürgerschaft interessiert, aber erst in vier Jahren erstmals würde stimmen und wählen dürfen, mehr Wissen und Interesse an politischen Vorgängen zu verlangen als von einem Schweizer Altersgenossen, der die gleiche Schule besucht. Es ist somit alles in allem festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf die staatsbürgerlichen Kenntnisse der Beschwerdegegnerin 1 keine altersgerechten, das heisst unverhältnismässig strenge Massstäbe angelegt und somit sein Ermessen offenkundig nicht pflichtgemäss ausgeübt hat. (...)

5.3 Damit steht als Ergebnis fest, dass der Beschwerdegegner 2 insgesamt sein Ermessen nicht überschritten hat, beziehungsweise nicht übermässig in die Gemeindeautonomie der beschwerdeführenden Gemeinde eingegriffen hat, indem er am 20. September 2011 entschied, die Verfügung des Beschwerdeführers vom 15. Dezember 2010 sei wegen Ermessensmissbrauchs aufzuheben und der Beschwerdeführer habe das Einbürgerungsgesuch der Beschwerdegegnerin 1 weiter zu behandeln. Der Beschwerdegegner vermag vor Gericht mit keinem seiner Begehren durchzudringen, und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist vollumfänglich abzuweisen.

(…)

6. Einem vollständig vor Verwaltungsgericht unterliegenden Gemeinwesen, wie vorliegend, sind die Gerichtskosten nur dann aufzuerlegen, wenn es am Verfahren wirtschaftlich interessiert ist oder zum Verfahren durch einen groben Verfahrensmangel oder durch eine offenbare Rechtsverletzung Anlass gegeben hat (§ 24 Abs. 2 VRG i.V.m. § 23 Abs. 1 Ziff. 3 VRG). Ein wirtschaftliches Interesse am Verfahrensausgang seitens des Beschwerdeführers liegt hier nicht vor. Der für die Bürgergemeinde X. handelnde Beschwerdeführer war mit dem Entscheid der Vorinstanz nicht einverstanden, weil er darin einen unerlaubten Eingriff in sein Ermessen, bzw. seinen Autonomiebereich erblickte, und er hat dementsprechend das Verwaltungsgericht in einer Beschwerde gebeten, diesen Entscheid nochmals zu überprüfen. Damit hat der Beschwerdeführer das hier vorliegende verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht durch einen groben Verfahrensmangel oder durch eine offenbare Rechtsverletzung ausgelöst, womit ihm auch keine Verfahrenskosten aufzuerlegen sind.

7. Der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin 1 verlangt die Ausrichtung einer Parteientschädigung zu Lasten der Bürgergemeinde X. Paragraph 28 Abs. 2 VRG bestimmt, dass im Rechtsmittelverfahren der ganz oder teilweise obsiegenden Partei eine Parteientschädigung zu Lasten der unterliegenden Partei nach Massgabe ihres Obsiegens zuzusprechen ist. Gemäss § 28 Abs. 2 Ziff. 1 VRG geht die Parteientschädigung zu Lasten der unterliegenden Partei, wenn Parteien mit gegensätzlichen Interessen am Verfahren beteiligt sind; gemäss § 28 Abs. 2 Ziff. 2 VRG geht sie zu Lasten des Gemeinwesens, wenn dessen Behörde als Vorinstanz einen Verfahrensfehler oder eine offenbare Rechtsverletzung begangen hat. Es stellt sich die Frage, ob vorliegend Ziffer 1 oder Ziffer 2 dieser Bestimmung anwendbar ist.

7.1 Sinn und Zweck von § 28 Abs. 2 Ziff. 2 VRG ist ein gewisser Schutz zu Gunsten der erstinstanzlich verfügenden Behörden. Diese sind in Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben verpflichtet, tagtäglich Entscheide zu fällen, Gesuche zu beantworten, Anfragen zu beantworten. Dabei können, wie überall, Fehler vorkommen. Die Bestimmung sieht nun vor, dass wenn solche Fehler erst nach Ergreifung eines Rechtsmittels von der übergeordneten Instanz korrigiert werden, das Gemeinwesen die Parteientschädigung der Gegenseite nur ausnahmsweise übernehmen muss, nämlich in Fällen, in denen der Fehlentscheid der Behörde auf qualifizierte Rechtsverletzungen zurückzuführen ist. Wäre es anders, bestünde eine gewisse Gefahr, dass die Behörden insbesondere in heiklen Fällen nicht mehr entscheiden oder schwierige Entscheide über Gebühr auf die lange Bank schieben würden. Die Schutzbestimmung dient letztlich dem reibungslosen Funktionieren der Verwaltung und ist damit auch im öffentlichen Interesse.

7.2 Vorliegend handelt es sich allerdings um einen Rechtsstreit zwischen einer Behörde und einem Privaten, der deshalb an das Verwaltungsgericht gelangt ist, weil die zuerst verfügende Behörde einen vorinstanzlichen Entscheid des Regierungsrats, in dem der private Rechtssuchende mit seinen Anträgen vollständig durchgedrungen ist, nicht akzeptieren wollte und zu einem Rechtsmittel gegriffen hat. In solchen Fällen handelt die ursprünglich verfügende Behörde indessen nicht mehr als Vorinstanz, denn der Regierungsrat hat die Streitsache ja neu beurteilt und einen Entscheid zu Gunsten des Privaten gefällt. Wenn indessen der Private durch die ein Rechtsmittel ergreifende Behörde gezwungen wird, sich vor einer weiteren Instanz für seine Sache einzusetzen, dann ist nicht einzusehen, warum in der Folge das ursprünglich verfügende Gemeinwesen noch vom Privileg gemäss § 28 Abs. 2 Ziff. 2 VRG sollte profitieren können. Eine Behörde wird dann zu einer «Partei mit gegensätzlichen Interessen», wenn sie selber Beschwerde führt. In solchen Fällen stehen sich vor Verwaltungsgericht somit zwei Parteien mit gegensätzlichen Interessen gegenüber und es ist § 28 Abs. 2 Ziff. 1 VRG anzuwenden. Im vorliegenden Fall hat die Bürgergemeinde X. gegen den Beschluss des Regierungsrates Beschwerde erhoben und gilt damit als «Partei mit gegensätzlichen Interessen», d.h. sie hat der Beschwerdegegnerin 1 nach Massgabe ihres Unterliegens eine Parteientschädigung auszurichten. Da sie vor Verwaltungsgericht vollständig unterliegt, hat sie somit die ganze Parteientschädigung auszurichten.

7.3 Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch die Auferlegung der Parteientschädigung für weitere Konstellationen aufgeführt. Hätte A.B. bei der gegebenen Ausgangslage im Verfahren vor Verwaltungsgericht verloren, dann müssten ihr aufgrund von § 28 Abs. 2 Ziff. 1 VRG an sich die Parteikosten der Bürgergemeinde auferlegt werden, da diese ebenfalls anwaltlich vertreten ist. Gemäss langjähriger Praxis des Verwaltungsgerichts wird den obsiegenden Gemeinwesen indessen in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen. Die Auferlegung der Parteikosten zu Lasten des Privaten würde sich gemäss dieser Praxis nur in Fällen rechtfertigen, in denen komplexe Rechtsfragen zu beantworten sind oder in denen auf beiden Seiten ein grosses wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens besteht. Grund für diese Praxis ist die Tatsache, dass die Erhebung und Beantwortung von Rechtsmitteln zu den angestammten Aufgabenbereichen einer Gemeinde gehören. Zudem beschlagen Streitigkeiten im Bereich des öffentlichen Rechts in der Regel Rechtsgebiete, in denen ein Gemeinwesen gegenüber dem beteiligten Privaten einen Wissensvorsprung besitzt (vgl. hierzu Kölz / Bosshart / Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. A., Zürich 1999, § 17 N 19). Hätte der Regierungsrat den Entscheid des Bürgerrates der Gemeinde X. hingegen vollständig gestützt und wäre A.B. mit einer dagegen gerichteten Beschwerde vor Verwaltungsgericht vollständig durchgedrungen, dann käme § 28 Abs. 2 Ziff. 2 VRG zur Anwendung. Die Parteien, die sich in dieser Situation vor Gericht gegenüberstehen würden, wären die Beschwerdeführerin und der Regierungsrat. In diesem Fall hätte der Regierungsrat die Parteikosten der obsiegenden Beschwerdeführerin zu übernehmen, aber nur, wenn er einen Verfahrensfehler oder eine offenbare Rechtsverletzung begangen hätte.

(...)

7.5 Der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin 1 verlangt vor Verwaltungsgericht, dass dem Beschwerdeführer auch die der Beschwerdegegnerin 1 im vor­instanzlichen Verfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen sind. Diesem Gesuch kann hier nicht entsprochen werden. Die Beschwerdegegnerin 1 tritt in diesem Verfahren nicht als Partei auf, die mit dem Entscheid der Vorinstanz nicht einverstanden ist, sondern sie hat ihn im Gegenteil akzeptiert und setzt sich nun zusammen mit der Vorinstanz gegen die dagegen gerichtete Beschwerde zur Wehr. Wäre die Beschwerdegegnerin 1 in der Frage der Parteientschädigung mit dem Entscheid der Vorinstanz nicht einverstanden gewesen, hätte sie den Entscheid vom 20. September 2011 in diesem Punkt innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Ver­waltungsgericht anfechten müssen. In dem nun ausschliesslich von der Bürgergemeinde X. angestossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist dieses Begehren nun nicht mehr zu hören; denn das Institut der Anschlussbeschwerde ist dem Zuger Verwaltungsrechtspflegegesetz fremd. (...)

7.6 Der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin 1 zweifelt die Bestimmung in § 28 Abs. 2 Ziff. 2 VRG in grundsätzlicher Weise an und stellt sich auf den Standpunkt, sie halte vor der Verfassung nicht stand. Diese Frage ist indessen vom Bundesgericht geklärt worden. Noch unter der Herrschaft der alten Bundesverfassung entschied es im Jahr 1978, dass wenn keine kantonale Vorschrift die Ausrichtung einer Parteientschädigung vorsieht, sich aus der damals in Kraft stehenden Bestimmung von Art. 4 aBV kein Anspruch des in einem Verwaltungsbeschwerdeverfahren obsiegenden Beschwerdeführers auf Zusprechung einer Parteientschädigung herleiten lasse. Es bestehe nur im Einzelfall ein Recht auf eine solche Entschädigung, wenn die Ablehnung des Entschädigungsbegehrens angesichts der ganz besonderen konkreten Umstände in stossender Weise dem Gerechtigkeitsempfinden zuwiderliefe (BGE 104 Ia 9, Erw. 1, vgl. auch mit Bernet Martin, Die Parteientschädigung in der schweizerischen Verwaltungsrechtspflege, Zürich 1986, S. 59 f.). Auch unter der Ägide der neuen Bundesverfassung hat das oberste Gericht an seiner Praxis ausdrücklich festgehalten und dabei hervorgestrichen, dass sie mit dem Rechtsgleichheitsgebots vereinbar sei (BGer 2P.147/2005 vom 31. August 2005, Erw. 2.2 und 2.3). Ist nun aber bereits das gänzliche Fehlen eines gesetzlichen Anspruchs auf Parteientschädigung in einem kantonalen Verwaltungsbeschwerdeverfahren mit der Verfassung vereinbar, so lassen sich erst recht nicht die Vorschriften von § 28 Abs. 2 Ziff. 1 VRG und § 28 Abs. 2 Ziff. 2 VRG als verfassungswidrig bezeichnen, welche ja gerade bestimmte Konstellationen vorsehen, in denen einem privaten Beschwerdeführer ein Anspruch auf Parteientschädigung vermittelt wird.

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. Februar 2012 V 2011 135

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