Navigieren auf Kanton Zug

Inhaltsnavigation auf dieser Seite

Navigation

Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Verfahrensrecht

Bau- und Planungsrecht

Steuerrecht

Art. 21 Abs. 1 lit. b DBG, § 20 Abs. 1 lit. b StG, § 7 VV StG

Regeste:

Art. 21 Abs. 1 lit. b DBG, § 20 Abs. 1 lit. b StG, § 7 VV StG - Leben zwei Personen in einer 5.5 Zimmer-Wohnung, so kommt ein Unternutzungsabzug ausnahmsweise in Betracht, wenn eines oder mehrere Zimmer praktisch leer stehen und weder als Lagerraum (z.B. für Möbel) noch als Besucherzimmer zur Verfügung stehen (Erw. 3).

Aus dem Sachverhalt:

Am 7. Dezember 2011 eröffnete die Steuerverwaltung des Kantons Zug die Veranlagung für die Kantons- und Gemeindesteuern sowie die direkte Bundessteuer für X. und Y. für das Steuerjahr 2010. Sie setzte dabei das im Kanton Zug steuerbare Einkommen auf Fr. 170'900.- und das bei der direkten Bundessteuer satzbestimmende Einkommen auf Fr. 177'800.- fest. Gegen diese Veranlagung liessen X. und Y. Einsprache einreichen und beantragen, es sei beim Eigenmietwert ein Unternutzungsabzug von zwei Zimmern festzusetzen. Mit Entscheid vom 3. Juli 2012 wies die Rechtsmittelkommission der Steuerverwaltung die Einsprache ab. Gegen diesen Einspracheentscheid liessen X. und Y. am 10. August 2012 Rekurs einreichen und einen Unternutzungsabzug beantragen. Zur Begründung lassen sie ausführen, beim fraglichen Wohnobjekt handle es sich um ein Haus und nicht um eine Wohnung, wobei die 5.5 Zimmer grundsätzlich zur Geltendmachung des Unternutzungsabzuges berechtigen würden. Die Steuerpflichtigen hätten das Objekt im Herbst 19.. erworben. Sohn A. und B. würden bereits seit 10 Jahren nicht mehr in Zug wohnen, die Tochter C, welche bis Ende 2010 in Zug gemeldet gewesen sei, halte sich seit acht Jahren zu Studienzwecken im Ausland auf. Weiter lassen die Steuerpflichtigen ausführen, sie hätten in dem unternutzten Objekt weder ein Arbeitszimmer (Pensionierung) noch einen Bastelraum. Es werde weder untervermietet noch seien Lagerräume eingerichtet worden. Es werde auch nur ein Unternutzungsabzug für zwei und nicht für drei Zimmer geltend gemacht. Mit Vernehmlassung vom 6. September 2012 beantragt die Rechtsmittelkommission der Steuerverwaltung die Abweisung des Rekurses, soweit auf ihn einzutreten sei.

Aus den Erwägungen:

1. (...)

2. Gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. b DBG sind die Erträge aus unbeweglichem Vermögen steuerbar, insbesondere der Mietwert von Liegenschaften oder Liegenschaftsteilen, die dem Steuerpflichtigen aufgrund von Eigentum oder eines unentgeltlichen Nutzungsrechts, für den Eigengebrauch zur Verfügung stehen. Die Festsetzung des Eigenmietwerts erfolgt unter Berücksichtigung der ortsüblichen Verhältnisse und der tatsächlichen Nutzung der am Wohnsitz selbst bewohnten Liegenschaft (Art. 21 Abs. 2 DBG). Das kantonale Recht enthält in § 20 StG wörtlich identische Bestimmungen. In § 20 Abs. 2 Satz 2 StG erhält der Regierungsrat die Kompetenz zur näheren Regelung der Voraussetzungen für die Festsetzung des Eigenmietwerts, wobei der Eigenmietwert auf das zulässige Minimum festzusetzen ist. Paragraph 7 der Verordnung zum Steuergesetz vom 30. Januar 2001 (VV StG, BGS 632.11) enthält Regeln zum Unternutzungsabzug. Er bestimmt in Absatz 1, dass bei einer am Wohnsitz selbstbewohnten Liegenschaft oder einem Teil davon der Marktmietwert infolge dauernder Unternutzung reduziert wird. Voraussetzung ist einerseits ein offensichtliches Missverhältnis zwischen der Wohnungsgrösse und der die Wohnung nutzenden Person sowie andererseits das Bestehen einer effektiven Unternutzung. Der Anspruch auf Reduktion des Marktmietwerts setzt kumulativ voraus: a) Mindestgrösse der Wohnung: 5 Zimmer; b) Verzicht auf jegliche Nutzung der entsprechenden Zimmer (auch nicht als Lagerräume); c) Verminderung der bisherigen Wohnbedürfnisse (§ 7 Abs. 2 VV StG).

a) Das Bundesgericht hat sich in einem neueren Entscheid (Urteil vom 7. Juli 2009 2C_87/2009) sehr ausführlich mit Sinn und Zweck des Unternutzungsabzuges auseinandergesetzt und in Erw. 2.2 - 2.7 unter anderem Folgendes ausgeführt (der Entscheid wird im Folgenden in weiten Teilen wörtlich zitiert, ohne dass alle weiterführenden Hinweise des Bundesgerichts aufgeführt werden):

(...)

c) Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte, den Regelungszweck und die Gesetzessystematik der hier massgeblichen Bestimmung hat die Eidgenössische Steuerverwaltung am 7. Juli 1994 ein Rundschreiben verfasst, das im Einklang mit der Lehre wesentliche Richtlinien für die verfassungs- und gesetzesgerechte Auslegung von Art. 21 Abs. 2 DBG enthält:

  • Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung geht hervor, dass der Abzug nur für das am Wohnsitz selbstgenutzte Eigentum in Frage kommt, nicht aber für Zweit- bzw. Ferienwohnungen. Gemeint ist also nicht die zeitliche, sondern die raummässige Unternutzung.
  • Weiter geht es um eine Unternutzung, wie sie modellhaft dann eintritt, wenn die Kinder aus dem Eigenheim der alternden Eltern ausgezogen sind. Die Raumreserve beruht somit auf Gründen, auf welche die steuerpflichtige Person nicht direkt Einfluss hat. Das kann gegebenenfalls auch die tatsächliche Trennung oder der Tod des Ehepartners sein. Das Problem des im Alter überdimensionierten Wohnraums stellt sich insbesondere bei voll eigenfinanzierten Häusern, wenn der Eigenmietwert marktbedingt steigt, während die verfügbaren Geldmittel gleich bleiben oder sogar abnehmen.
  • Der Unternutzungsabzug setzt weiter voraus, dass einzelne Räume tatsächlich und dauernd nicht benützt werden: Das Erfordernis einer effektiven Unternutzung steht im Einklang mit dem Prinzip, dass nur eine solche Nutzung zu Einkommen führen kann, welche auch in Wirklichkeit besteht. Es ist aber am Steuerpflichtigen nachzuweisen, dass eine Unternutzung vorliegt. Ein nur weniger intensiver Gebrauch berechtigt nicht zum Einschlag, z.B. wenn Räume - selbst nur gelegentlich - als Gäste- oder Arbeitszimmer bzw. Bastelraum verwendet werden; wie bei einem wenig benützten Ferienhaus oder einer Zeitwohnung ist in solchen Fällen der ungekürzte Mietwert steuerbar. Es wird aber nicht verlangt, dass die Räume leer wären. Als Erfahrungstatsache ist zu berücksichtigen, dass gutsituierte Pflichtige in der Regel höhere Erwartungen an den Wohnkomfort haben und deshalb mehr Raum beanspruchen als Personen in engen finanziellen Verhältnissen. Weiter ist zu beachten, dass sich der Wohnbedarf nach einer Verkleinerung des Haushaltes oft ausdehnt; erfahrungsgemäss wird so viel Platz gebraucht, wie vorhanden ist.

d) Gegen den Unternutzungsabzug wird indessen aus bodenpolitischer Sicht grundsätzlich eingewendet, dass er nicht den haushälterischen Umgang mit Wohnraum fördert. In die gleiche Richtung wirkt sich der Umstand aus, dass das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG, SR 642.14) keine dem Art. 21 Abs. 2 DBG entsprechende Regelung enthält und nur wenige Kantone einen Unternutzungsabzug für die kantonalen Steuern kennen. Vorbehalte gelten je nachdem sogar für den bei den parlamentarischen Beratungen diskutierten Modellfall älterer Eigentümer: Haben sie ihr Eigenheim schon in jungen Jahren unter hoher Verschuldung gekauft und bis ins Alter amortisiert, so stehen sie oft nicht schlechter da als Pflichtige, die ihre Ersparnisse angelegt, die Zinserträge laufend versteuert und über all die Jahre einen - steuerlich nicht absetzbaren - Mietzins bezahlt haben. Aus all diesen Gründen würdigt die Lehre Art. 21 Abs. 2 DBG kritisch und empfiehlt eine (sehr) restriktive Handhabung.

3. Diese im Detail wiedergegebene Praxis des Bundesgerichts ist nun auf den vorliegenden Fall anzuwenden:

a) Gemäss den Angaben in der Steuererklärung haben die Rekurrenten das im Jahr 19..  erbaute Einfamilienhaus an der ….strasse in K. im Herbst 19… für einen Kaufpreis von Fr. 1'250'000.- gekauft. Sie bezogen dieses zusammen mit ihren drei Kindern …. . Bis Ende 2010 hatten alle Kinder das Haus der Rekurrenten verlassen und sind nicht mehr in Zug wohnhaft. Die Tochter C., die bis Ende 2010 noch in Zug offiziell gemeldet war, hatte sich zu Ausbildungszwecken faktisch ebenfalls bereits seit acht Jahren im Ausland aufgehalten und besuchte die Eltern nur noch ferienhalber. Aus der Steuererklärung für das Jahr 2010 ergibt sich, dass die Rekurrentin Y. unter dem Titel «Berufsauslagen» einen Abzug von Fr. 4'000.- für ein Büro zuhause geltend machte, der ihr gemäss Veranlagungsentscheid vom 7. Dezember 2011 auch gewährt wurde. Weiter ergibt sich, dass die Rekurrenten im Jahr 2010 gemäss Steuererklärung über ein Einkommen (ohne Eigenmietwert) von Fr. 219'617.- und ein Reinvermögen von Fr. 1'028'187.- verfügten. Ebenfalls waren sie in der Lage, per 31. August 2010 eine Festhypothek im Betrag von Fr. 300'000.- zurückzuzahlen. Man darf daher bei der Beurteilung des vorliegenden Rekurses davon ausgehen, dass die Rekurrenten sich in guten finanziellen Verhältnissen befinden. Weiter zu beachten ist, dass der Eigenmietwert gegenüber dem nur etwa 10 % ausmacht. Wir haben es hier somit mit einem Modell-, aber keineswegs mit einem Härtefall im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu tun.

b) Nach der Gerichtspraxis wird eine Unternutzung in der Regel abgelehnt, wenn eine Person in normalen bis guten finanziellen Verhältnissen vier Zimmer bewohnt. Wenn zwei Personen ein «Normaleinfamilienhaus» mit vier bis sechs Zimmern oder eine entsprechende Eigentumswohnung bewohnen, so ist ein Unternutzungsabzug im Regelfall ebenfalls ausgeschlossen (vgl. hierzu Richner / Frei / Kauf­mann / Meuter, Handkommentar zum DBG, 2. Auflage, Art. 21 N 101; Agner / Dege­ronimo / Neuhaus / Steinmann, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, Ergänzungsband, S. 91). Im vorliegenden Fall bewohnten die Rekurrenten bis Ende 2010 mit der damals offiziell noch in Zug gemeldeten Tochter eine 5.5-Zimmerwohnung. Auch wenn sich die Tochter mehrheitlich im Ausland aufhielt, wird nicht bestritten, dass sie zwischendurch zu Besuch in Zug weilte. Ein Zimmer stand zudem als Arbeitszimmer für die Berufstätigkeit der Rekurrentin zur Verfügung, was bei den Steuern mit einem Abzug von Fr. 4'000.- berücksichtigt wurde (Formular BA der Steuererklärung 2010). Angesichts dieser Umstände kann nicht von einem offensichtlichen Missverhältnis zwischen der Wohnungsgrösse und der die Wohnung nutzenden Personen im Sinne von § 7 Abs. 1 VV StG gesprochen werden.

c) Ob eine behauptete Unternutzung glaubhaft erscheint, ist durch eine objektive Würdigung der massgebenden Verhältnisse zu entscheiden. Als Erfahrungstatsache ist dabei zu berücksichtigen, dass der gut situierte Steuerpflichtige in der Regel höhere Ansprüche an den Wohnkomfort stellt und mehr Wohnraum beansprucht als ein Steuerpflichtiger in engeren finanziellen Verhältnissen. Zu beachten ist weiter, dass sich der Wohnbedarf der in einem Einfamilienhaus oder in einer Wohnung nach der Verkleinerung des Haushalts verbleibenden Personen häufig auf die frei gewordenen Räume ausdehnt, was sich auch im Umstand zeigt, dass Mieter ihre Mietwohnungen mit vier oder mehr Zimmern regelmässig nicht aufgeben, auch wenn sich der Haushalt wegen Wegzugs der Kinder verkleinert hat (Peter Locher, Kommentar zum DBG, Art. 21, Rz 73). Für den vorliegenden Fall ergibt sich Folgendes: bis Ende 2010 waren mit der Wohnadresse …strasse in K. offiziell drei Personen gemeldet. Zudem wurde eines der fünf Zimmer noch als Arbeitszimmer benutzt, so dass die Voraussetzungen für einen Unternutzungsabzug offensichtlich nicht gegeben sind. Solange zwei Personen in einer 5.5 Zimmer-Wohnung wohnen, kommt ein Unternutzungsabzug nur ausnahmsweise in Betracht und zwar dann, wenn eines oder mehrere Zimmer praktisch leer stehen und weder als Lagerraum (z.B. für Möbel) noch als Besucherzimmer (auch nicht gelegentlich) zur Verfügung stehen.

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2012 A 2012 / 19

Weitere Informationen

Fusszeile

Deutsch