Navigieren auf Kanton Zug

Inhaltsnavigation auf dieser Seite

Navigation

Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Zivilrecht

Obligationenrecht

Art. 417 OR
Art. 162 HRegV und Art. 2 ZGB
Art. 731b OR

Art. 731b OR und Art. 131 Abs. 2 SchKG

Regeste:

Art. 731b OR – Ansprüche aus Art. 731b OR werden von einer Prozessstandschaft gemäss Art. 131 Abs. 2 SchKG nicht erfasst.

Die Organisationsklage nach Art. 731b OR dient nicht dazu, die Eigentumsverhältnisse zwischen den Aktionären zu klären. Die Bestimmungen von Art. 731b OR gelangt zur Anwendung, wenn bei einer Gesellschaft organisatorische Mängel bestehen.

Aus den Erwägungen:

1. Fehlt der Gesellschaft eines der vorgeschriebenen Organe oder ist eines dieser Organe nicht rechtmässig zusammengesetzt, so kann gemäss Art. 731b Abs. 1 OR ein Aktionär, ein Gläubiger oder der Handelsregisterführer dem Richter beantragen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen. Der klagende Aktionär oder Gläubiger hat kein besonderes Rechtsschutzinteresse an der Herstellung des ordnungsgemässen Zustandes nachzuweisen, so dass die Aktivlegitimation bei Nachweis der Aktionärs- bzw. Gläubigerstellung unabhängig davon gegeben ist, ob ein Zusammenhang zwischen den mit der Klage geltend gemachten Mängeln und den Interessen des Aktionärs oder Gläubigers bestehen (vgl. Watter/Pamer-Wieser, Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 4. A., Basel 2012 N 12 zu Art. 731b OR).

2 Die Gesuchstellerin nimmt eine Prozessstandschaft an. Die Gesuchsgegnerin wendet fehlende Legitimation der Gesuchstellerin ein und beantragt Nichteintreten.

2.1 Mit der Prozessführungsbefugnis wird das Recht bezeichnet, als klagende oder beklagte Partei über einen streitigen Anspruch einen Prozess zu führen. Gewöhnlich deckt sie sich mit der Sachlegitimation. Diese ergibt sich aus dem materiellen Recht und umschreibt die Berechtigung am umstrittenen Anspruch (Aktivlegitimation) bzw. die Verpflichtung daraus (Passivlegitimation). In bestimmten Konstellationen entzieht das Gesetz aus Gründen des materiellen Rechts die Prozessführungsbefugnis dem Träger des streitigen Rechts und weist sie einem Dritten zu, der in besonderer Beziehung zum Streitgegenstand steht. Der Dritte führt den Prozess nicht als Stellvertreter, sondern anstelle des Berechtigten oder Verpflichteten in eigenem Namen und in eigenem Interesse als Partei. Seine Stellung wird als Prozessstand­schaft bezeichnet. Diese ist nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen zulässig. Gewillkürte Prozessstandschaft ist dem schweizerischen Verfahrensrecht unbekannt. In den Fällen der Prozessstandschaft muss der Prozessstandschafter seine Prozessführungsbefugnis nach­weisen, soll auf seine Klage eingetreten werden können. Fehlt einer Partei trotz bestehender Sachlegitimation aufgrund spezieller Gesetzesvorschrift diese Befugnis, darf auf die Klage nicht eingetreten werden (Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich 2010, N 67 ff. zu Art. 59 ZPO, mit Hinweisen). Der Abtretungsgläubiger nach Art. 260 SchKG ist nach h.M. Prozessstandschafter und macht als solcher den abgetretenen Anspruch im eigenen Namen geltend. Entsprechendes soll für einen Pfändungsgläubiger gelten, dem die gepfändete Forderung nach Art. 131 Abs. 2 SchKG zur Einziehung überwiesen wurde (Oberhammer, Kurzkommentar ZPO, Basel 2010, N 22 zu Art. 57 ZPO, mit Hinweisen).

2.2 Die Gesuchstellerin beruft sich auf eine Prozessstandschaft infolge Art. 131 Abs. 2 SchKG. In der Urkunde des Betreibungsamtes Zug vom 9. März 2009 betreffend «Bescheinigung nach Art. 131 Abs. 2 SchKG» wurde festgehalten, für welche Forderungen die Gesuchstellerin gegenüber H.J. bzw. der Gesuchsgegnerin zur Geltendmachung in eigenem Namen und auf eigene Rechnung ermächtigt wurde. Für diese Forderungen besteht kraft gesetzlicher Vorschrift und Bescheinigung des Betreibungsamtes Zug eine Prozessstandschaft der Gesuchstellerin der Gesuchsgegnerin gegenüber (vgl. zum Art. 131 Abs. 2 SchKG auch Staehelin/Bauer/Staehlin, Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, 2. A., Basel 2010, N 15 ff., insbes. auch N 20 zu Art. 131 SchKG). Ansprüche aus Art. 731b OR werden davon jedoch nicht erfasst. Daran ändert auch nichts, dass im Arrestbefehl des Kantonsgerichtspräsidiums Zug vom 6. Februar 2008 bzw. im Arrestbefehl des Kantonsgerichts Zug, Einzelrichter, vom 30. März 2012 der Arrestgegenstand weiter definiert wurde. Dass die Gesuchstellerin selber Gläubigerin der Gesuchsgegnerin ist, wird nicht geltend gemacht.

2.3 Mithin ist auf das Gesuch nicht einzutreten bzw. das Gesuch ist abzuweisen.

3. Der Vollständigkeit halber ist noch Folgendes zu den geltend gemachten Organisationsmängeln auszuführen:

3.1 Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass die Organisationsklage nach Art. 731b OR nicht dazu dient, die Eigentumsverhältnisse zwischen den Aktionären zu klären. Dafür sind andere Rechtsbehelfe zu wählen. Die Gesuchstellerin weist nicht nach, solche bereits anhängig gemacht zu haben. Insoweit sich also die Gesuchstellerin auf die Nichtigkeit von Generalversammlungs- und Verwaltungsratsbeschlüssen infolge fehlender Aktionärseigenschaft beruft, ist sie grundsätzlich nicht zu hören, und es ist nicht auf die diesbezüglichen Argu­mente der Parteien einzugehen. Gleiches gilt für den Vorwurf der Gesuchstellerin bezüglich des mangelhaft zusammengesetzten Aktionariats.

3.2 Die Gesuchstellerin bemängelt das Fehlen eines rechtmässig ernannten Verwaltungsratspräsidenten und einer Revisionsstelle und beantragt insbesondere die Einsetzung eines Sachwalters.

Die Bestimmung von Art. 731b OR gelangt zur Anwendung, wenn bei einer Gesellschaft organisatorische Mängel bestehen, was zum einen dann gegeben ist, wenn eines der gesetzlich vorgeschriebenen Organe gänzlich fehlt oder zum anderen, wenn eines dieser Organe die Voraussetzungen an seine rechtmässige Zusammensetzung nicht mehr erfüllt. Bei Fehlen bzw. nicht mehr korrekter Zusammensetzung eines in den Statuten einer Gesellschaft vorgesehenen Organs gelangt Art. 731b OR nicht zur Anwendung. Unter den Anwendungsbereich der nicht mehr rechtmässigen Zusammensetzung eines Organs zählen v.a. Fälle des Fehlens der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Mitglieder der Organe, z.B. des Verwaltungsratspräsidenten gemäss Art. 712 Abs. 1 OR bei mehreren Verwaltungsräten, wobei sich die Bestellung eines solchen erübrigt, wenn es sich um einen Einpersonenverwaltungsrat handelt (vgl. Watter/Pamer-Wieser, a.a.O., N 5 f. zu Art. 731b OR, mit Hinweisen; Berger/ Rüetschi/Zihler, Die Behebung von Organisationsmängeln – handelsregisterrechtliche und zivilprozessuale Aspekte, in: REPRAX 2012, S. 7 ff.).

Das schweizerische Recht schreibt weder eine Unter- noch eine Obergrenze für die Anzahl der Verwaltungsratsmitglieder fest. Ausdrücklich zugelassen ist nach Art. 707 Abs. 1 OR der Einmannverwaltungsrat. Die Anzahl der Verwaltungsratsmitglieder ist in den Statuten festzulegen (vgl. Wernli/Rizzi, Basler Kommentar, Obligationenrecht II, a.a.O., N 5 zu Art. 707 OR; BGE 4_457/2010, E. 2.2.2). Gemäss Art. 13 der Statuten der Gesuchsgegnerin besteht deren Verwaltungsrat aus einem bis fünf durch die Generalversammlung gewählten Mitglieder, wobei sich der Verwaltungsrat mit Ausnahme des Präsidenten, der von der Generalversammlung gewählt wird, selber konstituiert. Selbst wenn feststehen würde, dass die bemängelte Aktienübertragung nicht rechtmässig gewesen wäre, gälte es zu berücksichtigen, dass mit A.M. unbestrittenermassen ein rechtmässig ernanntes und handlungsfähiges Organ eingetragen ist. Ein Organisationsmangel mit Bezug auf das oberste Leitungsorgan der Gesuchsgegnerin liegt demzufolge nicht vor. Es wäre einzig H.Z. als Präsident des Verwaltungsrates zu löschen. Wie bereits erwähnt, bedarf es beim Einpersonenverwaltungsrat keiner Bestellung eines Präsidenten. Die beantragte Einsetzung eines Sachwalters wäre nicht nötig.

Gemäss Art. 730 Abs. 1 OR wählt die Generalversammlung zwingend die Revisionsstelle (vgl. Reutter, Basler Kommentar, Obligationenrecht II, a.a.O., N 3 zu Art. 730 OR; vgl. auch Art. 15 der Statuten der Gesuchsgegnerin). Mit der Zustimmung sämtlicher Aktionäre kann gemäss Art. 727a Abs. 2 OR auf die eingeschränkte Revision verzichtet werden, wenn die Gesellschaft nicht mehr als zehn Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt hat. Selbst wenn feststehen würde, dass die besagte Aktienübertragung und damit auch der Verzicht auf die eingeschränkte Revision der Gesuchsgegnerin nicht rechtmässig gewesen wären, könnte dieser Organisationsmangel behoben werden, indem das Handelsregisteramt gerichtlich angewiesen würde, eine bestimmte Revisionsstelle einzutragen. Die beantragte Einsetzung eines Sachwalters wäre nicht die richtige Massnahme zur Behebung dieses Organisationsmangels, da auch in diesem Fall eine Revisionsstelle eingetragen werden müsste.

Entscheid des Kantonsgerichts, Einzelrichter, vom 28. August 2012

Weitere Informationen

Fusszeile

Deutsch