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Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Zivilrecht

Obligationenrecht

Art. 417 OR
Art. 162 HRegV und Art. 2 ZGB

Art. 731b OR

Regeste:

Art. 731b OR – Das Amt des gerichtlich ernannten Organs oder Sachwalters endet mit dem Ablauf der vorgegebenen Zeit; das Gericht kann aber die Amtsdauer verlängern.

Ein Aktionär, welcher die Einsetzung eines Liquidators beantragt hat, kann auch dessen Abberufung verlangen.

Voraussetzungen für die Abberufung eines Liquidators.

Aus den Erwägungen:

1. Vorerst ist zu prüfen, ob das Gesuch zufolge zeitlichen Ablaufs des Mandates der Liquidatorin der Gesuchsgegnerin gegenstandslos geworden ist, wie dies vom Gesuchsteller in seiner Eingabe vom 17. August 2012 behauptet wurde.

1.1 Mit Verfügung des Einzelrichters vom 16. Mai 2011 wurde die Gesuchsgegnerin aufgelöst und deren ordentliche Liquidation angeordnet. RA lic.iur. J.M. wurde als Liquidatorin eingesetzt mit dem Auftrag, die Liquidation der Gesuchsgegnerin und alle dafür notwendigen Handlungen auszuführen und in diesem Zusammenhang insbesondere auch allfällige Ersatzansprüche der Gesuchsgegnerin der Tochtergesellschaft gegenüber bzw. von dieser Dritten gegenüber abzuklären und allenfalls einzufordern sowie den Verkauf der Tochtergesellschaft sowie weiterer Vermögenswerte der Gesuchsgegnerin vorzunehmen. Schliesslich wurde die Ernennung der Liquidatorin auf ein Jahr befristet. Unter Erwägung 14 führte der Einzelrichter in seinem Entscheid aus, entgegen der Ansicht des Nebenintervenienten werde es nämlich nicht darum gehen, die Tochtergesellschaft sowie die weiteren Vermögenswerte der Gesuchsgegnerin auf dem schnellstmöglichsten, sondern auf dem bestmöglichsten Weg zu verwerten. Dafür sei eine Frist von einem Jahr besser geeignet als die vom Nebenintervenient vorgeschlagenen drei Monate.

1.2 Ernennt der Richter das fehlende Organ oder einen Sachwalter, so bestimmt er die Dauer, für welche die Ernennung gültig ist (Art. 731b Abs. 2 OR). Das Amt des gerichtlich ernannten Organs oder Sachwalters endet mit dem Ablauf der vorgegebenen Zeit; das Gericht kann die Amtsdauer aber verlängern (Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. A., Zürich/Basel/Genf 2009, S. 1741, N 495).

1.3 Die Amtsdauer der Liquidatorin der Gesuchsgegnerin lief formell während der Dauer des vorliegenden Verfahrens, nämlich Mitte Mai 2012 ab. Dies war sowohl den Parteien als auch dem Einzelrichter bekannt. Ungeachtet dieser Tatsache wurde die Liquidatorin im vorliegenden Verfahren weiterhin von allen Verfahrensbeteiligten als rechtsgültige Vertreterin der Gesuchsgegnerin betrachtet. Der Einzelrichter hat dadurch konkludent die Amtsdauer der Liquidatorin der Gesuchsgegnerin bis auf Weiteres verlängert. Da jedoch der Gesuchsteller mit Eingabe vom 17. August 2012 den Einwand erhoben hat, die Amtsdauer der Liquidatorin sei abgelaufen, ist es angezeigt, die Amtsdauer der Liquidatorin bis zum rechtskräftigen Abschluss der Liquidation der Gesuchsgegnerin formell zu verlängern. Der Antrag des Gesuchstellers, das Gesuch sei zufolge Gegenstandslosigkeit abzuschreiben, ist mithin abzuweisen.

2. Der Gesuchsteller beantragt, die Liquidatorin der Gesuchsgegnerin sei abzuberufen und ein neuer Liquidator oder eine neue Liquidatorin sei zu ernennen.

2.1 Liegt ein wichtiger Grund vor, so kann die Gesellschaft vom Richter die Abberufung von Personen verlangen, die dieser eingesetzt hat (Art. 731b Abs. 3 OR). Es ist indessen nicht einzusehen, weshalb ein Aktionär, welcher die Einsetzung eines Liquidators beantragt hat, nicht auch dessen Abberufung verlangen kann (vgl. Art. 731b Abs. 1 OR und Art. 741 Abs. 2 OR; Böckli, a.a.O., S. 1741, N 495). Der Gesuchsteller ist somit aktivlegitimiert, einen Antrag auf Abberufung der Liquidatorin der Gesuchsgegnerin zu stellen.

2.2 Allgemein sind als wichtige Gründe für die Abberufung eines Liquidators Umstände zu betrachten, die nach objektiver Wertung darauf schliessen lassen, dass die Liquidation nicht ordentlich durchgeführt wird und deshalb Aktionärs- und Gesellschaftsinteressen gefährdet oder verletzt werden können. Über das Vorliegen von wichtigen Gründen entscheidet das Gericht nach Recht und Billigkeit (Stäubli, Basler Kommentar, 4. A., Basel 2012, N 9 zu Art. 740/741 OR).

2.2.1 Im vorliegenden Fall macht der Gesuchsteller im Wesentlichen geltend, die von der Liquidatorin geplante Auktion verhindere die ordentliche Durchführung des Schiedsverfahrens und verunmögliche der E.T. Ltd. die Durchsetzung ihrer Ansprüche über EUR 12 Mio. Dies stehe nicht im Einklang mit den Anordnungen im Entscheid des Einzelrichters vom 16. Mai 2011, mit welchem die Liquidatorin beauftragt worden sei, insbesondere auch allfällige Ersatzansprüche der Gesuchsgegnerin der Tochtergesellschaft gegenüber bzw. von dieser Dritten gegenüber abzuklären und allenfalls einzufordern. Die Liquidatorin und der Nebenintervenient würden versuchen, die Liquidation der Gesuchsgegnerin zu beschleunigen, um damit ein Verfahren der E.T. Ltd. gegen die E. S.A. zu verhindern. Dies sei mit der Verpflichtung der Liquidatorin zur bestmöglichsten Realisierung der Vermögenswerte der Gesuchsgegnerin nicht vereinbar.

2.2.2 Mit Verfügung vom 16. Mai 2011 wurde die Liquidatorin vom Einzelrichter beauftragt, die Liquidation der Gesuchsgegnerin und alle dafür notwenigen Handlungen auszuführen und in diesem Zusammenhang insbesondere auch allfällige Ersatzansprüche der Gesuchsgegnerin der Tochtergesellschaft gegenüber bzw. von dieser Dritten gegenüber abzuklären und allenfalls einzufordern sowie den Verkauf der Tochtergesellschaft sowie weiterer Vermögenswerte der Gesuchsgegnerin vorzunehmen. Unter Erwägung 14 und 15 der Verfügung vom 16. Mai 2011 wurde festgehalten, dass es nicht darum gehe, die Tochtergesellschaft sowie die weiteren Vermögenswerte der Gesuchsgegnerin auf dem schnellstmöglichsten, sondern auf dem bestmöglichsten Weg zu verwerten. Die Art und Weise, wie die Liquidatorin im Einzelnen vorzugehen habe, sei indessen nicht festzulegen, sondern bleibe in deren Ermessen.

2.2.3 Im vorliegenden Fall hat die Liquidatorin eine Versteigerung der Aktien der Tochtergesellschaft der Gesuchsgegnerin angeordnet und damit versucht, die zwischen dem Gesuchsteller und dem Nebenintervenienten bestehende Blockade zu lösen. Dieses Vorgehen ist grundsätzlich eine zumindest vertretbare Möglichkeit und setzt keinen wichtigen Grund für eine Abberufung der Liquidatorin. Insbesondere kann bei einer objektiven Betrachtungsweise nicht der Schluss gezogen werden, die Liquidatorin sei nicht in der Lage, die Liquidation der Gesuchsgegnerin ohne Gefährdung der Aktionärsinteressen durchzuführen. Anderseits stellt aber eine Versteigerung, wie sie von der Liquidatorin angeordnet wurde, nicht zwingend den bestmöglichsten Lösungsansatz dar, weil im heutigen Zeitpunkt der wirkliche Wert der Tochtergesellschaft der Gesuchsgegnerin nicht feststeht. Eine Versteigerung der Aktien in einer solchen Situation beinhaltet ein grosses spekulatives Element. Es ist daher angezeigt, den Ausgang des Prozesses zwischen der Tochtergesellschaft der Gesuchsgegnerin und der E. S.A. abzuwarten. Nach rechtskräftiger Erledigung dieses Prozesses wird voraussichtlich definitiv feststehen, welchen Wert die Tochtergesellschaft hat. Dadurch wird eine gerechte Verteilung des Gesellschaftsvermögens zwischen den Aktionären ermöglicht. Der Befürchtung des Nebenintervenienten, bis zu diesem Zeitpunkt könnten zusätzliche Kosten auflaufen, ist entgegenzuhalten, dass die Darstellung des Gesuchstellers zumindest glaubhaft ist, dass diese Kosten vermutlich erheblich geringer sein werden als das mutmassliche Prozessergebnis. Der Nebenintervenient hat nämlich in seiner Duplik vom 6. August 2012 eingeräumt, dass die E. S.A. der Tochtergesellschaft der Gesuchsgegnerin ein Vergleichsangebot von EUR 4.5 Mio. unterbreitet hat. Schliesslich wurde die Liquidatorin vom Einzelrichter u.a. beauftragt, Ersatzansprüche der Tochtergesellschaft gegenüber Dritten abzuklären und allenfalls einzufordern. Zudem erhielt die Liquidatorin den Auftrag, die Tochtergesellschaft nicht auf dem schnellstmöglichsten, sondern auf dem bestmöglichsten Weg zu veräussern. Unter dieser Prämisse ist es angezeigt, der Liquidatorin der Gesuchsgegnerin zu verbieten, vor rechtskräftiger Erledigung des Schiedsverfahrens eine Auktion der Aktien der E.T. Ltd. durchzuführen.

Entscheid des Kantonsgerichts, Einzelrichter, vom 26. September 2012 (ES 2012 179).

Die gegen diesen Entscheid erhobene Berufung wies das Obergericht mit Entscheid vom 4. Februar 2013 ab.

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