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Art. 5 ZPO

Regeste:

Art. 5 ZPO – Domainnamen als solche sind kein Gegenstand geistigen Eigentums im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO. Für ein aus dem Namensrecht abgeleiteten Anspruch wäre eine Zuständigkeit i.S. von Art. 5 ZPO nur gegeben, soweit aus dem selben Sachverhalt gleichzeitig auch eine Streitigkeit gemäss Art. 5 lit. a–d vorläge.

Aus den Erwägungen:

1. Die Gesuchstellerinnen stützen ihr Gesuch ausdrücklich und ausschliesslich auf Namens- und Lauterkeitsrecht (namentlich auf Art. 29 Abs. 2 ZGB sowie Art. 3 Abs. 1 lit. d i.V.m. Art. 9 Abs. 1 UWG). Sie verweisen für die sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ausdrücklich auf Art. 5 Abs. 1 lit. a, c und d ZPO bzw. auf § 19 Abs. 1 lit. a GOG.

1.1 Gemäss Art. 5 Abs. 1 ZPO bezeichnet das kantonale Recht das Gericht, welches als einzige kantonale Instanz zuständig ist (a.) für Streitigkeiten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum einschliesslich der Streitigkeiten betreffend Nichtigkeit, Inhaberschaft, Lizenzierung, Übertragung und Verletzung solcher Rechte, (c.) für Streitigkeiten über den Gebrauch einer Firma und (d.) für Streitigkeiten nach dem Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 über den unlauteren Wettbewerb (UWG), sofern der Streitwert mehr als 30'000 Franken beträgt oder sofern der Bund sein Klagerecht ausübt. Nach § 19 Abs. 1 lit. a GOG i.V.m. § 5 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Obergerichts ist die II. Zivilabteilung des Obergerichts die einzige kantonale Instanz nach Art. 5 ZPO. Über die Anordnung vorsorglicher Massnahmen nach Art. 5 Abs. 2 ZPO entscheidet gemäss § 23 Abs. 3 GOG der Abteilungspräsident als Einzelrichter.

1.2.1 Soweit die Gesuchstellerinnen im vorliegenden Fall eine «Streitigkeit im Zusammenhang mit geistigem Eigentum» erblicken und die obergerichtliche Zuständigkeit dementsprechend aus Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO herleiten wollen, ist das rechtsirrtümlich. Die in Frage stehenden Domainnamen als solche sind kein Gegenstand geistigen Eigentums im Sinne dieser Prozessbestimmung, stellen m.a.W. kein vom Gesetzgeber anerkanntes Immaterialgut dar (vgl. Buri, in: SIWR, Bd. III/2, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2005, S. 346 f.). Zum geistigen Eigentum zählen die immateriellen Güter, welche die Merkmale eines absoluten Rechts aufweisen, d.h. an denen ihrem Inhaber Verfügungs- und Abwehrrechte zustehen, die mit jenen des Eigentümers einer Sache vergleichbar sind. Dazu gehören das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (URG), der Schutz von Topographien von Halbleitererzeugnissen (ToG) sowie die verschiedenen Formen des gewerblichen Rechtsschutzes, d.h. der Marken (MSchG), Designs (DesG) und Pflanzenzüchtungen (Sortenschutzgesetz) (Berger, Berner Kommentar ZPO, 2012, Bd. I, Art. 5 N 6; vgl. auch Vock / Nater, Basler Kommentar ZPO, 2. Aufl. 2013, Art. 5 N 4; Wey, in: Sutter-Somm / Hasenböhler / Leuenberger [Hrsg.], Kommentar ZPO, 2. Aufl., Zürich / Basel / Genf 2013, Art. 5 N 10 f.). Diese Rechte sind alle durch Spezialgesetze näher umschrieben und absolut geschützt (Härtsch, in: Baker & McKenzie [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, SHK, Bern 2010, Art. 5 N 3). Das trifft auf Domainnamen als solche nicht zu. Namentlich begründet etwa die Registrierung einer Domain bei der Registrierungsstelle SWITCH für die Top-Level-Domains «.ch» und «.li» keinerlei Abwehrrechte gegenüber Dritten. Der Schutz der Domainnamen erfolgt indirekt über andere Rechtsinstitute, namentlich das Marken-, Firmen-, Namensrecht oder das Lauterkeitsrecht (Buri, a.a.O., S. 375 ff.). Dementsprechend gehört auch etwa das sog. Know-how nicht zu den Immaterialgütern i.S. von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO, obschon auch dieses – wie gewerbliche Schutzrechte – Gegenstand eines Lizenzvertrages sein kann (Berger, a.a.O. Art. 5 zu N 6; a.M. Härtsch, a.a.O., N 4).

1.2.2 Soweit sich die Gesuchstellerinnen auf lauterkeitsrechtliche Ansprüche berufen, ist der nach Art. 5 Abs. 1 lit. d ZPO vorausgesetzte Streitwert von 30'000 Franken im vorliegenden Fall aufgrund der eigenen Angaben der Gesuchstellerinnen nicht erreicht. Dementsprechend ist der Einzelrichter der II. Zivilabteilung des Obergerichts sachlich und funktionell nicht zuständig, über den vorliegend geltend gemachten Anspruch aus UWG zu befinden.

1.2.3 Die Gesuchstellerinnen erwähnen zwar auch lit. c von Art. 5 Abs. 1 ZPO als zuständigkeitsbegründende Norm. Sie stützen sich aber für ihre behaupteten Ansprüche nicht auf Firmenrecht, sondern ausschliesslich auf Namens- und Lauterkeitsrecht. Sie legen namentlich mit keinem Wort dar und es ist auch sonst nicht ersichtlich, inwiefern die Gesuchsgegnerin die in Frage stehenden, von den Gesuchstellerinnen beanspruchten Domainnamen firmenmässig, d.h. mit Namensfunktion (Firma, ausländischer Handelsname, Geschäftsbezeichnung oder Enseigne) gebrauchen (vgl. Urteil Bundesgericht 4C.169/2005 vom 5. September 2005; Hilti, in: SIWR, Bd. III/2, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2005, S. 69). Dementsprechend lässt sich die obergerichtliche Zuständigkeit auch nicht auf diese Bestimmung stützten.

1.2.4 Für den aus dem Namensrecht abgeleiteten Anspruch wäre schliesslich eine Zuständigkeit i.S. von Art. 5 ZPO nur gegeben, soweit aus dem selben Sachverhalt gleichzeitig auch eine Streitigkeit gemäss Art. 5 lit. a–d vorläge. Namentlich im Lauterkeitsrecht ist die einzige kantonale Instanz bei gegebenem Sachzusammenhang auch für Sach- und Rechtsfragen zuständig, die einen sachlichen Zusammenhang aufweisen (Alexander Brunner, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], ZPO Kommentar, Zürich/St. Gallen 2011, Art. 5 N 21). An einem solchen Zusammenhang fehlt es aber im vorliegenden Fall offenkundig, weshalb die sachliche Zuständigkeit des Obergerichts auch insofern entfällt.

1.3 Mangelt es aber nach dem Gesagten an der sachlichen Zuständigkeit des Obergerichts als einzige kantonale Instanz gemäss Art. 5 Abs. 1 ZPO, kann auf das Gesuch nicht eingetreten werden.

Obergericht, II. Zivilabteilung, Einzelrichter, 13. Dezember 2013

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