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§ 19 V PBG
§ 53 Abs. 2 – Bauordnung der Stadt Zug vom 7. April 2009 (BO)
Art. 21 und Art. 27 RPG, § 35 PBG

Art. 22 Abs. 2 lit. a und b des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG, SR 700)

Regeste:

Art. 22 Abs. 2 lit. a und b des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG, SR 700) – Eine Baubewilligung darf nur erteilt werden, wenn das Baugrundstück in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht hinreichend erschlossen ist. Eine Baubewilligung darf nicht erteilt werden, wenn durch das Bauvorhaben eine bestehende hinreichende Erschliessung einer rückwärtigen Liegenschaft behindert bzw. zerstört wird (Erw. 2). Mit Auflagen in einer Baubewilligung kann der Dienstbarkeitsberechtigte eines Fuss- und Fahrwegrechtes nicht zur Verlegung dieser Rechte verpflichtet werden. Eine solche Verlegung gegen den Willen des Berechtigten kann nur in einem Zivilverfahren erreicht werden (Erw. 3 und 4).

Aus dem Sachverhalt:

Am 25. Oktober 2010 reichten A. und B. K. bei der Gemeinde L. ein Gesuch für den Abbruch und Neubau eines Wohnhauses auf dem Grundstück GS Nr. 002 an der (…)strasse in L. ein. Das Gesuch wurde in der Folge im Amtsblatt ausgeschrieben. Am 15. November 2010 liess X. Y. gegen das Bauvorhaben Einsprache einreichen und beantragen, das Gesuch sei in der vorliegenden Form nicht zu genehmigen. Mit Beschluss vom 3. Februar 2011 erteilte der Gemeinderat L. die Baubewilligung und verwies die Einsprache auf den Zivilweg. Gegen diesen Entscheid des Gemeinderates liess X. Y. am 25. Februar 2011 beim Regierungsrat Verwaltungsbeschwerde einreichen und beantragen, der Beschluss des Gemeinderates betreffend Verweisung der Einsprache auf den Zivilweg sei ebenso aufzuheben wie die Baubewilligung. Eventualiter sei das Beschwerdeverfahren zu sistieren und der Bauherrschaft Frist anzusetzen, um einen Dienstbarkeitsvertrag beizubringen, in welchem eine allfällige Verlegung des bestehenden Wegrechts zu Gunsten des Grundstücks GS Nr. 001 und zu Lasten des Grundstücks GS Nr. 002 rechtsverbindlich geregelt sei. Mit Beschluss vom 6. Dezember 2011 hiess der Regierungsrat die Beschwerde insofern teilweise gut, als er die Baubewilligung der Gemeinde L. mit der folgenden Auflage ergänzte:

«Die Bauherrschaft von GS Nr. 002 wird auf ihrer Zusage behaftet, dass bei der geplanten Neuüberbauung von GS 002 die Zufahrt zum GS Nr. 001 über die neue Wegverbindung stets gewährleistet ist und diese von der Eigentümerin und den Besucherinnen und Besuchern des GS 001 benutzt werden darf. Der Dienstbarkeitsvertrag über die Einräumung des Fuss- und Fahrwegrechts auf der neuen Wegverbindung zu Gunsten von GS 001 und zu Lasten von GS 002 muss innert 4 Monaten seit Rechtskraft des Beschwerdeentscheides des Regierungsrates zwischen den Parteien abgeschlossen werden. Kommt der Dienstbarkeitsvertrag nicht zustande, so wird der Gemeinderat L. in Anwendung von § 32 c PBG dafür sorgen, dass die Mitbenutzung der neuen Wegverbindung durch die Eigentümerin des GS 001 gewährleistet wird.»

Gegen diesen Entscheid liess X. Y. am 10. Januar 2012 Verwaltungsgerichtsbeschwerde einreichen und beantragen, der Beschluss des Regierungsrates und die Beschlüsse des Gemeinderates L. seien unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Bauherrschaft und der Vorinstanz aufzuheben und das Baugesuch abzuweisen. Zur Begründung ihrer Anträge lässt sie unter anderem ausführen, sie habe sich mit einem Kaufvertrag aus dem Jahre 1980 das Fuss- und Fahrwegrecht zu ihrer Liegenschaft GS 001 über das Grundstück GS 002 mittels Begründung einer Grunddienstbarkeit sichern lassen. Die belastete Fläche auf dem GS 002 sei aus der beiliegenden Plankopie ersichtlich. Die Bauherrschaft wünsche nun eine Verlegung dieses Wegrechts an den östlichen Rand des Grundstücks GS 002. Bereits im März 2010 habe sie die Bauherrschaft darauf aufmerksam gemacht, dass sie aus verschiedenen privatrechtlichen Gründen zu einer Verlegung des Fuss- und Fahrwegrechts keine Hand bieten würde, wenn damit eine Beeinträchtigung ihrer Aussicht ab dem GS 001 verbunden sein sollte.

Mit Vernehmlassung vom 6. Februar 2012 lässt die Bauherrschaft die Abweisung der Beschwerde unter Kosten- und Entschädigungsfolgen beantragen. Mit Vernehmlassung vom 7. Februar 2012 beantragt die Baudirektion im Auftrag des Regierungsrates, die Beschwerde sei unter Kostenfolgen abzuweisen. Mit Vernehmlassung vom 13. Februar 2012 beantragt auch der Gemeinderat L. die Abweisung der Beschwerde unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdeführerin.

Aus den Erwägungen:

2.

a) Die Erteilung einer Baubewilligung setzt voraus, dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen und dass das Land erschlossen ist (Art. 22 Abs. 2 lit. a und b des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979, RPG, SR 700). Land ist erschlossen, wenn die für die betreffende Nutzung hinreichende Zufahrt besteht und die erforderlichen Wasser-, Energie- sowie Abwasserleitungen so nahe heranführen, dass ein Anschluss ohne erheblichen Aufwand möglich ist (Art. 19 Abs. 1 RPG). In Art. 5 des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes vom 4. Oktober 1974, WEG; SR 843) wird die Erschliessungspflicht geregelt. Diese Bestimmungen ergänzen die allgemeinen Erschliessungsvorschriften gemäss Art. 19 RPG für den Bereich des Wohnungsbaus. Die Erschliessungsanforderungen sind in diesen Vorschriften mit unbestimmten Rechtsbegriffen umschrieben, die nach dem Sinn und Zweck der Bestimmungen und deren Stellung im Gesetz und im Rechtssystem auszulegen sind. Die einzelnen Anforderungen ergeben sich im Detail hauptsächlich erst aus dem kantonalen und gemeindlichen Recht und der kantonalen Gerichts- und Verwaltungspraxis, die sich am bundesrechtlichen Rahmen zu orientieren haben. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Zufahrt ein Baugrundstück hinreichend erschliesst, steht den kantonalen und kommunalen Behörden ein erheblicher Ermessensspielraum zu, in den die Gerichte nicht ohne Not eingreifen sollten.

b) (…)

c) Die Zufahrt zu einem Bauvorhaben muss nicht nur in tatsächlicher Hinsicht genügen, sondern sie muss spätestens auf den Zeitpunkt der Fertigstellung des fraglichen Bauvorhabens auch rechtlich gesichert sein. Die rechtliche Sicherung umfasst den Nachweis, dass die Bauherrschaft über ausreichende Benützungsrechte an einer Zufahrt verfügt oder dass ihr für den Ausbau die nötigen dinglichen Rechte zustehen. Der Nachweis kann durch Eigentum, Dienstbarkeit oder aber durch einfache schriftliche Zustimmung des berechtigten Eigentümers geleistet werden (Fritzsche/Bösch/Wipf, Zürcher Planungs- und Baurecht, 5. A., S. 592). Wird eine Zufahrt privatrechtlich geregelt, so muss durch diese Regelung die dauernde und jederzeitige bestimmungsgemässe Benützung der Zufahrt gesichert sein. Ob die zivilrechtliche Ordnung diesem öffentlich-rechtlichen Erfordernis genügt, hat die Baubewilligungsbehörde bei der Prüfung des Baugesuchs zu entscheiden. Zu beachten ist dabei aber, dass die Baubewilligungsbehörde gemäss § 29 der Vollziehungsverordnung zum Planungs- und Baugesetz vom 16. November 1999 (V PBG, BGS 721.111) das Baugesuch grundsätzlich nur auf die Übereinstimmung mit den Vorschriften des öffentlichen Rechts zu überprüfen hat. Sie entscheidet nicht über zivilrechtliche Verhältnisse. Im Baubewilligungsverfahren wird nur abgeklärt, ob einem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Bestimmungen, namentlich keine aus dem Planungs-, Bau- und Umweltschutzrecht entgegenstehen. Demgegenüber obliegt die Prüfung der Übereinstimmung mit privatrechtlichen Vorschriften und privaten Vereinbarungen dem zivilrechtlichen Verfahren. Dies gilt z.B. für Grunddienstbarkeiten (Fuss- und Fahrwegrechte). Öffentlich-rechtliche Angelegenheiten sind von den Verwaltungsbehörden zu entscheiden, während privatrechtliche Ansprüche vor den Zivilgerichten geltend zu machen sind. Gleichwohl haben Verwaltungsbehörden in gewissen Schranken die Befugnis, vorfrageweise auch privatrechtliche Fragen zu beurteilen. Sie sind hierzu aber nicht verpflichtet. Im Sinne einer klaren Kompetenzausscheidung zwischen den zuständigen Organen ist bei der Entscheidung über zivilrechtliche Vorfragen eher Zurückhaltung zu üben. So darf der Entscheid über den Inhalt einer Dienstbarkeit für einen privatrechtlich geordneten Zugang zu einem Grundstück von der Baubewilligungsbehörde als Vorfrage nur entschieden werden, wenn dieser Inhalt leicht feststellbar ist und die Interpretation des Dienstbarkeitsvertrages ein unzweifelhaftes Resultat ergibt. Setzt z.B. die Beurteilung der zivilrechtlichen Vorfrage Beweismassnahmen voraus, muss die formell zuständige Instanz entscheiden.

3. Eine Baubewilligung darf nur erteilt werden, wenn das Baugrundstück genügend erschlossen ist. Dies ist dann der Fall, wenn für die betreffende Nutzung eine hinreichende Zufahrt besteht und die erforderlichen Wasser-, Energie- sowie Abwasserleitungen so nahe heranführen, dass ein Anschluss ohne erheblichen Aufwand möglich ist. Die Planung und der Bau von Erschliessungsanlagen sind mit Ausnahme der Hauszufahrt und des Hausanschlusses Aufgabe der Gemeinde. Die unmittelbare Hauszufahrt und die Hausanschlüsse hingegen sind Bestandteil des Bauvorhabens, dem sie dienen sollen. Sie sind daher in den Projektplänen gemäss § 27 Abs. 1 lit. b V PBG darzustellen und werden mit dem Bauvorhaben bewilligt. Braucht es für die Erstellung eines Gebäudes einer besonderen Zufahrt, so ist vom Gemeinderat eine spezielle Baustellenerschliessung zu bewilligen. Zu beachten ist weiter, dass die Erschliessungsanlagen von benachbarten Grundstücken aufeinander abzustimmen sind und nötigenfalls gemeinsam erstellt werden müssen. Auf jeden Fall muss gewährleistet sein, dass bei der Überbauung eines Grundstücks der erforderliche Raum für die zweckmässige Erschliessung von hinterliegenden Parzellen offen bleibt (vgl. hierzu Zaugg/Ludwig, a.a.O., Art. 7/8 N 4 f.).

a) Es wird von keiner Seite in Zweifel gezogen, dass das eigentliche Baugrundstück GS Nr. 002 genügend erschlossen ist. Das Grundstück grenzt auf einer Länge von mehr als 30 Metern an die (…)strasse, die sich im Eigentum der Gemeinde L. befindet. Die Garage und die beiden Besucherparkplätze können direkt von der (…)strasse her befahren werden. Ebenfalls ist der Anschluss an die Wasser- und Stromversorgung sichergestellt, ebenso die Abwasserentsorgung. Kehrricht- und Sanitätsfahrzeuge können bis unmittelbar an das Baugrundstück heranfahren. Hierzu erübrigen sich weitere Ausführungen.

b) Mit dem Bau des geplanten Wohnhauses würde die bisherige Strasse zum Grundstück GS Nr. 001 der Beschwerdeführerin nicht mehr benutzbar sein. Die Beschwerdeführerin macht nun geltend, damit sei ihr Grundstück nicht mehr hinreichend erschlossen, weshalb das Baugesuch von A. und B. K. nicht bewilligt werden dürfe. Zu prüfen ist daher zuerst, wie das Grundstück der Beschwerdeführerin bisher erschlossen ist. Der Augenschein, die aufgelegten Akten und die Angaben im Zugmap ergeben, dass sich das Grundstück GS Nr. 001 mit dem 1982 erbauten Einfamilienhaus der Beschwerdeführerin, Assek. Nr. 000, in einer Distanz ca. 35 Meter und einer Höhendifferenz von 15 Metern oberhalb der (…)strasse befindet. Das Grundstück ist insgesamt 1'091 m2 gross, wovon 90 m2 der Fläche das Wohnhaus betreffen. Von der verbleibenden Fläche sind 989 m2 als Gartenanlage und 12 m2 als übrige befestigte Fläche ausgewiesen. Auf dem Grundstück selber befindet sich weder ein genügend grosser Abstellplatz für einen Personenwagen noch eine Wendemöglichkeit. Zum Grundstück der Beschwerdeführerin führt direkt ab der (…)strasse quer über das Baugrundstück eine befestigte Strasse, die zwischen drei und fünf Metern breit ist und gemäss den Angaben in den Akten ein Gefälle von 24 % aufweist. Weil man nicht wenden kann, fährt man entweder rückwärts bis zur Grundstücksgrenze hoch und dann vorwärts wieder hinunter oder umgekehrt. Unbestritten wurde festgestellt, dass die Zufahrt vorwiegend für Personen- und Materialtransport (Behinderte, Kinder, Möbel, Gerätschaften usw.), verwendet wird und dass die Fahrzeuge dann jeweils durch die Beschwerdeführerin und ihre Familie in der Garage, die sich direkt an der (…)strasse befindet, parkiert werden. Mit dem Tankwagen kann nur ein Teil der Strasse befahren werden. Wegen des zu engen Kurvenradius kann dieser nur bis auf die Höhe des Wohnhauses auf dem GS Nr. 001 fahren. Der Augenschein hat weiter ergeben, dass die Beschwerdeführerin Eigentümerin des direkt an der (…)strasse liegenden Grundstücks GS Nr. 0011 ist, welches mit einer Garage (20 m2 gross) und einem Vorplatz (22 m2) bebaut ist. Von dieser Garage führt eine von der Beschwerdeführerin und der damaligen Eigentümerin des GS Nr. 001 gemeinsam erstellte und bezahlte, ca. 20 m lange Stiege und ein knapp 15 Meter langer befestigter Weg direkt zu der Liegenschaft der Beschwerdeführerin. Wegen ihrer Steilheit dürfte die Treppe für Personen- und Materialtransporte weniger geeignet sein.

c) Seit 1980 bzw. 1999 verfügt die Beschwerdeführerin auf dem Grundstück GS Nr. 002 unbestrittenermassen über ein Fuss- und Fahrwegrecht. Die Behörden haben offenbar im Rahmen der seinerzeitigen Baubewilligung die Zufahrt und die Treppe als hinreichende Erschliessung qualifiziert. Obwohl das Gericht Zweifel hat, ob es sich bei dieser Erschliessung wegen des grossen Gefälles und der fehlenden Wende- und Parkierungsmöglichkeiten auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin um eine «hinreichende Erschliessung» handelt, sollen in diesem Verfahren die Feststellungen der Vorinstanzen, das Grundstück sei hinreichend über das GS Nr. 002 erschlossen, nicht in Zweifel gezogen werden. Eine solche Überprüfung würde dem Gericht zwar zustehen, da wir es hier mit unbestimmten Gesetzesbegriffen zu tun haben, deren Überprüfung Rechtskontrolle darstellt. Das Gericht greift bei der Überprüfung von unbestimmten Gesetzesbegriffen aber nicht unnötig in eine vertretbare Auslegung dieser Begriffe durch die Vorinstanzen ein und geht daher davon aus, dass das Grundstück der Beschwerdeführerin seit dem Bau des Einfamilienhauses im Jahr 1982 hinreichend erschlossen war. Zu prüfen ist weiter, ob es Gegenstand dieses öffentlich-rechtlichen Verfahrens sein kann, zu überprüfen, ob und wie diese Erschliessung allenfalls innerhalb des Baugrundstücks verlegt werden könnte.

4. Der Regierungsrat hat in seinem Beschluss die Baubewilligung mit der Auflage verbunden, die Bauherrschaft des GS 002 werde auf ihrer Zusage behaftet, dass bei der geplanten Neuüberbauung von GS 002 die Zufahrt zum GS 001 über die neue Wegverbindung stets gewährleistet sei und dass diese von der Eigentümerin und den Besucherinnen und Besuchern des GS 001 benutzt werden dürfe. Der Dienstbarkeitsvertrag über die Einräumung des Fuss- und Fahrwegrechts auf der neuen Wegverbindung zu Gunsten von GS 001 und zu Lasten von GS 002 müsse innert vier Monaten seit Rechtskraft des Beschwerdeentscheides des Regierungsrates zwischen den Parteien abgeschlossen werden, ansonsten der Gemeinderat L. in Anwendung von § 32c PBG dafür zu sorgen habe, dass die Mitbenutzung der neuen Wegverbindung durch die Eigentümerin des GS 001 gewährleistet sei. Zur Begründung führt der Regierungsrat aus, eine neue Wegverbindung von der (…)strasse über das Baugrundstück zum Grundstück der Beschwerdeführerin sei in den bewilligungspflichtigen Planunterlagen zwar vorgesehen und es liege auch eine schriftliche Zusage der Bauherrschaft vor, dass die Beschwerdeführerin die neue Wegstrecke benützen dürfe. Aus der Baubewilligung lasse sich jedoch keine Baupflicht ableiten, sondern vorerst nur die blosse Erlaubnis für den Bau auch der Erschliessungsstrasse. Es fehle aber ein Dienstbarkeitsvertrag, in dem sich die Parteien die notwendigen Rechte zur Benutzung der neuen Wegverbindung einräumen würden. Dieser Mangel könne verhältnisgerecht mit einer Auflage in der vom Gemeinderat erteilten Baubewilligung behoben werden. Mit der Auflage sei zunächst sicherzustellen, dass die Beschwerdeführerin die neue Wegverbindung zu ihrer Liegenschaft jederzeit benutzen dürfe. Ferner solle innert einer bestimmten Frist der Dienstbarkeitsvertrag über die Einräumung des Fuss- und Fahrwegrechts zwischen den Parteien abgeschlossen werden. Im Folgenden ist noch zu prüfen, ob diese Auflage zu Recht erfolgt ist oder nicht.

a) Baubewilligungen dürfen mit Nebenbestimmungen versehen werden, wenn die Bewilligung verweigert werden könnte, falls sie ohne Auflagen oder Bedingungen erlassen werden müsste. Auf diese Weise dient die Verbindung einer Verfügung mit einer Nebenbestimmung dem Verhältnismässigkeitsprinzip, d.h. eine Bewilligung wird nicht verweigert, sondern es wird stattdessen die mildere Massnahme-Erteilung der Bewilligung mit Nebenbestimmungen angeordnet, sofern dies das Gesetzmässigkeitsprinzip zulässt (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, N 902). Das PBG verweist in § 46b ausdrücklich auf die Möglichkeit, Baubewilligungen mit Bedingungen und Auflagen zu versehen. Eine Auflage verpflichtet den Gesuchsteller zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen, z.B. zum Errichten von Parkplätzen auf seinem Grund (Fritzsche/Bösch/Wipf, Zürcher Planungs- und Baurecht, 5. Auflage, Zürich 2011, S. 349). Die Nichterfüllung einer Auflage wirkt sich nicht auf den Bestand des Entscheides aus. Von der blossen Empfehlung unterscheidet sich die Auflage aber dadurch, dass sie erzwungen werden kann. Eine Bedingung macht hingegen die Rechtswirksamkeit einer Baubewilligung von einem künftigen Ereignis abhängig. Wird z.B. eine Baubewilligung unter der Bedingung erteilt, dass das Grundstück erschlossen wird, darf mit dem Bauvorhaben erst begonnen werden, wenn die Erschliessung tatsächlich und rechtlich gesichert ist.

b) Die Auflage des Regierungsrates verpflichtet die Bauherrschaft zu zweierlei: einerseits wird sie bei der Zusage behaftet, bei der geplanten Neuüberbauung des GS Nr. 002 die Zufahrt zum GS Nr. 001 über die neue Wegverbindung zu gewährleisten, so dass diese von den Eigentümern des GS Nr. 001 benutzt werden kann. Des Weiteren werden die Bauherrschaft und die Eigentümer des GS Nr. 001 verpflichtet, innert vier Monaten seit Rechtskraft des Beschlusses des Regierungsrates einen Dienstbarkeitsvertrag über die Einräumung eines Fuss- und Fahrwegrechts auf der neuen Streckenverbindung abzuschliessen. Diese Auflage erweist sich in zweierlei Hinsicht als problematisch: Einerseits auferlegt sie der Bauherrschaft eine Pflicht, welcher diese auch ohne Auflage nachkommen wird bzw. muss. Mit der Baubewilligung stellen die Behörden nämlich fest, dass dem Bauvorhaben keine bau- und planungsrechtlichen Bestimmungen entgegenstehen. Es besteht zwar keine Baupflicht. Beginnt jedoch der Eigentümer von einer Baubewilligung Gebrauch zu machen, so hat er das bewilligte Bauvorhaben in seiner Gesamtheit zu vollenden, d.h. wenn die Bauherrschaft den Abbruch und Neubau des Wohnhauses auf dem GS Nr. 002 in Angriff nimmt, ist sie auch verpflichtet die neue Zufahrtsstrasse zum Grundstück der Beschwerdeführer zu erstellen, denn diese ist Bestandteil des Bauprojekts und der Baubewilligung. Dass die bewilligte neue Zufahrt zum GS Nr. 001 den Plänen entsprechend erstellt wird, kann im Rahmen der Baukontrollen unschwer festgestellt und nötigenfalls – falls das Bauvorhaben nicht plan und bewilligungskonform erstellt würde – von den Baubehörden erzwungen werden. Insoweit wäre keine Auflage erforderlich gewesen, zumal die Bauherrschaft zu keiner Zeit irgendwelche Zweifel daran gelassen hat, dass sie bereit wäre, die Zufahrtsstrasse gemäss den bewilligten Plänen zu erstellen. Insofern der Regierungsrat die Bauherrschaft weiter verpflichtet, mit der Beschwerdeführerin einen Dienstbarkeitsvertrag über die Einräumung eines Fuss- und Fahrwegrechts auf der neuen Wegverbindung zu vereinbaren, so ist diese Auflage sicher für die Bauherrschaft verbindlich.

Mit einer solchen Auflage kann aber die Beschwerdeführerin als Dienstbarkeitsberechtigte nicht zum Einverständnis zu einer Verlegung ihres Fuss- und Fahrwegrechts verpflichtet werden. Eine solche Verlegung muss im Streitfall auf dem Zivilweg – via Friedensrichter und Kantonsgericht – entschieden werden. Mit einer Auflage in einem Baubewilligungsentscheid können Dritte nicht zur Änderung eines bestehenden Dienstbarkeitsvertrags über ein Fuss- und Fahrwegrecht verpflichtet werden. Dies ist nur gestützt auf Art. 742 ZGB und in einem Verfahren vor den zivilen Gerichtsinstanzen möglich.

c) Die vom Regierungsrat vorgesehene Auflage beinhaltet weiter den Auftrag an den Gemeinderat L., in Anwendung von § 32c PBG dafür besorgt zu sein, dass die Mitbenutzung der neuen Wegverbindung durch die Eigentümerin des GS Nr. 001 gewährleistet werde, wenn der Dienstbarkeitsvertrag nicht zustande kommen sollte. Gemäss § 32c Abs. 1 PBG verpflichtet der Gemeinderat die Eigentümerinnen und Eigentümer von bestehenden privaten Erschliessungsanlagen, die Mitbenutzung und den Ausbau durch Dritte gegen volle Entschädigung zu dulden, sofern dies zumutbar ist und eine zweckmässige technische Lösung vorliegt. Können sich die Beteiligten nicht einigen, enteignet der Gemeinderat die erforderlichen Rechte (§ 32c Abs. 2 PBG). Auf Begehren der Beteiligten oder des Gemeinderates wird die Entschädigung von der Schätzungskommission festgesetzt. Diese entscheidet auch über strittige Unterhaltsreglungen (§ 32c Abs. 3 PBG). Aus den Materialien zu dieser Gesetzesbestimmung vom 30. Juni 2011, die seit dem 1. Januar 2012 in Kraft ist, ergibt sich, dass man mit den Regeln von § 32 ff. PBG die Erschliessung der Bauzonen durch die Gemeinden vereinfachen wollte. Im Bericht und Antrag des Regierungsrates vom 10. August 2010 (KRV 13'500, S. 4) wird festgestellt, dass die Erschliessung der Bauzonen durch die Gemeinden im Allgemeinen recht gut funktioniere, aber es gebe Lücken. Früher sei die Erschliessung der Bauzonen von den Gemeinden oft den Bauwilligen überlassen worden und die Erschliessungsanlagen seien auch im Eigentum von Privaten geblieben. So gebe es heute zahlreiche Anlagen der Grob- und Feinerschliessung, die Privaten gehörten und die nicht öffentlich seien. In solchen Fällen würden gelegentlich Probleme auftreten, wenn ein Bauwilliger z.B. nicht über die notwendigen Rechte für die Benützung einer Privatstrasse verfüge. Diesen Problemen solle mit der vorliegenden Gesetzesrevision Abhilfe geschaffen werden. Die Gemeinden würden die Möglichkeit erhalten, Eigentümerinnen und Eigentümer von bestehenden Erschliessungsanlagen zu verpflichten, diese Anlagen gegen Entschädigung zur Mitbenutzung durch Dritte freizugeben (KRV, S. 10).

d) Paragraph 32c PBG regelt gemäss seinem klaren Wortlaut nicht den hier zu beurteilenden Sachverhalt, sondern kann nur zur Anwendung kommen, wenn eine private Erschliessungsanlage bereits besteht, die von Dritten für die Erschliessung eines Grundstücks mitbenützt und allenfalls ausgebaut werden soll. Die Erschliessung, welche gemäss den Auflagen des Regierungsrates mitbenutzt werden soll, ist hier aber nicht bestehend, sondern muss nach Rechtskraft der Baubewilligung erst erstellt werden. Die Bestimmung von § 32c PBG verfolgt auch einen anderen Zweck. Mit dieser Bestimmung will man private Eigentümerinnen und Eigentümer von bestehenden Erschliessungsanlagen dazu zwingen, ihre bestehenden privaten Erschliessungsanlagen Dritten zur Mitbenutzung zur Verfügung zu stellen. Im vorliegenden Fall ist die Bauherrschaft aber auch ohne Zwang bereit, dem GS Nr. 001 die neue geplante Erschliessung zur Verfügung zu stellen. Auch die Androhung der Enteignung für den Fall, dass nicht innert vier Monaten seit Rechtskraft des regierungsrätlichen Beschlusses ein entsprechender Dienstbarkeitsvertrag zustande komme, geht an den «falschen» Adressaten. Enteignet wird nämlich die Bauherrschaft, die ohnehin bereit ist, ihr Land für die erforderliche Erschliessung zur Verfügung zu stellen. Nach der Absicht des regierungsrätlichen Entscheides müsste eigentlich das Fuss- und Fahrwegrecht auf dem GS Nr. 002, welches bereits zugunsten der Beschwerdeführerin im Grundbuch eingetragen ist, enteignet werden. Der Regierungsrat versucht auf dem Weg der Enteignung zu erreichen, dass die Beschwerdeführerin einer Verlegung ihres bestehenden Fuss- und Fahrwegrechts auf den östlichen Teil des Baugrundstücks zustimmt. Eine solche Zustimmung ist aber gegen den Willen der Beschwerdeführerin nur auf dem Zivilweg und nicht in einem Baubewilligungsverfahren zu erreichen. Probleme ergäben sich auch aus der Tatsache, dass im Fall einer Enteignung, die Gemeinde L. Eigentümerin des enteigneten Landstreifens würde, denn bei der Enteignung ist der Übergang des Eigentums auf den Enteigner eines der wesentlichen Merkmale (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N 2070). Eine Enteignung zugunsten Dritter oder die Übertragung des Enteignungsrechts an Dritte ist nur dann zulässig, wenn diese das Enteignungsrecht zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigen.

5. Zusammenfassend ergibt sich, dass mit der Auflage gemäss Ziff. 1 des regierungsrätlichen Entscheides die hinreichende Erschliessung des Grundstücks der Beschwerdeführerin nicht erreicht werden kann. Das Baugrundstück gilt aber zu dem Zeitpunkt als hinreichend erschlossen, in dem die Bauherrschaft und die Beschwerdeführerin mit einem neuen Dienstbarkeitsvertrag die Verschiebung der Erschliessung des GS Nr. 001 auf die östliche Grenze des Baugrundstücks (wie es im Baugesuch vorgesehen ist), vereinbart haben, oder wenn ein rechtskräftiges Zivilurteil feststellt, dass die entsprechende Erschliessung auch gegen den Willen der Dienstbarkeitsberechtigten verlegt werden darf. Nachdem das Bauvorhaben – abgesehen von der Frage der Erschliessung – nicht beanstandet wurde, rechtfertigt es sich nicht, die Baubewilligung ganz aufzuheben. Es wäre verfahrensökonomisch unsinnig, nach einer allfälligen Lösung der Erschliessungsfrage für das Nachbargrundstück das Baubewilligungsverfahren nochmals von Anfang an zu durchlaufen, nachdem nur noch diese einzelne Frage zu klären ist. Die Baubewilligung ist aber dahingehend mit einer Bedingung zu versehen, als von ihr erst Gebrauch gemacht werden darf, wenn ein neuer Dienstbarkeitsvertrag oder ein rechtskräftiges Zivilurteil vorliegt, womit die Verlegung der Erschliessung des GS Nr. 001 an die im Baugesuch vorgesehene Stelle ermöglicht bzw. erlaubt würde.

(…)

Urteil vom 27. März 2013 V 2012 / 5

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