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Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Verfahrensrecht

Bau- und Planungsrecht

§ 19 V PBG

§ 53 Abs. 2 – Bauordnung der Stadt Zug vom 7. April 2009 (BO)

Regeste:

Auslegung von § 53 Abs. 2 BO Zug – Eine Auslegung der Bestimmung nach der grammatikalischen, historischen, systematischen und teleologischen Methode ergibt, dass bei Neubauten in der Sonderbauzone «Salesianum» ein Bebauungsplan erlassen werden muss, in dem nicht von den Grundmassen der Zone W2b abgewichen werden darf. Der Gesetzgeber strebte mit § 53 Abs. 2 BO Zug vor allem den Schutz des Erscheinungsbilds und des Charakters des fraglichen Grundstücks an. Neubauten haben daher auf den aktuell überwiegend ländlichen Charakter des Grundstücks Rücksicht zu nehmen. Vorliegend hat der Regierungsrat einen Bebauungsplan gestützt, der in mehreren Punkten ganz erheblich, teilweise massiv, von den Grundmassen der Zone W2b abweicht und welcher der Zielvorgabe in § 53 Abs. 2 BO Zug widerspricht. Der betreffende Bebauungsplan ist daher aufzuheben (Erw. 4).

Aus dem Sachverhalt:

Auf dem Grundstück Nr. 1487, im Eigentum des Vereins Schweizer Provinz der Schwestern zum Heiligen Kreuz, Menzingen, ist zugunsten der Alfred Müller AG, Baar, ein Baurecht eingetragen. Diese plante, zusammen mit der Grundeigentümerschaft auf dem Grundstück neben den historischen Gebäuden Salesianum und der Kapelle St. Karl eine Überbauung mit zirka 60 Miet- und Eigentumswohnungen zu erstellen. Im Jahr 2007 wurde ein Wettbewerb durchgeführt, um ein städtebaulich und architektonisch hochwertiges Projekt zu entwickeln. In der Folge wurde ein Bebauungsplan erarbeitet. Diesen Bebauungsplan Salesianum, Plan Nr. 7079, beschloss der Grosse Gemeinderat der Stadt Zug am 22. März 2011. Nachdem das Referendum zu Stande gekommen war, haben die Stimmberechtigten der Stadt Zug am 27. November 2011 dem Bebauungsplan zugestimmt. Danach wurde dieser vom 2. Dezember 2011 bis am 21. Dezember 2011 öffentlich aufgelegt und im Amtsblatt publiziert. Innert der Auflagefrist haben A. und B. C. sowie 29 Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichner mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 beim Regierungsrat Beschwerde erhoben und beantragt, es seien der angefochtene Beschluss und der damit festgesetzte Bebauungsplan Salesianum aufzuheben und es sei ein Augenschein an Ort und Stelle (mit ausgesteckten Neubaukörpern) durchzuführen. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Salesianum sei ein Denkmalschutzobjekt von herausragender Qualität. Dementsprechend sei das Areal im Rahmen der jüngsten Ortsplanungsrevision der «Bauzone mit speziellen Vorschriften Salesianum» zugewiesen und in § 53 Abs. 2 BO umschrieben worden. Der streitige Bebauungsplan erweise sich nur dann als rechtmässig, wenn er diesen Vorgaben in jeder Hinsicht entspreche. Paragraph 53 BO schreibe ausdrücklich die Einhaltung der Grundmasse der Zone W2b vor und lege gleichzeitig die Bebauungsplanpflicht fest. Damit werde klargestellt, dass für dieses Gebiet von den Grundmassen der Zone W2b nicht abgewichen werden dürfe.

Mit Entscheid des Regierungsrates vom 19. Juni 2012 wurde in teilweiser Gutheissung der Beschwerde der nördliche Perimeter des Bebauungsplans Salesianum, Plan Nr. 7079, auf die in der Verfügung der Direktion des Innern vom 16. Dezember 2000 genehmigte, südliche Waldgrenze gelegt. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen. Gleichentags, am 19. Juni 2012, erfolgte auch der Entscheid des Regierungsrates, in welchem der vom Grossen Gemeinderat der Stadt Zug am 22. März 2011 im ordentlichen Verfahren gemäss § 39 PBG beschlossene und von den Stimmberechtigten am 27. November 2011 angenommene Bebauungsplan Salesianum – mit nachfolgender Änderung – genehmigt wurde. Der nördliche Perimeter des Bebauungsplans Salesianum, Plan Nr. 7079, wurde auf die in der Verfügung der Direktion des Innern vom 16. Dezember 2000 genehmigte, südliche Waldgrenze verlegt.

Mit Schreiben vom 23. Juli 2012 erhoben A. und B.C. sowie 28 Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichner (Beschwerdeführer 1–19) Beschwerde beim Verwaltungsgericht und beantragten: 1. Es sei der angefochtene Beschwerdeentscheid des Regierungsrates des Kantons Zug vom 19. Juni 2012 insoweit aufzuheben, als damit die Beschwerde der Beschwerdeführer abgewiesen wurde, und es sei demgemäss auch die bestätigte Festsetzung des Bebauungsplans Salesianum, Plan Nr. 7079, Stadt Zug, aufzuheben; 2. Es sei der angefochtene Genehmigungsentscheid des Regierungsrates des Kantons Zug vom 19. Juni 2012 und die damit erfolgte Genehmigung des Bebauungsplans Salesianum, Plan Nr. 7079, Stadt Zug, aufzuheben; 3. Eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zur Ergänzung und Neubeurteilung zurückzuweisen; 4. Es seien die Kosten der Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Regierungsrat der Beschwerdegegnerin, eventuell den Mitbeteiligten aufzuerlegen, und es sei zu deren Lasten den Beschwerdeführern für beide Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen; 5. Es sei ein Augenschein an Ort und Stelle (mit ausgesteckten Neubaukörpern) durchzuführen; 6. Es sei ein neutrales denkmalpflegerisches Fachgutachten, vorzugsweise bei einer der dafür geeigneten Bundeskommissionen (EDK oder ENHK), über die Vereinbarkeit des Bebauungsplanes mit den Anliegen des ISOS und des Denkmalschutzes einzuholen.

Mit Stellungnahme vom 30. August 2012 beantragte der Stadtrat Zug, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde von A. und B. C. sowie 28 Mitunterzeichnenden vom 23. Juli 2012 sei vollumfänglich abzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Beschwerdeführenden und es sei keine Profilierung vorzunehmen. Mit Vernehmlassung vom 31. August 2012 beantragte der Regierungsrat des Kantons Zug die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Mit Schreiben vom 10. September 2012 reichten die Schweizer Provinz der Schwestern vom Heiligen Kreuz, Menzingen, sowie die Alfred Müller AG, Baar, ihre Vernehmlassung ein und beantragten, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen, ebenso die Verfahrensanträge auf Profilierung der Neubaukörper und Erstellung eines denkmalpflegerischen Gutachtens, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Beschwerdeführer.

Am 7. Dezember 2012 fand ein Augenschein auf dem Salesianum-Areal statt. Die Parteien erhielten in der Folge Gelegenheit, allfällige Ergänzungen und Berichtigungen zum Protokoll einzureichen.

Aus den Erwägungen:

(…)

4. Auslegung von § 53 Abs. 2 BO

4. a) Im Rahmen der jüngsten Ortsplanungsrevision wurde das Salesianum-Areal der «Bauzone mit speziellen Vorschriften Salesianum» zugewiesen. Die entsprechende Bestimmung in § 53 BO lautet wie folgt:

«1 Die Bauzone mit speziellen Vorschriften Salesianum ist für öffentlich zugängliche Nutzungen wie Schulen, Kultur usw. und für Wohnen bestimmt.

2 Das Areal Salesianum soll in seinem Charakter und Erscheinungsbild erhalten bleiben. Um den langfristigen Bestand der Gebäudegruppe zu ermöglichen, sind bei den bestehenden Bauten und Anlagen Erneuerungen und Änderungen im Rahmen denkmalpflegerischer Vorgaben gestattet. Erweiterungs- und Neubauten haben sich besonders gut in das Landschafts- und Ortsbild einzufügen. Es gelten die Grundmasse der Zone W2b. Für Neubauten besteht Bebauungsplanpflicht.

3 Die Bauzone mit speziellen Vorschriften Salesianum wird der Lärmschutz-Empfindlichkeitsstufe II zugewiesen.»

Vorliegend sind sich die Parteien in der Auslegung von § 53 Abs. 2 BO uneinig, insbesondere hinsichtlich der Interpretation des vierten Satzes in dieser Bestimmung. Während die Beschwerdeführer der Meinung sind, dass man es – vor dem Hintergrund der ISOS-Einträge – auf jeden Fall bei den Grundmassen der Zone W2b belassen müsse, argumentieren die Beschwerdegegner, der vorletzte Satz des zweiten Absatzes von § 53 Abs. 2 BO bedeute, dass die Grundordnung W2b der Ausgangspunkt sei, an denen sich der Bebauungsplan Salesianum prüfen lassen müsse. Die Bestimmung sei deshalb erforderlich, um die Abweichungen von der Grundordnung bestimmen zu können. Dass solche Abweichungen erlaubt seien, werde hingegen mit der Norm von § 32 Abs. 1 PBG statuiert. Demzufolge könne mit einem Bebauungsplan grundsätzlich von den Vorschriften der Einzelbauweise abgewichen werden, wenn dieser wesentliche Vorzüge gegenüber der Einzelbauweise habe. Bevor das Gericht eine Auslegung von § 53 Abs. 2 BO durchführt, sind zuvor ein paar Feststellungen zum Sachverhalt anzubringen. So hat der Regierungsrat es im angefochtenen Entscheid unterlassen, genau zu definieren, was in räumlicher Hinsicht unter dem «Areal Salesianum», auf das sich der erste Satz in § 53 Abs. 2 BO bezieht, zu verstehen ist. Sodann ist auf den bisherigen Charakter und das bisherige Erscheinungsbild dieses Areals einzugehen, wovon § 53 Abs. 2 Satz 1 BO ebenfalls handelt. Schliesslich ist festzustellen, was der Bebauungsplan Salesianum bezweckt, und inwieweit er von den Grundmassen der Zone W2b abweicht.

4. b/aa) Ein Blick auf den Zonenplan der Stadt Zug in Verbindung mit dem Grundbuchplan (beide abrufbar unter www.zugmap.ch) erhellt, dass die «Bauzone mit speziellen Vorschriften Salesianum» genau ein Grundstück umfasst, nämlich das 20'238 m2 grosse Grundstück Nr. 1487, welches zwischen der Artherstrasse im Westen und der Bahnlinie im Osten liegt. Dieses Grundstück ist aktuell nur im südwestlichen Teil in Richtung Artherstrasse bebaut. Dort befindet sich der Gebäudekomplex Salesianum mit folgenden markanten Elementen: dem barocken Herrenhaus aus dem 17./18. Jahrhundert, einem Verbindungstrakt mit einer Säulenhalle von 1909 und einer Kapelle von 1640. Das «Areal Salesianum», auf das sich § 53 Abs. 2 BO bezieht, ist somit mit dem soeben beschriebenen Grundstück identisch. Was den aktuellen Charakter dieses Areals betrifft, so ist den Akten zu entnehmen, dass die Baudirektion bei früherer Gelegenheit davon ausging, dass das Grundstück einen «ausgeprägt ländlichen Charakter» aufweise. Diese Feststellung machte die Behörde am 23. November 2009 anlässlich der Vorprüfung eines ersten Bebauungsplanentwurfs für das betreffende Grundstück (Vorprüfung, S. 5; Beilage 4 der Beschwerdeführer im Vorverfahren). Anlässlich des Augenscheins vom 7. Dezember 2012 konnte sich das Gericht selber davon ins Bild setzen, dass das betreffende, sehr weitläufige Grundstück – der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 sprach anlässlich des Augenscheins von einem «riesigen Areal» (Protokoll Augenschein, S. 13) – sich in der Tat durch seinen ländlichen Charakter auszeichnet. Unbeachtlich in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass das Grundstück im Norden und Osten von zahlreichen Mehrfamilienhäusern umgeben ist. Der Rechtsvertreter der Beschwerdegegner wies in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass das Areal Salesianum genau umgrenzt werde durch den Fridbachweg, die Bahnlinie und die Hauptstrasse. Dies sei wichtig, wenn man vom Salesianum und der Umgebung spreche. Es sei in der Bauordnung explizit von diesem Areal die Rede und nicht von einem anderen ausserhalb dieses Perimeters (Protokoll Augenschein, S. 4). Diese Sichtweise wurde von allen Teilnehmern akzeptiert und auch für das Gericht besteht kein Anlass, davon abzuweichen.

4. b/bb) Wie aus den Bestimmungen zum Bebauungsplan Salesianum hervorgeht, bezweckt dieser in Ziffer 1, was folgt: «das geschützte Salesianum mit seiner Umgebung in seinem Charakter und Erscheinungsbild zu erhalten und eine weitere Entwicklung zu ermöglichen; die Rahmenbedingungen für eine qualitätsvolle Wohnüberbauung zu schaffen.» Es lässt sich bereits an dieser Stelle würdigend festhalten, dass der Zweck des Bebauungsplans sich damit nicht mit der im ersten Satz von § 53 Abs. 2 BO festgeschriebenen Zielvorgabe zur Deckung bringen lässt. Während nämlich in dieser Bauordnungsbestimmung postuliert wird, dass das gesamte Areal, das heisst also das ganze Grundstück 1487, in seinem Charakter und Erscheinungsbild erhalten werden soll, beschränkt sich der Bebauungsplan lediglich auf den Schutz des Salesianums «mit seiner Umgebung», ohne genau zu definieren, wie weit dieser Schutz räumlich gehen soll. Aufgrund der Wortwahl und des Volumens sowie der Anordnung der im Bebauungsplan vorgesehenen Neubauten scheint aber klar, dass der Fokus des Schutzes auf die bestehende historische Bausubstanz und die unmittelbar angrenzende Umgebung gerichtet ist. Die historischen Bauten nehmen heute aber nur einen kleinen Teil des weitläufigen Grundstücks in Beschlag. Den Schutz von Erscheinungsbild und Charakter des sonst nicht bebauten, aktuell ländlich geprägten Grundstücks Nr. 1487 strebt der Bebauungsplan dagegen offensichtlich nicht an. Damit weicht die Zweckbestimmung in Ziffer 1 im Bebauungsplan Salesianum in kaum zu vereinbarender Weise von der Zielvorgabe in § 53 Abs. 2 Satz 1 BO ab.

4. c/aa) Gemäss § 36 BO ist in der Zone W2b eine Ausnützungsziffer von 0.5 gestattet. Die Vorinstanz hat die geplante Ausnützung des Bebauungsplans Salesianum berechnet und hat dabei ein Ergebnis von 0.7 erhalten. Zur Berechnung hat sie die maximale anrechenbare Geschossfläche der Baubereiche B1 und B2 sowie des Salesianums zusammengezählt (3'800 m2 + 3'800 m2 + 5'100 m2 + 1'530 m2) und diese zur anrechenbaren Landfläche (20'238 m2) ins Verhältnis gesetzt (vgl. § 15 V PBG). Diese Berechnung ist schlüssig und nachvollziehbar, weshalb der Einwand der Beschwerdeführer, diese Berechnung sei eine «Grobschätzung», nicht gehört werden kann. Im Vergleich zu den Grundmassen ergibt sich somit eine Abweichung der Ausnützungsziffer von 0.2 bzw. 40 %.

4. c/bb) Nach § 36 BO sind in der Zone W2b zwei Vollgeschosse, welche gemäss § 12 Abs. 1 lit. a BO je drei Meter hoch sind, zulässig. Über diese beiden Vollgeschosse darf gemäss § 13 Abs. 1 lit. a BO ein Dachgeschoss in der Höhe von fünf Metern gebaut werden. Addiert man die genannten Höhen ergibt sich somit eine maximal zulässige Gebäudehöhe von elf Metern in der Zone W2b. Ein Attikageschoss hingegen dürfte nach § 13 Abs. 1 lit. b BO höchstens 3.70 Meter hoch sein, weswegen ein Gebäude mit Attikageschoss maximal 9.7 Meter hoch sein dürfte. Der Bebauungsplan Salesianum lässt in den Baubereichen B1 maximal drei und im Baubereich B2 maximal vier Vollgeschosse zu, wobei Attikageschosse nicht zulässig sind. Der Baubereich B2 wird demzufolge maximal zwölf und die Baubereiche B1 maximal neun Meter hoch werden. Während die Baubereiche B1 die maximal zulässige Gebäudehöhe der Einzelbauweise sogar unterschreiten, überschreitet sie der Baubereich B2 – je nachdem ob ein Vergleichsobjekt mit Giebeldach oder eines mit Attikageschoss herangezogen wird – um 1–2.3 Meter bzw. etwa 10–20 %.

4. c/cc) Betreffend die Gebäudelänge sind gemäss § 36 BO für die Zone W2b 30 Meter zulässig. Die Norm, welche die Berechnung der Gebäudelängen definiert, ist § 6 Abs. 1 der Verordnung zum Planungs- und Baugesetz vom 16. November (V PBG, BGS 721.111). Demzufolge werden die Gebäudelängen an den Seiten des flächenkleinsten Rechtecks, welches das Gebäude umfasst, gemessen. In der Vernehmlassung des Regierungsrates vom 31. August 2012 führt dieser aus, dass die maximalen Gebäudelängen des Bebauungsplans bei den Baubereichen B1 78.8 m und beim Baubereich B2 65 m betragen würden. Das Gericht kann diese Berechnungen anhand des Bebauungsplans in der Grösse 1:500 nachvollziehen und bestätigen. Bei den Baubereichen B1 wird das Grundmass damit um 48.8 Meter bzw. ca. 162 % und beim Baubereich B2 um 35 Meter bzw. ca. 117 % überschritten.

4. c/dd) Bezüglich der Gebäudeabstände sind nach § 10 V PBG i.V.m. § 36 BO in der Einzelbauweise zehn Meter zulässig. Zwischen den Baubereichen B1 des Bebauungsplans Salesianum wird dieser Minimalabstand an einer Stelle um drei Meter bzw. 30 % unterschritten.

4. c/ee) Zusammengefasst weichen die geplanten Neubauten auf dem Areal Salesianum, wie sie gemäss Bebauungsplan möglich wären, bezüglich der Ausnützungsziffer um 40 %, der Höhe um bis zu 20 %, der Gebäudelänge um bis zu 162 % und des Gebäudeabstandes um bis zu 30 % von der in § 53 Abs. 2 BO als Grundordnung bezeichneten Zone W2b ab. Würdigend ist festzuhalten, dass die auf dem Areal mögliche Überbauung damit ganz erheblich, teilweise massiv über die Grundmasse der Zone W2b hinausgeht.

4. d/aa) Es ist nunmehr § 53 Abs. 2 BO auszulegen. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut. Ist der Text nicht klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte, auf den Zweck der Norm, die ihr zugrunde liegenden Wertungen und ihre Bedeutung im Kontext mit anderen Bestimmungen. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatikalische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab (vgl. BGE 138 II 271, Erw 4.1). Begonnen werden soll mit der Auslegung nach dem Wortlaut, dann folgt die systematische, die historische und schliesslich die teleologische, das heisst eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Bestimmung.

4. d/bb) Bei der grammatikalischen Auslegung wird bei der Ermittlung des Sinngehalts einer Gesetzesnorm auf den Wortlaut abgestellt. Der Regierungsrat ist der Ansicht, dass die Formulierung im Gesetz nicht ganz klar festlege, ob von den Grundmassen abgewichen werden dürfe oder nicht. Der Grundsatz von § 32 PBG, wonach mit einem Bebauungsplan grundsätzlich von den Grundmassen abgewichen werden dürfe, spreche bei der vorliegenden Regelung von § 53 BO im Sinne einer «gesetzlichen Vermutung» für eine solche Handhabung bzw. Auslegung. Andernfalls hätte der Gesetzgeber dies in § 53 BO klarstellen müssen. Dem kann nicht gefolgt werden. Stellt man nämlich nur auf den Wortlaut des vierten Satzes von § 53 Abs. 2 BO ab, so ist dieser Satz eindeutig als klare Regel aufzufassen, die keine Abweichungen zulässt. Ein unbefangener Leser würde den vierten Satz somit so verstehen, dass Bauten auf dem betreffenden Areal die in der kommunalen Bauordnung festgelegten Maximal- bzw. Minimalmasse der Zone W2b ausnahmslos einzuhalten haben. Der Regierungsrat bezieht dagegen in nicht zulässiger Art gesetzessystematische Gesichtspunkte in seine Betrachtungen ein, das heisst er liest die fragliche Bestimmung von Beginn weg im Zusammenhang mit § 32 PBG und kommt mit diesem «Hintergrundwissen» zum Schluss, dass der vierte Satz von § 53 Abs. 2 BO unklar abgefasst sein soll. Abstrahiert man jedoch von § 32 PBG, so käme man aufgrund des reinen Wortlauts von § 53 Abs. 2 BO kaum auf die Idee, hier eine gesetzliche Vermutung für ein Abweichen von den Grundmassen der Zone W2b zu erkennen. Auch würde man die Bestimmung kaum so verstehen, dass der Verweis auf die Grundmasse der Zone W2b lediglich ein gesetzestechnisches Erfordernis darstellt, wie der Regierungsrat dies im angefochtenen Entscheid getan hat. Auch wenn der vierte Satz im Zusammenhang mit den restlichen Bestimmungen im zweiten Absatz von § 53 BO gelesen wird, ändert sich an dieser Sichtweise nichts. Gerade der erste Satz der Bestimmung, der im Sinne einer Absichtserklärung festhält, dass der Charakter und das Erscheinungsbild des Areals Salesianum erhalten bleiben sollen, weckt beim Leser die Erwartung, dass die nachfolgenden Regeln allesamt im Lichte dieses Leitsatzes zu verstehen sind. Somit liest ein Leser den späteren Verweis auf die Grundmasse der Zone W2b in erster Linie als einschränkende Regel und nicht als gesetzestechnisches Erfordernis, welches im Zusammenspiel mit dem fünften Satz der Bestimmung im Ergebnis dazu führen kann, dass auf dem Areal gleichwohl Abweichungen von den Grundmassen der Zone W2b möglich sind. Gleich verhält es sich im Übrigen bei einer grammatikalischen Auslegung des fünften Satzes von § 53 Abs. 2 BO. Auch das Erfordernis einer Bebauungsplanpflicht wird aufgrund des Wortlauts ohne weiteres als einschränkende, absolut geltende Regel aufgefasst. Beim Lesen dieses Satzes käme man jedenfalls nicht auf die Idee, dass es unter Umständen Konstellationen geben könnte, in denen die Bebauungsplanpflicht gleichwohl entfallen würde.

4. e/aa) Bei einer systematischen Auslegung wird der Sinngehalt einer Norm aus dem Zusammenhang in dem die Norm steht, ermittelt. Zunächst ist der vierte Satz von § 53 Abs. 2 BO im Kontext der gesamten Bestimmung zu analysieren. Dem ersten Satz von § 53 Abs. 2 BO ist zu entnehmen, dass ein spezifisches Areal, das heisst ein ganzes Gebiet und nicht etwa bloss ein bestimmtes Gebäude oder eine Gebäudegruppe, so wie es sich aktuell dem Betrachter darbietet, für die Zukunft in Charakter und Erscheinungsform  erhalten bleiben soll. Wie festgestellt, handelt es sich dabei um das 20'238 m2 grosse Grundstück Nr. 1487 und wie ebenfalls festgehalten, steht dabei der Erhalt des ländlichen Charakters des weitläufigen Grundstücks im Vordergrund (vgl. Erw. 4b/aa). Durch das Wort «soll» wird klar gemacht, dass es sich dabei um eine Zweckbestimmung bzw. um eine Zielvorgabe des Gesetzgebers handelt, die es noch zu konkretisieren gilt. Beim ersten Satz fällt aber auch auf, dass die Zweckbestimmung absolut formuliert wurde, das heisst der Gesetzgeber hat davon Abstand genommen, die von ihm gesteckte Zielvorgabe mit relativierenden unbestimmten Rechtsbegriffen (z.B. mit dem Wort «möglichst») abzuschwächen. Im zweiten Satz von § 53 Abs. 2 BO wird sodann Bezug zu bestimmten Gebäuden genommen, die sich auf dem Areal befinden. Der Satz eröffnet zunächst mit einem anzustrebenden Ziel – Erhalt der existierenden Gebäudegruppe auf lange Zeit –, um dann mit einer konkreten Regel fortzufahren, die der Zielerreichung dient. Dem dritten Satz ist zu entnehmen, dass auf dem Areal Salesianum Neu- und Erweiterungsbauten möglich sind. In der Folge werden dafür aber sogleich diverse Einschränkungen gemacht: Neu- und Erweiterungsbauten sollen nämlich nur erlaubt sein, wenn sie sich besonders gut in die Umgebung einfügen. Dem vierten Satz der Bestimmung ist sodann zu entnehmen, dass für Bauten bestimmte Grundmasse gelten. Aus dem Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz ergibt sich sodann, dass sich diese Vorschrift auf Neu- und Erweiterungsbauten auf dem Areal bezieht. Der fünfte Satz stellt schliesslich eine Auflage dar: Bevor auf dem Areal Salesianum neue Bauten errichtet werden dürfen, ist für das gesamte Gebiet zwingend eine Sondernutzungsplanung durchzuführen. Sowohl der vierte wie auch der fünfte Satz der Bestimmung von § 53 Abs. 2 BO enthalten je Verweise auf andere Gesetzesbestimmungen, deren Regelungsgehalt mit übernommen wird. So verweist der vierte Satz auf § 36 BO Zug, wo die Grundmasse der Zone W2b festgelegt werden. So gelten in dieser Zone beispielsweise eine maximale Ausnützung von 0.5, eine maximale Gebäudelänge von 30m, ein maximaler kleiner Grenzabstand von 5m und ein minimaler grosser Grenzabstand von 8m. Der fünfte Satz von § 53 Abs. 2 BO verweist dagegen auf § 32 PBG, wo die Anforderungen an einen Bebauungsplan näher umschrieben werden, sowie auf die dazu gehörenden Verfahrensbestimmungen in §§ 39 ff. PBG, welche den Erlass eines Bebauungsplanes betreffen. Paragraph 32 Abs. 1 Satz 2 PBG bestimmt sodann, dass Bebauungspläne unter bestimmten Voraussetzungen von den kantonalen und gemeindlichen Bauvorschriften abweichen können. Weiter regelt § 32 Abs. 4 PBG einen Fall, in dem in einem Gebiet mit Bebauungsplanpflicht ein Bebauungsplan im zweiten Anlauf scheitert. In dieser Situation entfällt die Bebauungsplanpflicht und Baugesuche sind nach den geltenden Vorschriften zu beurteilen.

4. e/bb) Aus systematischer Sicht lässt sich somit sagen, dass am Kopf der Bestimmung eine absolut formulierte Zielvorgabe steht, die nachfolgend konkretisiert wird. Dabei wird zuerst geregelt, was mit den bestehenden historischen Bauten auf dem Areal geschehen soll, und nachher wie im Lichte des angestrebten Ziels (Erhalt des ländlichen Charakters und Erscheinungsbilds des Grundstücks) mit den auf dem Areal an sich erlaubten Neubauten zu verfahren ist. In diesem zweiten Fall haben Bauherren drei die Baufreiheit einschränkende Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen: die Neubauten müssen sich besonders gut einordnen, die Grundmasse der Zone W2b sind einzuhalten und eine Realisierung ist nur im Rahmen eines Bebauungsplans möglich. Da der kommunale Gesetzgeber Bauherren auf dem Areal Salesianum somit unter anderem dazu verpflichtet, die Grundmasse der Zone W2b einzuhalten, wird gleichzeitig die Anwendung von § 32 Abs. 1 Satz 2 PBG unterbunden. Mit anderen Worten: Es besteht für das Areal Salesianum zwar Bebauungsplanpflicht, so ist insbesondere das Planverfahren unter Einhaltung der entsprechenden Mitwirkungsrechte der Bevölkerung durchzuführen, doch darf ein neues Bauvorhaben nicht von den Grundmassen der Zone W2b abweichen. Da die Bebauungsplanpflicht überdies absolut gilt, wird auch die Regelung in § 32 Abs. 4 PBG hinfällig, da der dort vorgesehene Fall auf dem Areal Salesianum gar nie eintreten kann.

4. e/cc) Der Regierungsrat legt die Regelungen von § 53 Abs. 2 BO systematisch anders aus. Für ihn handelt es sich beim vierten Satz weniger um eine einschränkende Voraussetzung, welche Bauwillige auf dem Areal Salesianum zusammen mit den anderen beiden Voraussetzungen zu erfüllen haben, sondern mehr um eine Art Referenzgrösse, welche dazu dient, um im Zusammenspiel mit dem Bebauungsplan die Abweichungen von den Grundmassen der Zone W2b zu bestimmen. Der Regierungsrat stellt sich somit auf den Standpunkt, dass § 32 Abs. 1 Satz 2 PBG dem vierten Satz von § 53 Abs. 2 BO vorgehe, womit dieser seinen plafonierenden Charakter verlöre. Materiellrechtlich würde der vierte Satz von § 53 Abs. 2 BO dadurch überflüssig. Dass in der Bestimmung § 53 Abs. 2 BO gleichwohl Bezug auf die Nutzungsordnung genommen werden müsse, begründet der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid auf der formellrechtlichen Ebene, nämlich einerseits mit § 17 Abs. 1 Satz 1 PBG und andererseits mit § 32 Abs. 4 PBG. Paragraph 17 Abs. 1 Satz 1 PBG schreibe vor, dass der gemeindliche Gesetzgeber jeder Bauzone eine bestimmte Grundbauordnung zwingend zuweisen müsse. Dies könne erfolgen, indem die Grundmasse in der entsprechenden Norm selbst festgelegt würden, wie dies zum Beispiel in § 47 Abs. 2 BO geschehen sei, oder durch Verweis auf die Grundmasse einer bestimmten Zone, wie dies in § 53 Abs. 2 BO gemacht worden sei. Und weiter: Falls ein Bebauungsplan auch im zweiten Anlauf scheitere, so schreibe § 32 Abs. 4 PBG vor, dass die Bebauungsplanpflicht entfalle und Baugesuche nach den geltenden Vorschriften zu beurteilen seien. Diese Regelung bezwecke, dass Bauherrschaften nicht auf unbestimmte Zeit am Bauen gehindert würden, wenn nicht innert angemessener Frist ein Bebauungsplan zustande komme. In einem solchen Fall müssten die Grundmasse selbstverständlich eingehalten werden. Auch deshalb brauche es im § 53 BO den Bezug zu den Grundmassen.

4. e/dd) Die Auffassung des Regierungsrats ist unzutreffend. Wäre es so, wie der Regierungsrat ausführt, dass das übergeordnete kantonale Recht auf jeden Fall verlangt, dass in einer kommunalen Bauordnung bei Sonderbauzonen immer auch Grundmasse festgelegt werden müssten, so ist kaum zu erklären, wieso der Regierungsrat die Bauordnung der Stadt Zug genehmigt hat, obwohl sie Sonderbauzonen mit Bebauungsplanpflicht enthält, in denen weder die Grundmasse selber festgelegt sind noch ein Verweis auf die Grundmasse einer bestimmten Zone erfolgt (§ 43 BO «Zugerberg», § 44 BO «Choller», § 49 BO «Lüssi», § 54 BO «Meisenberg»). Die Bauordnung der Stadt Zug sieht in § 55 ausserdem Sonderbauzonen ohne Bebauungsplanpflicht vor, in denen der Stadtrat Zug mit Ausnahme der Grenz- und Gebäudeabstände die übrigen Baumasse von Fall zu Fall festlegen kann. Auch diese Bestimmung hat der Regierungsrat im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nicht beanstandet, obwohl sie gemäss seiner Darstellung im angefochtenen Entscheid den Vorgaben des zwingenden kantonalen Rechts widersprechen würde.

4. e/ee) Wäre es weiter so, dass bei Sonderbauzonen die Zuweisung von Grundmassen zwingend erforderlich ist, um für den Fall gerüstet zu sein, dass ein Bebauungsplan scheitert, so ist auf die beiden Sonderbauzonen «Landis + Gyr» (§ 47 BO) und «V-Zug AG» (§ 48 BO) aufmerksam zu machen. Hier handelt es sich um Bauzonen mit Bebauungsplanpflicht, in denen die Grundmasse direkt in der jeweiligen Norm festgelegt worden sind. Dabei fällt auf, dass gewisse Parameter, welche die Tabelle mit den Grundmassen der Wohn- Misch- und Arbeitszonen in § 36 BO enthält, bewusst offengelassen wurden. Namentlich sind in diesen beiden Sonderbauzonen die Geschosszahl und die Gebäudelänge nicht geregelt (vgl. § 47 Abs. 2 lit. a und b BO sowie § 48 Abs. 2 lit. a und b BO). Da gleichzeitig aber Verweise auf eine Grundbauordnung fehlen, ist nicht klar, was in Bezug auf die Geschosszahl und die Gebäudelänge passieren müsste, wenn ein Bebauungsplan für Neubauten in diesen Gebieten nicht zustande kommen würde und gemäss § 32 Abs. 4 PBG eine Überbauung «nach den geltenden Vorschriften» zu beurteilen wäre. Der Regierungsrat hat diese Unklarheit seinerzeit aber hingenommen und die Bauordnung Zug genehmigt. Die auf § 32 Abs. 4 PBG basierende Begründung des Regierungsrats erscheint somit als nicht besonders stichhaltig. Dies noch aus einem weiteren Grund: Schon die grammatikalische und systematische Auslegung des fünften Satzes von § 53 Abs. 2 BO legen nahe, dass die Bebauungsplanpflicht auf dem Areal Salesianum absolut zu gelten hat (vgl. Erw. 4d/bb, 4e/bb). Auch im Zuge einer teleologischen Auslegung kommt man im Übrigen zum gleichen Ergebnis, wie noch zu zeigen sein wird (vgl. Erw. 4g). Somit ist es gar nicht denkbar, dass auf dem Areal Salesianum der in § 32 Abs. 4 PBG geregelte Fall eintreten könnte. Auch aufgrund dieser Überlegungen ist es aus formellrechtlichen Gründen nicht erforderlich, dass § 53 BO einen Verweis auf die Grundmasse enthält.

4. e/ff) Angenommen der regierungsrätlichen Argumentation wäre zu folgen, wonach der kommunale Gesetzgeber sich ganz bewusst für die Grundmasse der Zone W2b entschieden hätte, damit er in der Folge davon wieder abweichen könnte, lässt sich im Übrigen nur schwer nachvollziehbar erklären, warum diese gesetzgeberische Konzeption ausgerechnet ein Bauvorhaben ermöglichen sollte, das derart ausgeprägt, teilweise sogar massiv, von dieser Grundordnung abweichen kann wie das hier vorliegende. Wäre dem kommunalen Gesetzgeber bereits bei Erlass der Bauordnung vor Augen gestanden, dass auf dem Areal Salesianum dereinst ein Projekt in der hier vorliegenden Grössenordnung ermöglicht werden sollte, so wäre es naheliegender gewesen, wenn er in § 53 Abs. 2 Satz 4 BO als Bezugsgrössen die Grundmasse der Zonen W2c oder W3 genannt hätte. Diese beiden Nutzungszonen weisen immer noch mehrheitlich tiefere Grundmasse auf als das jetzt mögliche Bauvorhaben im strittigen Bebauungsplan. Folgt man der Logik des Regierungsrats, so müsste man eigentlich zum Schluss kommen, dass der vom kommunalen Gesetzgeber in § 53 Abs. 2 Satz 4 BO statuierte Verweis auf die Grundmasse der Zone W2b etwas eher Zufälliges oder gar Willkürliches anhaftet. Dies dürfte kaum die Intention des kommunalen Gesetzgebers gewesen sein, insbesondere auch deshalb nicht, da man sich in der Sonderbauzone nach § 51 Abs. 2 BO («Zurlaubenhof») offensichtlich ganz bewusst für andere Grundmasse entschieden hat, nämlich die der Zone W2a, und man in den Sonderbauzonen nach § 43 BO («Zugerberg»), § 49 BO («Lüssi») und § 54 BO («Meisenberg») gleichzeitig bewusst auf eine derartige einschränkende Regelung verzichtet hat. Auch aus diesem Grund kann dem Regierungsrat nicht gefolgt werden.

4. e/gg) Nach dem Gesagten ist über eine systematische Auslegung zum Schluss zu kommen, dass sich der kommunale Gesetzgeber beim Erlass der Bauordnung in § 53 Abs. 2 Satz 4 BO ganz bewusst für eine Regelung entschieden hat, mit der er das ihm vom kantonalen Gesetzgeber in § 32 PBG an sich eingeräumte Ermessen eingeschränkt hat. Im engeren Kontext der gesamten Bestimmung von § 53 Abs. 2 BO, ferner auch im Zusammenhang mit den übrigen Sonderbauzonenbestimmungen in der Stadtzuger Bauordnung und schliesslich auch mit Blick auf das Verhältnis der fraglichen Bestimmung zur kantonalen Vorschrift in § 32 PBG ist der vierte Satz von § 53 Abs. 2 BO als zwingend einzuhaltenden Eckwert aufzufassen, von dem auch im obligatorisch zu erlassenden Bebauungsplan nicht abgewichen werden kann. Im Weiteren ist der fünfte Satz von § 53 Abs. 2 BO als Folge der systematischen Auslegung als absolutes Erfordernis aufzufassen, das heisst es gibt keine Ausnahme von der Regel, wonach auf dem betreffenden Areal Neubauten erst nach Erlass eines Bebauungsplans erstellt werden dürfen.

4. f/aa) Bei der historischen Auslegung wird die Entstehungsgeschichte der Norm zur Ermittlung ihres Sinngehalts herangezogen. Nachfolgend ist somit ausführlich auf die Entstehungsgeschichte von § 53 BO einzugehen.

  • Am Anfang stand ein Entwicklungskonzept, welches der Stadtrat von Zug am 9. Mai 2006 im Sinne einer Strategie für die räumliche Entwicklung der Stadt Zug verabschiedet hat. Im Entwicklungskonzept, welches als erstes Etappenziel auf dem Weg zur Revision der Ortsplanung bezeichnet wurde, wurden fünf so genannte Perlen definiert, für deren Entwicklung spezielle Lösungen vorbehalten wurden. Aus Ziff. 15 des Entwicklungskonzepts ergibt sich Folgendes: A. Die Perlen sind repräsentative Orte für spezielle Nutzungen mit hohen Anforderungen an die städtebauliche und architektonische Gestaltung reserviert. Ihre Entwicklung unterliegt einem hohen öffentlichen Interesse. B. Die Areale «Oeschwiese», Rötelberg, Zurlaubenhof, Salesianum und Meisenberg werden aufgrund ihrer einmaligen Lage im Landschaftsraum und/oder der bestehenden Bebauung von hoher Qualität Zonen mit speziellen Vorschriften oder Zonen des öffentlichen Interesses zugewiesen. Wo erforderlich werden sie mit einer Bebauungsplanpflicht überlagert. C. Die Kompetenz zur Entwicklung der Perlen liegt beim Stadtrat und beim Grossen Gemeinderat. Die Entwicklung der Gebiete erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Grundeigentümern.
  • Am 19. Juni 2007 reichte der Stadtrat von Zug der Baudirektion die Ortsplanungsrevision zur Vorprüfung ein. Aus dem mitgelieferten Planungsbericht nach Art. 47 RPV, welchen die Planteam S AG für die Stadt Zug erarbeitete, ergibt sich, dass für die Perlen der Entwicklung spezielle Lösungen vorbehalten seien. Aufgrund ihrer speziellen Lagen im Stadtraum würden für sie Nutzungen von hohem öffentlichem Interesse reserviert (Vorprüfungsbericht nach Art. 47 RPV, Ziff. 5.2.4). Das Gebiet St. Karl, das im Entwicklungskonzept als Perle ausgewiesen sei, werde von der Zone W2b in die Zone BsV (Bauzone mit speziellen Vorschriften) umgezont. Die Bauzonen mit speziellen Vorschriften würden den Perlen der Entwicklung im Entwicklungskonzept entsprechen. Es bestehe, wie bei allen Bauzonen mit speziellen Vorschriften, Bebauungsplanpflicht. Im Entwurf der Bauordnung vom 19. Juni 2007 sind die Bauzonen mit speziellen Vorschriften für Gebiete mit besonderer Nutzung in § 44 aufgeführt. Hier wurde folgende Regelung vorgesehen:
    1 Die Bauzonen mit speziellen Vorschriften für Gebiete mit besonderer Nutzung unterliegen einem gewichtigen öffentlichen Interesse.
    2 Bei der Gestaltung müssen hohe städtebauliche und architektonische Anforderungen sowie ein besonders sorgfältiger Umgang mit der Umgebung, der Landschaft und den kulturellen Werten erfüllt werden. Die Entwicklung ist nur im Rahmen eines Bebauungsplanes über das ganze Areal möglich.
    3 Die Bauzonen mit speziellen Vorschriften für Gebiete mit besonderer Nutzung werden der Lärmschutz-Empfindlichkeitsstufe III zugewiesen.
  • Im Vorprüfungsbericht vom 31. Oktober 2007 hat die Baudirektion des Kantons Zug zu § 44 wie folgt Stellung genommen: «Gemäss Planungsbericht entsprechen diese Bauzonen den «Perlen» im Entwicklungsleitbild, und die Zuweisung zur Bauzone mit speziellen Vorschriften setzt eine entsprechende Forderung des Entwicklungsleitbildes um. Angesichts des hohen öffentlichen Interesses müsste aber erwartet werden, dass in den Vorschriften gewisse Ziele und Rahmenbedingungen für die Entwicklung analog der Bauzone mit speziellen Vorschriften Lüssi (§ 43 Abs. 2) oder den Zweckbestimmungen der Ortsbildschutzzonen (§ 51 bis 58) formuliert werden. Um der hohen Qualität und dem entsprechenden öffentlichen Interesse gerecht zu werden, empfehlen wir, bei den Bauzonen mit speziellen Vorschriften für die einzelnen Gebiete differenzierte Zweckbestimmungen wie Dichte, Nutzung zu formulieren.» Weiter beanstandete die Baudirektion, dass die Bauzone mit speziellen Vorschriften für Gebiete mit besonderer Nutzung im Zonenplan nicht ersichtlich sei. Sie unterscheide sich nicht von den Bauzonen mit speziellen Vorschriften. Die einzelnen Zonen könnten nur mit dem unverbindlichen Entwicklungskonzept eruiert werden. Der Zonenplan wurde mit dem Vorbehalt versehen, dass diese Zonen im Zonenplan speziell darzustellen seien (Vorprüfungsbericht Baudirektion, Ziff. 6.3.30, S. 40).

 

  • Im Rahmen der ersten Lesung zur Revision der Richt- und Nutzungsplanung in der Stadt Zug schreibt der Stadtrat Zug in seinem Bericht vom 29. Januar 2008 zu Händen des Grossen Gemeinderats, für die Perlen der Entwicklung gemäss Entwicklungskonzept, für die Quartierentwicklung Guthirt und den Spezialfall Schönegg würden Bauzonen mit speziellen Vorschriften mit entsprechenden Nutzungsbestimmungen ausgeschieden. Wie bei allen Bauzonen mit speziellen Vorschriften bestehe Bebauungsplanpflicht.

 

  • Aus den Abstimmungsunterlagen zur Urnenabstimmung vom 27. September 2009 betreffend die Ortsplanung Zug ergibt sich unter dem Titel «Wichtige Zonierungen im Überblick», dass eine Erweiterung der Bauzonen mit speziellen Vorschriften (BsV) mit den Gebieten Zurlaubenhof, Salesianum, Meisenberg sowie mit den Arealen Oesch, Stierenmarkt, dem alten Kantonsspital und dem südlichen Teil des V-Zug-Areals erfolgt sei. Mit dieser Zonierung würden Bestimmungen für spezielle Nutzungen geschaffen. Über die Bebauungsplanpflicht würden die angestrebte Qualität und das Mitspracherecht der Bevölkerung gewährleistet bleiben.

4. f/bb) Führt man sich die auf das Jahr 2006 zurückzuführende Entstehungsgeschichte der Sonderbauzonenvorschrift Salesianum (§ 53 BO) vor Augen, so ist zu sehen, wie alle beteiligten Instanzen bestrebt waren, den jeweils besonderen Charakter der als «Perlen» definierten Gebiete mit baurechtlichen Mitteln zu bewahren, ohne sich dabei jedoch einer baulichen Weiterentwicklung zu verschliessen. Klar wird auch, dass sowohl der Regierungsrat wie auch die Planungsbehörden der Stadt Zug und der Stadtrat Zug das öffentliche Interesse am Erhalt dieser als repräsentativ bezeichneten Orte als besonders gewichtig einstuften und sie sich in ihren Überlegungen nicht nur auf die Bauten an sich beschränkten, sondern dabei auch in hohem Masse auf die Umgebung achteten, in welche die Bauten eingebettet waren. Bereits im Entwurf zur Bauordnung vom 19. Juni 2007 war vorgesehen, spezielle Bauzonen für die «Perlen» zu schaffen, in denen ein besonders sorgfältiger Umgang mit der Umgebung, der Landschaft und den kulturellen Werten vorgeschrieben und nicht zuletzt auch mit Blick auf diese Qualitätsvorgaben eine Bebauungsplanpflicht eingeführt wurde. Auf Empfehlung der kantonalen Baudirektion fanden sodann differenzierte Bestimmungen Eingang in die Bauordnung (vgl. § 49 BO «Lüssi», § 51 BO «Zurlaubenhof», § 53 BO «Salesianum», § 54 BO «Meisenberg»). Der Stadtrat Zug schloss sich somit der Ansicht der kantonalen Baudirektion an, wonach sich eine gesonderte Behandlung jeder einzelnen «Perle» mit unterschiedlichen Zweckbestimmungen in der Bauordnung aufgrund des hohen öffentlichen Interesses an der baulichen Entwicklung an diesen sensiblen Orten und auch aus Qualitätsüberlegungen aufdrängte. Ein Vergleich der jeweiligen speziellen Zonenvorschriften erhellt, dass bei allen «Perlen» eine Bebauungsplanpflicht bei Neubauten verankert wurde. Auch ist bei allen diesen Gebieten gesetzlich verankert, dass das jeweilige Areal in seinem Charakter und Erscheinungsbild zu erhalten ist. Speziell beim Salesianum ist im Vergleich zu den anderen  «Perlen» hingegen die Nutzungsbestimmung im ersten Absatz (Nutzung für Schulen, Kultur und Wohnen). Eine weitere charakteristische Bestimmung ist sodann das Erfordernis in § 53 Abs. 2 Satz 2 BO, wonach bei Erneuerungen und Änderungen bei bestehenden Bauten Auflagen der Denkmalpflege zu befolgen sind. Schliesslich findet sich nur beim Salesianum die Bestimmung, dass bei Neu- und Erweiterungsbauten die Grundmasse der Nutzungszone W2b gelten müssen (§ 53 Abs. 2 Satz 4 BO).

4. f/cc) Im historischen Gesamtzusammenhang erklärt sich somit das Erfordernis, wonach die Bauherrschaft auf dem Salesianum-Areal zunächst einen Bebauungsplan zu erarbeiten hat, in erster Linie mit dem Interesse des Gesetzgebers an einer qualitativ hochwertigen Architektur, welche sich in der sensiblen Gegend überdurchschnittlich gut in die Umgebung einordnet, dabei das Erscheinungsbild des bestehenden Ensembles schont und den Charakter des gesamten Areals nicht verändert. Wie zudem aus den Erläuterungen des Stadtrats in der Broschüre zur Urnenabstimmung über die neue Bauordnung der Stadt Zug im September 2009 hervorgeht, diente das Institut des Bebauungsplans den Behörden in zweiter Linie dazu, Neubauten auf dem betreffenden Areal eine erhöhte demokratische Legitimation zu verleihen. Umgekehrt liefert der Rückblick auf die zuvor zitierten massgebenden Dokumente zur Entstehungsgeschichte der Sonderbauzonenvorschrift in § 53 BO nirgends einen Hinweis darauf, dass die involvierten Behörden die Verankerung der Bebauungsplanpflicht in der Bestimmung von § 53 Abs. 2 BO entscheidend auch deshalb anstrebten, weil sie auf dem Areal Salesianum Bauprojekte ermöglichen wollten, um von den ordentlichen kantonalen und gemeindlichen Bauvorschriften der Zone W2b abweichen zu können. Schon gar nicht ist ersichtlich, dass ihnen dabei Projekte vor Augen standen, die in einer derart ausgeprägten Weise von der Grundordnung abweichen würden wie vorliegend.

4. f/dd) Der Regierungsrat bringt im Rahmen einer historischen Argumentation vor, die Materialien liessen keinen anderen Schluss zu, als dass die Grundordnung W2b lediglich Ausgangspunkt sei, an dem sich der Bebauungsplan Salesianum prüfen lassen müsse. Im Planungsbericht nach Art. 47 RPV vom 19. Juni 2009 [recte: 19. Juni 2007] zur Ortsplanungsrevision werde in Ziffer 4.1 die «innere Verdichtung» als Ziel der Stadt Zug erklärt. Der Bebauungsplan werde dort als Planungsinstrument zur Sicherung «quartierspezifischer Verdichtungspotentiale» grösserer Gebiete ausdrücklich genannt. Mit einer Fläche von 20'238 m2 gehöre das Salesianum-Areal zweifellos zu den Gebieten, bei denen die Stadt Zug eine Verdichtung mittels Bebauungsplan angestrebt hätte. Dazu ist Folgendes zu sagen: Abgesehen davon, dass dieser letzte Satz lediglich eine Behauptung darstellt, die sich jedenfalls anhand der zuvor angeführten Planungsunterlagen nicht belegen lässt, übergeht der Regierungsrat in seiner Argumentation den Umstand, dass im von ihm angeführten Dokument die Planer an anderer Stelle ausdrücklich geschrieben haben, dass es bei den «Perlen der Entwicklung» nicht primär um eine dichte Nutzung gehe, sondern um den Erhalt der bestehenden Nutzung, respektive um eine der Lage entsprechende Weiterentwicklung. Dies bedeute in Bezug auf die «Perlen» zwar einen höheren Ausbaugrad und einen höheren Wohnanteil, insgesamt aber eine geringere Ausnützungsziffer (Vorprüfungsbericht nach Art. 47 RPV, S. 30). Im Anhang zu diesem Bericht ist sodann ersichtlich, dass die Planer das Fassungsvermögen der unbebauten Zonen für das Jahr 2020 gesondert nach Nutzungszonen berechneten. Dabei wurde pro Zone auch von einem realistischen Ausbaugrad ausgegangen. Auffallend ist nun, dass für die Bauzonen mit speziellen Vorschriften (BsV), wozu auch das Areal Salesianum gehört, der tiefste Ausbaugrad vorgesehen wurde, nämlich 75 %, während bei den anderen Zonen Ausbaugrade zwischen 80 % und 90 % erwartet wurden. Ebenfalls interessant ist, dass die Planer davon ausgingen, dass bei den BsV-Zonen im Gegensatz zu den übrigen Wohnzonen kein zusätzlicher Ausbaugrad durch Arealbebauungen realisiert werden würde (Vorprüfungsbericht nach Art. 47 RPV, Tabelle T 5, Zeilen 44 und 45). Im angeführten Bericht aus dem Jahr 2007 ging man in Bezug auf die als «Perlen der Entwicklung» identifizierten Gebiete also im Gegensatz zur Ansicht des Regierungsrats offenbar von einer anderen, fast wäre man geneigt zu sagen, von einer diametral entgegengesetzten baulichen Entwicklung aus. Jedenfalls enthält der Bericht, in welchem der Stadtrat Zug gemäss Vorwort die laufende Ortsplanungsrevision dokumentierte (Vorprüfungsbericht nach Art. 47 RPV, S. 1), nirgends eine Passage, welche die im angefochtenen Entscheid vom Regierungsrat vertretene Ansicht in Bezug auf das Areal Salesianum stützen würde.

4. f/ee) Im Rahmen einer historischen Auslegung ist zusammenfassend zum Schluss zu kommen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Bebauungsplanpflicht in § 53 BO in erster Linie das Ziel verfolgte, auf dem Areal Salesianum qualitativ hochwertige Architektur zu ermöglichen und der Bevölkerung Mitspracherechte einzuräumen. Dass aufgrund eines Bebauungsplans in der Folge auch von den in § 53 Abs. 2 Satz 4 BO als anwendbar erklärten Grundmassen der Zone W2b abgewichen werden könnte, war im Gesetzgebungsprozess zwischen 2006 und 2009 dagegen kein Thema. Feststellen lässt sich aber, dass im Jahr 2007, zu Beginn des Planungsprozesses, allgemein davon ausgegangen wurde, dass die Ausnützung auf dem Areal Salesianum, wie auch in den übrigen damals als «Perlen der Entwicklung» bezeichneten Gebiete «Lüssi», «Zurlaubenhof» und «Meisenberg» eher tief sein soll, was heisst, dass eine dichte Nutzung dort nicht beabsichtigt war.

4. g) Ausgangspunkt für eine teleologische Auslegung, das heisst für eine Auslegung, bei der nach Sinn und Zweck der Regelung gefragt wird, ist der erste Satz von § 53 Abs. 2 BO. Dieser enthält, wie bereits festgestellt, eine absolut formulierte programmatische Zielvorgabe, an der die nachfolgenden Regelungen zu messen sind. Aufgrund dieses ersten Satzes wird deutlich, dass der Schutzgedanke das zentrale Element der gesamten Bestimmung ist. Dieser Schutzgedanke bezieht sich nicht nur auf die bestehenden historischen Bauten, sondern auf das gesamte Areal Salesianum. Wäre es anders, würde sich der erste Satz von § 53 Abs. 2 BO nämlich klarerweise lediglich auf die erhaltenswürdige Gebäudegruppe beziehen. Die nachfolgenden Bestimmungen lassen sich im Lichte dieses Schutzgedankens sodann allesamt als Mittel zum Zweck auffassen. Auffallend dabei ist, dass Neubauten auf dem Areal zwar möglich sein sollen, dass der Gesetzgeber im Lichte des anzustrebenden Ziels diese Möglichkeit aber bewusst beschränkt, etwa mit dem Einordnungsgebot und dem Verweis auf die Grundmasse der Zone W2b. Die Bebauungsplanpflicht erscheint unter diesem Blickwinkel somit ebenfalls als Sicherungsmassnahme, welche im Dienste dieser Baueinschränkung steht. In den Vordergrund rücken somit die in Erwägung 3. a/cc) aufgeführten im öffentlichen Interesse liegenden Vorteile, welche sich bei einem Bauvorhaben auf der Grundlage eines Bebauungsplans realisieren lassen, worauf hier verwiesen werden kann. Derjenige Vorteil des Bebauungsplans, der in hohem Masse im privaten Interesse eines Bauwilligen liegt, nämlich die Möglichkeit von der Grundordnung abweichen und damit insbesondere eine höhere Ausnützung auf dem Grundstück realisieren zu können, tritt im Lichte des im ersten Satz der Bestimmung enthaltenen Schutzgedankens jedoch klar in den Hintergrund. Die Beschwerdeführer haben in diesem Zusammenhang zu Recht angeführt, dass es geradezu widersinnig wäre, wenn man das vom Gesetzgeber postulierte Schutzbedürfnis des gesamten Areals über einen Bebauungsplan beliebig unterlaufen könnte und die planerisch und demokratisch abgestützte sowie gleichzeitig austarierte Grundordnung im betreffenden Gebiet ihres Sinngehalts entleeren könnte. Anhand dieser Überlegungen wird klar, dass den als massgeblich bezeichneten Grundmassen der Zone W2b kein Richtliniencharakter zukommen kann, wie vom Regierungsrat im angefochtenen Entscheid vorgetragen wurde. Die Grundmasse der Zone W2b sind nach Sinn und Zweck der gesamten Bestimmung als zwingend einzuhaltende Eckwerte zu verstehen, was die Beschwerdeführer ebenfalls richtig erkannt haben. Ebenfalls ist anhand dieser Betrachtungen zum Schluss zu kommen, dass die Bebauungsplanpflicht als ein absolut geltendes Erfordernis zu betrachten ist; denn nur mit einem Bebauungsplan lassen sich die zahlreichen im öffentlichen Interesse liegenden Vorteile bei einer Neuüberbauung auf dem Areal Salesianum realisieren. Nur dann besteht Gewähr, dass der Charakter und das Erscheinungsbild des Grundstücks erhalten bleiben.

4. h/aa) Es ist nunmehr auf weitere Rügen einzugehen, mit denen die Beschwerdegegner diese Auslegung von § 53 Abs. 2 BO in Frage gestellt haben. Der Stadtrat Zug bringt vor, die Materialien zur Teilrevision der Ortsplanung Zug würden die von den Beschwerdeführern vertretene Auslegung von § 53 BO nicht stützen. Aus gesetzestechnischer Sicht hätte man für jede Zone mit speziellen Vorschriften die Nutzungsmasse separat bestimmen können. Dies habe der Gesetzgeber jedoch als nicht sinnvoll erachtet. Es habe nahe gelegen, auf bereits bestehende Regelungen zu verweisen. Deshalb sei für die Zone mit speziellen Vorschriften Salesianum die Grundnutzung der Zone W2b definiert worden. Ein Verbot, von dieser Zone mittels Bebauungsplan abzuweichen, sei mit dieser Festlegung nicht erlassen worden. Vielmehr sei so die Ausgangslage für künftige Abweichungen mittels Bebauungsplan klar geworden. Im Übrigen sei die von den Beschwerdeführern vertretene Auffassung gar nicht Gegenstand der politischen Diskussion gewesen. Der Regierungsrat entgegnet in diesem Zusammenhang, wenn der Gesetzgeber die Auslegung im Sinne der Beschwerdeführer gewollt hätte, hätte er dies mit folgendem Wortlaut der Norm klarstellen können: «Es gelten die Grundmasse der Zone W2b, die zwingend einzuhalten sind auch bei Erlass eines Bebauungsplans». Auf der anderen Seite habe der Gesetzgeber auch nicht das Gegenteil gesagt, zum Beispiel mit folgender Formulierung: «Mit einem Bebauungsplan darf von den Grundmassen der Zone W2b abgewichen werden.» Der Grosse Gemeinderat habe mit seinem Entscheid zum Bebauungsplan Salesianum vom 22. März 2011 und damit in Auslegung von § 53 Abs. 2 BO klargestellt, dass mit einem Bebauungsplan von den Grundmassen der Zone W2b abgewichen werden dürfe. Die Stimmberechtigten hätten an der Urnenabstimmung vom 27. November 2011 diese Auslegung bestätigt. Aus den Akten der Vorprüfung der Baudirektion vom 23. November 2009 ergebe sich nichts anderes. Diese Vorprüfung habe sich vorwiegend auf den Bebauungsplan vom 29. Mai 2009 bezogen, als der heutige § 53 BO noch nicht in Kraft gewesen sei. Die prüfende Baudirektion habe dabei aber den heute geltenden Paragraphen erwähnt, vollständig zitiert und darauf hingewiesen, dass der Genehmigung die neue Ortsplanung zu Grunde gelegt werde, falls diese zum Zeitpunkt der definitiven Genehmigung rechtskräftig sei. In Kenntnis dieser Umstände habe die Baudirektion aber nicht darauf hingewiesen, dass unter dem Regime von § 53 BO ein Abweichen von den Grundmassen der Zone W2b nicht zulässig sei. Die damalige Vorprüfung habe lediglich verlangt, dass die geplanten Bauten «zu reduzieren» seien. Die Vorprüfung habe damit eine Vertrauensgrundlage in dem Sinne gebildet, dass mit dem Bebauungsplan Salesianum von den in § 53 BO erwähnten Grundmassen abgewichen werden könne.

4. h/bb) Im Lichte der zuvor ausführlich durchgeführten Auslegung von § 53 BO erweisen sich diese Vorbringen allesamt als nicht stichhaltig. Es kann in diesem Zusammenhang insbesondere auf die systematische Auslegung verwiesen werden. Wäre es tatsächlich so gewesen, wie der Stadtrat Zug vorbringt, dass der Gesetzgeber gewissermassen der Einfachheit halber integral auf eine Grundordnung verweisen wollte, um nachher auch Klarheit bezüglich der Ausgangslage für Bebauungspläne zu schaffen, so lässt sich kaum erklären, warum der Gesetzgeber in gewissen Sonderbauzonen, in denen Bebauungsplanpflicht besteht, auf diesen Verweis verzichtet hat. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber kein ausdrückliches Verbot erlassen hat, um mittels Bebauungsplan von einer Grundnutzung abweichen zu können, heisst entgegen den Meinungen von Stadt- und Regierungsrat ausserdem noch lange nicht, dass dem historischen Gesetzgeber nicht auch ein derartiges Verbot vor Augen stand. Die Entstehungsgeschichte der Norm, wie sie hiervor ausgebreitet wurde, lässt diesen (gegenteiligen) Schluss jedenfalls als viel naheliegender erscheinen. Mit Blick auf das hohe öffentliche Interesse, Charakter und Erscheinungsbild des Areals zu erhalten, wie dieses mit der absolut formulierten programmatischen Zielvorgabe im ersten Satz von § 53 Abs. 2 BO unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde, deutet vieles darauf hin, dass der Gesetzgeber damals eine ausdrückliche Verbotsregelung im Zusammenhang mit der Bebauungsplanpflicht schlicht für überflüssig hielt. Es war angesichts der Umstände für die Beteiligten bereits hinreichend klar, dass der Verweis auf die Grundmasse der Zone W2b im vorangehenden Satz genau das beabsichtigte Verbot beinhaltete. Dies erklärt denn auch, warum die Frage, ob auf dem Areal Salesianum dereinst von den Grundmassen der Zone W2b abgewichen werden darf oder nicht, im anschliessenden politischen Meinungsbildungsprozess gar kein Thema war, wie der Stadtrat Zug festgestellt hat. Nicht gefolgt werden kann nach dem Gesagten der Ansicht des Regierungsrats, wonach der Grosse Gemeinderat – und im Anschluss daran auch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Stadt Zug – die von Regierungs- und Stadtrat favorisierte Auslegung von § 53 Abs. 2 BO bestätigt hätten. Eine Bestätigung durch diese Instanzen war damals gar nicht möglich, da, wie aus den Akten hervorgeht, eine mögliche unterschiedliche Auslegung dieses Paragraphen gar nicht Gegenstand der politischen Debatte war. Es bestand diesbezüglich gar kein Problembewusstsein. Schliesslich ändern auch die Ausführungen des Regierungsrats zum Vorprüfungsverfahren im Jahr 2009 nichts an dieser Betrachtungsweise. Wie aus dem entsprechenden Dokument (Beilage 4 der Beschwerdeführer im Vorverfahren) hervorgeht, erfolgte die gesamte Vorprüfung ausdrücklich auf der Grundlage der Bauordnung 1994. Die von der Baudirektion angeführte noch nicht in Kraft stehende Regelung wurde dagegen im einleitenden mit «Ausgangslage» überschriebenen Teil wiedergegeben. Diese Wiedergabe erfolgte sachlich, das heisst ohne weitergehende Interpretation. Schon gar nicht lässt sich den entsprechenden Passagen entnehmen, dass die Baudirektion den massgebenden Paragraphen in die eine oder andere Richtung ausgelegt hätte, wie dies der Regierungsrat zu suggerieren scheint. Der Hinweis auf die sich möglicherweise ändernde Rechtslage auf Seite 3 in der Vorprüfung, ist nichts weiter als ein Vorbehalt. Die Behörde stellte damit klar, dass die Vorprüfung aufgrund der unsicheren Rechtslage vom Empfänger nicht zum Nennwert genommen werden durfte. Angesichts dieser Ausgangslage lässt sich die Ansicht des Regierungsrats, wonach die Baudirektion mit ihrer provisorischen Vorprüfung im Jahr 2009 eine Vertrauensgrundlage hinsichtlich der Auslegung von damals noch gar nicht in Kraft stehenden Bauordnungsbestimmungen gebildet habe, nicht nachvollziehen.

4. i) Eine Auslegung von § 53 Abs. 2 BO und insbesondere seines vierten Satzes führt somit bei allen vier bekannten Auslegungsmethoden zum gleichen Resultat. Aufgrund dieser Bestimmung muss bei Neubauten in der Sonderbauzone Salesianum ein Bebauungsplan erlassen werden, in dem nicht von den Grundmassen der Zone W2b abgewichen werden darf. Indem der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid einen Bebauungsplan gestützt hat, der ein Projekt ermöglicht, das in mehreren Punkten ganz erheblich, zum Teil massiv, von den Grundmassen der Zone W2b abweicht, hat er Recht verletzt. Die Auslegung der Bestimmung von § 53 Abs. 2 BO hat des Weiteren ergeben, dass in erster Linie der Schutz des Erscheinungsbilds und des Charakters des Grundstücks Nr. 1487 angestrebt wurde. Neubauten haben somit auf den aktuell überwiegend ländlichen Charakter des Grundstücks Rücksicht zu nehmen. Indem der Regierungsrat einen Bebauungsplan mit einer Zweckbestimmung gutgeheissen hat, welcher der programmatischen Zielvorgabe in § 53 Abs. 2 Satz 1 BO widerspricht, hat er ebenfalls Recht verletzt.

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. Juni 2013 V 2012 / 106

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