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Art. 9 Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 23bis Abs. 3 IVV
Art. 21 IVG, Art. 2 HVI
Art. 25 AHVG i.V.m. Art. 49bis und Art. 49ter AHVV

Art. 25 lit. c FamZG i.V.m. Art. 52 AHVG

Regeste:

Art. 25 lit. c FamZG i.V.m. Art. 52 AHVG – Neben der Beitrags- und Abrechnungspflicht sind auch andere Anwendungsfälle von Art. 52 AHVG denkbar. (Erw. 3.1.1). Handelt der Arbeitgeber als Zahlstelle, qualifiziert er sich im Bereich des Familienzulagengesetzes zweifellos als an der «Durchführung der Sozialversicherung beteiligte Person» im Sinne von Art. 31 Abs. 2 ATSG und unterliegt demnach der Meldepflicht. Bei der Auszahlung der Familienzulagen handelt es sich um eine den Arbeitgebern übertragene Aufgabe. Dies rechtfertigt und gebietet es, die Beachtung bestimmter Vorschriften im Zusammenhang mit der Aufgabe (Auszahlung der Zulagen) unter die Haftungsnorm von Art. 25 lit. c FamZG i.V.m. Art. 52 AHVG zu stellen (Erw. 3.1.2).

Nahm der Arbeitgeber den Inhalt der an ihn adressierten Leistungsentscheide nicht zur Kenntnis und unterliess er in der Folge aufgrund der Unkenntnis seiner Meldepflicht die Meldung des Krankentaggeldbezugs durch einen seiner Angestellten, verletzte er seine Meldepflicht in grobfahrlässiger Weise (Erw. 3.5.4).

Aus dem Sachverhalt:

Unter der Firma E. ist im Handelsregister des Kantons Zug ein Einzelunternehmen eingetragen. P. ist Inhaber der E. Am 10. März 2009 meldete sich M., Mitarbeiter der E., bei der Familienausgleichskasse F. (nachfolgend: F.), welcher die E. angeschlossen ist, zum Bezug von Familienzulagen für seine drei minderjährigen Kinder an. Mit Verfügung vom 7. April 2009 sprach die F. M. für seine drei Kinder Familienzulagen in der Höhe von je Fr. 300.–  pro Monat zu. Am 5. März 2012 wurde der F. der Austritt von M. aus dem Betrieb von P. per 29. Februar 2012 gemeldet. Mit Verfügung vom 31. Mai 2012 forderte die F. von M. zu viel bezahlte Familienzulagen in der Höhe von insgesamt Fr. 11'700.–  zurück. Begründend führte die F. in der Rückforderungsverfügung aus, M. sei seit einem am 25. September 2010 erlittenen Hirnschlag arbeitsunfähig gewesen. Nach Ablauf von drei Monaten seit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, d.h. ab 1. Januar 2011, habe deshalb kein Anspruch auf Familienzulagen mehr bestanden. Am 21., 25. bzw. 26. Juni 2012 schlossen M. und die F. sowie M. und die E. eine Zahlungsvereinbarung ab, wonach M. der F. den Betrag von Fr. 11'700.– an zu viel bezahlten Familienzulagen und die E. M. den Betrag Fr. 6'344.15 an zu viel abgezogenen Sozialversicherungsbeiträgen schulde. Zur Tilgung dieser beiden Schulden wurde vereinbart, dass der F. der Betrag von Fr. 6'344.15 durch die E. und der Betrag von Fr. 5'355.85 durch M. bezahlt werde. Die E. überwies den Betrag von Fr. 6'344.15 an die F. Für den restlichen rückerstattungspflichtigen Betrag von Fr. 5'355.85 stellte M. ein Erlassgesuch, welches durch die F. mit Verfügung vom 25. Juli 2012 bewilligt wurde. In der Folge wandte sich die F. mit Schadenersatzverfügung vom 19. Dezember 2012 an die E. und verpflichtete diese, der Kasse einen Schadenersatz in der Höhe von Fr. 5'355.85 zu bezahlen. Eine gegen diese Verfügung am 24. Januar 2013 durch die E. erhobene Einsprache wies die F. mit Einspracheentscheid vom 13. Februar 2013 ab.

Gegen diesen Einspracheentscheid liess die E. bzw. deren Inhaber P. mit Eingabe vom 20. März 2013 Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben und beantragen, es sei die Schadenersatzverfügung der Beschwerdegegnerin vom 19. Dezember 2012 aufzuheben.

Aus den Erwägungen:

(…)

3. Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass der Mitarbeiter des Beschwerdeführers M. für seine drei Kinder Anspruch auf Kinderzulagen in der Höhe von insgesamt Fr. 900.–  pro Monat hatte, M. am 25. September 2010 einen Hirnschlag erlitten hatte und seither arbeitsunfähig ist, M. gemäss Art. 10 FamZV nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit noch während den Monaten September, Oktober, November und Dezember 2010 Anspruch auf Familienzulagen hatte und der Anspruch ab Januar 2011 weggefallen ist. Nicht streitig ist auch, dass M. bis und mit Januar 2012 Kinderzulagen in der Höhe von monatlich Fr. 900.–  ausbezahlt worden sind, und dass die Beschwerdegegnerin die zu viel ausbezahlten Zulagen in der Höhe von Fr. 11'700.–  gestützt auf Art. 25 Abs. 1 ATSG zu Recht mit Verfügung vom 31. Mai 2012 von M. zurückgefordert hat. Hierzu ist anzumerken, dass der Arbeitnehmer – nicht der Arbeitgeber – rückerstattungspflichtig ist, da der Arbeitgeber lediglich als Zahlstelle auftritt und namentlich nicht zur Verrechnung zu viel ausbezahlter Zulagen mit künftigem Lohnansprüchen des Arbeitnehmers verpflichtet werden kann (Ueli Kieser/ Marco Reichmuth, Bundesgesetz über die Familienzulagen, Praxiskommentar, Zürich/ St. Gallen 2010, Art. 25 N 27). Ein Teil der Forderung (Fr. 6'344.15) wurde in der Folge beglichen, während die Beschwerdegegnerin für den Restbetrag (Fr. 5'355.85) ein Erlassgesuch von M. bewilligt hatte. Der vorliegende Rechtsstreit dreht sich um die Frage, ob der Beschwerdeführer als ehemaliger Arbeitsgeber von M. für die dadurch erlittene Vermögenseinbusse der Beschwerdegegnerin schadenersatzpflichtig wird.

3.1

3.1.1 Gemäss Art. 25 lit. c FamZG gilt für die Haftung der Arbeitgeber Art. 52 AHVG sinngemäss. Artikel 52 Abs. 1 AHVG sieht eine Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers gegenüber der Versicherung bei Zufügung eines Schadens durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften vor. Neben dem Arbeitgeber kommen subsidiär auch dessen Organe für die Haftung nach Art. 52 AHVG in Frage (BGE 96 V 124 Erw. 3). Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend (Art. 52 Abs. 4 AHVG). Primärer Anwendungsfall der Haftungsbestimmung von Art. 25 lit. c FamZG i.V.m. Art. 52 AHVG ist die Nichtbezahlung der FAK-Beiträge durch den Arbeitgeber an die Ausgleichskasse. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach und entsteht der Ausgleichskasse im Falle seiner Zahlungsunfähigkeit ein Schaden, so bietet Art. 25 lit. c FamZG i.V.m. Art. 52 AHVG eine bundesrechtliche Grundlage für Schadenersatzansprüche. Allerdings beschränkt Art. 52 AHVG eine allfällige Arbeitgeber- oder Organhaftung – seinem Wortlaut nach – nicht auf diesen Anwendungsfall. Vielmehr spricht Art. 52 AHVG ganz allgemein von «Schaden» und «Vorschriften», worauf der Schaden zurückzuführen ist bzw. welche Vorschriften vom Arbeitgeber oder seinen Organen verletzt worden sind, wird im Gesetzestext nicht konkretisiert. Auch die systematische Einordnung von Art. 52 AHVG lässt den Schluss, dass sich Art. 52 AHVG lediglich auf die Abrechnungs- und Beitragspflicht des Arbeitgebers bezieht, nicht zu. Artikel 52 AHVG befindet sich im vierten Abschnitt («Die Organisation») des ersten Teils des AHVG, unter Punkt B «Die Arbeitgeber», welcher lediglich die Art. 51 und 52 umfasst. Artikel 51 Abs. 1 und 3 AHVG befasst sich mit den Aufgaben der Arbeitgeber und erwähnt dabei namentlich den Abzug der Arbeitgeberbeiträge vom Lohn, die Überprüfung der von den Arbeitnehmern in der Anmeldung zum Bezug eines Versicherungsausweises gemachten Angaben, und die periodische Abrechnung über die abgezogenen und die selbst geschuldeten Beiträge sowie die ausbezahlten Renten und Hilflosenentschädigungen. Diese Systematik lässt den Schluss, dass sich der darauf folgende Art. 52 AHVG nur auf eine Art von Schäden bzw. Vorschriften – d.h. im Zusammenhang mit der Beitrags- und Abrechnungsflicht entstandene Schäden – bezieht, nicht zu. Namentlich erwähnt Art. 51 AHVG – neben der Beitrags- und Abrechnungspflicht – auch die Überprüfungspflicht des Arbeitsgebers. Ob sich Art. 52 AHVG nur auf Vorschriften im Zusammenhang mit den in Art. 51 AHVG erwähnten Aufgaben des Arbeitgebers bzw. weitere gestützt auf Art. 51 Abs. 4 AHVG den Arbeitgebern übertragene Aufgaben bezieht, oder ob auch die Verletzung von Vorschriften, welche nicht im Zusammenhang mit den in Art. 51 AHVG erwähnten Aufgaben stehen zu einer Schadenersatzpflicht des Arbeitsgebers führen können, ist – wie in Erw. 3.1.2 noch darzulegen bleibt - für die Beurteilung des vorliegenden Falles nicht entscheidend und kann dahingestellt bleiben. Anzumerken ist jedenfalls, dass sich Punkt B generell auf «Die Arbeitgeber» bezieht, und nicht etwa auf die «Aufgaben der Arbeitgeber». Artikel 52 AHVG nimmt weder ausdrücklich noch implizit auf die in Art. 51 AHVG erwähnten Aufgaben Bezug.

Zusammenfassend führt die grammatikalische und systematische Auslegung von Art. 52 AHVG zum Schluss, dass neben der Beitrags- und Abrechnungspflicht durchaus auch andere Anwendungsfälle dieser Haftungsbestimmung denkbar sind. Auch das Bundesgericht bezeichnet die Beitragspflicht des Arbeitgebers – beispielsweise in BGE 123 V 168 Erw. 2a – lediglich als Hauptanwendungsfall von Art. 52 AHVG, nicht aber als einziger Anwendungsfall.

3.1.2 In der Botschaft des Bundesrates zum AHVG vom 24. Mai 1946 ist u.a. Folgendes nachzulesen (BBl 1946 II 365, S. 448 und 540):

«Der Ausgleich in den einzelnen Betrieben vollzieht sich in der Weise, dass der Arbeitgeber einerseits die Arbeitnehmerbeiträge vom Lohn abzieht, den Arbeitgeberbeitrag sowie gegebenenfalls den von ihm als Selbständigerwerbender geschuldeten Beitrag hinzulegt, und andererseits aus diesen Mitteln die Renten an die ehemaligen Arbeitnehmer beziehungsweise deren Hinterlassene sowie gegebenenfalls an sich selbst auszahlt. Allfällige Überschüsse der Beiträge über die Renten hat er der Ausgleichskasse abzuliefern. Übersteigen umgekehrt die ausbezahlten Renten die bezogenen Beiträge, so wird dem Arbeitgeber die Differenz von der Ausgleichskasse vergütet.

Dem Ausgleich in den einzelnen Betrieben kommt erhebliche Bedeutung zu, wird doch der Grossteil der Beiträge und Renten hier zur Verrechnung gelangen. Die Arbeitgeber übernehmen somit eine wichtige Aufgabe und entlasten den eigentlichen Verwaltungsapparat in bedeutendem Masse. Die Wichtigkeit dieser Aufgabe bedingt, dass den Arbeitgebern eine gewisse Verantwortlichkeit auferlegt werden muss. Der Gesetzesentwurf sieht dementsprechend vor, dass die Arbeitgeber Schäden, die sie durch vorsätzliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften verschulden, zu ersetzen haben.

(…)

Solche Schäden können beispielsweise entstehen, wenn ein Arbeitgeber die Beiträge nicht vorschriftsgemäss vom ausbezahlten Lohn abzieht oder abgezogenen Beiträge nicht der Ausgleichskasse abliefert.»

Der Bundesrat brachte im Botschaftstext den Sinn und Zweck der Arbeitgeberhaftung nach Art. 52 AHVG klar zum Ausdruck: Die Übertragung wichtiger Aufgaben im Bereich der Beitragszahlung und Rentenauszahlung (sog. Ausgleich) an den Arbeitgeber entlastet zwar den Verwaltungsapparat, stellt aber auf der anderen Seite für die Ausgleichskasse ein gewisses Risiko dar, welches durch eine entsprechende Haftungsvorschrift aufzufangen ist. Der Botschaftstext erwähnt in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Funktion, welche den Arbeitgebern (auch) bei der Auszahlung der Renten an ehemalige Arbeitnehmer bzw. deren Hinterlassene zukam. Heute werden die AHV-Renten grösstenteils direkt durch die Ausgleichskasse ausbezahlt. Im Bereich des FamZG fungiert der Arbeitgeber indes weiterhin als Zahlstelle; die Familienzulagen werden den anspruchsberechtigten Arbeitnehmern in der Regel durch den Arbeitgeber ausbezahlt (Art. 15 Abs. 2 FamZG). Handelt der Arbeitgeber als Zahlstelle, qualifiziert er sich im Bereich des Familienzulagengesetzes zweifellos als an der «Durchführung der Sozialversicherung beteiligte Person» im Sinne von Art. 31 Abs. 2 ATSG (vgl. hierzu unten Erw. 3.3). Bei der Auszahlung der Familienzulagen handelt es sich um eine den Arbeitgebern übertragene Aufgabe. Dies rechtfertigt und gebietet es, die Beachtung bestimmter Vorschriften im Zusammenhang mit der Aufgabe (Auszahlung der Zulagen) unter die Haftungsnorm von Art. 25 lit. c FamZG i.V.m. Art. 52 AHVG zu stellen. Es ist im Bereich des FamZG – auch unter Bezugnahme auf den zitierten Botschaftstext – nicht ersichtlich, weshalb lediglich die Verletzung der Abrechnungs- und Beitragspflicht, nicht aber die Verletzung einer im Zusammenhang mit der Auszahlung der Familienzulagen – eine dem Arbeitgeber übertragene Aufgabe – bestehende Meldepflicht von der Haftungsnorm erfasst sein sollte. Marco Reichmuth ging in seiner Dissertation aus dem Jahr 2008 zur Haftung des Arbeitgebers und seiner Organe nach Art. 52 AHVG zwar davon aus, dass sich die Haftungsnorm von Art. 52 AHVG auf Beitragsforderungen beschränkt (Marco Reichmuth, Die Haftung des Arbeitgebers und seiner Organe nach Art. 52 AHVG, Zürich/ Basel/ Genf 2008, Rz. 62), führt dann aber im Praxiskommentar zum Bundesgesetz über die Familienzulagen aus, besondere Fragen würden sich stellen, wenn die Familienausgleichskasse eine Rückerstattungsforderung gemäss Art. 25 Abs. 1 ATSG gegenüber dem Arbeitnehmer nicht durchsetzen könne und der Arbeitgeber die ungerechtfertigte Ausrichtung von Zulagen durch vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung seiner Pflichten mitverschuldet habe. Dies sei namentlich dann der Fall, wenn er anspruchsbeeinflussende Mitteilungen seiner Arbeitnehmer nicht an die Familienausgleichskasse weiterleite, oder wenn er selber solche Tatsachen feststelle, sie aber der Familienausgleichskasse nicht melde. In diesen Fällen sei ein aus Art. 25 lit. c FamZG i.V.m. Art. 52 AHVG abgeleiteter Schadenersatzanspruch der Familienausgleichskasse gegenüber dem Arbeitgeber nicht ausgeschlossen (Ueli Kieser/ Marco Reichmuth, a.a.O., Art. 25 N 29 und Art. 1 N 76; Christian Heinrich Schaeppi, Der Anspruch auf Kinderzulagen unter besonderer Berücksichtigung der sanktgallischen Gesetzgebung, Diss. 1974, S. 361). Nach Auffassung des Gerichts rechtfertigt sich die Prüfung eines Schadenersatzanspruchs der Familienausgleichskasse gemäss Art. 25 lit. c FamZG i.V.m. Art. 52 AHVG jedenfalls dann, wenn die Aufgabe der Auszahlung der Zulagen dem Arbeitgeber übertragen worden ist (was gemäss Art. 15. Abs. 2 FamZG in der Regel der Fall ist), da diesen in solchen Fällen in gewisser Weise eine erhöhte Aufmerksamkeit und Sorgfaltspflicht bezüglich der Meldung anspruchsverändernder Tatsachen trifft. Ob im vorliegenden Fall ein Schadenersatzanspruch gegeben ist, gilt es demnach nachfolgend anhand der Haftungsvoraussetzungen gemäss Art. 52 AHVG zu prüfen.

(…)

3.3

3.3.1 Eine haftungsbegründende Widerrechtlichkeit liegt vor, wenn der Arbeitgeber «Vorschriften» missachtet (Art. 52 Abs. 1 AHVG). Dieser Begriff wird vom Gesetzgeber weit gefasst. Ob die schuldhafte Missachtung von Vorschriften auf einem Tun beruht oder – wo der Arbeitgeber zu einem Handeln verpflichtet ist – auf einem Unterlassen, macht keinen Unterschied. Im Vordergrund steht die Verletzung der Beitragspflicht der Arbeitgeber gemäss Art. 14 Abs. 1 AHVG bzw. – in familienzulagerechtlichen Fällen – gemäss kantonalem Ausführungsrecht zum FamZG. Allerdings sind auch andere Fallkonstellationen denkbar, auch der Verstoss gegen Bestimmungen anderer Erlasse oder gegen Weisungen kann zur Haftung des Arbeitgebers für daraus entstandenen Schaden führen (vgl. Marco Reichmuth, a.a.O., Rz. 504 ff.). Namentlich ist nach dem in Erw. 3.1 Gesagten denkbar, dass ein Verstoss gegen die mit Art. 1 FamZG als auf Familienzulagen anwendbar erklärten Bestimmungen des ATSG - bei gegebenen Haftungsvoraussetzungen - zu einem Schadenersatzanspruch der Familienausgleichskasse gegenüber dem Arbeitgeber führt. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, der Beschwerdeführer habe seine Meldepflicht nicht wahrgenommen, und sieht darin eine haftungsbegründende Widerrechtlichkeit gemäss Art. 52 Abs. 1 AHVG.

3.3.2 Erhält eine an der Durchführung der Sozialversicherung beteiligte Person oder Stelle Kenntnis davon, dass sich die für die Leistung massgebenden Verhältnisse geändert haben, so ist dies dem Versicherungsträger zu melden (Art. 31 Abs. 2 ATSG). Es ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber als «an der Durchführung der Sozialversicherung beteiligte Person oder Stelle» gilt. In dieser Eigenschaft trifft ihn gestützt auf Art. 31 Abs. 2 ATSG eine generelle Meldepflicht (vgl. Ueli Kieser/ Marco Reichmuth, a.a.O., Art. 1 N 76 und Art. 17 N 68 und 77). Gemäss Art. 17 Abs. 2 lit. f FamZG regeln die Kantone namentlich die Aufgaben und Pflichten der Arbeitgeber. Paragraph 7 des Zuger Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Familienzulagen (EG FamZG, BGS 844.4) beauftragt die dem Gesetz unterstellten Arbeitgeber namentlich mit der Meldung der AHV-pflichtigen Löhne, der Entrichtung der Beiträge und Auszahlung der Familienzulagen an die Berechtigten, sowie mit der Eröffnung der Leistungsentscheide an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Meldepflicht gemäss Art. 31 Abs. 2 ATSG bezüglich Veränderung der für die Leistung massgebenden Verhältnisse wird demnach im Zuger Ausführungsrecht nicht weiter konkretisiert.

3.3.3 Beim Eintritt einer lang andauernden Arbeitsunfähigkeit eines Kinderzulagen beziehenden Arbeitnehmers handelt es sich zweifellos um eine Veränderung der für die Leistung massgebenden Verhältnisse, da der Anspruch auf Kinderzulagen in diesem Fall nach Ablauf des laufenden sowie der drei darauf folgenden Monate erlischt (Art. 10 Abs. 1 FamZV). Ob gestützt auf Art. 31 Abs. 2 ATSG eine Meldepflicht besteht, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Massgebend ist die Umschreibung der Aufmerksamkeit, welche der als meldepflichtig betrachteten Person oder Stelle – vorliegend dem Arbeitgeber – zumutbar ist. Dabei ist etwa auf die Fähigkeiten und den Bildungsstand der betreffenden Person abzustellen. Von Bedeutung ist insoweit, dass die betreffende Person in unzweideutiger Form auf konkrete Meldepflichten hingewiesen wird. Sodann kann sich die Meldepflicht nur auf Sachverhaltsänderungen beziehen, um welche die betreffende Person sowohl bezüglich ihres Vorliegens als auch hinsichtlich der Auswirkungen auf den Leistungsanspruch weiss bzw. wissen müsste (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Auflage, Zürich/ Basel/ Genf 2009, Art. 31 N 11). Im vorliegenden Fall verpflichteten sich M. wie auch der Beschwerdeführer in der «Anmeldung Familienzulagen für Arbeitnehmende», «umgehend alle Änderungen der Familienverhältnisse, die den Zulagenanspruch beeinflussen können, dem Arbeitgebenden bzw. der Ausgleichskasse mitzuteilen» . Im Zulagenentscheid der Beschwerdegegnerin vom 7. April 2009, welcher an den Beschwerdeführer adressiert und von diesem M. zu eröffnen war (§ 7 Abs. 2 EG FamZG), wurden sowohl der Beschwerdeführer als auch M. auf ihre Meldepflicht bezüglich Tatsachen, welche den Anspruch auf Familienzulagen beeinflussen können, hingewiesen. Der Bezug eines Kranken- oder Unfalltaggeldes wird dabei im Zulagenentscheid als Beispiel ausdrücklich erwähnt. Die Tatsache, dass die Formulierung im Zulagenentscheid bezüglich der Meldepflicht des Arbeitgebers – welcher zu einer raschen Meldung gehalten ist – anders gewählt wurde als jene bezüglich des Leistungsempfängers – welcher zu einer sofortigen Meldung verpflichtet ist – ändert nichts am Bestehen einer Meldepflicht auch des Arbeitgebers; wer zu etwas gehalten ist, bekommt ein bestimmtes Verhalten auferlegt, ist mit anderen Worten dazu verpflichtet. Die anspruchsverändernde Veränderung der Verhältnisse, von welcher der Beschwerdeführer zweifellos Kenntnis hatte, hätte demnach durch diesen der Beschwerdegegnerin gemeldet werden müssen. Tat er dies während mehr als einem Jahr nicht, hat er gegen seine Meldepflicht (Art. 31 Abs. 2 ATSG) verstossen. Nachdem der Beschwerdeführer zudem im Zulagenentscheid ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden war, dass der Bezug eines Kranken- oder Unfalltaggeldes den Anspruch auf Zulagen beeinflussen kann, kann er sich auch nicht mit seinem angeblichen diesbezüglichen Nichtwissen von der Meldepflicht entlasten. Der Beschwerdeführer hat gegen die in Art. 31 Abs. 2 ATSG statuierte Meldepflicht verstossen, womit eine haftungsbegründende Widerrechtlichkeit vorliegt.

3.4 Es stellt sich die Frage, ob der Beschwerdegegnerin aufgrund der Missachtung der Meldepflicht durch den Beschwerdeführer ein Schaden entstanden ist. Nach dem Gesagten liegt der primäre Anwendungsfall der Arbeitgeberhaftung nach Art. 52 AHVG in der Nichtbezahlung der Beiträge. In diesem Fall liegt der Schaden in den entgangenen Arbeitgeberbeiträgen (vgl. SVR 2001 AHV Nr. 6 Erw. 2b), den Verwaltungskostenbeiträgen, den Mahn- und Betreibungskosten (BGE 121 III 382 Erw. 3), den Verzugszinsen auf rückständigen Beiträgen (BGE 119 V 78) und schliesslich in besonderen Fällen den Kosten für die Arbeitgeberkontrolle (Urteil des EVG vom 5. September 2002 [H 331/01]). Im vorliegenden Fall liegt der geltend gemachte Schaden nicht in nicht bezahlten Arbeitgeberbeiträgen, sondern in einem Teil der – aufgrund der Meldepflichtverletzung – zu viel ausbezahlten Kinderzulagen. Nachdem diese aufgrund des von der Beschwerdegegnerin gutgeheissenen Erlassgesuchs beim M. nicht mehr eingebracht werden können, ist dieser ein Schaden in der Höhe von Fr. 5'355.85 (Fr. 11'700.– abzüglich des durch die Beschwerdeführerin beglichenen Teils in der Höhe von Fr. 6'344.15) entstanden. Inwiefern die Beschwerdegegnerin durch ihr Verhalten selbst zu diesem Schaden beitragen hat, ist unter dem Titel des adäquaten Kausalzusammenhangs zu prüfen.

3.5

3.5.1 Artikel 52 AHVG statuiert eine Verschuldenshaftung nach öffentlichem Recht. Dabei gilt die Schadenersatzpflicht als begründet, wenn nicht Umstände gegeben sind, welche das fehlerhafte Verhalten des Arbeitgebers als gerechtfertigt erscheinen lassen oder sein Verschulden ausschliessen. Die geschädigte Kasse darf davon ausgehen, dass eine schuldhafte Verletzung von Vorschriften vorliegt, wenn der Arbeitgeber keine Anhaltspunkte für die Rechtmässigkeit seines Handelns oder seine Schuldlosigkeit nennen kann (Urteil des EVG vom 25. Juni 2004 [H 230/03] Erw. 4.2). Dabei ist es grundsätzlich Sache des Ersatzpflichtigen, im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht die Rechtfertigungs- und Exkulpationsgründe zu nennen (Urteil des EVG vom 4. Dezember 2003 [H 173/03] Erw. 4.3.1 f.).

3.5.2 Mit Absicht handelt, wer mit Wissen und Willen handelt. Grobfahrlässig handelt, wer das ausser Acht lässt, was jedem verständigen Menschen in gleicher Lage und unter den gleichen Umständen als beachtlich hätte einleuchten müssen. Das Mass der zu verlangenden Sorgfalt ist dabei abzustufen entsprechend der Sorgfaltspflicht, die in den kaufmännischen Belangen jener Arbeitgeberkategorie, der der Betreffende angehört, üblicherweise erwartet werden kann und muss (BGE 96 V 124, 114 V 78 und 129 V 11). Dies bedeutet nicht, dass der Sorgfaltsmassstab etwa von der Rechtsform oder Branche der Gesellschaft oder des Berufes des in die Pflicht genommenen Organs abhängt; massgebend ist vielmehr die rechtliche Organisation des Arbeitgebers. In diesem Sinne bedeutet «Arbeitgeberkategorie» beispielsweise «Mitglied der obersten Führungsebene» (Marco Reichmuth, a.a.O., Rz. 549).

3.5.3 Bezüglich der Haftung der Organe einer Aktiengesellschaft für nicht bezahlte Beiträge hat das Bundesgericht eine reichhaltige Rechtsprechung entwickelt. Demnach sind an die Sorgfaltspflicht der Organe einer Aktiengesellschaft grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (BGE 108 V 199 Erw. 3a, 103 V 120 Erw. 6), wobei die entsprechende Pflicht eines Verwaltungsratspräsidenten einer grossen Gesellschaft anders ausgestaltet ist als diejenige bei einem Verwaltungsrat, der faktisch das einzige ausführende Organ einer Gesellschaft ist und dem bekannt ist oder bekannt sein müsste, dass die Abrechnungspflicht möglicherweise mangelhaft erfüllt wurde (BGE 108 V 199 Erw. 3a). Was sich für die Haftung der Organe der Aktiengesellschaft sagen lässt, lässt sich, wie bereits angesprochen, auch für die Haftung der Organe der GmbH sagen, gelten nach Art. 827 OR für die Verantwortlichkeit der bei der Gesellschaftsgründung beteiligten und der mit der Geschäftsführung und der Kontrolle betrauten Personen sowie für die Liquidatoren doch die Bestimmungen des Aktienrechts (vgl. Thomas Nussbaumer, Das Schadenersatzverfahren nach Art. 52 AHVG, S. 104, in: Aktuelle Fragen aus dem Beitragsrecht der AHV, St. Gallen 1998).

Nach der Praxis des EVG wird von Grobfahrlässigkeit unter anderem gesprochen, wenn ein Verwaltungsrat seine Pflichten verkennt, indem er erklärt, er habe die Geschäftsführung völlig einem anderen Mitglied des Verwaltungsrates anvertraut (ZAK 1992 S. 255), wenn ein Verwaltungsrat trotz Kenntnis von ausstehenden Beitragszahlungen nichts unternimmt (ZAK 1989 S. 104 f.), wenn der Präsident des Verwaltungsrates trotz Kenntnis offenkundig gewordener Verluste von bedrohlichem Ausmass keine Auskünfte über die Ablieferung der Beiträge einholt, keine Weisungen erteilt und keine Kontrollen veranlasst (ZAK 1989 S. 109 f.) oder wenn der Verwaltungsratspräsident seiner Pflicht nicht nachkommt, sich zu erkundigen, ob und wie viel AHV-Beiträge bezahlt werden müssten und entsprechend dafür zu sorgen, dass mit den Löhnen auch die Beiträge bezahlt werden (BGE 109 V 86 Erw. 6).

Bei einer Aktiengesellschaft geht das EVG davon aus, dass alle mit der Verwaltung, Geschäftsführung oder Kontrolle beschäftigten Personen sowohl der Gesellschaft wie auch den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern gegenüber für den Schaden verantwortlich sind, den sie durch absichtliche oder grobfahrlässige Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten verursachen (BGE 114 V 213 f. Erw. 3). Bei einem kleinen Unternehmen mit einfacher Verwaltungsstruktur muss vom einzigen Verwaltungsrat der AG, der als solcher die Verwaltung als einzige Person in Organstellung besorgt, der Überblick über alle wesentlichen Belange selbst dann verlangt werden, wenn gewisse Befugnisse von aussenstehenden Personen wahrgenommen werden. Dieser kann mit der Delegation von Funktionen an Dritte nicht zugleich auch seine Verantwortung als einziges Verwaltungsorgan weiter delegieren (BGE 108 V 203 f. Erw. 3b). Zwar kann sich der nicht geschäftsführende Verwaltungsrat bei befugter Delegation (Art. 754 Abs. 2 OR) auf die Überprüfung der Tätigkeit der Geschäftsleitung und des Geschäftsganges beschränken. Gleichwohl ist zu verlangen, dass er sich laufend über den Geschäftsgang informiert, Rapporte verlangt, sie sorgfältig studiert, nötigenfalls ergänzende Auskünfte einzieht und Irrtümer aufzuklären versucht (SVR 2001 AHV Nr. 15 S. 52 Erw. 6 mit Hinweisen; vgl. auch: BGE 126 V 237 Erw. 4 und AHI 2002 172 f. Erw. 3).

3.5.4 Im vorliegenden Fall ist nicht die Sorgfaltspflicht eines Organs einer Aktiengesellschaft, sondern diejenige eines Einzelunternehmers zu prüfen. Analog zum einzigen Verwaltungsrat eines kleinen Unternehmens mit einfacher Verwaltungsstruktur, muss auch vom Einzelunternehmer der jederzeitige Überblick über alle wesentlichen Belange verlangt werden. Dies nicht nur mit Blick auf den Geschäftsgang seines Unternehmens, sondern auch mit Blick auf andere Fragen wie beispielsweise steuerliche oder personalrechtliche Belange. Das Unternehmen des Beschwerdeführers wurde am 8. Oktober 1980 ins Handelsregister des Kantons Zug eingetragen. Seit August 2002 besteht es als Einzelunternehmen unter der Firma E. P. agierte seit der Gründung des Unternehmens als Inhaber. Gemäss den im Recht liegenden AHV-Lohnbescheinigungen waren im Jahr 2009 32, im Jahr 2010 35 Mitarbeiter angestellt. Bei dieser Grösse kann vom langjährigen Inhaber erwartet werden, dass er sich – spätestens bei Eintritt eines langdauernden Krankheitsfalls – über die Grundzüge des Sozialversicherungsrechts informiert bzw. zumindest die monatliche Bezahlung der Kinderzulagen in Frage stellt und die nötigen Abklärungen trifft. Vorliegend wird dem Beschwerdeführer aber nicht vorgeworfen, er habe dies nicht getan, sondern einzig und allein, er habe die Beschwerdegegnerin trotz ausdrücklichem Hinweis auf dem Zulagenentscheid nicht über den Krankentaggeldbezug M.s informiert. Dabei ist zu bemerken, dass M. unter den Mitarbeitern des Beschwerdeführers nicht der einzige Bezüger von Kinderzulagen ist, allein in der Lohnbescheinigung für das Jahr 2010 werden 7 Leistungsbezüger aufgeführt. Der Beschwerdeführer hat für jeden dieser Bezüger einen Leistungsentscheid mit dem Hinweis auf seine Meldepflicht erhalten. Nahm der Beschwerdeführer den Inhalt dieser an ihn adressierten Leistungsentscheide - und namentlich die «Wichtigen Hinweise», welche u.a. seine Meldepflicht betreffen - nicht zur Kenntnis und unterliess er in der Folge einzig und allein aufgrund der Unkenntnis seiner Meldepflicht die Meldung des Krankentaggeldbezugs durch einen seiner Angestellten, verletzte er seine Meldepflicht in grobfahrlässiger Weise. Dies umso mehr, als es sich im vorliegenden Fall nicht etwa um eine kurze Zeitspanne handelt, sondern die Beschwerdegegnerin nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit M.s im September 2010 erst im Januar 2012, mithin 16 Monate später, über die Arbeitsunfähigkeit bzw. den Krankentaggeldbezug in Kenntnis gesetzt wurde.

3.6

3.6.1 Unter Verweis auf die obigen Erwägungen ist festzuhalten, dass in casu ein Schaden und ein rechtswidriges und schuldhaftes Unterlassen bejaht werden müssen. Zwischen dem eingetretenen Schaden und dem pflichtwidrigen Verhalten des Arbeitgebers muss zudem ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen. Nach ständiger Praxis gilt ein Ereignis als adäquate Ursache eines Erfolgs, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen. Den hypothetischen Einwand, der Schaden hätte auch bei pflichtgemässem Verhalten nicht abgewendet werden können, lässt die neuere Bundesgerichtspraxis nicht gelten und verlangt, es müsse mit Gewissheit oder jedenfalls hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass ein Schaden ohnehin eingetreten wäre (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 19. Januar 2006 [H 94/05] Erw. 5.2). Im vorliegenden Fall wären die Familienzulagen, hätte der Beschwerdeführer seine Meldepflicht nicht verletzt, durch die Beschwerdegegnerin ab Januar 2011 mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht mehr ausbezahlt worden. Demzufolge ist das Unterlassen des Beschwerdeführers für den entstandenen Schaden kausal. Es stellt sich indessen die Frage, ob bzw. inwieweit die Beschwerdegegnerin durch ihr eigenes Verhalten ein Mit- bzw. Selbstverschulden am Schaden trifft, aufgrund dessen der Kausalzusammenhang unterbrochen worden ist. Nach den allgemeinen haftpflichtrechtlichen Grundsätzen kann schweres Selbstverschulden der geschädigten Person aufgrund der konkreten Umstände so intensiv erscheinen, dass es das Verhalten der präsumptiv haftpflichtigen Person als völlig nebensächlich erscheinen lässt und es damit nicht mehr gerechtfertigt wäre, diesem noch rechtliche Wirkung beizumessen. Ist dies nicht der Fall oder handelt es sich bloss um ein mittelschwer oder leicht schuldhaftes Verhalten der geschädigten Person, das jedoch ebenfalls eine adäquate Teilursache sein muss, so kann dieser Umstand zu einer Reduktion des Schadenersatzes im Sinne von Art. 44 Abs. 1 OR führen (Christoph Müller, Rz. 39 zu Art. 41, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Zürich/ Basel/ Genf 2007). Was die Pflicht zur Beitragsabrechnung und -zahlung bzw. ein allfälliger, aus einer Pflichtverletzung fliessender Schadenersatzanspruch betrifft, vermag ein Mit- bzw. Selbstverschulden der Ausgleichskasse den Kausalzusammenhang nicht zu unterbrechen. Diese Abweichung von den allgemeinen haftpflichtrechtlichen Grundsätzen wird damit begründet, dass das Mit- bzw. Selbstverschulden ohne Einfluss auf die Verpflichtung des Arbeitgebers, für die Beitragsabrechnung und -zahlung besorgt zu sein, ist. Allerdings kann die Schadenersatzschuld des Arbeitgebers herabgesetzt werden, wenn und soweit eine grobe Pflichtverletzung der Verwaltung die für Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens kausal gewesen ist. Diese Frage wird nach höchstrichterlicher Praxis im Zusammenhang mit dem Verschulden behandelt (Marco Reichmuth, a.a.O., Rz. 791).

3.6.2 Nachfolgend ist das Verhalten der Beschwerdegegnerin – die Bewilligung des Erlassgesuchs von M. – unter dem Aspekt des Mit- bzw. Selbstverschuldens zu prüfen:

a) Gemäss Art. 25 Abs. 1 ATSG sind unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt. In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat der Sozialversicherer zunächst über den Umfang der Rückforderung eine Verfügung zu erlassen, wobei er auf die Möglichkeit des Erlasses hinweist (Art. 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 11. September 2002 [ATSV, SR 830.11]). Auf schriftliches Gesuch hin - welches spätestens 30 Tage nach Eintritt der Rechtskraft der Rückforderungsverfügung einzureichen ist - entscheidet der Versicherungsträger mit einer separaten Verfügung über den allfälligen Erlass der Rückforderung (Art. 4 Abs. 4 und 5 ATSV). Gemäss Art. 5 Abs. 1 ATSV liegt eine grosse Härte im Sinne von Art. 25 Abs. 1 ATSG vor, wenn die vom Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung vom 6. Oktober 2006 (ELG, SR 831.30) anerkannten Ausgaben und die zusätzlichen Ausgaben nach Art. 5 Abs. 4 ATSV die nach ELG anrechenbaren Einnahmen übersteigen. Massgebend für die Beurteilung, ob eine grosse Härte vorliegt, ist der Zeitpunkt, in welchem über die Rückforderung rechtskräftig entschieden worden ist (Art. 4 Abs. 2 ATSV). Weitere Besonderheiten werden in Art. 5 Abs. 2 bis 4 ATSV geregelt.

b) Die Rückforderungsverfügung der Beschwerdegegnerin datiert vom 31. Mai 2012. Wurde sie noch gleichentags versandt, ist sie frühestens am 2. Juli 2012 in Rechtskraft erwachsen. Die 30-tägige Frist für die Einreichung eines Erlassgesuchs (Art. 4 Abs. 4 ATSV) ist mit der Eingabe vom 9. Juli 2012 gewahrt worden. Sodann führte die Beschwerdegegnerin in der Verfügung vom 25. Juli 2012 aus, M. habe seinen guten Glauben beim fortdauernden Bezug der Familienzulagen für seine drei Kinder dargelegt; sie habe keinen Anlass, daran zu zweifeln. Wie der Beschwerdeführer ausführt, richtete dieser die Krankentaggelder wie Lohnzahlungen aus, zog Sozialversicherungsbeträge ab und stellte die entsprechenden Lohnabrechnungen zu. Bei dieser Sachlage kann nicht beanstandet werden, dass die Beschwerdegegnerin am guten Glauben von M. nicht zweifelte. Sodann ergibt eine summarische Prüfung der Ausgaben- und Einnahmenpositionen in der Verfügung vom 25. Juli 2012, dass die Rückzahlung für den Beschwerdeführer eine grosse finanzielle Härte darstellen würde. Inwiefern diese Berechnung fehlerhaft sein soll, wird vom Beschwerdeführer nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Zu Recht hat die Beschwerdegegnerin die Hilflosenentschädigung von monatlich Fr. 1'160.–  bei den Einnahmen nicht berücksichtigt (Art. 11 Abs. 3 lit. d ELG). Bei Ausgaben, welche die Einnahmen um monatlich mehr als Fr. 1'500.– übersteigen, musste die Beschwerdegegnerin die grosse Härte bejahen. Angesichts der gesetzlich und verordnungsmässig präzise umschriebenen Voraussetzungen eines Erlasses, welche im vorliegenden Fall nach dem Gesagten zweifellos erfüllt sind, lag es entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht im Ermessen der Beschwerdegegnerin, den Erlass der Rückforderung zu gewähren. Es kann ihr kein Mit- oder Selbstverschulden zur Last gelegt werden, woraus aber nicht ohne Weiteres zu schliessen ist, dass der Beschwerdegegnerin – hätte ihr tatsächlich Ermessen zugestanden und hätte sie dabei zu Gunsten des Leistungsbezügers entschieden – ein Mitverschulden zur Last gelegt werden könnte. Auf diese Frage ist bei der vorliegenden Sachlage nicht weiter einzugehen.

c) Anzufügen bleibt, dass die am 21., 25. bzw. 26. Juni 2012 zwischen M. und dem Beschwerdeführer sowie M. und der Beschwerdegegnerin abgeschlossene Zahlungsvereinbarung dem Erlassgesuch von M. und dessen Gutheissung durch die Beschwerdegegnerin nicht entgegen stand. Die Vereinbarung ist unter Vorbehalt der Rechtskraft der Rückforderungsverfügung vom 31. Mai 2012 abgeschlossen worden, was sich unmissverständlich aus Ziffer 3 lit. a der Vereinbarung ergibt, wonach die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer den Betrag von Fr. 6'344.15 «nach Rechtskraft der Rückforderungsverfügung separat in Rechnung stellen» wird. Um einen Rechtsmittelverzicht M.s handelte es sich bei der Zahlungsvereinbarung jedenfalls nicht. Im Übrigen hat M. die Rückforderungsverfügung der Beschwerdegegnerin vom 31. Mai 2012 ohnehin nicht angefochten; deren Rechtmässigkeit wurde von M. nie in Frage gestellt. Vielmehr hat er – nachdem die Rückforderungsverfügung in Rechtskraft erwachsen war – ein Erlassgesuch gestellt. Dieses Recht stand ihm auch nach Abschluss der Zahlungsvereinbarung, welche in erster Linie die Bezahlung eines Teils der Schuld durch den Beschwerdeführer regelte, zu. Es ist nicht ersichtlich, weshalb M. durch Abschluss der Zahlungsvereinbarung auf das Stellen eines Erlassgesuchs verzichtet haben soll. Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Verzicht überhaupt rechtsgültig wäre. Anzumerken bleibt, dass auch der Beschwerdeführer durch den Abschluss der Zahlungsvereinbarung und das anschliessende Erlassgesuchs M.s nicht zu Schaden gekommen ist - im Gegenteil. Er schuldete M. ohnehin Fr. 6'344.15 an zu viel abgezogenen Sozialversicherungsbeiträgen; ohne Abschluss der Zahlungsvereinbarung wäre die Schadenersatzforderung sogar noch höher ausgefallen.

3.7 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall sämtliche Voraussetzungen der Arbeitgeberhaftung in Sinne von Art. 25 lit. c FamZG i.V.m. Art. 52 AHVG erfüllt sind. Die Schadenersatzforderung der Beschwerdegegnerin in der Höhe von Fr. 5'355.85 ist demnach zu schützen. Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist.

(…)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 4. Juli 2013 S 2013 34

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