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Art. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. a UWG

Regeste:

Art. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. a UWG – Die Generalklausel von Art. 2 UWG erfasst auch Rufschädigungen des Mitbewerbers, soweit die Spezialvorschriften nicht eingreifen. Beim Tatbestand von Art. 3 lit. a UWG geht es um die Herabsetzung oder Anschwärzung eines Konkurrenten. Dabei ist die herabsetzende Äusserung nur dann unlauter, wenn sie alternativ entweder unrichtig, irreführend oder unnötig verletzend ist. Somit kann auch eine richtige Äusserung unlauter sein, wenn sie entweder irreführend oder unnötig verletzend ist.

Aus dem Sachverhalt:

Die E. GmbH betreibt unter dem Domainname www.xy.ch ein Internetportal für Gesellschaftsgründungen. Die X.CH AG betreibt ebenfalls ein Onlinegründungsprotal unter dem Domainname www.x.ch. Auf dieser Website schaltete die X.CH AG Blog-Publikationen unter dem Titel «Strafanzeige gegen xy.ch eingereicht» und in englischer Sprache unter dem Titel «Complaint filed against xy.ch» auf. In der Folge gelangte die E. GmbH mit einem Gesuch an das Obergericht des Kantons Zug und beantragte gestützt auf das Lauterkeitsrecht, es sei der Gesuchsgegnerin die Onlinepublikation (Blog) mit dem Titel «Strafanzeige gegen xy.ch eingereicht» und die Onlinepublikation (Blog) mit dem Titel «Complaint filed against xy.ch» auf der Website www.x.ch zu verbieten und diese zu verpflichten, die betreffenden Onlinepublikationen von der Website sofort zu entfernen. Überdies sei der Gesuchsgegnerin die Veröffentlichung bzw. Weiterverbreitung von Inhalten jener Onlinepublikationen auf irgendeine Weise und in jeder anderen Sprache zu untersagen. Weiter seien Drittbetreiber von Websites anzuweisen, den Link zu den Onlinepublikationen der Gesuchsgegnerin auf deren Websites unverzüglich zu entfernen.

Aus den Erwägungen:

4. Die Gesuchstellerin macht geltend, die Gesuchsgegnerin verstosse gegen das Lauterkeitsrecht, indem sie auf ihrer Website den inkriminierten Blog mit dem Titel Strafanzeige gegen (…) in deutscher und englischer Sprache aufgeschaltet und überdies die Publikation so umgesetzt habe, dass Internetbesucher bei der Onlinesuche via Suchmaschinen von Google und von Bing nach dem Suchbegriff (…) vom Besuch der Website der Gesuchstellerin abgehalten würden. Sie macht geltend, der Inhalt der Publikation müsse unter den gegebenen Umständen im Sinne von Art. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. a UWG als unlauter qualifiziert werden.

4.1 Gemäss Art. 2 UWG ist jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst, unlauter und widerrechtlich. Unlauter handelt nach Art. 3 Abs. 1 lit. a UWG insbesondere, wer andere, ihre Waren, Werke, Leistungen, deren Preise oder ihre Geschäftsverhältnisse durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen herabsetzt. Zur Klage berechtigt ist u.a. gemäss Art. 9 UWG, wer durch unlauteren Wettbewerb in seiner Kundschaft, seinem Kredit oder beruflichen Ansehen, in seinem Geschäftsbetrieb oder sonst in seinen wirtschaftlichen Interessen bedroht oder verletzt wird.

4.2 Die Generalklausel von Art. 2 UWG erfasst auch Rufschädigungen des Mitbewerbers, soweit die Spezialvorschriften nicht eingreifen (Baudenbacher, Lauterkeitsrecht, Kommentar zum UWG, Basel/Genf/München 2001, Art. 2 N 131). Beim Tatbestand von Art. 3 lit. a UWG geht es um die Herabsetzung oder Anschwärzung eines Konkurrenten. Die Bestimmung dient dem Schutz der Geschäftsehre und der Reputation des Gewerbetreibenden vor Verletzungen durch wettbewerbsbezogene Äusserungen. Wie das UWG allgemein die wirtschaftliche Persönlichkeit nicht gegen jeden Angriff schützt, geht es auch bei der Herabsetzung nur um die Sanktionierung unfairer Wettbewerbspraktiken (Baudenbacher, a.a.O., Art. 3 lit. a N 3). Herabsetzen in diesem Sinne ist das negative Einwirken auf das Bild eines Wettbewerbers, das im Wettbewerb als relevant anzusehen ist. Es kommt also darauf an, wie die übrigen Mitbewerber oder Abnehmer das negative Urteil, die herabsetzende Äusserung verstehen und mit der Wettbewerbsstellung des Adressaten in Verbindung bringen (Pedrazzini, Unlauterer Wettbewerb, 2.A., Bern 2002, S. 63 f. Rz 5.04).

4.3 Dass der inkriminierte Blog der Gesuchsgegnerin das Tatbestandselement der Herabsetzung gemäss Art. 3 lit. a UWG erfüllt, kann nicht zweifelhaft sein. Der Vorwurf strafbaren Verhaltens, konkret der Vorwurf strafbarer Verstösse gegen das Lauterkeitsrecht, setzt den Mitkonkurrenten herab (SMI 1995, 422; SMI 1995, 430). Seine Geschäftsehre und sein Ruf werden dabei negativ tangiert. Beim durchschnittlichen, potentiellen Kunden werden dadurch zumindest Zweifel an der Seriosität der Gesuchstellerin und an der Güte ihrer Dienstleistungen hervorgerufen. Wenn auch der Vorwurf eines Verbrechens oder Vergehens gegenüber einem Mitbewerber regelmässig wettbewerbsrelevant sein dürfte, impliziert das jedoch seine Unlauterkeit noch nicht (Spitz, in: Jung/Spitz [Hrsg.], Handkommentar UWG, Bern 2010, Art. 3 lit. a N 56). Die Herabsetzung an sich ist nicht bereits unlauter (Pedrazzini, a.a.O., S. 65 Rz 5.12). Eine gemäss Art. 3 lit. a UWG herabsetzende Äusserung kann nur dann unlauter sein, wenn sie alternativ entweder unrichtig, irreführend oder unnötig verletzend ist. Daraus erhellt u.a., dass namentlich auch eine richtige, (wahre) Äusserung unlauter sein kann, nämlich dann, wenn sie entweder irreführend oder unnötig verletzend ist (Spitz, a.a.O., Art. 3 lit a N 34; Pedrazzini, a.a.O., S. 65 Rz 5.11).

4.3.1 Die Äusserungen im inkriminierten Blog sind als solche nicht unwahr. Es entspricht den Tatsachen, dass gegen die Gesuchstellerin wegen der ihr vorgeworfenen UWG-Verstösse eine Strafanzeige bei der Zuger Staatsanwaltschaft eingereicht worden ist. Diese Betrachtungsweise greift aber zu kurz. Wäre sie richtig, könnte auf diese Weise jemand selbst bei einem klar unbegründeten Verdacht und wider besseren Wissens einer Straftat bezichtigt werden, ohne gegen das lauterkeitsrechtliche Wahrheitsgebot von Art. 3 lit. a UWG zu verstossen. Das kann aber nicht richtig sein. Es stellt sich daher die Frage, ob die Vorwürfe in der Strafklage denn auch zu Recht erhoben worden sind, d.h. ob sie zutreffend, wahr sind. Nun ist das aber gerade Gegenstand der Strafuntersuchung. Für den Durchschnittsleser wird allerdings auch nicht behauptet, dass diese Verstösse wahr seien, sondern es ist jedermann klar, dass es sich dabei eben um Vorwürfe handelt, von deren Wahrheit bestenfalls die Anzeigeerstatterin überzeugt ist, die aber von den Strafverfolgungsbehörden erst abgeklärt werden müssen. Es wird gegenüber dem unbefangenen Durchschnittsadressaten zum Ausdruck gebracht, dass die Anzeigeerstatterin die Vorwürfe für berechtigt, also wahr hält, dass aber erst eine strafrechtliche Untersuchung darüber Gewissheit bringen kann. Mit anderen Worten entnimmt der durchschnittliche Leser dieses Blogs im Wesentlichen, dass die Gesuchstellerin verdächtigt wird, in strafbarer Weise gegen das Lauterkeitsrecht verstossen zu haben, und dass deswegen eine Anzeige eingereicht und bei der Staatsanwaltschaft Zug entsprechend ein Strafverfahren angehoben worden  ist. Entscheidend ist nämlich der Sinn, den der Adressat der entsprechenden Äusserung in guten Treuen beilegen darf, wobei die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen ist (Pedrazzini, a.a.O., S. 68 RZ 5.18 mit Hinweis auf BGE 90 IV 43). Die Äusserungen sind insofern mit einem gemischten Werturteil oder der Kundgabe einer Rechtsauffassung vergleichbar. Einer Richtigkeitsprüfung zugänglich ist aber nur der herauszuschälende Tatsachenkern eines Werturteils (Spitz, a.a.O., Art. 3 lit. a N 27). Dasselbe ist zu sagen mit Bezug auf die rechtliche Würdigung richtig dargestellter Sachverhalte (BGE 93 II 350 E. 2, S. 342). Meinungsäusserungen, Kommentare und Werturteile sind zulässig, sofern sie auf Grund des Sachverhalts, auf den sie sich beziehen, als vertretbar erscheinen (BGE 126 III 305 E. 4.bb). Es muss also im vorliegenden Zusammenhang ausreichen, dass die Gesuchsgegnerin genügend Anhaltspunkte für einen hinreichenden Verdacht hatte, um eine Strafanzeige einreichen zu dürfen. Diesfalls würde im inkriminierten Blog keine Unwahrheit geäussert. Ob die Gesuchsgegnerin im Zeitpunkt der Einreichung der Strafanzeige über genügend Anhaltspunkte in tatsächlicher Hinsicht verfügte, dass die Einreichung einer Strafanzeige als vertretbar erschien, ist aufgrund der nachvollziehbaren Begründung der Nichtanhandnahmeverfügung vom 5. April 2013 der Staatsanwaltschaft Zug zumindest fraglich, mag hier letztlich aber dahingestellt bleiben. Nachdem die in Frage stehende Strafanzeige von der Staatsanwaltschaft nicht an die Hand genommen worden ist, ist der Blog als solcher heute insofern unwahr oder zumindest irreführend, als er - wahrheitswidrig - glauben machen will, die Strafuntersuchung sei noch pendent und die Staatsanwaltschaft habe sich noch nicht entschieden, ob sie die Sache weiterverfolgen (Anklage erheben oder allenfalls einen Strafbefehl erlassen) wolle. Die Verbreitung des Vorwurfs bzw. des Verdachts, die Gesuchstellerin habe sich des unlauteren Wettbewerbs schuldig gemacht, ist - nachdem nun feststeht, dass dies nicht zutrifft - ihrerseits unlauter (vgl. ZR 1967 Nr. 32).

4.3.2 Hingegen wäre der Blog wohl nicht als irreführend zu bezeichnen, weil sein Text mit der Abbildung des symbolischen Sitzungshammers des Richters illustriert ist, wie die Gesuchstellerin meint. Damit wird für den unbefangenen Durchschnittsadressaten nicht insinuiert, es sei bereits ein Richterspruch über die fraglichen Deliktsvorwürfe im Text des Blogs gefallen. Vielmehr wird mit dieser Symbolik lediglich in allgemeiner Weise der Bezug zur offiziellen, d.h. behördlichen Strafverfolgung hergestellt, bei welcher Behörde die Sache ja auch tatsächlich zur Abklärung eingereicht worden ist.

4.3.3 Im Übrigen müsste der inkriminierte Blog aber wohl auch als unnötig verletzend qualifiziert werden. Das bei wahren Äusserungen de facto gleichsam als Auffangtatbestand zu bezeichnende Unlauterkeitsmerkmal des unnötig verletzenden Charakters ist Ausdruck des Verhältnismässigkeitsgebots (Spitz, a.a.O., Art. 3 lit. a N 40; Streuli-Youssef, Unlautere Werbe- und Verkaufsmethoden, in: SIWR  V/1, Lauterkeitsrecht, 2.A., Basel 1998, 124 f.). Es ist nicht nur zu prüfen, ob die Mittel, derer sich der Urheber bedient, sondern auch die Ziele, die er verfolgt, schutzwürdig sind, wobei damit ein gewisses Ermessen verbunden ist (BGE 126 III 305 E. 4a m.w.H.). Unnötig verletzend kann beispielsweise eine werbliche Kritik einerseits durch ihren unerlaubten Inhalt, anderseits durch ihren unerlaubten Zweck sein (Hans-Georg Schmid, Die Bezugnahme in der Werbung nach dem BG gegen den unlauteren Wettbewerb vom 19. Dezember 1986, Diss. St. Gallen 1988, S. 223). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt als unnötig verletzend, wenn die Äusserung angesichts des Sachverhalts, der damit beschrieben bzw. bewertet werden soll, weit über das Ziel hinausschiesst, völlig sachfremd bzw. unsachlich, mithin unhaltbar ist (sic! 2008, 450; Urteil 4C.342/2005, E.2.3 vom 11.1.2006 m.w.H.). Eine unnötige Verletzung wird auch in Fällen angenommen, in denen eine Äusserung ohne begründete Veranlassung und vorwiegend in der Absicht getätigt wird, jemand anderen schlecht zu machen. Pointiert abwertende Äusserungen wie z.B. «Betrüger», «Schwindler» oder «Bauernfänger» sind jedoch dann zulässig, wenn sie das tatsächliche Verhalten der kritisierten Person widerspiegeln (Spitz, a.a.O., Art. 3 lit. b N 40 mit Hinweis BGer. 4A.82/2007 in sic! 2008, 450 E. 3.4). Die Gesuchsgegnerin macht geltend, sie habe ein berechtigtes Interesse daran, potentielle Kunden darüber zu informieren, dass zwischen ihr und den Betreibern des Onlinegründungsportals der Gesuchstellerin keinerlei Verbindung bestehe. Dem kann durchaus zugestimmt werden. Hierfür ist aber keineswegs notwendig, die Gesuchstellerin öffentlich des strafbaren unlauteren Wettbewerbs zu bezichtigen, zumal keine tragfähigen Anhaltspunkte für einen solchen Verdacht bestehen, wie die Nichtanhandnahmeverfügung vom 5. April 2013 der Staatsanwaltschaft Zug überzeugend klar macht. Wenn die Gesuchsgegnerin die an sich legitime Publikumsinformation der Abgrenzung zur Gesuchstellerin mit dem unhaltbaren Vorwurf verknüpft, die Ähnlichkeit der beiden Onlinegründungsplattformen stamme daher, dass die Gesuchstellerin die Plattform der Gesuchsgegnerin in strafrechtlicher Weise quasi kopiert habe, ist das unzulässig. Insofern erscheint die Äusserung im Blog als sachfremd bzw. unsachlich.

4.4 Nach dem Gesagten ist der Verfügungsanspruch im Sinne einer Hauptsachenprognose zu bejahen.

5. Auch der Verfügungsgrund ist vorliegend gegeben. In der Tat besteht die Gefahr, dass potentielle Kunden durch den Blog der Gesuchsgegnerin abgehalten werden, eine beabsichtigte Gründung nicht bei der Gesuchstellerin durchzuführen und deren Dienste in Anspruch zu nehmen. Damit entstehen der Gesuchstellerin zum einen finanzielle Einbussen, die sie - wenn überhaupt  - nur sehr schwer beweisen kann. Mit Recht macht die Gesuchstellerin zum andern auch die Gefahr einer Rufschädigung geltend. Das Vorliegen von direkt auf die Geltung eines Mitbewerbers gerichteten Wettbewerbsverstössen, wie Anschwärzungen, Herabsetzungen, impliziert ohne weiteres eine Rufschädigung und diese stellt einen nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil dar (Michael Leupold, Die Nachteilsprognose als Voraussetzung des vorsorglichen Rechtsschutzes, in: sic! 2000, 271 f.; Gasser/Rickli, Schweizerische Zivilprozessordnung, Kurzkommentar, Zürich/St. Gallen 2010, Art. 261 N 4). Auch die zeitliche Dringlichkeit ist ohne weiteres gegeben, vergrössern sich doch die nachteiligen Folgen für die Gesuchstellerin je länger der inkriminierte Blog aufgeschaltet ist. Der Gesuchstellerin ist nicht zuzumuten, diese während der nicht unerheblichen Dauer eines ordentlichen Prozesses einfach hinzunehmen. Und schliesslich überwiegen die voraussichtlichen Nachteile der Gesuchstellerin bei Nichterlass der beantragten vorsorglichen Massnahmen diejenigen der Gesuchsgegnerin bei Erlass dieser Massnahmen offensichtlich (vgl. Michael Leupold, a.a.O., S. 272). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern Letztere einen erheblichen Nachteil erleiden könnte, wenn sie nicht auf die Strafanzeige hinweisen darf. Immerhin ist es ihr nicht verwehrt, darauf hinzuweisen, dass sie mit der Gesuchstellerin in keiner Weise verbunden ist.

Obergericht, II. Zivilabteilung, 17. April 2013

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