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Gerichtspraxis

Verwaltungspraxis

Grundsätzliche Stellungnahmen

Aus der Praxis der Datenschutzstelle

Vorbemerkungen

Bekanntgabe der Aufenthalts- bzw. Zustelladresse von Personen, die sich in einem Heim oder in einer Anstalt befinden

Regeste:

§ 8 DSG i.V.m. § 2 Bst. b DSG sowie § 8 Abs. 2 Bst. d DSG – Bei der aktuellen Aufenthalts- bzw. Zustelladresse einer Person, die sich in einem Spital, einer Pflegeeinrichtung oder in einer Strafanstalt befindet, handelt es sich um besonders schützenswerte Personendaten. § 8 DSG ist keine genügende gesetzliche Grundlage für die Bekanntgabe dieser besonders schützenswerten Personendaten an private Dritte. Die Bekanntgabe ist zudem wegen Beeinträchtigung schützenswerter Interessen der Betroffenen zu verweigern.

Aus dem Sachverhalt:

1. Tritt eine Person für einen längeren Aufenthalt in ein Spital, eine Pflegeeinrichtung oder in eine Strafanstalt ein, bleibt der letzte zivilrechtliche Wohnsitz bestehen (Art. 23 ZGB). Beauftragt die Person die Post mittels Nachsendeauftrags ihr ihre Postsendungen an die entsprechende Institution, wo sie sich aufhält, nachzuschicken, ergeben sich für Dritte in aller Regel keine Probleme. Ebenso wenig ergeben sich Schwierigkeiten für Dritte, wenn sich die betroffene Person ihre Postsendungen an eine beauftragte Drittperson – etwa an ihren Beistand – nachschicken lässt. Unterlässt sie dies jedoch, kann sich die Frage stellen, ob die Einwohnerkontrolle, die für die Erfassung und Nachführung ihrer Einwohnerinnen und Einwohner zuständig ist, Dritten die Aufenthalts- bzw. Zustelladresse bekannt geben darf.

2. Für Personen, die über keine ordentliche Wohnsitz-/Meldeadresse mehr verfügen, erfassen die Zuger Einwohnerkontrollen im Einwohnerregister eine sogenannte «Amtsadresse» für den Wohnsitz und die Adresse der entsprechenden Institution als Aufenthalts- sowie Zustelladresse. Dabei ist die «Amtsadresse» in der Regel die Adresse der zuständigen Einwohnergemeindeverwaltung.

3. Erkundigt sich ein privater Dritter bei der Einwohnerkontrolle nach der Adresse der fraglichen Person, gibt die Einwohnerkontrolle die «Amtsadresse» bekannt. Schickt der private Dritte eine Postsendung – dabei kann es sich auch um Rechnungen handeln – an diese Adresse, geht sie bei der Gemeindeverwaltung ein. Die Gemeindeverwaltung leitet jedoch an die «Amtsadresse» adressierte Post nicht weiter, sondern retourniert diese lediglich an den Absender.

4. Eine Einwohnerkontrolle gelangte an den Datenschutzbeauftragten und wollte wissen, ob sie in diesen Fällen den privaten Dritten die Aufenthalts- bzw. Zustelladresse von Personen, die sich in einem Spital, einer Pflegeeinrichtung oder in einer Strafanstalt aufhalten, bekannt geben dürfe.

Aus den Erwägungen:

1. Wohnsitz

Der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz (Art. 23 ZGB).

Eine Person, die sich länger als drei Monate in einem Spital, einem Pflegeheim oder in einer Strafanstalt etc. aufhält, begründet am Ort, wo sich das Spital, das Pflegeheim, die Strafanstalt etc. befindet, zwar ihren Aufenthalt, behält jedoch den letzten Wohnsitz bzw. bleibt in der letzten Wohnsitzgemeinde (in der Regel identisch mit der Niederlassungsgemeinde) gemeldet (Art. 3 Bst. b und c des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der Einwohnerregister und anderer amtlicher Personenregister [Registerharmonisierungsgesetz, RHG; SR 431.02] i. V. m. Art. 2 Bst. abis Registerharmonisierungsverordnung [RHV, SR 431.021]).

Wenn eine solche Person in ihrer ehemaligen Wohnsitz- bzw. Niederlassungsgemeinde über keine ordentliche Wohn- bzw. Meldeadresse mehr verfügt, wird gemäss Praxis der Einwohnerkontrollen im Einwohnerregister eine «Amtsadresse» erfasst, da die Person dennoch gemeldet sein muss und gemeldet bleibt (§ 57a Gesetz über die Organisation und die Verwaltung der Gemeinden [Gemeindegesetz, BGS 171.1]). Diese «Amtsadresse» ist im Kanton Zug jeweils die Adresse der zuständigen Einwohnergemeindeverwaltung.

2. Meldepflichten von Kollektivhaushalten / Führen im Einwohnerregister

Die verantwortlichen Leiterinnen und Leiter von Kollektivhaushalten melden der Einwohnerkontrolle alle Bewohnerinnen und Bewohner, die sich seit mindestens drei Monaten in ihrem Kollektivhaushalt befinden (§ 57b Gemeindegesetz).

Die Daten der Patientinnen und Patienten von Spitälern, Heilstätten und ähnlichen Institutionen im Gesundheitsbereich, Bewohnerinnen und Bewohner von Institutionen des Straf- und Massnahmenvollzugs und von Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende, sofern es sich um Durchgangszentren handelt, sind in den Einwohnerregistern separat zu führen und besonders zu schützen (§ 6 Verordnung zum Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Harmonisierung der Einwohnerregister und anderer amtlicher Personenregister [Verordnung zum EG RHG, BGS 251.12]).

3. Datenschutzgesetz

Gemäss § 8 Abs. 2 Bst. a DSG kann die Einwohnerkontrolle Dritten Einzelauskünfte betreffend Name, Vorname, Geschlecht, aktuelle Adresse (bei Wegzug mit Wegzugsdatum und Wegzugsort) und Todestag voraussetzungslos erteilen. In dieser Bestimmung wird der Begriff «aktuelle Adresse» verwendet. Welche Adresse – Niederlassungs- bzw. Meldeadresse oder Aufenthalts- bzw. Zustelladresse – gemeint ist, wird aus dem Wortlaut der Bestimmung nicht klar. Auch die Materialien zu dieser Bestimmung ergeben keine Hinweise darauf, welche der Adressen, die im Einwohnerregister zu führen sind, gemeint ist. Da es bei Adressauskünften nach § 8 Abs. 2 Bst. a DSG in der Regel darum geht, diese zwecks Zustellung von Postsendungen zu verwenden, dürfte hier die aktuelle Aufenthalts- bzw. Zustelladresse gemeint sein (vgl. Art. 6 Bst. g RHG). Es liegt nahe, anzunehmen, dass bei der Formulierung der Bestimmung vom «Normalfall» ausgegangen wurde, d.h. von einer regulären Wohnungsadresse oder einem Postfach.

Bei der Information, dass sich jemand im Spital, in einem Pflegeheim, in einer Heilstätte oder in einer Strafanstalt aufhält, handelt es sich um besonders schützenswerte Personendaten gemäss § 2 Bst b DSG.

Ist im Einwohnerregister als Aufenthalts- bzw. Zustelladresse einer Person eine der oben genannten Institutionen aufgeführt (damit ein eigentlicher «Sonderfall»), handelt es sich dabei somit um besonders schützenswerte Personendaten. Diesem Umstand wird denn auch mit der Bestimmung in § 6 Verordnung zum EG RHG Rechnung getragen, wonach solche Daten in den Einwohnerregistern separat zu führen und besonders zu schützen sind (siehe Ziff. 2 vorstehend). Für die Bekanntgabe dieser Daten braucht es eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Der Begriff «aktuelle Adresse» in § 8 DSG kann nicht als genügende gesetzliche Grundlage für die Bekanntgabe dieser besonders schützenswerten Personendaten herangezogen werden.

Ausserdem sieht § 8 Abs. 2 Bst. d DSG vor, dass die Einwohnerkontrolle die Bekanntgabe von Daten verweigern kann, sofern dadurch schützenswerte Interessen der Betroffenen beeinträchtigt werden. Durch die Bekanntgabe des Aufenthalts einer Person beispielsweise in einer Strafvollzugsanstalt oder in einer psychiatrischen Klinik werden zweifelsfrei schützenswerte Interessen der Betroffenen beeinträchtigt. Eine Auskunft zu diesen Adressen muss somit auch gestützt auf § 8 Abs. 2 Bst. d DSG verweigert werden.

Da die Bekanntgabe der «Amtsadresse» an sich bereits darauf hinweist, dass die Person einen besonderen Aufenthalt bzw. eine besondere Zustelladresse hat, muss auch auf die Bekanntgabe der «Amtsadresse» verzichtet werden. Dies umso mehr, weil die Bekanntgabe dieser Adresse nicht zum gewünschten Ziel führt, sondern vielmehr bloss dazu, dass die Einwohnerkontrollen Postsendungen, die an diese «Amtsadresse» adressiert sind, lediglich retournieren.

4. Empfehlungen des Datenschutzbeauftragten für ein einheitliches Vorgehen

Um anfragenden Privatpersonen zu ermöglichen, dass sie einer gesuchten Person Post zustellen können, haben wir deshalb folgendes Vorgehen empfohlen:

Bei Aufenthalt in einem Altersheim: In aller Regel begibt sich eine Person freiwillig in ein Altersheim. Sollte es tatsächlich vorkommen, dass sie keinen Nachsendeauftrag erteilt hat bzw. keine Adressänderungsanzeige vorgenommen hat, dürfen die Einwohnerkontrollen unseres Erachtens in diesen Fällen die Zustell- bzw. Aufenthaltsadresse bekanntgeben.

Bei Aufenthalt in Spitälern, Heilstätten, Pflegeheimen und ähnlichen Institutionen im Gesundheitsbereich sowie in Institutionen des Straf- und Massnahmenvollzugs: Die Einwohnerkontrolle nimmt Kontakt mit der Institution auf. Die zuständige Person der betroffenen Institution klärt bei der von der Auskunft betroffenen Person ab, ob die Adresse bekanntgegeben werden darf und meldet das Ergebnis der Abklärung an die Einwohnerkontrolle zurück. Darf die Adresse nicht bekanntgegeben werden, hat die Institution bzw. die von der Auskunft betroffene Person eine alternative Zustelladresse zu nennen.

Gibt es Hinweise darauf, dass die von der Auskunft betroffene Person verbeiständet ist, nimmt die Einwohnerkontrolle mit der zuständigen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Kontakt auf. Diese entscheidet, ob die Einwohnerkontrolle die Adresse bekanntgeben darf oder ob allenfalls die Adresse der Beiständin oder des Beistandes bekanntzugeben ist.

Die Einwohnerkontrolle weist die zuständigen Institutionen darauf hin, dass die betroffene Person bei der schweizerischen Post einen Nachsendeauftrag oder einen Auftrag zum Rückbehalten der Postsendungen stellen sollte.

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