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Personalrecht

§§ 11 und 12 des Personalgesetzes

Regeste:

§§ 11 und 12 des Personalgesetzes – öffentliches Personalrecht; nichtige Kündigung. Prüfung von Amtes wegen, ob eine Kündigung nichtig sei (Erw. 3.1.). Es ist unerheblich, ob das Amt Y und/oder die Direktion X im Zeitpunkt des Aussprechens der Kündigung um die Krankheit der Beschwerdeführerin wussten. Ein Nichtwissen ändert nichts am Aussprechen der Kündigung während der Sperrfrist und den entsprechenden rechtlichen Folgen (Erw. 3.4.).

Aus dem Sachverhalt:

1.1. Frau T. arbeitete ab 1. Mai 2010 in einem unbefristeten Vollpensum als «jur. Sachbearbeiterin» bei der Direktion X, Amt Y. Eine juristische Ausbildung hatte Frau T. allerdings nicht.

1.2. Am 29. Dezember 2011 fand im Amt Y eine Besprechung statt, an welcher Frau T. (Mitarbeiterin Abteilung Z), Herr M. (Leiter-Stv. Abteilung Z) sowie Herr K. (Leiter Abteilung Z) teilnahmen. Folgende Punkte waren Thema dieser Besprechung: Informationsveranstaltung, Arbeit am 31. Oktober 2011, Arbeitszeiterfassung, Ferientag am 21. Dezember 2011, Verhalten bei Büro-Abwesenheiten, Arbeitsqualität sowie Beurkundungstätigkeit. Am 12. November 2012 und am 26. November 2012 fanden weitere Besprechungen statt, an welchen Frau P. (Amtsleiterin Amt Y), Frau T. sowie Herr K. teilnahmen. Thema dieser Besprechungen war die Arbeitsleistung von Frau T.

1.3. Am 16. Januar 2013 wurde Frau T. das rechtliche Gehör gewährt. Mit Schreiben vom 7. Februar 2013 nahm Frau T. noch schriftlich Stellung.

1.4. Mit Verfügung vom 26. Februar 2013 löste die Direktion X das Arbeitsverhältnis mit Frau T. per 31. Mai 2013 auf. Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, im ersten Jahr der Anstellung habe Frau T. für ihre Leistungen einen guten Beurteilungswert erhalten. Seit Ende 2011 müssten ihre Leistungen als Fachspezialistin dauerhaft als ungenügend bewertet werden. Sie sei häufig krankheitsbedingt abwesend; die Mitteilungen über diese Abwesenheiten erfolgten oft sehr spät oder gar nicht.

Aus den Erwägungen:

(…)

II.

1. Ein unbefristetes öffentlich-rechtliches Arbeitsverhältnis endigt gemäss § 8 des Gesetzes über das Arbeitsverhältnis des Staatspersonals vom 1. September 1994 (Personalgesetz, PG; BGS 154.21) durch schriftliche Kündigung seitens der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters oder seitens des Kantons. Der Kanton kann das Arbeitsverhältnis gemäss § 10 Abs. 1 PG unter Einhaltung der für den Mitarbeiter geltenden Kündigungsfristen und Kündigungstermine kündigen. Vor der Kündigung ist dem Mitarbeiter das rechtliche Gehör zu gewähren und die Kündigung ist zu begründen (§ 10 Abs. 3 PG). Bevor eine Kündigung ausgesprochen wird, ist die Angemessenheit weniger weitreichender Massnahmen zu erwägen wie Ermahnung, Verwarnung, Rüge, Verweis, Gehaltskürzungen, Aufschub oder Verweigerung der Treue- und Erfahrungszulage, Zuweisung anderer Arbeit, Versetzung an eine andere Stelle (Funktionsänderung) oder Androhung der Entlassung (§ 10 Abs. 4 PG). Eine Kündigung ist, wenn sie während bestimmter Sperrfristen ausgesprochen wird, nichtig und entfaltet keine Rechtswirkung (§§ 11 und 12 PG). Die Kündigung ist gemäss § 13 PG missbräuchlich, wenn Verfahrensvorschriften verletzt wurden oder wenn sie sich nicht auf sachliche Gründe stützen lässt, insbesondere wenn sie ausgesprochen wird wegen einer persönlichen Eigenschaft oder wegen der Ausübung verfassungsmässiger Rechte, es sei denn, die Eigenschaft oder die Rechtsausübung beeinträchtige wesentlich die Erfüllung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis oder die Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (Bst. a), oder wenn sie erfolgt, um die Entstehung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis und deren Geltendmachung nach Treu und Glauben zu erschweren oder zu verunmöglichen (Bst. b). Eine missbräuchliche Kündigung begründet Anspruch auf Entschädigung, die sich nach der Anzahl der zurückgelegten Dienstjahre bemisst (§ 14 Abs. 1 und 2 PG); ein Anspruch auf Fortführung des Arbeitsverhältnisses kann aus einer missbräuchlichen Kündigung nicht abgeleitet werden und Beschwerden gegen eine solche Kündigung haben keine aufschiebende Wirkung (§ 14 Abs. 3 PG). Wird bei Beschwerden gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rechtsverletzung festgestellt, so sind mit dem Feststellungsentscheid gleichzeitig die gemäss diesem Gesetz bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschuldeten finanziellen Leistungen zuzusprechen; unter Vorbehalt der Nichtigkeit ist die Aufhebung der das Arbeitsverhältnis beendigenden Verfügung ausgeschlossen (§ 70 Abs. 3 PG).

(…)

3.1. Obwohl sich die Beschwerdeführerin nicht auf den Standpunkt stellt, die Kündigung sei nichtig, ist dies nachfolgend von Amtes wegen zu prüfen, denn der Regierungsrat überprüft die angefochtenen Verfügungen und Entscheide mit uneingeschränkter Kognition.

3.2. Die Kündigung seitens des Kantons ist unter Vorbehalt einer gerechtfertigten fristlosen Entlassung aus wichtigen Gründen nichtig, wenn sie während der folgenden Sperrfrist ausgesprochen wird: während 30 Tagen im 1. Dienstjahr, während 90 Tagen im 2. bis 5. Dienstjahr und während 180 Tagen ab dem 6. Dienstjahr im Falle unverschuldeter ganzer oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit oder Unfall (§ 11 Bst. c PG). Die Kündigung, die während einer Sperrfrist erklärt wird, entfaltet keine Rechtswirkung (§ 12 Abs. 1 PG).

Bei der Formulierung dieses Tatbestandes orientierte sich der Gesetzgeber erklärtermassen am Zivilrecht, da der Beamtenstatus abgeschafft und das Arbeitsrecht des kantonalen Personals dem Obligationenrecht angeglichen werden sollte. Die Regelung des Kündigungsschutzes bei Krankheit und Unfall ist denn auch praktisch identisch mit Art. 336 Abs. 1 Bst. b und Abs. 2 OR: Der Kündigungsschutz ist demnach absolut und bedeutet, dass eine während einer Sperrfrist ausgesprochene Kündigung wirkungslos ist; die bzw. der Mitarbeitende verbleibt am Arbeitsplatz. Eine während einer Sperrfrist verfügte Kündigung wird nach Ablauf dieser Frist auch nicht ohne weiteres wirksam; vielmehr müsste nach Ablauf der Frist eine neue ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Fristen und Termine erfolgen. Selbst bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Kündigung wird somit auf Personen mit erhöhtem Schutzbedürfnis Rücksicht genommen (Bericht und Antrag des Regierungsrates vom 1. Februar 1994 zum Personalgesetz; Vorlage Nr. 130.4 – 8257, S. 25 und 52 f.). Die Sperrfrist bei Krankheit und Unfall wird damit begründet, dass die Arbeitsunfähigkeit der bzw. des Arbeitnehmenden bei vernünftiger Betrachtungsweise eine Neuanstellung wegen der Ungewissheit über Dauer und Mass der Arbeitsunfähigkeit als unwahrscheinlich erscheinen lasse (Streiff/von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl., Zürich 2012, N 8 zu Art. 336c OR mit zahlreichen Hinweisen).

Ob die Kündigung in die Sperrfrist fällt und damit nichtig ist oder ob sie noch vorher wirksam wurde und nur die Kündigungsfrist unterbrochen wird, bestimmt sich nach dem Zugang der Kündigung beim Empfänger (Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., N 10 zu Art. 336c OR).

(…)

3.3. Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin diverse Arztzeugnisse abgegeben, welche für das Jahr 2013 eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit für die Zeit vom 3. Januar bis 10. Januar 2013 und danach ab dem 17. Januar 2013 belegen. Offenbar fehlt lediglich für die Abwesenheit vom 5. März bis 8. März 2013 ein Arztzeugnis.

Gemäss dem hier massgebenden Arztzeugnis vom 4. März 2013 war die Beschwerdeführerin seit dem 25. Februar 2013 aufgrund einer ärztlichen Untersuchung vom 4. März 2013 für eine Woche total arbeitsunfähig infolge Krankheit; die Krankheit dauerte also bis zum 4. März 2013. Die Kündigung datiert vom 26. Februar 2013, wurde gleichentags versandt und von der Beschwerdeführerin am 1. März 2013 entgegen genommen. Damit war die Beschwerdeführerin bei Zugang der Kündigung krank.

Die Beschwerdeführerin hatte am 1. Mai 2010 ihre Arbeit aufgenommen, befand sich also im Zeitpunkt der Kündigung im dritten Dienstjahr. Damit dauerte die Sperrfrist 90 Tage.

Die Beschwerdeführerin war im Jahr 2011 unbestrittenermassen an insgesamt 66.5 Tagen krank, wobei sich die krankheitsbedingten Abwesenheiten im Jahr 2011 auf sämtliche zwölf Monate verteilten und es sich um zahlreiche und oft nur kurze Abwesenheiten handelte. Im Jahr 2012 war die Beschwerdeführerin an insgesamt 74 Arbeitstagen krankheitsbedingt abwesend, wiederum verteilt auf sämtliche zwölf Monate. Im Jahr 2013 war die Beschwerdeführerin unbestrittenermassen an vier Arbeitstagen im Büro anwesend bzw. bis zum 25. Februar 2013 an 34 Arbeitstagen krank, mithin an vier Arbeitstagen im Büro. Damit waren die Absenzen in den Jahren 2011 und 2012 für die Berechnung der Sperrfrist je einzeln zu berücksichtigen. Im Jahr 2013 war die Beschwerdeführerin offensichtlich vom 3. bis zum 10. Januar 2013 und dann seit dem 17. Januar 2013 krank, weshalb für die Berechnung der Sperrfrist die Krankheitstage seit dem 17. Januar 2013 zu berücksichtigen sind. Der letzte Tag der 90 Tage dauernden Sperrfrist war damit der 26. April 2013.

Damit wurde die Kündigung während einer Sperrfrist ausgesprochen.

3.4. Die Beschwerdegegnerin hält einer allfälligen Nichtigkeit entgegen, entgegen einer entsprechenden Zusicherung sei die Beschwerdeführerin am 25. Februar 2013 nicht zur Arbeit erschienen. Erst mit dem Erhalt des Arztzeugnisses vom 4. März 2013 sei das Amt Y über deren erneute Krankheit und Abwesenheit seit dem 25. Februar 2013 in Kenntnis gesetzt worden. Im Zeitpunkt der Verfügung der Kündigung sei eine allfällige Krankheit dem Amt Y und der verfügenden Direktion X nicht bekannt gewesen.

Es ist unerheblich, ob die bzw. der Arbeitnehmende von seiner Krankheit weiss oder die bzw. der Arbeitgebende darüber informiert ist. Auch die unterlassene Information der bzw. des Arbeitgebenden über die Arbeitsverhinderung führt deshalb nicht zu einem Dahinfallen des zeitlichen Kündigungsschutzes, auch wenn die Unterlassung eine Verletzung der Treuepflicht darstellen und unter Umständen eine Schadenersatzpflicht begründen kann (Streiff/von Kaenel/ Rudolph, a.a.O., N 8 zu Art. 336c OR).

Damit ist klar, dass es unerheblich ist, ob das Amt Y und/oder die Direktion X im Zeitpunkt des Aussprechens der Kündigung um die Krankheit der Beschwerdeführerin wussten. Ein Nichtwissen ändert nichts am Aussprechen der Kündigung während der Sperrfrist und den entsprechenden rechtlichen Folgen.

3.5. Die Beschwerdeführerin stellt die Frage in den Raum, weshalb nach dem Dezember 2011 keine vertrauensärztliche Untersuchung mehr erfolgte, nachdem sie in den Jahren 2012 und 2013 so häufig krank gewesen sei.

Gemäss § 58bis Abs. 2 PG können bei länger dauernder Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit oder Unfall periodisch weitere Arztzeugnisse verlangt oder Untersuchungen durch die Kantonsärztin oder den Kantonsarzt oder durch Spezialistinnen oder Spezialisten angeordnet werden.

§ 58bis Abs. 2 PG ist eine Kann-Bestimmung. Die bzw. der Arbeitgebende hat also keine Verpflichtung, eine vertrauensärztliche Untersuchung anzuordnen. Der Verzicht auf eine vertrauensärztliche Untersuchung hat allerdings zur Folge, dass grundsätzlich auf die von der Beschwerdeführerin abgegebenen Arztzeugnisse abzustellen ist (sog. «Anscheinsbeweis»), solange nicht begründete Zweifel an deren Richtigkeit geweckt wurden. Vorliegend besteht kein Anlass, die überreichten Arztzeugnisse anzuzweifeln, nachdem die Beschwerdegegnerin die Richtigkeit der Zeugnisse nie bestritten hat (Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., N 12 zu Art. 324a/b OR).

3.6. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zu 100 % arbeitsunfähig war, so dass die Kündigung während der Sperrfrist gemäss § 11 Bst. c PG erfolgte. Die Kündigung erweist sich demzufolge grundsätzlich als nichtig, es sei denn, die in § 11 PG genannten Vorbehalte wären anwendbar. Eine fristlose Entlassung aus wichtigen Gründen, die auch während einer Sperrfrist zulässig wäre, hat die Beschwerdegegnerin nicht ausgesprochen. Im Weiteren ist nicht erkennbar und wird von der Beschwerdegegnerin auch nicht geltend gemacht, dass die Krankheit bzw. die Arbeitsunfähigkeit durch die Beschwerdeführerin selbst verschuldet worden wäre. Damit ist keiner der beiden Vorbehalte, die eine Kündigung trotz Sperrfrist zulassen würden, erfüllt und es bleibt bei der Nichtigkeit der Kündigung. Die Kündigung wurde somit während einer Sperrfrist ausgesprochen, ist deshalb nichtig und entfaltet keinerlei Rechtswirkungen. Dies bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beschwerdeführerin weiterhin bestand und erst nach Ablauf der Sperrfrist von 90 Tagen – d.h. ab dem 27. April 2013 – gekündigt werden konnte, wobei bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Lohnfortzahlungspflicht im Krankheitsfall gemäss § 58 PG bestehen bleibt. Die Beschwerde erweist sich damit insofern als begründet, als die Kündigung als nichtig zu betrachten ist. Eine Entschädigung infolge missbräuchlicher Kündigung ist aber nicht zuzusprechen, denn bei diesem Ausgang des Verfahrens kann und muss offen bleiben, ob die Kündigung auch rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 13 PG zu qualifizieren gewesen wäre.

Entscheid des Regierungsrates vom 9. Juli 2013

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