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Art. 697b OR

Art. 731b OR

Regeste:

Art. 731b Abs. 1 OR – Bei einem  Organisationsmangel kann der Richter der Gesellschaft unter Androhung ihrer Auflösung eine Frist ansetzen, binnen deren der rechtmässige Zustand herzustellen ist (Ziff. 1), das fehlende Organ oder einen Sachwalter ernennen (Ziff. 2) oder die Gesellschaft auflösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnen (Ziff. 3). Nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip soll das Gericht die drastische Massnahme der Auflösung gemäss Ziff.3 erst anordnen, wenn die milderen Massnahmen gemäss Ziff. 1 und 2 nicht genügen oder erfolglos geblieben sind.

Aus den Erwägungen:

1. Die Gesuchsgegnerin bestreitet zu Recht nicht, dass der vom Handelsregisteramt monierte Organisationsmangel bestanden und sie diesen während des vorinstanzlichen Verfahrens nicht behoben hatte. Sie behauptet nun aber, im Laufe des vorliegenden Berufungsverfahrens eine neue Revisionsstelle gewählt und beim Handelsregister des Kantons Zug zur Eintragung angemeldet zu haben. Indes hat sie dafür bis heute keinen genügenden Beweis vorgelegt. Sie hat zwar – nach Ablauf der ihr hierfür angesetzten Frist – eine Kopie der Anmeldung für das Handelsregisteramt des Kantons Zug vom 15. September 2014 eingereicht. Dieser kann allerdings lediglich entnommen werden, dass sie eine neue Revisionsstelle (ohne Angabe ihres Namens) anmelde. Damit vermag sie aber den ihr obliegenden Nachweis nicht zu erbringen. Das Handelsregisteramt des Kantons Zug erklärt in seiner Vernehmlassung vom 8. Oktober 2014 denn auch, dass die Annahmeerklärung der Revisionsstelle fehle und die Gesuchsgegnerin bis heute weder diese Annahmeerklärung eingereicht noch den entsprechenden Vorschuss für die Eintragung geleistet habe. Ein Blick in das Handelsregister des Kantons Zug zeigt, dass bis heute die Eintragung einer neuen Revisionsstelle unterblieben ist. Damit steht aber fest, dass der Organisationsmangel im Sinne von Art. 731b Abs. 1 OR auch während der Dauer des vorliegenden Berufungsverfahrens nicht behoben worden ist, sondern nach wie vor besteht.

2. Fehlt der Gesellschaft eines der vorgeschriebenen Organe oder ist eines dieser Organe nicht rechtmässig zusammengesetzt, so kann gemäss Art. 731b Abs. 1 OR ein Aktionär, ein Gläubiger oder der Handelsregisterführer dem Richter beantragen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen. Diese Massnahmen können insbesondere darin bestehen, der Gesellschaft unter Androhung ihrer Auflösung eine Frist anzusetzen, binnen deren der rechtmässige Zustand herzustellen ist (Ziff. 1), das fehlende Organ oder einen Sachwalter zu ernennen (Ziff. 2) oder die Gesellschaft aufzulösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anzuordnen (Ziff. 3).

2.1 Aktiengesellschaften haben ihre Jahresrechnung durch eine Revisionsstelle ordentlich (Art. 727 OR) oder gegebenenfalls eingeschränkt (Art. 727a OR) prüfen zu lassen. Nach Art. 727a Abs. 2 OR kann mit Zustimmung sämtlicher Aktionäre auf eine eingeschränkte Revision verzichtet werden, wenn die Gesellschaft im Jahresdurchschnitt nicht mehr als zehn Vollstellen hat (sog. «Opting-Out»).

2.2 Die Behebung von Organisationsmängeln steht im Interesse eines funktionierenden Rechtsverkehrs und kann die Interessen von Anspruchsgruppen («Stakeholder») berühren, die sich am Verfahren nach Art. 731b OR nicht beteiligen (Arbeitnehmer, Gläubiger, Aktionäre). Aufgrund der Interessen Dritter sowie der Öffentlichkeit ist der Richter an spezifizierte Anträge der Parteien nicht gebunden. Das im Summarium durchzuführende Organisationsmängelverfahren (BGE 138 III 166 E 3.9 S. 172 f.) ist mithin vom Offizialgrundsatz beherrscht (Art. 85 Abs. 2 ZPO): Die Parteien haben keine Verfügungsbefugnis über den Streitgegenstand und können sich namentlich nicht vergleichen (BGE 138 III 294 mit Hinweisen auf die Literatur). Bei den in den Ziffern 1-3 von Art. 731b Abs. 1 OR genannten Massnahmen zur Behebung des Organisationsmangels handelt es sich um einen exemplifikativen, nicht abschliessenden Katalog (BGE 136 III 369). Der Gesetzgeber wollte dem Richter einen hinreichenden Handlungsspielraum gewähren, um eine mit Blick auf die konkreten Umstände des Einzelfalles angemessene Massnahme treffen zu können. Die in Art. 731b Abs. 1 OR genannten Massnahmen stehen in einem Stufenverhältnis. Das Gericht soll die drastische Massnahme der Auflösung gemäss Ziff. 3 erst anordnen, wenn die milderen Massnahmen gemäss Ziff. 1 und 2 nicht genügen oder erfolglos geblieben sind. Es gilt mithin das Verhältnismässigkeitsprinzip. Nur wenn sich mildere Mittel nicht als sachgerecht bzw. zielführend erweisen, kommt als ultima ratio die Auflösung der Gesellschaft zur Anwendung. Dies ist etwa der Fall, wenn Verfügungen nicht zustellbar sind oder wenn sich die Gesellschaft in keiner Art und Weise vernehmen lässt (BGE 138 III 294 E. 3.1.4 mit weiteren Hinweisen). Fehlt der Gesellschaft die Revisionsstelle und wurde der Mangel innert richterlich angesetzter Frist nicht behoben, ist nach dem Gesagten die Ernennung des fehlenden Organs grundsätzlich die angemessene Massnahme zur Beseitigung des Organisationsmangels (vgl. BGE 138 III 294 E. 3.3.1 S. 302; Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. A., Zürich/Basel/Genf 2009, § 13 N 492). Denn gegenüber der Anordnung der Auflösung der Gesellschaft und deren Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs stellt die Ernennung des fehlenden Organs das mildere Mittel dar. In der Lehre wird daher zutreffend vertreten, dass es dem Gericht regelmässig als verhältnismässig und den verfolgten Zielen angemessen erscheinen wird, der Ernennung einer Revisionsstelle gegenüber der Anordnung der Auflösung und der Liquidation der Gesellschaft nach den Vorschriften über den Konkurs den Vorzug zu geben (Urteil des Bundesgerichts 4A_411/2012 vom 22. November 2012).

2.3 Wie sich aus der Darstellung des Sachverhaltes ergibt, wurde der Gesuchsgegnerin mehrfach die Frist zur Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes auf ihr eigenes Begehren hin erstreckt. Auch im Berufungsverfahren wurde ihr erneut eine 20-tägige Frist eingeräumt, um den Organisationsmangel zu beheben. Sie liess diese Frist – angeblich irrtümlich – unbenützt verstreichen. Aber selbst nach Ablauf dieser Frist behob sie den Mangel entgegen ihrer Darstellung bis heute offenbar nicht. Obschon ihr durch Zustellung der Berufungsantwort des Handelsregisteramtes klar vor Augen geführt wurde, dass zur Eintragung der angeblich gewählten Revisionsstelle deren Annahmeerklärung sowie die Leistung eines Kostenvorschusses vorausgesetzt sind, unternahm sie offenbar wiederum nichts und liess die Zügel schleifen. Ein solch trölerisches Verhalten ist rechtsmissbräuchlich und verdient keinen Rechtsschutz. Es ist daher auch nicht angezeigt, die mildere Massnahme zu ergreifen und der Gesuchsgegnerin eine Revisionsstelle durch den Richter zu bestellen. Es bleibt demnach bei der Auflösung der Gesellschaft und der Anordnung ihrer konkursamtlichen Liquidation.

Obergericht, II. Zivilabteilung, 29. Oktober 2014

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