Navigieren auf Kanton Zug

Inhaltsnavigation auf dieser Seite

Navigation

Gerichtspraxis

Rechtspflege

Anwaltsrecht

§ 2 BeurkG

Regeste:

§ 2 BeurkG – Die in § 2 BeurkG enthaltene Verpflichtung, im Kanton Zug  Wohnsitz zu nehmen, um als freiberufliche Urkundsperson zugelassen zu werden, kann einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Niederlassungsfreiheit darstellen. Eine solche Grundrechtsverletzung liegt vor, wenn der im Kanton Zürich wohnhafte Anwalt im Kantons Zug seine Geschäftsadresse hat, im Anwaltsregister des Kantons Zug eingetragen ist und die zugerische Beurkundungsprüfung bestanden hat.

Aus den Erwägungen:

1. Gemäss § 2 Abs. 1 BeurkG werden die im kantonalen Anwaltsregister eingetragenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die das zugerische Anwaltspatent besitzen und im Kanton Zug Wohnsitz haben, auf Gesuch hin von der Aufsichtskommission zur öffentlichen Beurkundung ermächtigt. Die Ermächtigung wird auch an eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt erteilt, die bzw. der das Patent eines andern schweizerischen Kantons besitzt und im Anwaltsregister des Kantons Zug eingetragen ist, sofern sie oder er im Kanton Zug Wohnsitz hat, sich über hinreichende praktische Befähigung zur Beurkundung ausweist und der betreffende Kanton Gegenrecht hält (§ 2 Abs. 3 BeurkG).

2. Das Beurkundungsgesetz wurde kürzlich einer Teilrevision unterzogen, die auf den 1. April 2015 in Kraft gesetzt wurde. Im Rahmen dieser Teilrevision hat der Gesetzgeber an der Wohnsitzpflicht für die freiberuflichen Urkundspersonen des Kantons Zug festgehalten. Gleichwohl ist im Lichte des oben erwähnten Bundesgerichtsentscheids zu prüfen, ob am Wohnsitzerfordernis für die Ermächtigung zur öffentlichen Beurkundung festgehalten werden kann.

3. Gemäss dem Urteil des Bundesgerichts vom 11. Mai 2015 kann die Niederlassungsfreiheit, wie andere Freiheitsrechte, unter den Voraussetzungen von Art. 36 BV eingeschränkt werden. Danach bedürfen Einschränkungen der gesetzlichen Grundlage (Abs. 1), müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt und verhältnismässig sein (Abs. 2 und 3); zudem ist der Kerngehalt des Grundrechts unantastbar (Abs. 4). Nach den weiteren Ausführungen des Bundesgerichts berührt die Verpflichtung, im Kanton Graubünden seinen Wohnsitz zu begründen, um als Notar zugelassen zu werden, die Niederlassungsfreiheit. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesgericht die Regelung, wonach die hoheitliche Beurkundungsbefugnis Personen mit Wohnsitz im Kanton vorbehalten wird, als mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar erklärt (BGE 128 I 280). Gemäss dem Urteil vom 11. Mai 2015 sind jedoch stets auch Gründe zu prüfen, die im konkreten Fall eine Ausnahme von einer im Kanton statuierten Wohnsitzpflicht gebieten. Unabhängig davon, ob die Wohnsitzpflicht für eine bestimmte Kategorie von Personen grundsätzlich gerechtfertigt ist oder nicht, kann daher das Grundrecht der Niederlassungsfreiheit immer auch noch im konkreten Fall seine Wirkung entfalten, indem überwiegende (objektive oder subjektive) Gründe nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip eine Ausnahme erfordern. Denn das in Art. 36 Abs. 3 BV verankerte Verhältnismässigkeitsprinzip gebietet, dass eine Grundrechtseinschränkung zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sowie für die betroffene Person zumutbar sein muss. Im zu beurteilenden Fall erkannte das Bundesgericht, das – als Ansässigkeitserfodernis herangezogene – öffentliche Interesse an der Qualität der notariellen Tätigkeit sei angesichts der erfolgreich im Kanton Graubünden abgelegten Notariatsprüfung und der Tätigkeit des Beschwerdeführers als im Kanton niedergelassener Rechtsanwalt gewahrt. Ferner führe der ausserkantonale Wohnsitz nicht zu einer Beeinträchtigung der Aufsichtstätigkeit. Schliessich rechtfertige bereits nach der bisherigen Rechtsprechung eine erhöhte Präsenz oder spezifische Disponibilität nicht ein Wohnsitzerfordernis im Kanton. Die im kantonalen Recht festgeschriebene, dem Beschwerdeführer auferlegte Wohnsitzpflicht stelle daher einen unter dem Gesichtswinkel von Art. 36 Abs. 3 BV nicht zu rechtfertigenden Eingriff in seine Niederlassungsfreiheit dar. Vom Beschwerdeführer, der das Notariatspatent des Kantons Graubünden erworben und sich dort als Rechtsanwalt niedergelassen habe, dürfe nicht verlangt werden, dass er auch seinen privaten Wohnsitz in den Kanton Graubünden verlege.

4. Im vorliegend zu beurteilenden Fall liegen vergleichbare Verhältnisse vor. Der Gesuchsteller ist seit dem 1. September 2008 im Anwaltsregister des Kantons Zug eingetragen, nachdem er seine Hauptgeschäftsadresse vom Kanton Zürich nach Zug verlegt hatte. Am 8. September 2009 bestand er die Beurkundungsprüfung des Kantons Zug für Rechtsanwälte mit ausserkantonalem Patent und wurde aufgrund seines damaligen Wohnsitzes im Kanton Zug am 23. November 2009 vom Präsidenten der Aufsichtskommission zur öffentlichen Beurkundung ermächtigt. Nach der Aufgabe des Wohnsitzes im Kanton Zug löschte der Präsident der Aufsichtskommission auf sein Gesuch hin die Ermächtigung zur öffentlichen Beurkundung. Der Gesuchsteller ist damit aufgrund seiner Ausbildung in der Lage zur einwandfreien Ausübung der Beurkundungstätigkeit nach zugerischem Recht. Der ausserkantonale Wohnsitz führt auch nicht zu einer Beeinträchtigung der Aufsichtstätigkeit, zumal der Gesuchsteller seine Zweigniederlassung im Kanton Zürich geschlossen hat und nunmehr ausschliesslich im Kanton Zug anwaltlich tätig ist. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stellt die in § 2 Abs. 3 BeurkG aufgestellte Wohnsitzpflicht somit einen unverhältnismässigen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit des Gesuchstellers dar. Der Gesuchsteller ist daher trotz seines Wohnsitzes im Kanton Zürich in Gutheissung seines Gesuchs zur öffentlichen Beurkundung zu ermächtigen, da er – mit Ausnahme der Wohnsitzpflicht – die übrigen in § 2 Abs. 3 BeurkG erwähnten Voraussetzungen für die Zulassung zur Beurkundungstätigkeit erfüllt.

Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte, Präsident, 31. Juli 2015

Weitere Informationen

Fusszeile

Deutsch