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Art. 9 StPO, Art. 319 Abs. 1 StPO
Art. 382 Abs. 1 StPO, Art. 121 Abs. 2 StPO

Art. 382 Abs. 1, Art. 104 Abs. 1 lit. b, Art. 118 Abs. 1 und Art. 115 Abs. 1 StPO

Regeste:

Art. 382 Abs. 1, Art. 104 Abs. 1 lit. b, Art. 118 Abs. 1 und Art. 115 Abs. 1 StPO – Legitimation der  Privatkläger zur Berufung.

Aus den Erwägungen:

1. Gemäss Art. 403 Abs. 1 StPO entscheidet das Berufungsgericht in einem schriftlichen Verfahren, ob auf die Berufung einzutreten ist, wenn die Verfahrensleitung oder eine Partei geltend macht, die Anmeldung oder Erklärung der Berufung sei verspätet oder unzulässig (lit. a) oder sie sei im Sinne von Art. 398 StPO unzulässig (lit. b). Art. 403 Abs. 1 lit. a und b StPO beziehen sich somit auf die eigentlichen Sachurteilsvoraussetzungen (Einhaltung der Berufungsfrist, gültiges Anfechtungsobjekt, Legitimation etc.).

2. Jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheids hat, kann ein Rechtsmittel ergreifen (Art. 382 Abs. 1 StPO). Partei ist namentlich die Privatklägerschaft (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO). Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren im Straf- oder Zivilpunkt zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO).

2.1 Der Privatkläger A. verlangte im Vorverfahren nur die Verfolgung und Bestrafung des Beschuldigten X. (HD 2/1/1 ff., act. 4/1/10) und machte nur gegen diesen adhäsionsweise privat-rechtliche Ansprüche geltend (vgl. HD 2/1/1 ff; act. 4/1/46 ff.), obgleich ihm die Eröffnung der Strafuntersuchung gegen Y. mitgeteilt wurde (act. 2/1/3) und er wusste, dass zwei Verfahren geführt wurden (2A 2009 222 gegen X. und 2A 2012 93 gegen Y.). An der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht beantragte der Privatkläger zwar die Bestrafung von Y. (SG GD 8/3/4). Indessen ist zu berücksichtigen, dass diese Erklärung verspätet erfolgte; gemäss Art. 118 Abs. 3 StPO ist sie spätestens bis zum Abschluss des Vorverfahrens abzugeben, was dem anwaltlich vertretenen Privatkläger bewusst sein musste. Deshalb ist der Privatkläger nicht legitimiert, die Freisprüche der Vorinstanz mit Bezug auf den Beschuldigten Y. anzufechten. Dieser beantragt daher im Ergebnis zu Recht, dass insoweit auf die Berufung des Privatklägers nicht einzutreten sei.

Anzumerken ist, dass bereits die Vorinstanz den Privatkläger im angefochtenen Urteil darauf hinwies, dass er sich nur gegenüber dem Beschuldigten X. als Privatkläger konstituiert habe, nicht aber gegenüber dem Beschuldigten Y. (OG GD 5/1 S. 46).

2.2 Bei Straftaten gegen den Vermögenswert gilt der Inhaber des geschädigten Vermögens als geschädigte Person im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO. Soweit dem Beschuldigten X. mehrfacher Darlehensbetrug zum Nachteil des Privatklägers und seiner Tochter B. vorgeworfen wird, sind diese demnach als Geschädigte zu betrachten. Der Privatkläger ist daher legitimiert, den Freispruch vom Vorwurf des mehrfachen Betrugs anzufechten, allerdings nur insoweit, als er direkt selbst betroffen ist. Soweit seine Tochter Geschädigte ist, ist er nicht unmittelbar beeinträchtigt und daher nicht zur Berufung berechtigt.

Anzumerken bleibt Folgendes: A. äusserte in seiner Strafanzeige zwar noch nicht den Willen, der Beschuldigte X. sei auch wegen mehrfachen Darlehensbetrugs zu verfolgen; er erklärte hierzu, erst aufgrund der Abklärungen der Staatsanwaltschaft habe er bemerkt, dass er «hinters Licht geführt» worden sei (SG GD 8/3/4 S. 6). In der Folge übte er jedoch verschiedene Beteiligungsrechte aus. So nahm er namentlich an der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme des Beschuldigten X. vom 11. Juli 2012 teil, an welcher der Vorwurf des mehrfachen Darlehensbetrugs zur Sprache kam (HD 4/1/1). Damit konstituierte sich A. konkludent auch bezüglich dieses Sachverhaltskomplexes als Privatkläger im Straf- und Zivilpunkt, zumal nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er sich nur im Sachverhaltskomplex «Verkauf von Vermögenswerten der V. AG gegen eine Leistung mit offensichtlich geringerem Wert» als solcher konstituieren wollte. Davon ging offenkundig auch die Staatsanwaltschaft aus, die A. in ihrer Anklageschrift uneingeschränkt als Privatkläger im Straf- und Zivilpunkt bezeichnete und ihm dementsprechend die gesamte Anklageschrift zustellte (HD 6/1).

2.3 Bei Vermögensdelikten zum Nachteil einer Aktiengesellschaft sind weder die Aktionäre noch die Gesellschaftsgläubiger unmittelbar verletzt (Urteil des Bundesgerichts 6B_236/ 2014 vom 1. September 2014 E 3.3.1 mit Hinweisen). Als Gläubiger und Aktionär der V. AG in Liquidation ist der Privatkläger hinsichtlich des Vorwurfs der ungetreuen Geschäftsbesorgung zum Nachteil dieser Gesellschaft demzufolge nicht als Geschädigter im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO anzusehen. Auf seine Berufung kann mithin nicht eingetreten werden, soweit sie sich gegen den Freispruch des Beschuldigten X vom Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung richtet.

2.4 Geschütztes Rechtsgut der Konkursdelikte gemäss Art. 163 ff. StGB ist das Vermögen der Gläubiger des Gemeinschuldners (Urteil des Bundesgerichts 6B_236/ 2014 vom 1. September 2014 E 3.3.2 mit Hinweisen). Hinsichtlich des Vorwurfs der Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung gilt der Privatkläger aufgrund seiner Darlehensforderung gegenüber der V. AG in Liquidation als Geschädigter im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO. Somit ist er legitimiert, den entsprechenden Freispruch des Beschuldigten X. durch das Strafgericht anzufechten.

2.5 Urkundendelikte schützen in erster Linie die Allgemeinheit. Geschütztes Rechtsgut ist das besondere Vertrauen, welches im Rechtsverkehr einer Urkunde als Beweismittel entgegen-gebracht wird (BGE 137 IV 167 E. 2.3.1 mit Hinweisen). Daneben können auch private Interessen unmittelbar verletzt werden, falls die Urkundenfälschung auf die Benachteiligung einer bestimmten Person abzielt (Urteil des Bundesgerichts 6B_236/2014 vom 1. September 2014 E 3.3.3 mit Hinweisen).

Dem Beschuldigten X. wird im Zusammenhang mit dem eingeklagten mehrfachen Betrug vorgeworfen, dem Privatkläger eine unwahre Bilanz der V. AG per 31. Dezember 2000 vorgelegt zu haben, um diesen zu veranlassen, der Gesellschaft Darlehen zu gewähren. Der hier behauptete Gebrauch einer falschen Urkunde zielt mithin unmittelbar auf die Benachteiligung des Privatklägers ab, sodass dieser insoweit befugt ist, den Freispruch des Beschuldigten X. anzufechten (vgl. vorstehend E. 2.2).

Anders verhält es sich mit Bezug auf die übrigen Freisprüche vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung (...). Diesbezüglich ist der Privatkläger nicht unmittelbar in seinen Rechten beeinträchtigt worden. Insoweit kann auf die Berufung des Privatklägers nicht eingetreten werden. (...)

Obergericht, Strafabteilung, 24. September 2015

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