Navigieren auf Kanton Zug

Gerichtspraxis

Rechtspflege

Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Staats- und Verwaltungsrecht

Ausländerrecht

Bau- und Planungsrecht

Denkmalschutz

Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

Art. 404 ZGB; § 47 EG ZGB; § 8 VESBV; Art. 92 SchKG

§ 8 VESBV; Art. 16 FZV

Regeste:

§ 8 VESBV; Art. 16 FZV – Voraussetzungen der Berücksichtigung von Freizügigkeitsguthaben bei der  Vermögensermittlung im Sinne von § 8 Abs. 3 VESBV.

Aus dem Sachverhalt:

Mit Entscheid vom 5. Mai 2015 genehmigte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Zug (KESB) den von der Beiständin A erstatteten Bericht und die eingereichte Rechnung für die vom 1. Januar 2013 bis 30. November 2014 dauernde Betreuung der im Sinne von Art. 394 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 395 Abs. 1 und 3 ZGB verbeiständeten B, Jahrgang 1971. Die KESB stellte fest, dass das Vermögen von B per 30. November 2014 Fr. 74'994.60 betragen und im Vergleich zur Vorperiode um Fr. 70'331.25 zugenommen habe. Sie setzte die Entschädigung für die Mandatsführung in diesem Zeitraum auf Fr. 12'270.– fest, welche vom Kanton Zug entrichtet und B anschliessend in Rechnung gestellt werde. Die KESB wies darauf hin, dass die Vermögenszunahme aus dem neu realisierten Freizügigkeitskonto bei der Freizügigkeitsstiftung der X resultiere. Mit Beschwerde vom 1. Juni 2015 an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug beantragte B sinngemäss die Aufhebung des KESB-Entscheids vom 5. Mai 2015.

Aus den Erwägungen:

(...)

4. Die Mandatsentschädigung und der Spesenersatz sind grundsätzlich aus dem Vermögen der betroffenen Person zu leisten. Ist kein Vermögen vorhanden, so gehen Entschädigung und Spesenersatz zu Lasten des Kantons (§ 8 Abs. 2 der kantonalen Verordnung über Entschädigung und Spesenersatz bei Beistandschaften und Vormundschaften vom 18. Dezember 2012, VESBV, BGS 213.52). Beträgt das Vermögen bei Erwachsenen weniger als Fr. 20'000.–, so sind Entschädigung und Spesen vorschussweise aus der Staatskasse zu leisten (§ 8 Abs. 3 VESBV). Umstritten und zu prüfen ist im vorliegenden Verfahren, ob das Guthaben von Fr. 67'707.65, welches sich per 30. November 2014 auf dem Freizügigkeitskonto Nr. ... der Beschwerdeführerin bei der Freizügigkeitsstiftung der X befunden hat, zum Vermögen im Sinne von § 8 Abs. 3 VESBV zu zählen ist.

4.1 Mit dem Eintritt des Vorsorgefalles Invalidität verliert der Vorsorgenehmer seinen Anspruch auf Freizügigkeitsleistung (vgl. dazu Art. 2 Abs. 1 des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 1993, FZG, SR 831.42), weshalb die Barauszahlung einer Austrittsleistung nicht mehr möglich ist. Davon ausgenommen sind Fälle, bei denen der Invalidisierte ein Freizügigkeitskonto oder eine Freizügigkeitspolice besitzt, welche nur das Vorsorgerisiko Alter abdeckt. Diesfalls besteht trotz Eintretens eines Vorsorgefalles (Invalidität) bei der Freizügigkeitseinrichtung weiterhin ein Kapital, welches nach Art. 5 FZG ausbezahlt werden könnte, wobei in diesen Fällen sogar eine vorzeitige Auszahlung nach Art. 16 Abs. 2 der Freizügigkeitsverordnung vom 3. Oktober 1994 (FZV, SR 831.425) möglich ist, und dies – im Unterschied zur Kapitalauszahlung durch eine Vorsorgeeinrichtung – ohne Zustimmung des Ehegatten bzw. eingetragenen Partners (Thomas Geiser/Christoph Senti in: Schneider/Geiser/Gächter, Handkommentar zum BVG und FZG, Bern 2010, Art. 5 FZG N 19). Nach Art. 16 Abs. 2 FZV wird die Altersleistung auf Begehren der Versicherten vorzeitig ausbezahlt, wenn sie eine volle Invalidenrente der Eidgenössischen Invalidenversicherung beziehen und das Invaliditätsrisiko nach Art 10 Abs. 2 und 3 zweiter Satz FZV nicht zusätzlich versichert wird. Als Freizügigkeitspolicen gelten dabei gemäss Art. 10 Abs. 2 FZV besondere, ausschliesslich und unwiderruflich der Vorsorge dienende Kapital- oder Rentenversicherungen, einschliesslich allfälliger Zusatzversicherungen für den Todes- oder Invaliditätsfall bei einer der ordentlichen Versicherungsaufsicht unterstellten Versicherungseinrichtung oder einer durch die Versicherungseinrichtung gebildeten Gruppe (lit. a) oder einer öffentlich rechtlichen Versicherungseinrichtung nach Art. 67 Abs. 1 des BVG (lit. b). Nach Art. 10 Abs. 3 FZV gelten als Freizügigkeitskonten besondere, ausschliesslich und unwiderruflich der Vorsorge dienende Verträge mit einer Stiftung, welche die Voraussetzungen nach Art. 19 FZV erfüllt. Diese Verträge können durch eine Versicherung für den Todes- oder Invaliditätsfall ergänzt werden.

4.2 Den vorliegenden Unterlagen kann entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin eine ganze Invalidenrente bezieht, womit die erste Voraussetzung von Art. 16 Abs. 2 FZV für eine vorzeitige Auszahlung der Altersleistung – Bezug einer vollen Invalidenrente der Eidgenössischen Invalidenversicherung – erfüllt ist. Des Weiteren verfügt die Beschwerdeführerin nicht über eine zusätzliche Versicherung des Invaliditätsrisikos nach Art. 10 Abs. 2 und 3 zweiter Satz FZV. Ihr Freizügigkeitskonto Nr. ... bei der Freizügigkeitsstiftung der X ist mit keinen Versicherungsleistungen für den Todes- oder Invaliditätsfall verknüpft und ihr Freizügigkeitsguthaben wird bei Eintreffen eines Vorsorgefalls vollständig ausbezahlt. Damit ist auch die zweite Voraussetzung von Art. 16 Abs. 2 FZV für eine vorzeitige Auszahlung der Altersleistung – keine zusätzliche Versicherung des Invaliditätsrisikos – erfüllt. Es bleibt mithin festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin lediglich einen entsprechenden Antrag bei der Freizügigkeitsstiftung der X zu stellen braucht (dritte Voraussetzung nach Art. 16 Abs. 2 FZV), damit sie das auf ihrem Freizügigkeitskonto vorhandene Guthaben ausbezahlt erhält. Da sie über ihr Freizügigkeitsguthaben verfügen kann, ist es bei der Vermögensermittlung im Sinne von § 8 Abs. 3 VESBV zu berücksichtigen. Somit steht fest, dass das Vermögen der Beschwerdeführerin von insgesamt Fr. 74'994.60 per 30. November 2014 deutlich über der Vermögensfreigrenze von Fr. 20'000.– gemäss § 8 Abs. 3 VESBV liegt, sodass die Beschwerdeführerin die Mandatsentschädigung zu bezahlen hat.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. August 2015, F 2015 33

Weitere Informationen

Fusszeile

Deutsch