Navigieren auf Kanton Zug

Inhaltsnavigation auf dieser Seite

Navigation

Gerichtspraxis

Verwaltungspraxis

Grundlagen, Organisation, Gemeinden

Bürgerrecht

Öffentlichkeitsprinzip

Politische Rechte, Wahlen und Abstimmungen

Art. 77 Abs. 1 BPR und Art. 82 lit. c BGG

Regeste:

Art. 77 Abs. 1 BPR und Art. 82 lit. c BGG – Nach Art. 77 Abs. 1 BPR kann bei der Kantonsregierung  Beschwerde geführt werden wegen Verletzung des Stimmrechts (Stimmrechtsbeschwerde), wegen Unregelmässigkeiten bei Abstimmungen (Abstimmungsbeschwerde) und wegen Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung und Durchführung der Nationalratswahlen (Wahlbeschwerde) (Erw. 1). Die sich auf eidgenössische Abstimmungsvorlagen beziehende bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine Kantonsregierung nicht über einen gesamtschweizerischen Sachverhalt entscheiden kann, hat auch bei eidgenössischen Wahlen zu gelten. Der Regierungsrat tritt folglich auf eine solche Beschwerde nicht ein (Erw. 5).

Aus dem Sachverhalt:

Die Staatskanzlei schrieb im Amtsblatt vom 29. Mai 2015 die Nationalratswahl vom 18. Oktober 2015 aus. In der Ausschreibung war unter anderem festgehalten, dass drei Nationalratsmitglieder zu wählen seien, der Kanton Zug einen Wahlkreis bilde und die Wahl im Proporzverfahren stattfinde. Daraufhin erhob X. «Wahlbeschwerde gegen die Gesamterneuerungswahl des Nationalrates». X. verlangte, die Ausschreibung sei dahingehend zu korrigieren, dass die Nationalratswahl nach dem Verfahren des Doppelproporzes erfolge. Eventualiter sei festzustellen, dass die Ausschreibung im Punkt der Sitzverteilung rechtswidrig sei. X. begründete diese Anträge mit der Verletzung des Stimmrechts. Namentlich sei der Grundsatz der Erfolgswertgleichheit verletzt, wonach alle Stimmen möglichst in gleicher Weise zum Wahlergebnis beitragen und möglichst alle Stimmen bei der Mandatsverteilung zu berücksichtigen seien. Das Bundesgericht habe sich mehrfach auf kantonaler Ebene zur Erfolgswertgleichheit bei unterschiedlich grossen Wahlkreisen geäussert und ein maximales Quorum von etwa 10 Prozent anerkannt. Diese Grenze müsse auch bei den Nationalratswahlen, bei denen die Kantone die Wahlkreise bilden, gelten. Das natürliche Quorum von 25 Prozent im Kanton Zug liege derart weit vom als zulässig erkannten Höchstquorum entfernt, dass selbst der Föderalismus als wichtiger Grund dies nicht zu rechtfertigen vermöge. Mit Entscheid vom 9. Juni 2015 trat der Regierungsrat auf die Beschwerde nicht ein.

Aus den Erwägungen:

1. Nach Art. 77 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte vom 17. Dezember 1976 (BPR; SR 161.1) kann bei der Kantonsregierung Beschwerde geführt werden wegen Verletzung des Stimmrechts (Stimmrechtsbeschwerde), wegen Unregelmässigkeiten bei Abstimmungen (Abstimmungsbeschwerde) und wegen Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung und Durchführung der Nationalratswahlen (Wahlbeschwerde). Im vorliegenden Fall macht der Beschwerdeführer «Verletzungen des Stimmrechts» (Art. 77 Abs. 1 lit. a BPR) im Zusammenhang mit den Nationalratswahlen geltend. (...)

2. (...)

3. (...)

4. (...) Der Beschwerdeführer verlangt formell eine Korrektur der Wahlausschreibung mit dem inhaltlichen Hintergrund, dass er das für den Nationalrat geltende Wahlverfahren als rechtswidrig erachtet. (...) Das Sitzzuteilungsverfahren bei der Nationalratswahl soll generell auf seine Konformität mit dem übergeordneten Recht überprüft werden. (...)

5. (...) In BGE 137 II 179 hält das Bundesgericht fest, dass es nach Art. 82 lit. c des Bundesgesetzes über des Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) u.a. Beschwerden betreffend Volksabstimmungen beurteile. Nach der gesetzlichen Regelung werde es dabei allerdings nicht als erste Instanz tätig (...) Die Zuständigkeit der Kantonsregierungen als erste Beschwerdeinstanzen sei für Beanstandungen von kommunalen oder regionalen Sachverhalten sachgerecht (...) Aus der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) in Verbindung mit der verfassungsrechtlichen Garantie der politischen Rechte (Art. 34 BV) ergebe es sich, dass eine gerichtliche Überprüfung auch dann erfolgen müsse, wenn Unregelmässigkeiten infrage stünden, welche nicht auf das Gebiet eines Kantons beschränkt seien (Erw. 1.2.1 und 1.2.2 unter Bezugnahme auf BGE 136 II 140, Erw. 2.5.2).

Dies ändere jedoch nichts daran, dass nach dem klaren Wortlaut von Art. 77 BPR alle die Verletzung des Stimmrechts betreffenden Beschwerden bei der Kantonsregierung zu erheben (...) seien (...) Das Bundesgericht überprüfe in der Folge auf Beschwerde hin die Entscheide der Kantonsregierungen (Art. 80 Abs. 1 BPR i.V.m. Art. 88 Abs. 1 lit. b BGG). Dieser Rechtsmittelzug gelte auch, soweit die angerufene Kantonsregierung für die Behandlung der vorgebrachten Belange nicht zuständig sei. Eine direkte Beschwerde an das Bundesgericht falle mit Blick auf Art. 77 BPR (...) ausser Betracht. In einer gegen den Entscheid der Kantonsregierung gerichteten Beschwerde könnten dem Bundesgericht dann aber auch Fragen unterbreitet werden, welche die Kantonsregierung mangels Zuständigkeit nicht behandeln konnte, sofern sie auf kantonaler Ebene bereits aufgeworfen worden seien. Insoweit habe die Kantonsregierung einen formellen Nichteintretensentscheid zu fällen (...) Nachdem der Entscheid der Kantonsregierung ergangen sei, könne sich der Rechtsuchende an das Bundesgericht wenden. Dabei könne er das Nichteintreten und den materiellen Gehalt des Kantonsregierungsentscheids mit Beschwerde anfechten (Art. 80 Abs. 3 BPR) (...)

Die zitierte Rechtsprechung erging zwar im Zusammenhang mit eidgenössischen Abstimmungen. Das Bundesgericht bezieht sich aber einleitend namentlich auf Art. 82 lit. c BGG, welcher die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie die Volkswahlen und -abstimmungen betrifft. (...) der Zuger Regierungsrat [müsste] bei einem Eintreten auf die Beschwerde über die behauptete Rechtswidrigkeit des Sitzzuteilungsverfahrens bei eidgenössischen Wahlen befinden. In Analogie zur zitierten Rechtsprechung kann ein solcher Entscheid nicht durch eine Kantonsregierung ergehen. Folglich tritt der Zuger Regierungsrat (...) weder auf den Hauptpunkt noch auf das Eventualbegehren ein.

6. (...)

Regierungsrat, 9. Juni 2015, Rechtsprechung bestätigt durch Regierungsrat, 9. Oktober 2015

Weitere Informationen

Fusszeile

Deutsch