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Definitive Rechtsöffnung

Rechtsöffnung

Art. 81 Abs. 1 SchKG

Regeste:

Art. 81 Abs. 1 SchKG – Definitive Rechtsöffnung. Hat ein Schuldner gegenüber den im Scheidungsurteil festgelegten Unterhaltsbeiträgen Mehrleistungen erbracht, kann er diese im definitiven Rechtsöffnungsverfahren nur zur Verrechnung bringen, wenn seine Gegenforderung ihrerseits durch ein gerichtliches Urteil im Sinne von Art. 81 Abs. 1 SchKG oder durch eine vorbehaltlose Anerkennung der Gegenpartei belegt ist.

Aus den Erwägungen:

4. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung darf der Richter im Rechtsöffnungsverfahren nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift die Einrede der Tilgung nur anerkennen, wenn dafür der Urkundenbeweis erbracht wird. Sofern die Tilgung auf die Verrechnung mit einer Gegenforderung gestützt wird, muss die Gegenforderung des Schuldners ihrerseits durch ein gerichtliches Urteil im Sinne von Art. 81 Abs. 1 SchKG oder durch eine vorbehaltlose Anerkennung der Gegenpartei belegt sein. Das Bundesgericht führte aus, es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, dass die Möglichkeiten des Schuldners zur Abwehr im Verfahren der definitiven Rechtsöffnung eng beschränkt seien; um jede Verschleppung der Vollstreckung zu verhindern, könne der definitive Rechtsöffnungstitel daher nur durch einen strikten Gegenbeweis, d.h. mit völlig eindeutigen Urkunden, entkräftet werden. Dies gelte gerade auch für familienrechtliche Unterhaltsforderungen, die im materiellen Recht und im Vollstreckungsrecht in verschiedener Hinsicht privilegiert seien. Im konkreten Fall kam es zum Schluss, dass es nicht willkürlich sei, wenn der Rechtsöffnungsrichter gestützt auf ein vollstreckbares gerichtliches Urteil betreffend Leistung von Unterhaltsbeiträgen nach Art. 145 ZGB die definitive Rechtsöffnung gewähre, obwohl der Schuldner durch Urkunden nachweisen könne, dass er in früheren Monaten mehr geleistet habe als das, wozu er im betreffenden Urteil verpflichtet worden sei. Damit sei nur die Zahlung urkundlich nachgewiesen, nicht aber, dass der Schuldner im entsprechenden Umfang eine verrechenbare Gegenforderung erworben habe (BGE 115 III 97 E. 4; vgl. auch Urteile des Bundesgerichts 5D_72/2015 vom 13. August 2015 E. 4.1, 5A_279/2012 vom 13. Juni 2012 E. 4 und 5A_869/2011 vom 10. Mai 2012 E. 3.3). Eingeschränkt wird die Möglichkeit zur Verrechnung zudem durch ein allfälliges Verrechnungsverbot, wie es von Art. 125 Ziff. 2 OR für Unterhaltsansprüche vorgesehen ist, die zum Unterhalt des Gläubigers und seiner Familie unbedingt erforderlich sind (vgl. Urteil des Bundesgerichts 5A_279/2012 vom 13. Juni 2012 E. 4).

5.1 Wie soeben in E. 4 dargelegt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Einrede der Verrechnung nur dann beachtlich und die definitive Rechtsöffnung zu verweigern, wenn die Gegenforderung des Schuldners ihrerseits durch ein gerichtliches Urteil im Sinne von Art. 81 Abs. 1 SchKG oder durch eine vorbehaltlose Anerkennung der Gegenpartei belegt ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Beschwerdegegner reichte einzig eine eigenhändige Aufstellung ein, wonach er gegenüber den im Urteil des Kantonsgerichts Zug vom 6. August 2009 festgelegten Unterhaltsbeiträgen Mehrleistungen erbracht hat. Damit ist der erforderliche Urkundenbeweis für den Bestand seiner Forderung nicht geleistet. Sein Urkundenbeweis beschränkt sich auf den Nachweis, dass er gegenüber der im rechtskräftigen Scheidungsurteil des Kantonsgerichts Zug festgelegten Unterhaltsverpflichtung gewisse Mehrleistungen erbracht hat. Ob der Beschwerdegegner durch diese Zahlungen auch eine Gegenforderung erworben hat, ist durch die Urkunde hingegen nicht ausgewiesen. Ebenso wenig ist erstellt, dass die Beschwerdeführerin die Gegenforderung des Beschwerdegegners vorbehaltlos anerkannt hat. Die Vorinstanz verweist diesbezüglich auf die Replik der Beschwerdeführerin vom 22. Dezember 2015. Darin betonte die Beschwerdeführerin, dass sie «auf die im Scheidungsurteil festgelegten Frauenalimente von Fr. 600.00 angewiesen» sei. Der «Anspruch [bestehe] bis zur ordentlichen Pensionierung [des Beschwerdegegners], d.h. bis ...». Sodann führte sie unter Hinweis auf ihr Schreiben vom 12. November 2015 aus: «Die Unterhaltspflicht ist in monatlichen Beiträgen zu erfüllen. Dabei sind die Unterhaltsbeiträge jeweils im Voraus auf den Ersten des Monats zahlbar. Zahlt der Unterhaltspflichtige die Unterhaltsbeiträge früher oder freiwillig mehr als er aufgrund des Rechtstitels leisten müsste, hat dies damit sein Bewenden. Diese Vorauszahlungen und Mehrleistungen kann er nicht mit später fällig werdenden Unterhaltsbeiträgen verrechnen». Mit diesen allgemeinen Ausführungen lässt sich keine vorbehaltlose Anerkennung der Gegenforderung des Beschwerdegegners belegen.

5.2 Hinzu kommt Folgendes: Die Verrechnung einer behaupteten mit der betriebenen Forderung darf nicht durch Gesetz oder Vertrag ausgeschlossen sein. Verpflichtungen, deren besondere Natur die tatsächliche Erfüllung an den Gläubiger verlangt, wie Unterhaltsansprüche, die zum Unterhalt des Gläubigers und seiner Familie unbedingt erforderlich sind, können wider den Willen des Gläubigers nicht durch Verrechnung getilgt werden (Art. 125 Ziff. 2 OR). Dass es sich bei der betriebenen Forderung um familienrechtliche Unterhaltsansprüche handelt, ergibt sich ohne weiteres aus dem als Rechtsöffnungstitel eingereichten Urteil des Kantonsgerichts Zug. Gemäss der herrschenden Lehre bestimmt sich der unverrechenbare Teil der Unterhaltsschuld nach den zu Art. 93 SchKG entwickelten Richtlinien für den sog. Notbedarf (vgl. Peter, Basler Kommentar, 6. A. 2015, Art. 125 OR N 9). Eine Berechnung dieser unverrechenbaren Quote geht nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung über die Prüfungsbefugnis des Rechtsöffnungsrichters hinaus und hat deshalb nicht im Rahmen dieses Verfahrens zu erfolgen (BGE 115 III 97 E. 4 lit. d). Da es sich somit bei der vorliegend betriebenen Forderung um familienrechtliche Unterhaltsansprüche handelt, kann der Beschwerdegegner gemäss Art. 125 Ziff. 2 OR nicht ohne Einwilligung der Beschwerdeführerin verrechnen. Eine Einwilligung der Beschwerdeführerin ist vorliegend nicht ersichtlich und eine Tilgung durch Verrechnung deshalb auch aus diesem Grund ausgeschlossen.

5.3 Entsprechend ist der angefochtene Entscheid des Einzelrichters vom 5. Januar 2016, mit dem das Rechtsöffnungsgesuch vom 7. Dezember 2015 in der Betreibung Nr. ... des Betreibungsamtes X. abgewiesen wurde, in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben und der Beschwerdeführerin in der Betreibung Nr. ... des Betreibungsamtes X. definitive Rechtsöffnung für CHF 1'800.00 nebst Zins zu 5 % seit 19. November 2015 zu erteilen.

Obergericht des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, 24. März 2016 (BZ 2016 5)

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