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§ 36 GeoIV-ZG, Art. 4 GeoNV, § 42 VRG

Regeste:

§ 36 GeoIV-ZG, Art. 4 GeoNV – Der Gemeinderat bzw. Stadtrat ist im Bereich der Bezeichnung gemeindlicher Strassen oder Plätze nicht verpflichtet, eine (kommunale oder kantonale) Nomenklaturkommission anzuhören. Wird eine Nomenklaturkommission eingesetzt, hat sie ausschliesslich beratende Funktion und ihre Empfehlungen sind nicht verbindlich; die entscheidende Behörde darf jedoch nur mit triftigen, sachlich vernünftigen und überzeugenden Gründen von der Meinung der Fachstelle abweichen (Erw. 6). Beim Vorhaben, eine Parzelle in der Stadt Zug «Kirschtortenplatz» zu nennen, handelt es sich um eine Namensänderung und nicht um eine Neubenennung. Namensänderungen dürfen nur aus öffentlichem Interesse erfolgen und der Name muss allgemein akzeptiert sein (Erw. 7).

§ 42 VRG – Vorliegend hat es der Regierungsrat unterlassen, im Rahmen seiner umfassenden Kognition zu prüfen, ob der Stadtrat als entscheidende Behörde sein Ermessen in Nachachtung der bundesrechtlichen Vorgaben richtig gehandhabt hat, weshalb der Entscheid aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen ist (Erw. 5a und 8).

Aus dem Sachverhalt:

Der Stadtrat Zug beschloss am 10. September 2013, dass der «heute namenlose Platz an der Alpenstrasse gegenüber dem Geburtshaus der Zuger Kirschtorte» an der nördlichen Ecke des Dreispitzplatzes ab 2015 «Kirschtorten-Platz» heissen solle. Auf Gesuch der A. & Co. Kollektivgesellschaft vom 3. Oktober 2014 entschied der Stadtrat Zug, die beabsichtigte Benennung des Platzes mit Hinweis auf die Einsprachemöglichkeit gemäss GeoIG zu publizieren. Die Stockwerkeigentümergemeinschaft B. erhob fristgerecht Einsprache gegen den Stadtratsbeschluss vom 10. September 2013. Mit Entscheid vom 17. März 2015 hiess der Stadtrat die Einsprache insofern gut, als der Platz an der Alpenstrasse an der nördlichen Ecke des Dreispitzplatzes «Kirschtortenplatz» heissen solle. Im Übrigen wurde sie abgewiesen. Dagegen liess die Stockwerkeigentümergemeinschaft B. am 13. April 2015 beim Regierungsrat des Kantons Zug Verwaltungsbeschwerde einreichen mit den Anträgen, dass der Beschluss des Stadtrates vom 10. September 2013 aufzuheben sei, die Sache an den Stadtrat zurückzuweisen und dieser anzuweisen sei, die kantonale Nomenklaturkommission für einen neuen Beschluss beizuziehen. Mit Beschluss vom 8. September 2015 wies der Regierungsrat diese Beschwerde ab. Zusammengefasst hielt er fest, dass der Platz vermessungsrechtlich als Strasse zu qualifizieren sei, weshalb die kantonale Nomenklaturkommission nicht habe angehört werden müssen. Die Stadt Zug sei somit abschliessend zuständig für die Namensbezeichnung. Die Auswahl liege im Ermessen des Gemeinderates und Anwohner hätten grundsätzlich kein Recht auf einen schönen, passenden oder althergebrachten Namen. Die Argumentation des Stadtrates für den Namen (Werbung des Gemeinwesens für ein Nahrungsmittel, Ansehen etc.) sei vertretbar und es gebe keine Gründe, welche die breite Akzeptanz als fraglich erscheinen liesse. Durch die Verankerung der 400-jährigen Kirschkultur in der Stadt mittels der Neubenennung des «abparzellierten» Platzes sei das öffentliche Interesse hinreichend und vertretbar begründet.

Am 14. Oktober 2015 liess die Stockwerkeigentümerschaft B. Verwaltungsgerichtsbeschwerde einreichen mit dem Antrag, dass der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zug vom 8. September 2015 und der Beschluss des Stadtrats von Zug vom 10. September 2013 aufzuheben seien. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Mit Eingabe vom 23. Oktober 2015 verzichtete die Direktion des Innern namens des Regierungsrates auf eine Vernehmlassung und stellte auch keinen eigenen Antrag auf Abweisung oder Gutheissung der Beschwerde. Der Stadtrat Zug beantragte mit Vernehmlassung vom 1. Dezember 2015 die Abweisung der Beschwerde.

Aus den Erwägungen:

(...)

2. a) Gemäss Art. 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Geoinformation vom 5. Oktober 2007 (Geoinformationsgesetz, GeoIG, SR 510.62) erlässt der Bundesrat Vorschriften zur Koordination der Namen von Gemeinden, Ortschaften und Strassen. Diese Kompetenz nahm der Bundesrat mit Erlass der Verordnung über die geografischen Namen vom 21. Mai 2008 (Geo-NV, SR 510.625) wahr. In Art. 3 GeoNV sind die in der Verordnung verwendeten Begriffe definiert. Gemäss Art. 3 lit. a GeoNV sind Namen von Strassen geografische Namen. Unter den Strassenbegriff werden Strassen, Wege, Gassen, Plätze und benannte Gebiete, die als Strassenbezeichnungen für Adressen dienen, subsumiert (Art. 3 lit. f GeoNV). Artikel 4 GeoNV statuiert die Grundsätze der Namensgebung: Demgemäss sind geografische Namen einfach schreib- und lesbar und werden allgemein akzeptiert (Abs. 1); sie werden, soweit möglich und sinnvoll, in Anlehnung an die Standardsprache (Schriftsprache) der Sprachregion formuliert (Abs. 2); und geografische Namen und ihre Schreibweise dürfen nur aus öffentlichem Interesse geändert werden (Abs. 3). Das Bundesamt für Landestopografie erlässt Regeln für die geografischen Namen der Landesvermessung und der amtlichen Vermessung. Diese bestehen insbesondere aus den Regelungen für die Sprachregionen. Zur Schreibweise der Strassennamen und der Gebäudeadressierungen erlässt es Empfehlungen (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c Geo-NV). Zurzeit liegt immer noch erst dessen «Empfehlung Gebäudeadressierung und Schreibweise von Strassennamen für die deutschsprachige Schweiz» in der Version 1.6 vom 3. Mai 2005 vor. Das Bundesrecht (vgl. Art. 9 GeoNV) verlangt (nur) für die geografischen Namen der amtlichen Vermessung, also für Namen der topografischen Objekte, die in den Informationsebenen Nomenklatur (Flurnamen, Ortsnamen und Geländenamen), Bodenbedeckung und Einzelobjekte verwendet werden (Art. 3 lit. b GeoNV), die Einsetzung einer kantonalen Nomenklaturkommission als Fachstelle.

Gemäss Art. 25 GeoNV müssen alle Strassen in Ortschaften und anderen bewohnten Siedlungen benannt werden. Die Schreibweise der Strassennamen, die Elemente der geografischen Namen der amtlichen Vermessung übernehmen, wird auf regionaler Ebene harmonisiert. Die Schreibweise der Strassennamen der amtlichen Vermessung ist behördenverbindlich. Die Kantone gewährleisten die umfassende Benennung von Strassen und regeln die Zuständigkeit und das Verfahren für die Festlegung und Harmonisierung der Strassennamen (Art. 26 Abs. 1 und 2 GeoNV).

b) Das Gesetz über Geoinformation im Kanton Zug vom 29. März 2012 (Geoinformationsgesetz, GeoIG-ZG, BGS 215.71) vollzieht das Bundesgesetz über die Geoinformation und regelt die Geodaten auf dem Kantonsgebiet (§ 1 Abs. 1 GeoIG-ZG). Gemäss § 25 Abs. 1 GeoIG-ZG bezeichnet die kantonale Nomenklaturkommission die geografischen Namen der amtlichen Vermessung und legt die Schreibweise fest. Der Gemeinderat legt die Quartier- und Strassennamen fest (§ 25 Abs. 2 lit. a GeolG-ZG). Ebenfalls liegt es in der Kompetenz des Gemeinderates, Ortschaften innerhalb des Gemeindegebietes zu bestimmen und abzugrenzen. In diesen Fällen legt der Gemeinderat den Namen und die Schreibweise fest, wobei die kantonale Nomenklaturkommission zur Schreibweise anzuhören ist (§ 25 Abs. 2 lit. b GeoIG-ZG). Während somit für geografische Namen der amtlichen Vermessung und der Landesvermessung (zu den Begriffsdefinitionen Art. 3 lit. b und c GeoNV) die Nomenklaturkommission die Namen und Schreibweisen verbindlich festlegt (Art. 9 und Art. 25 Abs. 3 GeoNV und darauf abgestützt § 25 Abs. 1 GeoIG-ZG), hat sich der Gemeinderat (resp. Stadtrat) von Gesetzes wegen «nur» an die Grundsätze von Art. 4 GeoNV bzw. an die Empfehlungen des Bundesamtes für Landestopografie zu halten. Im Bereich der Strassenbezeichnung – und damit auch der Benennung von Plätzen – ist auf Gesetzesebene nicht einmal die Anhörung der Nomenklaturkommission zwingend angeordnet, wie sich e contrario auch aus § 36 Abs. 1 der Verordnung über Geoinformation im Kanton Zug vom 18. Dezember 2012 (Geoinformationsverordnung, GeoIV-ZG), welcher den Aufgabenbereich der kantonalen Nomenklaturkommission beschreibt, ergibt.

c) Die Stadt Zug führt ein Namensverzeichnis von Strassen, Wegen, Plätzen, Höfen, Fluren und Gewässern. Die Ausgabe 2012 wurde vom Baudepartement der Stadt Zug und der städtischen Nomenklaturkommission in Zusammenarbeit mit der Korporation Zug, der GIS-Fachstelle des Kantons Zug und dem Tiefbauamt des Kantons Zug (Wasserbau und baulicher Gewässerschutz) erarbeitet und vom Verwaltungsrat der Korporation Zug am 13. Oktober 2009 (betreffend Korporationsnamen) und von Stadtrat Zug am 3. Juli 2012 (betreffend Gesamtverzeichnis) genehmigt. Gemäss den Erläuterungen zu diesem Verzeichnis berät die städtische Nomenklaturkommission den Stadtrat in Fragen der Neu- und Umbenennung von Strassen, Plätzen und Häusern der Stadt Zug. Sie beurteilt Benennungsvorschläge aus der Bevölkerung und legt die richtige Schreibung der Namen fest. Der siebenköpfigen Kommission gehören Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Stadtteile, der Post und der Verwaltung sowie Historiker und Sprachwissenschaftler an (vgl. S. 6 des Verzeichnisses).

d) Die «Empfehlung des Bundesamtes für Landestopografie vom 3.5.2005» bezweckt, die Gemeinden bei der Einführung und Pflege der Gebäudeadressierung zu unterstützen. Da es aus verschiedenen Gründen (Post, Rettungsdienste, Feuerwehr etc.) nötig ist, dass Gebäude eindeutig adressiert sind und schnell aufgefunden werden können, empfiehlt es sich demgemäss, jedes einer Strasse zugeordnete Gebäude strassenweise durchzunummerieren. In der «Empfehlung» werden Namen von Plätzen wie Strassennamen behandelt. Aus der räumlichen Zuordnung einer Anliegerliegenschaft zu einer Strasse oder zu einem Platz folgt somit gemäss – einleuchtender und vernünftiger – Empfehlung deren Adressierung.

3. Die Stadt Zug ist Eigentümerin der Parzelle GS Nr. 844, die den Namen «Bundesplatz» trägt. Diese Bezeichnung ist im Grundbuchplan des Zuger Geoportals ZugMap (www.zugmap.ch) eingetragen. Die Parzelle verläuft schräg von Südosten nach Nordwesten. Im Norden grenzt sie an die Gotthardstrasse und im Westen an die Alpenstrasse. Alle an dieser Parzelle gelegenen Häuser führen als Adresse den Namen «Bundesplatz» mit je eigener Nummer. Angrenzend im Südwesten liegt die ebenfalls im Eigentum der Stadt Zug stehende Parzelle GS Nr. 843, welche als öffentlicher Parkplatz dient. Diese Parzelle wird vom Stadtrat als Dreispitzplatz bezeichnet, welcher Name aber nicht im Grundbuch steht. Daran schliesst die Parzelle GS 842 mit einem öffentlichen Warenhaus mit der Adresse Bundesplatz 11 – 17 an. Südlich sind noch weitere Grundstücke dem Bundesplatz zugeordnet. Die Liegenschaften mit Adresse «Bundesplatz» umfassen eine Fläche von rund 10'000 m2. Mit Beschluss vom 10. September 2013 legte der Stadtrat Zug fest, dass der nach seiner Ansicht namenlose Platz an der Alpenstrasse gegenüber dem Geburtshaus der Zuger Kirschtorte ab 2015 «Kirschtorten-Platz» heisse. Auf Einsprache hin änderte er die Schreibweise auf «Kirschtortenplatz», behielt aber den Namen bei. Der vorgesehene Platz hat eine Fläche von rund 500 m2 und liegt am nördlichen Ende des Bundesplatzes. Er wird von den beiden nördlich und westlich verlaufenden Strassen und südlich von einem Kiosk und Fahrradständern begrenzt, im Osten stösst er an das Haus B., wobei aber ein kleiner Vorplatz zu dessen Eingang nach Willen des Stadtrates ausgespart und vom Rest des geplanten Kirschtortenplatzes abgetrennt wird. Nach Ansicht des Stadtrates hat dies u.a. auch die Wirkung, dass die Adresse der Beschwerdeführer, Bundesplatz XY, nicht geändert werden muss.

Gemäss Stadtratsbeschluss vom 10. September 2013 veranlasste das 100-Jahr-Jubiläum der Zuger Kirschtorte den Stadtrat dazu, den nördlichsten Teil des Dreispitzplatzes an der Kreuzung Gotthardstrasse/Alpenstrasse, «gewissermassen nomenklatorisch abzuparzellieren» und ihn neu «Zuger-Kirschtorten-Platz» zu benennen. Damit solle die 400-jährige Kirschkultur in der Stadt Zug verankert werden. Vor dem Beschluss holte er die Meinung der städtischen Nomenklaturkommission ein, deren Haltung er im Stadtratsbeschluss wiedergab. Demgemäss vertrat diese Kommission die Ansicht, dass am fraglichen Ort städtebaulich keine Platzsituation gegeben sei. Die Pendlerströme suchten sich dort zwischen Kiosk, Blumentrögen, Bäumen, Restaurantmobiliar etc. einen Weg zum Bahnhof. Die Plastik «Nicole» von Josef Rickenbacher stehe mittendrin und komme nicht zur Geltung. Unter den Bäumen im fraglichen Bereich gebe es keine Kirschbäume, was bei der beabsichtigten Bezeichnung unabdingbar wäre. Die Bezeichnung «Zuger-Kirschtorten-Platz» würde von der Bevölkerung nicht mit dem Gründerhaus an der Alpenstrasse 7 in Verbindung gebracht, sondern mit der direkt gegenüber liegenden Konditorei Speck. Dies werde von der Kommission als unzulässige Bevorzugung eines einzelnen Kirschtortenproduzenten erachtet. Strassen und Plätze dürften nicht als Marketinginstrumente missbraucht werden. Zusätzlich sei die vorgeschlagene Bezeichnung ein Wort-Ungetüm, welches erfahrungsgemäss keine Akzeptanz habe und von der Bevölkerung nicht verwendet werde, somit eine eigentliche Totgeburt wäre. Zur Verankerung der Zuger Kirschentradition seien weder der vorgeschlagene Name noch der Standort geeignet. Der Stadtrat vertrat demgegenüber die Ansicht, dass die Zuger Kirschtorte eine bedeutende identitätsstiftende Marke der Stadt Zug sei; es gehe nicht um Marketing für eine Firma, sondern um die Marke schlechthin. Die Stadt sehe vor (sobald die personellen Ressourcen es erlaubten), ein Gesamtkonzept zu erstellen, damit der gesamte Platz mit seinen Nutzungen freundlicher, übersichtlicher und durchlässiger gestaltet werden könne. Der Stadtrat verfolge eine langfristige Strategie und trage dem Umstand Rechnung, dass in der Stadt rund 34 % international ausgerichtete Personen lebten, die diese Marke in die Welt trügen. In Berücksichtigung des Einwandes der Kommission werde der Wortbestandteil «Zuger» gestrichen und der Name auf «Kirschtorten-Platz» gekürzt.

4. Die Beschwerdeführer rügen, dass die kantonale Nomenklaturkommission nicht angehört worden sei und sich der Stadtrat willkürlich über die Empfehlung der von ihm beigezogenen, zwar an sich nicht mehr zuständigen kommunalen Kommission hinweggesetzt habe. Der Regierungsrat habe sich trotz voller Kognition ebenfalls in keiner Weise mit den Argumenten der Kommission auseinandergesetzt, sondern im Wesentlichen bloss die Erwägungen des Stadtrates wiederholt und lapidar festgestellt, dass dessen Argumentationen vertretbar seien. Damit verkomme das Rechtsmittel zur Farce. Auch habe er die begründete Besorgnis betreffend Adressänderung völlig unberücksichtigt gelassen. Der Regierungsrat habe den Sachverhalt ungenügend bzw. unrichtig festgestellt und seine Begründungspflicht verletzt. Auch sei nicht geklärt worden, ob überhaupt ein öffentliches Interesse an der neuen Bezeichnung bestehe, welche für eine Namensänderung erforderlich sei. Der Stadtrat habe nur aufgrund einiger weniger privater Interessen, quasi aus Goodwill, gehandelt. Darüber hinaus handle es sich beim vorgesehenen Ort gar nicht um einen eigenständigen Platz. Da der Stadtrat sein Ermessen nach unsachlichen, dem Zweck der massgebenden Vorschriften fremden Gesichtspunkten betätigt habe, habe er sein Ermessen missbraucht. Jedenfalls habe er sein Ermessen unangemessen ausgeübt, was der Regierungsrat hätte überprüfen und feststellen müssen.

5. a) Mit der Verwaltungsbeschwerde können gemäss § 42 VRG alle Mängel des Verfahrens und des angefochtenen Entscheides gerügt werden, insbesondere ist die Rüge möglich, der angefochtene Entscheid sei unzweckmässig oder unangemessen. Neue Begehren, neue tatsächliche Behauptungen und die Bezeichnung neuer Beweismittel sind zulässig. Die Beschwerdeinstanz prüft die Beschwerde, ohne an die Anträge der Parteien gebunden zu sein. Sie kann den Entscheid zugunsten oder zu Ungunsten einer Partei ändern (§ 47 Abs. 1 VRG). Der Regierungsrat kann (in bestimmten Fällen) die unrichtige Handhabung des Ermessens kontrollieren. Diese Bestimmung ermächtigt ihn im Grundsatz, sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der Vorinstanz zu setzen. Kommt der Rechtsmittelinstanz volle Kognition zu, ist sie verpflichtet, diese voll auszuschöpfen. Beschränkt sie ihre Überprüfung auf eine reine Rechtskontrolle oder gar eine blosse Willkürprüfung, so begeht sie eine formelle Rechtsverweigerung (BGE 130 II 449 E 4.1). Nach der Rechtsprechung hat sie aber einen Entscheidungsspielraum der Vorinstanz zu respektieren. Sie hat eine unangemessene Entscheidung zu korrigieren, kann aber der Vorinstanz die Wahl unter mehreren angemessenen Lösungen überlassen (BGE 133 II 35 E 3). Unangemessen ist eine Anordnung dann, wenn sie zwar innerhalb des Ermessensspielraumes liegt, Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung beachtet, das Ermessen aber unzweckmässig ausgeübt wird (vgl. Marco Donatsch, in: Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2014, § 20 N. 49 f.). Die Rechtsmittelinstanzen haben praxisgemäss das Ermessen dann zurückhaltend zu kontrollieren, wenn es sich um Entscheide im Anwendungsbereich der Gemeindeautonomie handelt oder die Natur der Streitsache (besondere technische, wirtschaftliche oder örtliche Kenntnisse) einer uneingeschränkten Überprüfung entgegensteht (vgl. Marco Donatsch, a.a.O., N. 55).

b) Vorliegend schreibt der Bundesgesetzgeber vor, welche Kriterien bei der Benennung von geografischen Gegebenheiten, wozu Strassen und Plätze gehören, zu beachten sind. Es sind dies die einfache Schreib- und Lesbarkeit des neuen Namens, die allgemeine öffentliche Akzeptanz, die Anlehnung an die Standardsprache der Sprachregion und die Änderung des Namens aus öffentlichem Interesse. Im Bereich der Namensgebung sind die Ansprüche vielfältig und massgeblich individuell geprägt. Es versteht sich, dass unzählige Möglichkeiten für eine Benennung mit ebenso guten (oder noch besseren) Gründen zur Wahl stehen. Im Kanton Zug überliess es der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der bundesrechtlichen Kompetenzzuweisung dem jeweiligen Gemeinderat, die Namen der Strassen auf seinem Gemeindegebiet zu bestimmen. Diese gesetzgeberische Lösung ist sinnvoll, da die gemeindliche Behörde mit den lokalen Verhältnissen und Bedürfnissen vertraut ist. Angesichts der Vielzahl (ebenfalls) passender Namen ist es daher richtig, dass der Regierungsrat nicht sein eigenes Ermessen an dasjenige des Gemeinderates setzt, ansonsten der Gesetzgeber direkt dem Regierungsrat die Kompetenz zur Namensgebung hätte erteilen sollen. Es ist daher richtig, wenn der Regierungsrat sich auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die Kriterien des Bundesgesetzgebers eingehalten worden sind.

c) Vorliegend kann festgestellt werden, dass sich der Regierungsrat mit den bundesrechtlichen Kriterien für eine Namensgebung auseinandergesetzt hat. Allerdings ist der Vorwurf der Beschwerdeführer, er habe sich auf ihre Argumentation gar nicht eingelassen, sondern sich im Wesentlichen mit der Wiederholung der Begründung des Stadtrates begnügt und so dessen Haltung als vertretbar erachtet, nicht ganz von der Hand zu weisen. Tatsächlich findet sich keine explizite Auseinandersetzung mit der Haltung der kommunalen Nomenklaturkommission. Auch äussert sich der Regierungsrat mit keinem Wort zur rechtlichen Frage, ob – da tatsächlich vom Stadtrat zwar so nicht angeordnet – eine Neubenennung des Platzes zwingend zu der von den Beschwerdeführern befürchteten Adressänderung führen müsste. Es mutet denn auch etwas eigenartig an, dass er im vorliegenden Gerichtsverfahren nicht nur auf eine Vernehmlassung verzichtete und auch nicht auf seine Erwägungen verwies, sondern nicht einmal einen Antrag stellte und insofern auch keinen gerichtlichen Schutz für seinen eigenen Entscheid begehrte. Eine Verletzung der Begründungspflicht, die als Verletzung des rechtlichen Gehörs qualifiziert werden müsste, kann aber nicht bejaht werden, weshalb der angefochtene Beschluss nicht aus formellen Gründen aufzuheben ist.

6. In formeller Hinsicht ist weiter festzuhalten, dass weder das Bundesrecht noch das kantonale Recht den Beizug einer (kantonalen oder kommunalen) Nomenklaturkommission bei der Benennung von gemeindlichen Strassen oder Plätzen vorschreiben. Der Stadtrat Zug hat daher korrekt die kantonale Nomenklaturkommission nicht miteinbezogen. Hingegen hat die Stadt Zug auf kommunaler Ebene eine Nomenklaturkommission als Fachstelle für Namensgebungen und -beurteilungen eingesetzt, weshalb der Stadtrat richtigerweise vorgängig deren Meinung eingeholt hat. Ebenfalls korrekt ist die Ansicht des Stadtrates, dass die Kommission ausschliesslich beratende Funktion hat und ihre Beurteilungen resp. Empfehlungen keinen verbindlichen Charakter haben. Die entscheidende Behörde ist nicht an deren Einschätzungen gebunden. Sinn und Zweck einer Fachstelle ist aber gerade, dass bei ihr das für die Beantwortung einer Frage spezifisch benötigte Wissen gebündelt vorhanden ist und abgerufen werden kann. Es darf und muss daher erwartet werden, dass die entscheidende Behörde nur mit triftigen, sachlich vernünftigen und überzeugenden Gründen von der Meinung der Fachstelle abweichen darf. Vorliegend hat der Stadtrat entgegen der klaren Meinungsäusserung der Nomenklaturkommission entschieden; dies ist formell klar zulässig. Insgesamt gibt es daher keinen Anlass, den Stadtratsbeschluss aus formellen Gründen aufzuheben.

7. In materieller Hinsicht ist zu prüfen, ob die Beurteilung des Regierungsrates zutrifft, dass die gewählte Bezeichnung der vom Stadtrat gewählten Örtlichkeit die bundesrechtlichen Kriterien erfüllt und der Stadtrat sein Ermessen richtig handhabte. Dem Regierungsrat ist zuzustimmen, dass der Namensgeber (hier der Stadtrat) im Übrigen frei in der Namenswahl ist.

a) Der Stadtrat Zug geht beim von ihm benannten «Kirschtortenplatz» von einer bis anhin namenlosen Örtlichkeit aus. Diese Meinung trifft offensichtlich nicht zu: Gemäss Grundbuch gehören diese 500 m2 zur Parzelle GS Nr. 844, welche im Grundbuch als Ganzes mit «Bundesplatz» bezeichnet ist. Sie bildet den oberen Abschluss der Parzelle. Der Stadtrat wollte diesen Teil denn auch nur «nomenklatorisch abparzellieren». In rechtlicher Sicht handelt es sich somit nicht um eine Neubenennung, sondern um eine Namensänderung, die gemäss Art. 4 Abs. 3 GeoNV nur aus öffentlichem Interesse erfolgen darf.

Die Nomenklaturkommission ist vorab der klaren Meinung, dass es sich beim fraglichen Ort in räumlicher und städtebaulicher Hinsicht nicht einmal um einen Platz handelt. Der (ausgeweitete) Bereich der Parzelle sei so stark mit Kiosk, Restaurantmobiliar, Blumentrögen, Bäumen möbliert, dass sich die Pendler den Weg zum Bahnhof suchen müssten. Auch die Skulptur «Nicole» von Josef Rickenbacher komme nicht zur Geltung. Letztere Aussage impliziert ebenfalls, dass die Örtlichkeit nicht als Platz wahrgenommen wird, sondern mehr als verbreiterter Weg zum/vom Bahnhof.

Der Stadtrat und mit ihm der Regierungsrat begründen das öffentliche Interesse mit der Tatsache, dass in der Nähe an der Alpenstrasse 7 die Kirschtorte erfunden worden sei. Die Kirschtorte sei eine bedeutende identitätsstiftende Marke der Stadt; 34 % der Wohnbevölkerung seien international ausgerichtet und würden die Marke in die Welt tragen. Aus Sicht der Nomenklaturkommission wird der Name dagegen eher als Marketingmittel für die Kirschtortenproduzenten empfunden; sie erachtet den gewählten Ort als unzulässige Bevorzugung der direkt gegenüber liegenden Confiserie Speck. Ein Bezug zum Gründerhaus an der Alpenstrasse sei nicht erkennbar.

Weder Stadt- noch Regierungsrat haben sich mit der Örtlichkeit konkret befasst. Der Stadtrat hat allerdings die Absicht geäussert, dass er, wenn es die personellen Ressourcen dann erlaubten, die Örtlichkeit einmal so umgestalten werde, dass sie freundlicher, übersichtlicher und durchlässiger werde – und dass er auf diese Weise Platzcharakter in räumlicher Hinsicht herstellen will. Soweit es um den genannten inhaltlichen, auch historischen Bezug – die Erinnerung an die Erfindung der Kirschtorte – geht, so könnte dieser auf dem direkt gegenüber der Alpenstrasse 7 (Erfinderhaus) liegenden so genannten Dreispitzplatz oder auf dem südlichen Teil des Bundesplatzes vis-à-vis der Treichler Confiserie (Gründerhaus) möglicherweise deutlicher hervorgehoben werden. Ob mit der Benennung eines Ortes in der Stadt mit «Kirschtorte» tatsächlich die 400-jährige Kirschkultur verankert werden kann (und soll), wenn die bestehenden Bäume keine Kirschbäume sind, ist eine aufgeworfene Frage, die weder vom Stadt- noch Regierungsrat beantwortet wurde. Auch ist die von der Nomenklaturkommission befürchtete Bevorzugung eines einzigen Kirschtortenherstellers nicht von der Hand zu weisen. Dass dies nicht in der Absicht des Stadtrates liegt, ist durchaus glaubhaft, doch mit dem blossen Nichtteilen dieser Ansicht sind die Bedenken nicht weggewischt. Ein Stadtrat, der sich nicht dem Vorwurf der einseitigen Bevorzugung aussetzen will, müsste auf irgendeine Weise versuchen festzustellen (z.B. durch eine repräsentative Umfrage o.ä.), wie der Name in der Bevölkerung wahrgenommen wird. Der Regierungsrat hat sich begnügt, in blosser Wiederholung der Argumente des Stadtrates das öffentliche Interesse an der Namensänderung zu bejahen. Mit den bedenkenswerten Einwänden der Nomenklaturkommission und denjenigen der Beschwerdeführer in räumlicher und inhaltlicher Hinsicht hat er sich nicht auseinandergesetzt und hat die unterschiedlichen, je auch zutreffenden Interessen und Anliegen nicht gegeneinander abgewogen. Ohne Vorliegen des öffentlichen Interesses lässt der Bundesgesetzgeber aber eine Namensänderung nicht zu (vgl. Art. 4 Abs. 3 GeoNV).

b) Namen von Strassen und Plätzen müssen einfach schreib- und lesbar sein. Diese Anforderung darf bei «Kirschtortenplatz» wohl ohne weiteres bejaht werden.

c) Als weiteres Kriterium für die Namenswahl wird deren allgemeine Akzeptanz gefordert. Es ist naturgemäss schwierig, eine Akzeptanz zu fordern bzw. zu überprüfen, wenn ein Name neu und daher in der Öffentlichkeit noch gar nicht etabliert ist. Für die Bejahung der Akzeptanz wird es aber nicht genügen, dass ein Name nur nicht anstössig oder nicht lächerlich ist oder eine Verbindung zu von der Öffentlichkeit negativ besetzten und solcherart abgelehnten Ereignissen oder Personen herstellt. Akzeptanz ist nicht gleich bedeutend mit fehlender Ablehnung, sondern stellt insofern höhere Anforderungen. Wenn der Regierungsrat in Ziff. 2.3 des angefochtenen Entscheids erwägt, «Kirschtortenplatz» sei nicht anstössig, so ist ihm selbstverständlich zuzustimmen. Mit nur dieser Eigenschaft aber bereits die breite Akzeptanz zu verbinden, erscheint etwas gewagt. Die Begründung des Stadtrates unter Verweis auf die Alkoholgesetzgebung bzw. auf ein Informationsschreiben der Eidg. Alkoholverwaltung, wonach die Benennung eines Ortes mit einem alkoholhaltigen Lebensmittel aus polizeilichen Gründen erlaubt sei, kann offensichtlich auch nicht als Beweis für die breite Akzeptanz genügen, wie dies der Regierungsrat ohne Nachfrage übernimmt. Die Beschwerdeführer verweisen im Zusammenhang mit der Akzeptanz auf eine Online-Umfrage vom 29. Januar 2015; demgemäss fänden 30 % den Namen eine gelungene Würdigung der Kirschtortenkultur, 12 % sei es egal und 58 % hielten den Namen für einen PR-Gag. Auch andere Kirschtortenproduzenten, nicht aber der Inhaber der angrenzenden Confiserie, seien nicht überzeugt von dieser Idee. Ob diese Darstellungen der Beschwerdeführer zutreffen, muss an dieser Stelle nicht verifiziert werden. Ihre Hinweise müssen jedoch als Indiz dafür gewertet werden, dass die Akzeptanz nicht im vom Bundesgesetzgeber geforderten Mass gegeben sein könnte. Auf welche Weise die Akzeptanz ermittelt wird, ist aber nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, sondern des Namensgebers bzw. der ihn mit umfassender Kognition prüfenden Rechtsmittelinstanz.

8. Zusammenfassend ergibt sich, dass dem Stadtrat Zug in der Bezeichnung einer Strasse oder Platzes grundsätzlich ein grosses Ermessen zukommt, in welches die Rechtsmittelbehörde nicht ohne Not eingreift. Es ist daher richtig, dass der Regierungsrat nicht einfach sein Ermessen an dasjenige des Stadtrates setzt. Im Rahmen seiner umfassenden Kognition wäre er aber verpflichtet gewesen zu prüfen, ob das Ermessen vom Stadtrat in Nachachtung der bundesrechtlichen Vorgaben richtig gehandhabt wurde. Dies hat er vorliegend pflichtwidrig unterlassen, indem er sich zwar formell mit den bundesrechtlichen Kriterien für geografische Namen befasste, materiell aber eine fundierte Begründung unterliess. Insofern muss ihm eine formelle Rechtsverweigerung und damit eine Rechtsverletzung vorgeworfen werden. Die Beschwerde wird daher gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Angelegenheit gestützt auf § 72 Abs. 1 VRG zur Neubeurteilung – insbesondere zur Prüfung der Platzsituation mit Abtrennung des Hauseinganges der Beschwerdeführer, des öffentlichen Interesses für eine Namensänderung und der Akzeptanz des Namensvorschlages – an die Vorinstanz zurückgewiesen.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. März 2016, V 2015 123
Das Urteil ist rechtskräftig.

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