Navigieren auf Kanton Zug

Inhaltsnavigation auf dieser Seite

Navigation

Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Verfahrensrecht

Bau- und Planungsrecht

Umweltrecht

Sozialversicherung

Submissionsrecht

Politische Rechte

Datenschutzrecht

Öffentlichkeitsprinzip

§§ 9 und 10 ÖffG

Regeste:

§§ 9 und 10 ÖffG – Der Zugang zu amtlichen Dokumenten nach §§ 7 ff. ÖffG wird eingeschränkt, sofern überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Der behördlichen Meinungsbildung und Entscheidfindung kommt nicht per se der besondere Stellenwert eines erhöhten öffentlichen Interesses zu (Erw. 3c). Ein überwiegendes Interesse liegt jedoch vor, wenn es darum geht, sicherzustellen, dass sich der Regierungsrat als Kollegium präsentiert und als solches wahrgenommen wird. Daraus ergibt sich, dass das Abstimmungsverhältnis bei Beschlüssen des Regierungsrates nicht öffentlich gemacht werden darf (Erw. 4d und 5).

Aus dem Sachverhalt:

Am 17. November 2015 reichte A. beim Regierungsrat des Kantons Zug ein Gesuch um Zugang zu Auszügen aus Protokollen diverser Regierungsratssitzungen ein. Am 1. Dezember 2015 liess ihm der Regierungsrat die gewünschten Unterlagen zukommen. Am 9. Dezember 2015 ersuchte A. um weitere Unterlagen. Mit Verfügung in Briefform vom 15. Dezember 2015 liess der Regierungsrat dem Gesuchsteller nochmals verschiedene Unterlagen zukommen, lehnte aber seinen Antrag betreffend Bekanntgabe des Stimmenverhältnisses in den regierungsrätlichen Protokollen vom 20. November 2012 und 23. September 2014 ab. Zur Begründung führte der Regierungsrat aus, der Regierungsrat sei ein Kollegium von sieben vom Zuger Stimmvolk gewählten Mitgliedern. Bei Bekanntgabe des Stimmenverhältnisses in Protokollauszügen würden sich das Kollegium einerseits und die einzelnen Ratsmitglieder andererseits Spekulationen, Gerüchten und womöglich sogar Druckversuchen aussetzen. Je nach Geschäft könnten Externe die Haltung von einzelnen Ratsmitgliedern aus dem Stimmenverhältnis herauslesen (je nach Sachgebiet und politischer Couleur des betroffenen Ratsmitglieds oder der betroffenen Ratsmitglieder). Dies widerspreche dem in § 10 des Kantonsratsbeschlusses über die Geschäftsordnung des Regierungsrates vom 26. September 2013 (GO RR, BGS 151.1) verankerten Kollegialitätsprinzip. Dadurch würde die Unabhängigkeit der Ratsmitglieder untergraben. Bei publikumswirksamen Geschäften wie dem vorliegenden sei die Bekanntgabe eines Stimmenverhältnisses zudem nicht angängig, weil dadurch die Haltung von Ratsmitgliedern in den in regelmässigen Abständen absehbaren Folgegeschäften voraussehbar wäre und dadurch die Freiheit aller Ratsmitglieder betreffend ihrer Meinungsbildung in unzulässiger Weise eingeschränkt würde. Im Bereich Wahlen und Abstimmungen sei dies besonders heikel. Dadurch sei letztlich das Funktionieren der Exekutive in Frage gestellt, was nicht im öffentlichen Interesse sei. Das Stimmgeheimnis in Bezug auf die einzelnen Mitglieder einer Kollegialbehörde gehöre zu dem traditionellen Rechtsverständnis der schweizerischen Demokratie. Die Anonymisierung des Stimmenverhältnisses in Auszügen aus Protokollen eines grundsätzlich geheim beratenden Rates von nur sieben Mitgliedern sei gerechtfertigt, weil der Bekanntgabe des Stimmenverhältnisses die genannten überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen würden, die andauerten. Die Anonymisierung des Stimmenverhältnisses in Auszügen aus Protokollen sei als Einschränkung des Zugangs zum mittlerweile öffentlichen Dokument vertretbar und verhältnismässig, weil der Gesuchsteller ja – bis auf das Stimmenverhältnis – alle massgeblichen Sachinformationen erhalten habe. Gegen diese Verfügung reichte A. am 30. Dezember 2015 beim Verwaltungsgericht Beschwerde ein und beantragte, die Verfügung des Regierungsrates sei aufzuheben, die Herausgabe von vollständigen und unveränderten Kopien der regierungsrätlichen Protokolle vom 20. November 2012 sowie vom 23. September 2014 anzuordnen und die Sache zur neuen Entscheidung an den Regierungsrat zurückzuweisen. Zudem seien die Verfahrenskosten zu erlassen. Mit Vernehmlassung vom 5. Februar 2016 beantragte die Staatskanzlei im Auftrag des Regierungsrates die Abweisung der Beschwerde unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

Aus den Erwägungen:

(...)

3. (...)

a) Gemäss § 7 Abs. 1 des Gesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung vom 20. Februar 2014 (ÖffG, BGS 158.1) hat jede Person das Recht, amtliche Dokumente einzusehen und von den Behörden Auskunft über den Inhalt amtlicher Dokumente zu erhalten. Der Zugang zu amtlichen Dokumenten wird gewährt durch Einsichtnahme vor Ort, die Aushändigung von Kopien oder auf elektronischem Weg (§ 8 Abs. 1 ÖffG). Der Zugang zu amtlichen Dokumenten wird eingeschränkt, aufgeschoben, mit Auflagen versehen oder verweigert, soweit überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen (§ 9 Abs. 1 ÖffG). Einschränkungen des Zugangs beziehen sich nur auf den schutzwürdigen Teil eines Dokuments und gelten nur so lange, als das überwiegende Interesse an der Geheimhaltung besteht. Das öffentliche Interesse ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, und wird in den gesetzlichen Bestimmungen, in denen er vorkommt, nicht näher konkretisiert. Der Gesetzgeber überlässt es der Rechtsprechung und der Lehre, den Begriff im Einzelfall auf dem Weg der Subsumtion mit konkreten Inhalten zu füllen. Wann ein öffentliches Interesse vorliegt, ergibt sich aus einer umfassenden Beurteilung von Sinn und Zweck der entsprechenden gesetzlichen Regelung. Paragraph 10 ÖffG definiert den Begriff der «überwiegenden öffentlichen Interessen» näher, indem er folgende Regelung enthält:

1 Überwiegende öffentliche Interessen liegen namentlich vor, wenn durch Zugang

a) eine behördliche Massnahme vereitelt werden könnte;

b) die Position eines Organs in laufenden und absehbaren Verhandlungen gefährdet werden könnte;

c) der Bevölkerung Schaden zugefügt würde, namentlich durch die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.»

Die Definition ist nicht abschliessend, was sich aus der Formulierung «namentlich» ergibt, d.h. es gibt noch andere überwiegende öffentliche Interessen, die im Einzelfall durch Subsumtion mit konkreten Inhalten gefüllt werden müssen. Dies ergibt sich auch aus dem Bericht und Antrag des Regierungsrates zum Gesetz über das Öffentlichkeitsprinzip vom 26. Februar 2013 (KRV 14'262), wo von einer exemplarischen, aber nicht abschliessenden Aufzählung die Rede ist.

b) Aus den Materialien zum Öffentlichkeitsgesetz ergibt sich mit Bezug auf den in § 9 ÖffG verwendeten Begriff der überwiegenden öffentlichen Interessen Folgendes:

b/aa) Der Bericht und Antrag bzw. der entsprechende Gesetzesentwurf des Regierungsrates vom 26. Februar 2013 (KRV Nr. 14'262 ff.) enthielt noch eine andere Version von § 10 Abs. 1 Bst. a, indem geregelt war, dass überwiegende öffentliche Interessen namentlich vorliegen würden, wenn durch Zugang die behördliche Meinungsbildung und Entscheidfindung beeinträchtigt werden könnte, insbesondere bei Voten, Abstimmungen und Wahlen. Der Regierungsrat führt in seinem Bericht zu Bst. a (S. 19) aus, bei den hier erwähnten Interessen handle es sich wohl um den wichtigsten Anwendungsfall, nämlich um eine mögliche Beeinträchtigung der behördlichen Meinungsbildung und Entscheidfindung. Wörtlich wurde weiter ausgeführt: «Mancherorts besteht nämlich die Befürchtung, durch das Öffentlichkeitsprinzip werde die Meinungsbildung der Behörden behindert und das Kollegialitätsprinzip gestört. Der Entwurf nimmt diese Bedenken ernst, denn es ist legitim, dass eine Behörde ihre Entscheidungen vorbereiten kann, ohne dem Druck der Medien und der öffentlichen Meinung ausgesetzt zu sein» (S.19). Der Regierungsrat verwies auf die Botschaft zum Öffentlichkeitsgesetz des Bundes, wo festhalten wurde, dass die frühzeitige Bekanntgabe bestimmter Positionen je nach den Umständen die öffentliche Auseinandersetzung vorzeitig blockieren könnte, denn es sei schwieriger, seine Meinung im Scheinwerferlicht zu ändern (vgl. hierzu BBl 2003, 2007). Weiter führte der Regierungsrat aus, die Beratungen in der Exekutive, aber auch in den kantonsrätlichen Kommissionen, seien Vertrauenssache. Es dürfe nicht sein, dass mit Blick auf die Öffentlichkeit jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden müsse. Die ungestörte Meinungsbildung könne also einem Gesuchsteller entgegengesetzt werden, soweit nicht ein übergeordnetes Interesse zwingend dessen Zugänglichkeit erfordere.

b/bb) Aus dem Bericht und Antrag der vorberatenden Kommission vom 20. Juni 2013 ergibt sich, dass sich diese bezüglich § 10 Abs. 1 Bst. a des Gesetzesentwurfs gefragt hat, wie er zu verstehen und ob er wirklich notwendig sei. Im Bericht wird hierzu Folgendes festgehalten (KRV 14'465, S. 8): «Nach Ansicht des Regierungsrates soll damit verhindert werden, dass die Diskussionen und Abstimmungsverhältnisse im Regierungsrat bekannt werden, bevor ein Geschäft vollständig abgeschlossen ist, also beispielsweise noch Folgegeschäfte mit sich bringen kann. Es soll vermieden werden, dass die einzelnen Regierungsräte gegeneinander ausgespielt werden können. Die Kommission war der Ansicht, dass der Passus «...insbesondere bei Voten, Wahlen und Abstimmungen...» nicht erforderlich sei, da der erste Teilsatz ausreiche. Im weiteren Verlauf der Diskussionen setzte sich innerhalb der vorberatenden Kommission sogar die Meinung durch, es könne entgegen der Haltung des Regierungsrates ganz auf die Bestimmung von § 10 Absatz 1 Bst. a verzichtet werden. Der Schutz der behördlichen Meinungsbildung und Entscheidfindung könne aufgrund der allgemeinen Einschränkung wegen überwiegender öffentlicher Interessen gemäss § 9 auch ohne diese Bestimmung gewährleistet werden. Bei den in § 10 genannten Fällen handle es sich nämlich bloss um eine exemplarische Aufzählung zur Konkretisierung der in § 9 genannten öffentlichen Interessen. Es sei somit im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob der Zugang zu einem Dokument gewährt werden könne oder ob überwiegende öffentliche Interessen aus Gründen der Meinungsbildung und Entscheidfindung einer Behörde entgegenstehen würden. Die vorberatende Kommission sprach sich mit 12 zu 2 Stimmen dafür aus, die Bestimmung von § 10 Abs. 1 Bst. a gemäss Entwurf zu streichen.

b/cc) Bei der 1. Lesung der Vorlage im Kantonsrat 12. Dezember 2013 beantragte der Präsident der vorberatenden Kommission Thomas Wyss die Streichung von § 10 Abs. 1 Bst. a des Entwurfs. Unter Verweis auf den Kommissionbericht erklärte er, dass der Schutz der behördlichen Meinungsbildung und Entscheidfindung aufgrund der allgemeinen Einschränkung wegen überwiegender öffentlicher Interessen gemäss § 9 auch ohne diese Bestimmung gewährleistet werden könne. Der Sicherheitsdirektor Beat Villiger seinerseits erklärte, dass der Regierungsrat an seiner Auffassung festhalte, weil der Schutz der behördlichen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung wohl der wichtigste Anwendungsfall überwiegender öffentlicher Interessen darstelle. Wenn dieser Schutz nicht mehr gewährleistet sei, könnten die Mitglieder eines Entscheidgremiums gegeneinander ausgespielt werden und das Kollegialitätsprinzip werde unterwandert. Der Kantonsrat genehmigte in der Folge mit 41 zu 21 Stimmen die Streichung von § 10 Abs. 1 Bst. a des Entwurfs.

b/dd) Im Hinblick auf die 2. Lesung im Kantonsrat reichte die CVP-Fraktion am 28. Januar 2014 einen Antrag auf Änderung von § 12 Abs. 3 ein mit dem Wortlaut: «Der Zugang ist ausgeschlossen für Sitzungsprotokolle des Regierungsrates und der Kommissionen des Kantonsrates». Zur Begründung ihres Antrages führte die Fraktion aus: «Die CVP unterstützt grundsätzlich das Öffentlichkeitsprinzip, will aber, wie auf Bundesebene und in den meisten anderen Kantonen, die Protokolle des Regierungsrates und der parlamentarischen Kommissionen im Interesse der Meinungsbildung und des Kollegialitätsprinzips vom Öffentlichkeitsgesetz ausnehmen. Für die CVP-Fraktion geht es bei diesem Antrag um den Schutz von zwei fundamentalen Prinzipien unserer politischen Kultur, namentlich um den der Konkordanz und Kollegialität. In einem Land, in dem nicht die Mehrheit die Minderheit dominieren soll, sondern alle relevanten Kreise in die Entscheidfindung und -umsetzung eingebunden werden sollen, ist es wichtig, dass die Zusammenarbeit über die Parteigrenze hinaus auf Vertrauen basiert. Dabei geht es nicht um Geheimniskrämerei, sind doch die eigentlichen Entscheide im Parlament und auch das schlussendliche Stimmenverhalten jedes einzelnen Parlamentariers völlig transparent. Es geht darum, das Abrücken von der eigenen Meinung im Interesse einer tragfähigen Lösung zu fördern und zu schützen. Das Kollegialitätsprinzip bedeutet, dass einmal gefasste Entscheide von den Exekutiven gegen aussen geschlossen vertreten werden. Ist das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Mitglieds jedoch öffentlich, so wird die Tendenz verstärkt, dass sich einzelne Mitglieder nicht an die getroffenen Entscheide gebunden fühlen und diese allenfalls hintertreiben. Öffentlichkeit ist wichtig, muss aber da seine Grenzen haben, wo sie die Arbeit des Parlaments und der Exekutive behindert».

b/ee) Im Rahmen der 2. Lesung des Gesetzesentwurfs über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung vom 20. Februar 2014 wies der Kantonsrat den Antrag der CVP-Fraktion mit 50 zu 23 Stimmen ab. Im Rahmen der Diskussion des CVP-Antrages führte der Kommissionspräsident aus, in einer schriftlichen Befragung der Kommissionsmitglieder sei dargelegt worden, dass der Blick über die Kantonsgrenzen hinaus für den Antrag der CVP-Fraktion spreche. Beim Bund gelte die Regelung, dass die Bundesverwaltung sowie die Parlamentsdienste dem Öffentlichkeitsprinzip unterstellt seien, nicht aber der Bundesrat und die Bundesversammlung selbst. Sitzungsprotokolle des Bundesrates sowie parlamentarischer Kommissionen seien nicht öffentlich zugänglich. Begründet werde diese Ausnahme mit dem Schutz der Freiheit der Meinungsbildung und Entscheidfindung sowie beim Bundesrat zusätzlich mit der Wahrung des Kollegialitätsprinzips. Die Mehrheit der Kantone, welche das Öffentlichkeitsprinzip kennen würden, würden den Zugang zu Protokollen von nicht öffentlichen Sitzungen ausschliessen (Aargau, Appenzell Ausserrhoden, Basel-Stadt, Basel-Land, Freiburg, Schwyz und Wallis). Weiter habe die schriftliche Befragung ergeben, dass die entsprechende Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips für die Öffentlichkeit nur gering sei. Alle wesentlichen Dokumente zu einem Geschäft seien nach dessen Abschluss weiterhin einsehbar. Lediglich die Meinungsäusserungen und das Abstimmungsverhalten im Regierungsrat und in den kantonsrätlichen Kommissionen seien auch inskünftig nicht ersichtlich. Schliesslich erinnerte der Kommissionspräsident daran, dass der Kantonsrat in der ersten Lesung § 10 Abs. 1 Bst. a gestrichen habe. Damit habe er – auch dem Willen der vorberatenden Kommission entsprechend – die behördliche Meinungs- und Entscheidbildung explizit als überwiegendes öffentliches Interesse anerkannt, welches besonders geschützt werden solle. Als Sprecher der SVP-Fraktion erklärte er aber, dass die Fraktion sich im Rahmen der zweiten Lesung treu bleibe und den Antrag, Regierungsrats- und Kommissionsprotokolle vom Öffentlichkeitsgesetz auszuschliessen, grossmehrheitlich ablehne. Für die FDP-Fraktion erklärte Irene Castell-Bachmann, die Fraktion lehne die einseitige Bevorzugung der regierungsrätlichen Sitzungen und der kantonsrätlichen Kommissionen ab. Für die SP-Fraktion erklärte Barbara Gysel, die Fraktion lehne den Antrag der CVP-Fraktion grossmehrheitlich ab. Bei den Argumenten der Freiheit und Ungestörtheit des politischen Prozesses handle es sich um Scheinargumente. Das ganze Gesetz sei derart aufgebaut, dass Dokumente erst dann zugänglich gemacht würden, wenn ein politisches Geschäft abgeschlossen sei und nicht vorher. Ein politisches Geschäft könne also ungehindert entwickelt werden. Für die Alternativ-Grüne Fraktion erklärte Vroni Straub-Müller, die Fraktion lehne den Antrag der CVP geschlossen ab. Sie wolle das Öffentlichkeitsgesetz nicht abschwächen und schon von Beginn weg mit Ausnahmeregelungen beschränken. Sie wolle, dass das Vertrauen in die Verwaltung und in die Regierungen gestärkt werde. Zudem würden gemäss den Angaben des Regierungsrates Beat Villiger in der Regel sowieso nur Beschlussprotokolle geführt.

c) Aus diesen Materialien ergeben sich für die im Öffentlichkeitsgesetz verankerten Einschränkungen die folgenden Schlussfolgerungen: Mit der Streichung von § 10 Abs. 1 Bst. a brachte die Legislative deutlich zum Ausdruck, dass sie der behördlichen Meinungsbildung und Entscheidfindung nicht per se den besonderen Stellenwert eines erhöhten öffentlichen Interesses einräumen wollte, wie ihn der regierungsrätliche Gesetzesentwurf noch vorgesehen hatte. Eine klare Mehrheit des Kantonsrats hat sich – nach einer intensiven Diskussion – auch dafür ausgesprochen, dass die Protokolle des Regierungsrates und der kantonsrätlichen Kommissionen – im Gegensatz zu den Regelungen in den meisten anderen Kantonen und im Bund – nicht vom Öffentlichkeitsprinzip ausgenommen werden. Besonders zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Befürworter einer Ausnahmeregelung für die Regierungsrats- und Kommissionsprotokolle in der kantonsrätlichen Debatte mit der Freiheit und Ungestörtheit des Entscheidfindungsprozesses und mit der Gefährdung des Kollegialitätsprinzips argumentierten. Gerade im Wissen um diese Argumente votierte die Mehrheit des Kantonsrates dafür, dass die Protokolle des Regierungsrates und diejenigen der kantonsrätlichen Kommissionen – mit Ausnahme von Protokollen einer besonderen parlamentarischen Untersuchungskommission – öffentlich zugänglich sein sollen.

4. Zu prüfen ist weiter, ob das Kollegialitätsprinzip durch eine Offenlegung der Abstimmungsverhältnisse eines regierungsrätlichen Entscheides in einem Mass verletzt wird, dass deshalb der Zugang zu diesem Dokument gestützt auf die allgemeine Einschränkungsnorm von § 9 Abs. 1 ÖffG verweigert oder eingeschränkt werden darf. Der Regierungsrat stellt sich nämlich in der angefochtenen Verfügung auf den Standpunkt, die Anonymisierung des Stimmenverhältnisses in Auszügen aus Protokollen eines geheim beratenden Rates von nur sieben Mitgliedern sei gerechtfertigt, weil der Bekanntgabe des Stimmenverhältnisses andauernde überwiegende öffentliche Interessen im Sinne von § 9 ÖffG entgegenstehen würden. Zur Begründung verweist der Regierungsrat auf das Kollegialitätsprinzip und darauf, dass bei Bekanntgabe des Stimmenverhältnisses sich das Kollegium einerseits und die einzelnen Ratsmitglieder andererseits Spekulationen, Gerüchten und womöglich gar Druckversuchen aussetzen würden.

a) Das Kollegialprinzip, welches auf Bundesebene ausdrücklich in Art. 177 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) vorgesehen ist, bedeutet auch auf kantonaler Ebene, dass die einzelnen Mitglieder einer Exekutivbehörde juristisch gesehen auf der Grundlage vollkommener Egalität operieren. Sie werden vom Volk auf die gleiche feste Amtsdauer gewählt, verfügen unabhängig voneinander über die gleiche demokratische Legitimation und haben im Kollegium die gleiche rechtliche Stellung. Entscheide über Regierungsgeschäfte gehen vom gesamten Regierungsratskollegium aus und nicht von den einzelnen Mitgliedern. Der Regierungsrat ist dafür als Organ politisch verantwortlich. Entsprechend sind die einzelnen Mitglieder gehalten, die Entscheide des Regierungsrates in gleicher Weise und glaubwürdig mitzutragen. Wer sich in den Regierungsrat wählen lässt, muss ein ausreichendes Mass an Kollegialeignung mitbringen (Pierre Tschannen, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 3. Auflage, Bern 2011, § 36 N 8 ff.). Das Kollegialitätsprinzip verlangt von den Mitgliedern des Regierungsrates, dass sie sich mit dem Entscheid des Regierungsrates identifizieren und diesen nach aussen vertreten. In einer Mehrparteienregierung, wie sie in der Schweizer Referendumsdemokratie üblich ist, resultieren daraus parteiübergreifende Solidarisierungspflichten. Das dem Kollegialitätsprinzip inne wohnende Identifikationsgebot lässt sich vor diesem Hintergrund nur solange ohne Beschädigung der einzelnen Regierungsmitglieder halten, als das Kollegium die Einigung sucht und förmliche Abstimmungen nach Möglichkeit meidet. Unter diesen Umständen ist es wenig sinnvoll, das Verhalten von einzelnen Regierungsräten im Kollegium öffentlich zu machen, im Gegenteil: Das Kollegium müsste der «Transparenz» zuliebe zu regelmässigen Abstimmungen übergehen; damit würde aber der Einigungsdruck wegfallen und mit ihm ein wesentlicher Vorteil des Kollegialprinzips. Insofern ist das Sitzungsgeheimnis von Regierungskollegien eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren von Exekutivbehörden (siehe Tschannen, a.a.O., § 36 N 9 mit Verweis auf Bernhard Ehrenzeller, in: St. Galler Kommentar zu Art. 177 BV, N 14).

b) Von Bedeutung für die Beurteilung der Frage, ob dem uneingeschränkten Zugang zu den Protokollen des Regierungsrates überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, sind auch die Bestimmungen des Kantonsratsbeschlusses über die Geschäftsordnung des Regierungsrates vom 26. September 2013 (GO RR, BGS 151.1), bei dem es sich – wie beim Öffentlichkeitsgesetz – um einen referendumspflichtigen Erlass handelt. In § 6 GO RR wird vorerst normiert, was bei einer Regierungsratssitzung überhaupt protokolliert werden muss. Gemäss § 6 Abs. 2 enthält das Protokoll die Beschlüsse sowie die Abstimmungen, Wahlen und Anstellungen mit Angabe der Stimmenzahl. Bei strittigen Geschäften werden die wichtigsten, in die Beratung eingebrachten Argumente aufgeführt. Die Beratungen des Regierungsrates sind nicht öffentlich (§ 8 Abs. 1 GO RR). Die Ratsmitglieder dürfen unberechtigten Dritten keine Wahrnehmungen weitergeben, die sie bei der Ausübung des Amtes machen (§ 8 Abs. 2 GO RR). Der Zugang zu amtlichen Dokumenten des Regierungsrates richtet sich nach dem Öffentlichkeitsgesetz (§ 8 Abs. 3 GO RR). Der Regierungsrat orientiert die Öffentlichkeit und die kantonale Verwaltung regelmässig und rasch über seine Beschlüsse von allgemeinem Interesse, soweit sie nicht dem Amtsgeheimnis unterliegen (§ 9 GO RR). In § 10 ist unter dem Titel «Kollegialitätsprinzip» geregelt, dass die Ratsmitglieder ungeachtet ihrer persönlichen Meinung für die Beschlüsse des Regierungsrates gegenüber Dritten einzustehen haben. Aus schwerwiegenden persönlichen Gründen kann der Regierungsrat Ratsmitglieder für ein einzelnes Geschäft vom Kollegialitätsprinzip entbinden (§ 10 Abs. 2 GO RR).

c) Der Regierungsrat hat sich schon verschiedentlich grundsätzlich zu Fragen des Kollegialitätsprinzips geäussert. So erklärte er in einer mündlichen Antwort zu einer das Kollegialitätsprinzip betreffend Interpellation von Heinz Tännler vom 11. Mai 2001 (KRV 10'551), dass dieses die Vertraulichkeit und Geschlossenheit stärke und die Leistungsfähigkeit erhöhe. «Es beinhaltet das gemeinsame Einstehen für gemeinsam gefasste Beschlüsse sowie ein einheitliches Auftreten nach aussen. Ein einzelnes Mitglied muss die Gewissheit haben, dass es allfällige Schwierigkeiten seines Standpunktes im Gremium offen legen kann und muss, ohne im Verhältnis zu andern staatlichen Organen und zur Öffentlichkeit Nachteile zu befürchten. ...Die unterschiedlichen politischen Auffassungen werden häufig in mehreren Schritten harmonisiert. Ein häufig kontroverser Interessenausgleich findet statt. Die unterschiedlichen Gestaltungswünsche werden zu einem tragfähigen Kompromiss zusammengeschmiedet. ... Alle Mitglieder, auch die überstimmten, müssen imstande sein, den Entscheid gegen aussen zu vertreten».

d) Bei der Beurteilung der Frage, inwieweit öffentliche Interessen eine Einschränkung des Zugangs zu den Protokollen der Sitzungen des Regierungsrates rechtfertigen könnten, ist in erster Linie zu beachten, dass die Sitzungen des Regierungsrates auch nach dem Inkrafttreten des Öffentlichkeitsgesetzes nicht öffentlich sind. Auch ist es den Mitgliedern des Regierungsrates nach wie vor untersagt, unbeteiligten Dritten Wahrnehmungen weiter zu geben, die sie in Ausübung ihres Amtes machen. Zu beachten ist weiter, dass die uneingeschränkte nachträgliche Publikation des Werdegangs und der Abstimmungsverhältnisse bei einem Entscheid des Regierungsrates einen unerwünschten Einfluss auf die Meinungs- und Willensbildung innerhalb des regierungsrätlichen Kollegiums haben kann. Die nachträgliche Bekanntgabe des Stimmenverhältnisses kann die Mitglieder einer Kollegialbehörde unnötig unter Druck setzen, indem sie sich gegenüber der Presse, ihrer Wählerschaft, ihren Parteifreuden und allfälligen Gesuchstellern verpflichtet sehen könnten, in jedem Fall eine Abstimmung zu verlangen, auch wenn sich bereits während der Vorbereitung eines Geschäftes eigentlich eine einvernehmliche Lösung abgezeichnet, der die Mitglieder des Rates nach gewalteter Diskussion ihre Zustimmung geben können. Zu beachten ist auch, dass an einer nachträglichen Bekanntgabe allfälliger Abstimmungsverhältnisse auch nur ein relativ geringes Interesse bestehen kann, lässt sich doch ein Entscheid, der ja nach Willen des Kantonsrates in den wesentlichsten Punkten offen gelegt werden muss, nicht mehr abändern. Es ist aber der Wille von Verfassung und Gesetz, dass der Entscheid als Entscheid des Gesamtregierungsrates wahrgenommen wird und nicht als Entscheid, der mit einem zufälligen Stimmenverhältnis von 4 zu 3 als Entscheid einer «rechten» oder «linken» Mehrheit daher kommt. So kann man auch vermeiden, dass die Mitglieder des Regierungsrates, die ja dem Amtsgeheimnis unterstehen, mit Hilfe von Drittpersonen in zeitlicher Nähe zu einem Entscheid indirekt ihre abweichende Meinung ungestraft öffentlich machen können. Das Gericht geht daher mit dem Regierungsrat insofern einig, als ein erhebliches öffentliches Interesse daran besteht, dass das Abstimmungsverhältnis bei Beschlüssen des Regierungsrates im Fall der Zugangsgewährung zu den Protokollen der Regierungsratssitzungen nicht öffentlich gemacht werden darf.

e) Ein Blick auf die Regelungen in den übrigen Kantonen ergibt, dass die Sitzungen des Regierungsrates – mit Ausnahme des Kantons Solothurn – nicht öffentlich sind. In allen übrigen Kantonen sind die Protokolle der Sitzungen des Regierungsrates nur unter der Einschränkung einsehbar, dass keine öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen. Mehrere Kantone (z.B. Graubünden und Nidwalden) sehen vor, dass im Protokoll der Regierungsratssitzungen keine Hinweise auf Abstimmungsverhältnisse aufgeführt werden. Im Hinblick auf eine mögliche Publikation gibt es sogar Regelungen (z.B. Freiburg), welche eine doppelte Protokollierung (mit und ohne Abstimmungsergebnis) verlangen. Mehrere Kantone (z.B. Baselland und Baselstadt) sehen Einschränkungen des Einsichtsrechts wegen möglicher Verletzungen des Kollegialitätsprinzips ausdrücklich vor. In den Kantonen Nidwalden und St. Gallen dürfen im Protokoll des Regierungsrates keine Minderheitsmeinungen aufgeführt werden, und im Kanton Zürich sind bei Geschäften des Regierungsrates Anträge, Mitberichte und Stellungnahmen von der Protokollierung ausgeschlossen. Auch diese kurzen Hinweise auf die Regelungen in den andern Kantonen zeigen, dass dem Kollegialitätsprinzip überall ein sehr grosser Stellenwert zukommt, welcher besondere Sorgfalt im Umgang mit der Veröffentlichung von regierungsrätlichen Sitzungsprotokollen verlangt.

5. Zusammenfassend ergibt sich Folgendes: Aus den Materialien zum Öffentlichkeitsgesetz ist klar zu entnehmen, dass der Kantonsrat sich dafür entschieden hat, dass die Beschlüsse des Regierungsrates der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind. Der Kantonsrat hat aber nicht entschieden, dass die Entscheide des Regierungsrates uneingeschränkt, d.h. unter Bekanntgabe von Namen und der Abstimmungsverhältnisse zugänglich zu machen sind. Liegt ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse vor, so darf der Zugang zu den Protokollen eingeschränkt, aufgeschoben, oder verweigert werden. Ein solches überwiegendes Interesse liegt vor, wenn es darum geht, sicherzustellen, dass der Regierungsrat sich als Kollegium präsentiert und auch als solches wahrgenommen wird. Der Regierungsrat weist zu Recht darauf hin, dass das Stimmgeheimnis bezogen auf die einzelnen Mitglieder eine Kollegialbehörde einer der zentralen Werte des schweizerischen Rechtssystems ist. Das Hauptmerkmal der regierungsrätlichen Tätigkeit liegt darin, dass er als Kollegium auftritt. Entsprechend sollen seine Entscheide nach aussen auch als Entscheide einer Kollegialbehörde wahrgenommen werden und nicht als Entscheide, welche eine majorisierte Minderheit nolens volens mittragen muss.

Damit erweist sich die Beschwerde auch bezüglich des Antrags auf Einsicht in das Protokoll der Regierungsratssitzung vom 23. September 2014 als unbegründet und muss abgewiesen werden. Wie bereits eingangs unter Erw. 2 ausgeführt, besteht bezüglich des Protokolls vom 20. November 2012 überhaupt kein Anspruch auf Einsicht.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30. März 2016, V 2016 1
Das Urteil ist rechtskräftig.

Weitere Informationen

Fusszeile

Deutsch