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§ 6 EG KVG; § 7 EG KVG; Art. 2 Abs. 2 KVAG; aArt. 12 Abs. 2 KVG

Art. 16 ATSG; Art. 28a Abs. 2 und 3 IVG

Regeste:

Art. 16 ATSG, Art. 28a Abs. 2 und 3 IVG – Grad und Bemessung der Invalidität. Bestimmung des Invaliditätsgrades bei teilzeitiger Erwerbstätigkeit und Tätigkeit im Aufgabenbereich anhand eines Einkommensvergleichs. Gemischte Methode nach Art. 28a Abs. 3 IVG (Erw. 3.2). Keine Parallelisierung der Vergleichseinkommen bei einem deutlich unterdurchschnittlichen Einkommen, wenn der Beschwerdeführer sich über mehrere Jahre hinweg mit einem bescheideneren Einkommensniveau begnügte (Erw. 6.1). IV-Stelle durfte auf das vom Beschwerdeführer vor der Gesundheitsschädigung erzielte, deutlich unterdurchschnittliche Einkommen abstellen, da es dem Beschwerdeführer möglich gewesen wäre, wesentlich mehr zu verdienen. Es handelt sich nicht um ein gesundheitsbedingtes Mindereinkommen (Erw. 7).

Aus dem Sachverhalt:

A., Jahrgang 1961, war zuletzt als Monteur (60 %) und Künstler (40 %) tätig und meldete sich am 4. Februar 2010 bei der IV-Stelle des Kantons Zug zum Bezug von Leistungen an. Zur gesundheitlichen Beeinträchtigung gab er an, er habe Sehnen- und Muskelabrisse an beiden Schultern seit dem 21. Dezember 2008. Da parallel auch die Unfallversicherung den Leistungsanspruch abklärte, stützte sich die IV-Stelle in der Folge insbesondere auf die von der Suva eingeholten kreisärztlichen Untersuchungen sowie die Stellungnahmen des regionalen ärztlichen Dienstes (RAD). Mit Vorbescheid vom 26. März 2014 teilte die IV-Stelle A. mit, sie beabsichtige, ihm vom 1. August 2010 bis zum 1. April 2011 sowie vom 1. November 2012 bis zum 1. Juni 2013 eine ganze Rente zuzusprechen. Ab dem 11. März 2013 habe wieder eine volle Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit bestanden, weswegen ab dem 1. Juni 2013 keine Rente mehr ausbezahlt werde. Trotz Einwand vom 28. April 2014 und einer Ergänzung vom 4. Juli 2014 hielt die IV-Stelle des Kantons Zug mit Verfügung vom 28. Oktober 2014 an ihrem Vorbescheid fest.

Aus den Erwägungen:

(...)

3.1 Gemäss Art. 28 Abs. 1 IVG haben jene Versicherten Anspruch auf eine Rente, die ihre Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten oder verbessern können (lit. a), während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 % arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG) gewesen sind (lit. b) und nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 % invalid (Art. 8 ATSG) sind (lit. c). Bei einer Invalidität von 40 % besteht Anspruch auf eine Viertelsrente, ab 50 % auf eine halbe, ab 60 % auf eine Dreiviertels- und ab 70 % auf eine ganze Rente (Art. 28 Abs. 2 IVG).

3.2 Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit. Bei erwerbstätigen Versicherten wird für die Bestimmung des Invaliditätsgrades gemäss Art. 16 ATSG das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen; sog. Einkommensvergleich). Bei Versicherten, die nur zum Teil erwerbstätig sind, wird für diesen Teil die Invalidität nach Art. 16 ATSG festgelegt. Waren sie daneben auch im Aufgabenbereich tätig, so wird die Invalidität für diese Tätigkeit nach Art. 28a Abs. 2 IVG festgelegt. In diesem Falle sind der Anteil der Erwerbstätigkeit und der Anteil der Tätigkeit im Aufgabenbereich festzulegen und der Invaliditätsgrad entsprechend der Behinderung in beiden Bereichen zu bemessen (Art. 28a Abs. 3 IVG; sog. gemischte Methode). Der Rentenanspruch entsteht gemäss Art. 29 Abs. 1 IVG frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Art. 29 Abs. 1 ATSG, jedoch frühestens im Monat, der auf die Vollendung des 18. Altersjahres folgt.

3.3 Für die Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch realisierbaren Einkommens (Invalideneinkommen) ist primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher der Versicherte konkret steht. Übt er nach Eintritt der Invalidität eine Erwerbstätigkeit aus, bei der – kumulativ – besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass er die ihm verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft und das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn erscheint, gilt grundsätzlich der von ihm tatsächlich erzielte Verdienst als Invalidenlohn. Ist kein solches tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen gegeben, namentlich weil der Versicherte nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihm an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, so können nach der Rechtsprechung die Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) beigezogen werden (BGE 126 V 75 Erw. 3b mit Hinweisen), wobei je nach den konkreten Umständen – nebst der leidensbedingten Einschränkung können auch weitere persönliche und berufliche Merkmale einer versicherten Person wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Nationalität oder Aufenthaltskategorie sowie Beschäftigungsgrad lohnmindernd ins Gewicht fallen – ein Abzug von höchstens 25 % zu berücksichtigen ist (BGE 126 V 75 Erw. 5b/aa-cc).

(...)

6. Der Beschwerdeführer liess weiter den von der Beschwerdegegnerin vorgenommenen Einkommensvergleich beanstanden, worauf im Folgenden einzugehen ist:

6.1 Zunächst liess der Beschwerdeführer rügen, es sei eine Parallelisierung der beiden Vergleichseinkommen vorzunehmen. Eine solche Parallelisierung ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dann vorzunehmen, wenn eine versicherte Person vor dem Eintritt der Gesundheitsschädigung aus invaliditätsfremden Gründen (z.B. geringe Schulbildung, fehlende berufliche Ausbildung, mangelnde Deutschkenntnisse, beschränkte Anstellungsmöglichkeiten wegen Saisonnierstatus) ein deutlich unterdurchschnittliches Einkommen bezog, sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie sich aus freien Stücken mit einem bescheideneren Einkommensniveau begnügen wollte (BGE 134 V 322 Erw. 4.1, mit weiteren Hinweisen). In casu erzielte der Beschwerdeführer vor Eintritt der Gesundheitsschädigung zwar in der Tat ein sehr geringes Einkommen zwischen ca. Fr. 25'000.– und Fr. 35'000.– pro Jahr, doch ist dies nicht etwa auf eine geringe Schulbildung, eine fehlende berufliche Ausbildung o.ä. zurückzuführen, ist doch der Beschwerdeführer gelernter Offsetdrucker und verfügt er zudem über spezielle Kenntnisse im Hochbau (...). Da es ihm daher ohne weiteres möglich gewesen wäre, mit diesen Tätigkeiten ein wesentlich höheres Einkommen zu erzielen, ging die Beschwerdegegnerin zu Recht davon aus, dass sich der Beschwerdeführer aus freien Stücken mit einem bescheideneren Einkommensniveau begnügte; dies wird denn auch durch den Bericht vom 4. September 2001 zur Arbeitgeberkontrolle der Suva bestätigt, wonach der Beschwerdeführer von den Einkünften nicht leben könne, er aber von seiner Lebenspartnerin unterstützt werde (...). Mithin musste sie auch keine Parallelisierung der Vergleichseinkommen vornehmen. Bei dieser Sachlage – der Beschwerdeführer begnügte sich über mehrere Jahre hinweg mit seinem bescheidenen Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit (...) – durfte die Beschwerdegegnerin zudem beim Valideneinkommen auch auf eben dieses zuletzt erzielte, bescheidene Einkommen abstellen (vgl. Urteil 8C_944/2011 vom 17. April 2012 Erw. 2.4).

6.2 Nachdem somit festgestellt wurde, dass zum einen eine Parallelisierung nicht erfolgen musste und zum anderen auf das bisher erzielte Einkommen abgestellt werden durfte, kann auf Ausführungen zur Berechnung des Invalideneinkommens verzichtet werden. Bei einem heranzuziehenden Valideneinkommen von – angepasst an die Nominallohnentwicklung – Fr. 35'053.– ab November 2012 würde es nämlich selbst bei Annahme eines unrealistisch tiefen Invalideneinkommens von Fr. 40'500.–, wie es der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift geltend machen liess, nicht zu einem Minderverdienst kommen, weswegen in der Konsequenz auch stets ein Invaliditätsgrad von 0 % resultiert. Der Vollständigkeit halber sei aber festgehalten, dass das von der Beschwerdegegnerin errechnete Invalideneinkommen von Fr. 55'719.– sich nicht als offensichtlich falsch erweist, berücksichtigt dieses doch bereits die um 10 % reduzierte Arbeitsfähigkeit, wurde es gestützt auf Niveau 4 der Tabellenlöhne berechnet und an die Nominallohnentwicklung angepasst. Zu diskutieren wäre dabei höchstens die Berücksichtigung eines leidensbedingten Abzuges, doch ist diesbezüglich auf Weiterungen zu verzichten, würde nämlich auch ein solcher Abzug nichts am Invaliditätsgrad von 0 % ändern. Schliesslich errechnete der Beschwerdeführer selbst beim grösstmöglichen leidensbedingten Abzug von 25 % noch ein – das Valideneinkommen übertreffendes – Invalideneinkommen von Fr. 40'500.–.

6.3 Da sich das Valideneinkommen anhand des vom Beschwerdeführer vor der Gesundheitsschädigung erzielten Einkommens festsetzen liess und die Berechnung des Invalideneinkommens keinerlei Probleme bereitete, ist nicht ersichtlich, weshalb der Invaliditätsgrad vorliegend nicht anhand eines Einkommensvergleichs hätte berechnet werden sollen. Ein Betätigungsvergleich, wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht, ist bei dieser Sachlage jedenfalls nicht vorzunehmen.

7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer weder mit seinen Rügen betreffend die Abklärung des medizinischen Sachverhaltes noch mit denjenigen betreffend die fehlerhafte Erstellung des Einkommensvergleichs durchzudringen vermochte. Vielmehr ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer ausreichend medizinisch abgeklärt wurde und zudem auch ein umfassender Abklärungsbericht zur Erstellung eines Zumutbarkeitsprofils erstellt wurde. Beim Einkommensvergleich durfte die Beschwerdegegnerin auf das vom Beschwerdeführer vor der Gesundheitsschädigung erzielte, deutlich unterdurchschnittliche Einkommen abstellen, da es dem Beschwerdeführer möglich gewesen wäre, wesentlich mehr zu verdienen. Aufgrund des überaus geringen Valideneinkommens erübrigten sich sodann Weiterungen zum Invalideneinkommen bzw. zum Einkommensvergleich im Allgemeinen, da so oder anders kein gesundheitsbedingtes Mindereinkommen resultieren würde. Mithin erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet, weswegen sie vollumfänglich abzuweisen ist.

(...)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2015, S 2015 9.
Das Urteil ist rechtskräftig.

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