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Art. 5 Abs. 1 lit. a und d ZPO

Regeste:

Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO – Know-How als solches ist kein Gegenstand geistigen Eigentums im Sinne der genannten Prozessbestimmung, da es kein vom Gesetzgeber anerkanntes Immaterialgut darstellt.

Art. 5 Abs. 1 lit. d ZPO – Die blosse Nennung von Art. 6 UWG in der Klageschrift reicht nicht aus, um die Zuständigkeit der einzigen kantonalen Instanz nach Art. 5 Abs. 1 lit. d ZPO zu begründen.

Aus den Erwägungen:

(...)

2.2 Gemäss Art. 5 Abs. 1 ZPO bezeichnet das kantonale Recht das Gericht, welches als einzige kantonale Instanz zuständig ist (lit. a) für Streitigkeiten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum einschliesslich der Streitigkeiten betreffend Nichtigkeit, Inhaberschaft, Lizenzierung, Übertragung und Verletzung solcher Rechte und (lit. d) für Streitigkeiten nach dem Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 über den unlauteren Wettbewerb (UWG), sofern der Streitwert mehr als CHF 30'000.00 beträgt oder der Bund sein Klagerecht ausübt. Nach § 19 Abs. 1 lit. a GOG i.V.m. § 5 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Obergerichts ist die II. Zivilabteilung des Obergerichts die einzige kantonale Instanz nach Art. 5 ZPO.

2.3 Soweit die Klägerin im vorliegenden Fall eine «Streitigkeit im Zusammenhang mit geistigem Eigentum» erblickt und die obergerichtliche Zuständigkeit dementsprechend aus Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO herleiten will, kann ihren Ausführungen nicht gefolgt werden. Gegenstand der infrage stehenden Lizenzverträge ist Know-How der Klägerin in Bezug auf die Herstellung bzw. Zulassung pharmazeutischer Substanzen. Der Begriff «Know-How» ist gesetzlich nicht definiert. Grundsätzlich sind darunter technische, kaufmännische oder betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen zu verstehen, deren Benutzung dem Know-How-Nehmer Herstellung und Vertrieb von Produkten, aber auch sonstige betriebliche Tätigkeiten wie Organisation und Verwaltung gestattet bzw. ermöglicht (Zehnhäusern, Der internationale Lizenzvertrag, 1991, S. 18; vgl. Troller, Grundzüge des schweizerischen Immaterialgüterrechts, 2. A. 2005, S. 176). Know-How ist als solches kein Gegenstand geistigen Eigentums im Sinne der genannten Prozessbestimmung, da es kein vom Gesetzgeber anerkanntes Immaterialgut darstellt (Urteil des Obergerichts Zug, Einzelrichter, vom 13. Dezember 2013 E. 1.2.1, in: CAN 2014 S. 16 f.). Zum geistigen Eigentum im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO zählen nur diejenigen immateriellen Güter, welche die Merkmale eines absoluten Rechts aufweisen, d.h. an denen ihrem Inhaber Verfügungs- und Abwehrrechte zustehen, die mit jenen des Eigentümers einer Sache vergleichbar sind. Dazu gehören das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (URG), der Schutz von Topographien von Halbleitererzeugnissen (ToG) sowie die verschiedenen Formen des gewerblichen Rechtsschutzes, d.h. der Marken (MSchG), Designs (DesG) und Pflanzenzüchtungen (Sortenschutzgesetz) (Berger, Berner Kommentar, 2012, Art. 5 ZPO N 6; vgl. auch Vock/Nater, Basler Kommentar, 2. A. 2013, Art. 5 ZPO N 4; Wey, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. A. 2016, Art. 5 ZPO N 9). Diese Rechte sind alle durch Spezialgesetze näher umschrieben (Härtsch, in: Baker & McKenzie [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, SHK, 2010, Art. 5 ZPO N 3). Daran ändert nichts, dass Know-How Gegenstand eines Lizenzvertrages sein kann. Es gehört dennoch nicht zu den absolut geschützten Immaterialgütern gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO (Urteil des Obergerichts Zug, Einzelrichter, vom 13. Dezember 2013 E. 1.2.1, in: CAN 2014 S. 16 f.; Berger, a.a.O., Art. 5 ZPO N 6; gl.M. Wey, a.a.O., Art. 5 ZPO N 9; a.M. Härtsch, a.a.O., Art. 5 ZPO N 4). Der Schutz des Know-Hows ergibt sich aus Vertrag bzw. – sofern es als Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis qualifiziert werden kann – aus Straf- oder Lauterkeitsrecht. Im Weiteren legt die Klägerin weder ausdrücklich dar, inwiefern ein immaterielles Gut verletzt sein soll, welches die Merkmale eines absoluten Rechts aufweist und damit von der infrage stehenden prozessrechtlichen Bestimmung erfasst ist, noch lassen sich entsprechende Anhaltspunkte der Klageschrift entnehmen. In dieser wird zwar vereinzelt auf bestehende Patente – welche einen absoluten Schutz geniessen – hingewiesen. Die Klägerin stützt die geltend gemachten Ansprüche jedoch nicht auf Patentrecht. Kommt hinzu, dass in diesem Bereich ohnehin das Bundespatentgericht zuständig wäre (Vock/Nater, a.a.O., Art. 5 N 5a). Die obergerichtliche Zuständigkeit lässt sich somit nicht mit Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO begründen.

2.4 Die Klägerin erwähnt sodann auch Art. 5 Abs. 1 lit. d ZPO als zuständigkeitsbegründende Norm. Die Streitwertgrenze von CHF 30'000.00 wäre vorliegend offensichtlich erfüllt. Die Klägerin führt in der Klageschrift aus, dass ihre Geschäftsgeheimnisse durch Art. 6 UWG geschützt seien (act. 1 Rz 33) und ihr unter anderem aus dieser lauterkeitsrechtlichen Bestimmung Auskunftsansprüche gegenüber der Beklagten zustünden (act. 1 Rz 291). Lauterkeitsrechtliche Hauptansprüche nach Art. 9 UWG macht sie hingegen keine geltend. Nach einem allgemeinen prozessualen Grundsatz ist bei der Beurteilung der Zuständigkeit im Falle von sog. doppelrelevanten Tatsachen primär auf den eingeklagten Anspruch und dessen Begründung abzustellen. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts hängt von der gestellten Frage ab und nicht von deren Beantwortung, die im Rahmen der materiellen Prüfung zu erfolgen hat. In Bezug auf die rechtliche Würdigung der klägerischen Vorbringen ist das Gericht aber nicht an die Auffassung des Klägers gebunden. Hängt die Zuständigkeit davon ab, ob Ansprüche aus einem bestimmten Rechtsgebiet geltend gemacht werden, ist im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung von Amtes wegen abzuklären, ob solche ausgeschlossen sind. Ist dies zu bejahen, kann auf die Klage nicht eingetreten werden (vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 4A_461/2010 vom 22. November 2010 E. 2.2). Die Theorie der doppelrelevanten Tatsachen kann nicht dazu dienen, eine Zuständigkeit zu konstruieren (vgl. Staehelin/Staehelin/Grolimund, Zivilprozessrecht, 2. A. 2013, § 9 N 33a). Das UWG gewährt – im Gegensatz zu den immaterialgüterrechtlichen Spezialgesetzen – nach herrschender Lehre und Rechtsprechung keine selbständigen Auskunftsansprüche (Baudenbacher/Glöckner, in: Baudenbacher [Hrsg.], Kommentar zum UWG, 2001, Art. 9 UWG N 265; Rüetschi, Basler Kommentar, 2013, Art. 9 UWG N 150; Spitz, in: Jung/Spitz [Hrsg.], Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, SHK, 2010, Art. 9 UWG N 114; Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 15. November 2004, in: sic! 11/2007, S. 845). Wenn überhaupt, bestehen solche Auskunftsansprüche lediglich im Hinblick auf die Durchsetzung eines lauterkeitsrechtlichen Hauptanspruches (vgl. Baudenbacher/Glöckner, a.a.O., Art. 9 UWG N 265). Ein solcher wird von der Klägerin mit keinem Wort behauptet. Die blosse Nennung von Art. 6 UWG in der Klageschrift reicht mithin nicht aus, um die Zuständigkeit der einzigen kantonalen Instanz nach Art. 5 Abs. 1 lit. d ZPO zu begründen.

2.5 Nach dem Gesagten mangelt es an der sachlichen Zuständigkeit des Obergerichtes als einziger kantonaler Instanz gemäss Art. 5 Abs. 1 ZPO. Auf die Klage ist nicht einzutreten.

(...)

Urteil des Obergerichts, II. Zivilabteilung, 9. November 2016 (Z2 2016 34)

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