Navigieren auf Kanton Zug

Inhaltsnavigation auf dieser Seite

Navigation

Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Zivilrecht

Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Rechtspflege

Anwaltsrecht

Strafprozessordnung

Strafrechtspflege

Zivilprozessordnung

Art. 270 ZPO

Regeste:

Art. 270 ZPO – Die Einreichung einer Schutzschrift gegen die Gewährung der aufschiebenden Wirkung im Beschwerdeverfahren nach Art. 319 ff. ZPO ist zulässig (E. 1 - 2). Die Schutzschrift ist nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr zu beachten und ist samt Beilagen an die gesuchstellende Partei zurückzuschicken (E. 3).

Aus den Erwägungen:

1. Wer Grund zur Annahme hat, dass gegen ihn ohne vorgängige Anhörung die Anordnung einer superprovisorischen Massnahme, eines Arrests nach den Artikeln 271-281 SchKG oder einer anderen Massnahme beantragt wird, kann seinen Standpunkt vorsorglich in einer Schutzschrift darlegen. Die Schutzschrift wird der Gegenpartei nur mitgeteilt, wenn diese das entsprechende Verfahren einleitet. Die Schutzschrift ist sechs Monate nach Einreichung nicht mehr zu beachten (Art. 270 ZPO).

2. Die Gesuchstellerin befürchtet nicht die Anordnung einer superprovisorischen Massnahme oder eines Arrestes gegen sie, sondern möchte mit der Hinterlegung einer Schutzschrift verhindern, dass einer allfälligen Beschwerde gegen den Entscheid des Vollstreckungsrichters aufschiebende Wirkung gewährt bzw. die Vollstreckbarkeit der vom Vollstreckungsrichter angeordneten Massnahmen aufgeschoben wird. Das Obergericht des Kantons Zug hatte sich mit der Zulässigkeit von Schutzschriften gegen die Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Rechtsmittelverfahren bisher nicht zu befassen.

Die Zulässigkeit solcher Schutzschriften bzw. die Verpflichtung des Gerichtes, diese entgegenzunehmen und gegebenenfalls zu beachten, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Soweit ersichtlich nehmen das Bundesgericht und das Obergericht des Kantons Zürich Schutzschriften gegen die Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Rechtsmittelverfahren entgegen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1A.39/2003 vom 12. März 2003 Sachverhalt lit. G; Urteile des Obergerichts Zürich LB150023 vom 22. Mai 2015, in: ZR 2014 Nr. 50; PS 120211 vom 8. November 2012). In der Literatur wird die Zulässigkeit von Schutzschriften zur Verteidigung gegen die überraschende Gewährung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels befürwortet (Güngerich, Berner Kommentar, 2012, Art. 270 ZPO N 8; Hess-Blumer, Basler Kommentar, 2. A. 2013, Art. 270 ZPO N 7; Huber, in: Sutter-Somm / Hasenböhler / Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. A. 2016, Art. 270 ZPO N 11; Zürcher, in: Brunner / Gasser / Schwander [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. A. 2016, Art. 270 ZPO N 2).

Im Beschwerdeverfahren sind, auch bezüglich der Anordnung von sichernden Massnahmen und des Aufschubs der Vollstreckung (Art. 325 ZPO), grundsätzlich beide Parteien anzuhören und ist der Standpunkt beider Parteien zu berücksichtigen. Nur aus Gründen der Dringlichkeit kann die aufschiebende Wirkung ohne vorgängige Anhörung der Gegenpartei gewährt werden (Freiburghaus / Afheldt, in: Sutter-Somm / Hasenböhler / Leuenberger [Hrsg.], a.a.O., Art. 325 ZPO N8). Dieser Benachteiligung einer Partei kann mit der Beachtung einer zuvor eingereichten Schutzschrift bzw. der darin gemachten Ausführungen begegnet werden. Das Bedürfnis, in solchen Fällen den eigenen Standpunkt vorsorglich einzubringen, ist vergleichbar mit dem Bedürfnis nach einer Schutzschrift gegen die Anordnung einer superprovisorischen Massnahme. Das Gesetz schliesst die Zulässigkeit nicht aus; vielmehr kann eine Schutzschrift auch hinterlegen, wer eine «andere Massnahme» befürchtet. Darunter kann zwangslos auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels subsumiert werden, zumal damit dem verfassungsmässigen Anspruch auf das rechtliche Gehör Rechnung getragen wird. Es ist daher kein Grund ersichtlich, weshalb dem Begehren Ziff. 1 der Gesuchstellerin vorliegend nicht entsprochen bzw. die Schutzschrift nicht entgegengenommen werden sollte.

3. Schutzschriften sind gemäss Art. 270 Abs. 2 ZPO sechs Monate aufzubewahren. Die Gesuchstellerin beantragt vorliegend eine Aufbewahrung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist, jedenfalls aber bis zum 15. April 2017.

Im Gegensatz zu den Verhältnissen bei befürchteter Anordnung einer superprovisorischen Massnahme oder eines Arrestes ist bei befürchteter Gewährung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels in zeitlicher Hinsicht bestimmt, bis wann das Rechtsmittel eingereicht sein muss bzw. wie lange die Befürchtung aktuell ist. Es besteht kein Anlass, die Schutzschrift länger als nötig aufzubewahren und in jedem Fall den Ablauf der sechsmonatigen Frist abzuwarten.

Gegen den Entscheid des Vollstreckungsrichters war das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig (Art. 309 lit. a ZPO i.V.m. Art. 319 lit. a ZPO). Die Beschwerdefrist betrug zehn Tage (Art. 321 Abs. 2 ZPO), da über die Vollstreckung von Schiedsentscheiden im summarischen Verfahren entschieden wird (Art. 339 Abs. 2 ZPO) und entschieden wurde. Die Rechtsmittelfrist ist demzufolge inzwischen unbenutzt abgelaufen. Eine prozessleitende Anordnung ohne Gewährung des rechtlichen Gehörs muss die Gesuchstellerin nicht mehr befürchten. Die vorliegende Schutzschrift ist folglich nicht mehr zu beachten und kann samt Beilagen an die Gesuchstellerin zurückgesandt werden.

Obergericht, II. Beschwerdeabteilung, 27. April 2017

Weitere Informationen

Fusszeile

Deutsch