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Art. 178 und 180 ZPO

Regeste:

Art. 178 und 180 ZPO. – Ausdrucke von eingescannten Papierdokumenten sind nach der ZPO herkömmlichen Kopien gleichgestellt.

Aus den Erwägungen:

(…)

3. Die Vorinstanz führte aus, vorliegend sei zu prüfen, ob der Beschwerdeführer glaubhaft gemacht habe, dass die als Vi act. 1/4 eingereichte Vereinbarung X. gefälscht oder verfälscht sei. Die Vernichtung des Originals der Vereinbarung X. aufgrund der digitalen Erfassung bei der Beschwerdegegnerin allein sei kein Indiz dafür, dass die Vereinbarung X. verfälscht oder gefälscht sei. Es sei handelsrechtlich zulässig, diese Unterlagen in digitaler Form aufzubewahren. Auch die Zivilprozessordnung gehe grundsätzlich davon aus, dass die Einreichung einer Kopie zum Beleg ausreiche. Die Unterschriftenseite der drei eingereichten Exemplare (ein Exemplar der Vereinbarung X. und zwei Exemplare der Vereinbarung Y.) unterscheide sich hinsichtlich der Schreibweise des Orts, des Datums und der Unterschriften. Hätte die Beschwerdegegnerin die Vereinbarung X. nachträglich mit der Unterschriftenseite der Vereinbarung Y. «zusammengebastelt», wie der Beschwerdeführer mutmasse, so müsste die Unterschriftenseite der Vereinbarung X. mit einer anderen identisch sein, was jedoch nicht der Fall sei. Auch würden sich die Unterschriften des Beschwerdeführers leicht unterscheiden, weshalb diese auch nicht aus dem Exemplar der Beschwerdegegnerin der Vereinbarung Y. in die (angeblich zusammengebastelte) Vereinbarung X. hineinkopiert worden seien. An der Parteibefragung hätten der Beschwerdeführer und A., Geschäftsführer der Beschwerdegegnerin, divergierende Aussagen gemacht. Die Aussage des Beschwerdeführers, er habe nur die Vereinbarung Y. abgeschlossen, sei für sich allein kein Indiz für eine Fälschung der Vereinbarung X. Die Aussage von A., wonach er nur jenes Exemplar auf sämtlichen Seiten unterzeichne, welches an die Gegenpartei gehe, werde durch das von der Beschwerdegegnerin eingereichte Exemplar der Vereinbarung Y. bestätigt. A. habe zudem plausibel und nachvollziehbar erklärt, dass der Beschwerdeführer persönlich mit einer Konventionalstrafe belastet worden sei, ansonsten es für ihn als Softwareentwickler ein Leichtes wäre, eine neue Gesellschaft zu gründen und die Beschwerdegegnerin zu konkurrenzieren. Die vom Beschwerdeführer angeführte sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung gehe an der Sache vorbei, da es im Zivilprozess gemäss Art. 180 Abs. 1 ZPO gerade zulässig sei, den Beweis mittels (vermutungsweise echter) Kopien zu führen. Aufgrund all dieser Umstände bestünden – wenn überhaupt – lediglich theoretische, aber keine begründeten Zweifel an der Echtheit der Vereinbarung X.

3.1 Dagegen bringt der Beschwerdeführer zunächst vor, die Vorinstanz habe Art. 178 und Art. 180 ZPO verletzt sowie Art. 9 der Verordnung über die Führung und Aufbewahrung der Geschäftsbücher (GeBüV) missachtet. Sie habe unbeachtet gelassen, dass Art. 180 ZPO wörtlich von «Kopien» von Beweisurkunden spreche. Vorliegend sei mit Vi act. 1/4 (Vereinbarung X.) jedoch nicht die Kopie einer Originalurkunde, sondern die reproduzierte Kopie einer Datei eingereicht worden. Die Beschwerdegegnerin habe im Zuge der Digitalisierung sämtliche Dokumente elektronisch archiviert und die Originale vernichtet. Bei der als Vi act. 1/4 eingereichten Urkunde handle es sich demnach nicht um eine Kopie im Sinne von Art. 180 ZPO. Entsprechend könne sich die Beschwerdegegnerin auch nicht auf die gesetzliche Vermutung von Art. 178 ZPO berufen. Vielmehr müsse sie den Beweis für die Echtheit der behaupteten Urkunde erbringen. Im Übrigen sei die digitale Ablage im Handelsrecht an gewisse Voraussetzungen geknüpft, die in Art. 9 GeBüV umschrieben seien. Die von der Beschwerdegegnerin als Vi act. 1/4 eingereichte Vereinbarung erfülle diese Voraussetzungen nicht. Auch aus diesem Grund sei Vi act. 1/4 keine beweistaugliche Kopie einer Urkunde im Sinne von Art. 180 ZPO.

3.1.1 Gemäss Art. 180 Abs. 1 ZPO kann eine Urkunde in Kopie eingereicht werden. Das Gericht oder eine Partei kann die Einreichung des Originals oder einer amtlich beglaubigten Kopie verlangen, wenn begründete Zweifel an der Echtheit bestehen. Mit dieser Bestimmung regelt das Gesetz den in der Praxis längst eingebürgerten und unbestrittenen Grundsatz, wonach Urkunden in Kopie eingereicht werden können. Grundsätzlich sind Original und Kopie hinsichtlich ihres Informationsgehalts gleichwertig. Gleichwertig sind sie auch in Bezug auf ihre Beweismitteleigenschaft, da im gewöhnlichen Geschäftsverkehr auch Kopien Beweiseignung zukommt. Der Begriff der Kopie umfasst gleichermassen die klassische Fotokopie, den Ausdruck von eingescannten Papierdokumenten sowie den Ausdruck von sonstigen elektronischen Dateien, namentlich E-Mails. Gleich dem Originaldokument unterliegt auch die eingereichte Kopie der freien Beweiswürdigung durch das Gericht (Rüetschi, Berner Kommentar, 2012, Art. 180 ZPO N 4 ff.). Elektronische Kopien können sogar Originalqualität haben, insbesondere wenn ihre Archivierung dem handelsrechtlichen Standard entspricht. Gelingt einer Partei der Nachweis dieses Standards, wird die Frage «Original oder Kopie» in aller Regel obsolet (Hasenböhler/Yañez, Das Beweisrecht der ZPO, Die Beweismittel, 2019, Rn 5.68 f.; vgl. zum Ganzen: Botschaft des Bundesrates zur Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 28. Juni 2006, S. 7323; Gasser/Rickli, Schweizerische Zivilprozessordnung, Kurzkommentar, 2. A. 2014, Art. 180 ZPO N 1 f.).

3.1.2 Wie die Beschwerdegegnerin in der Replik vom 21. Juni 2018 ausführte, wurden sämtliche Dokumente der Beschwerdegegnerin im Zuge der Digitalisierung elektronisch archiviert und die Originale vernichtet. Aus diesem Grund war die Beschwerdegegnerin ausser Stande, ein Original der Vereinbarung X. einzureichen. Mit der Klage reichte sie daher einen Papierausdruck der eingescannten Originalvereinbarung X. zu den Akten (vgl. Vi act. 1/4). Solche Ausdrucke von eingescannten Papierdokumenten sind – wie soeben in E. 3.1.1 dargelegt – nach der ZPO herkömmlichen Kopien gleichgestellt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich demnach bei der von der Beschwerdegegnerin als Vi act. 1/4 eingereichten Vereinbarung X. um eine Kopie im Sinne von Art. 180 Abs. 1 ZPO und nicht bloss um eine «reproduzierte Kopie einer Datei». Dementsprechend kann sich die Beschwerdegegnerin auch auf die gesetzliche Vermutung von Art. 178 ZPO berufen (wonach eine Partei, die sich auf eine Urkunde beruft, deren Echtheit zu beweisen hat, sofern die Echtheit von der andern Partei bestritten wird; die Bestreitung muss ausreichend begründet werden). Die Rüge der Verletzung von Art. 178 ZPO und Art. 180 ZPO ist daher unbegründet.

(…)

Obergericht, II. Beschwerdeabteilung, Urteil vom 24. Oktober 2019 (BZ 2019 44)

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