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Art. 322 OR

Regeste:

Art. 322 OR – Eine arbeitsvertragliche Vereinbarungwonach dem Arbeitnehmer ein höherer Fixlohn unter der Bedingung ausbezahlt wird, dass er das Arbeitsverhältnis bis zu einem bestimmten Datum nicht kündigen darf, ist zulässig (Erw. 6). Die Arbeitnehmerin wurde im vorliegenden Fall dazu verpflichtet, zu viel erhaltenen Lohn an die Arbeitgeberin zurückzuzahlen (Erw. 7).

Aus dem Sachverhalt:

1. Mit Vertrag vom 1. Februar 2015 begründeten die Parteien ein Arbeitsverhältnis, bei welchem die Klägerin und Widerbeklagte (nachfolgend «Klägerin») für die Beklagte und Widerklägerin (nachfolgend «Beklagte») als Handelsreisende tätig war. Am 15. September 2015, 12. Oktober 2016 und 28. Februar 2017 unterzeichneten die Parteien drei «Addenda» zum Arbeitsvertrag. Am 8. Mai 2017 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis per 31. Juli 2017 (act. 1 S. 3 f.; act. 6 S. 5 und S. 9).

2. Am 18. August 2017 reichte die Klägerin bei der Schlichtungsbehörde Arbeitsrecht gegen die Beklagte ein Schlichtungsgesuch ein und begründete damit die Rechtshängigkeit (Art. 62 Abs. 1 ZPO). Am 6. November 2017 erteilte die Schlichtungsbehörde Arbeitsrecht der Klägerin die Klagebewilligung (act. 1/2).

3. Am 24. Januar 2018 erhob die Klägerin beim Kantonsgericht Zug, Einzelrichter, Klage gegen die Beklagte (act. 1). Die Beklagte erhob in ihrer Klageantwort vom 26. April 2018 Widerklage und stellte das eingangs aufgeführte Rechtsbegehren (act. 6). Mit ihrer Replik und Widerklageantwort vom 4. Juli 2018 stellte die Klägerin die eingangs aufgeführten Anträge (act. 10). In der Duplik/Widerklagereplik vom 17. September 2018 (act. 13) bzw. der Widerklageduplik vom 29. Oktober 2018 (act. 17) hielten die Parteien an ihren Anträgen fest.

4. Mit Eingabe vom 11. Dezember 2018 edierte die Klägerin ihren Arbeitsvertrag mit der neuen Arbeitgeberin (act. 20/15) und teilte mit, dass sie während der Kündigungsfrist kein Einkommen bei Dritten erwirtschaftet habe (act. 20).

5. Mit ihren Eingaben vom 24. Januar 2019 (act. 22) bzw. 29. Januar 2019 (act. 23) verzichteten beide Parteien auf eine Hauptverhandlung und reichten ihre Honorarnoten zu den Akten (act. 25 und 26).

Aus dem Erwägungen:

6. Die Klägerin bringt vor, dass sie Anspruch auf einen Jahresbruttolohn von CHF 57'600.– im Jahr 2016 bzw. einen anteiligen Bruttolohn von CHF 33'600.– für das Jahr 2017 gehabt habe (act. 1 S. 6). Die Beklagte macht hingegen geltend, dass die Klägerin das Arbeitsverhältnis vor dem 31. Dezember 2017 einseitig gekündigt habe und deshalb nur der Jahresbruttolohn gemäss Addendum 3 (Fixlohn plus Provision von 5 %) geschuldet sei, welcher im Jahr 2017 brutto CHF 27'573.53 betragen habe (act. 6 S. 14; act. 6/13). Zwischen den Parteien ist dabei einzig streitig, ob die Bedingung, dass die Klägerin das Arbeitsverhältnis für die Bezahlung des höheren Fixlohnes bis zu einem bestimmten Datum nicht künden darf, zulässig war. Die Höhe des höheren oder tieferen Lohns sowie die diesbezüglichen Berechnungen der Beklagten (act. 1/11 und 1/13) sind hingegen nicht strittig (act. 6 S. 13 f.; act. 10 S. 11).

Die Parteien haben im Arbeitsvertrag vom 1. Februar 2015 (act. 1/4) einen monatlichen Fixlohn von CHF 3'166.67, eine Provision von 5 % sowie einen 13. Monatslohn unbestrittenermassen gültig vereinbart. Im Addendum 1 vom 15. September 2015, dem Addendum 2 vom 12. Oktober 2016 und dem Addendum 3 vom 28. Februar 2017 (act. 1/5, 1/7 und 1/8) haben die Parteien sodann einen Mindest-Bruttolohn von CHF 57'600.– vereinbart, soweit erstens die Klägerin aufgrund tiefer Umsatzzahlen nicht diese Lohnhöhe erreicht und zweitens die Klägerin das Arbeitsverhältnis nicht bis zu einem bestimmten Datum einseitig kündigt. Im Addendum 3 wurde dies wie folgt formuliert (act. 1/8):

«Lohn Brutto:

+ Fixlohn Brutto (Fix CHF 3'166.67)
+ Bonus (Variabel 5 %)
+ 13. Monatslohn (Variabel 1 % [gem. Zielerreichungsgrad])
= Jahres-Bruttolohn

Der Arbeitgeber garantiert dem Arbeitnehmer für den Zeitraum 01.01.2015 – 31.12.2017 einen Jahres-Mindest-Bruttolohn in der Höhe von CHF 57'600.–. Falls das Arbeitsverhältnis vorher aufgelöst wird, gilt diese Vereinbarung nur bis spätestens zum Austrittsdatum des Arbeitnehmers.

Es erfolgt eine entsprechende monatliche Lohnabrechnung mit Total-Korrektur in der Dezember 2016 und Dezember 2017 Abrechnung (CHF 57'600.– bzw. +/- IST Bruttolohn).

Bedingung: Dieser Jahres-Mindest-Bruttolohn wird unter der ausdrücklichen Bedingung vereinbart, dass der Arbeitnehmer nicht einseitig bis 31.12.2017 kündet. Ansonsten wird der Bruttolohn rückwirkend gemäss 'Lohn Brutto bisher' berechnet und eine allfällige Differenz von den letzten Lohnabrechnungen in Abzug gebracht.»

Die Klägerin hat unbestrittenermassen die Lohnhöhe von CHF 57'600.– (brutto) mit dem ursprünglichen Lohnmodell sowohl im Jahr 2016 als auch im Jahr 2017 nicht erreicht (act. 1/11 und 1/13). Somit ist fraglich, ob die Parteien die Ausrichtung eines höheren Lohnes von der Bedingung abhängig machen durften, dass die Klägerin bis zu einem bestimmten Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis nicht kündigt.

6.1 Der Lohn ist ein wesentliches Element des Arbeitsvertrages (Art. 319 Abs. 1 OR; Rehbinder/Stöckli, Berner Kommentar, 2010, Art. 322 OR N 2). Es ist daher gemäss konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung unzulässig, den Lohnanspruch als solchen etwa von der Bedingung abhängig zu machen, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Fälligkeit noch im Betrieb arbeitet oder sich in ungekündigter Stellung befindet (Urteil des Bundesgerichts 4C.426/2005 vom 28. Februar 2006 E. 5.2.1; Urteil des Bundesgerichts 4C.395/2005 vom 1. März 2006 E. 5.3). Die Höhe des Lohnes kann hingegen unfraglich an Bedingungen geknüpft werden, so namentlich die im Gesetz vorgesehene Anknüpfung an das Geschäftsergebnis (Art. 322a OR) oder die Erreichung gewisser Zielvorgaben in Form einer Provision (Art. 322b OR). Das Gesetz kennt mit Art. 322b Abs. 3 OR auch eine explizite Regelung, wonach sich die Höhe des Lohnanspruchs bei Eintritt einer Bedingung nachträglich verringern kann. Eine generelle Bedingungsfeindlichkeit bei der Vereinbarung der Lohnhöhe ist somit bereits durch die gesetzliche Konzeption ausgeschlossen. Die Vereinbarung einer von Bedingungen abhängigen Lohnhöhe verstösst auch nicht gegen Art. 341 OR, da auf den Lohn nachträglich verzichtet werden kann, soweit damit nicht zwingende Gesetzesbestimmungen wie die Lohnfortzahlungspflicht umgangen werden sollen (BGE 124 II 436 E. 10e/aa.; Reinert, Variable Gehaltssysteme aus arbeitsrechtlicher Sicht, AJP 1/2009 S. 6) und die Parteien die Lohnhöhe per sofort und für die Zukunft vermindern können, solange dieser nicht ganz entfällt (BGE 123 III 246 E. 3b; Reinert, a.a.O., S. 5).

Der Gesetzgeber hat sodann verschiedene Schutzbestimmungen für bedingte Lohnmodelle erlassen, welche – soweit ersichtlich – auch für andere Bedingungen bezüglich der Lohnhöhe anzuwenden sind. So ist analog zur Regelung in Art. 349a Abs. 2 OR sicherzustellen, dass auch bei einer bedingten Lohnhöhe die Vergütung der Höhe nach für die Tätigkeit angemessen ist (Reinert, a.a.O., S. 6; vgl. zur diesbezüglichen Diskussion bei einer Gewinn- und Verlustbeteiligung Portmann/Rudolph, Basler Kommentar, 6. A. 2015, Art. 322a OR N 5; Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 322a OR N 8). Auch darf der Arbeitgeber mit der Vereinbarung eines variablen Lohnes das Betriebsrisiko nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen (Morf, Lohn und besondere Vergütungsformen im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis, 2011, Nr. 518; Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 322a OR N 8; Reinert, a.a.O., S. 5) und die Vereinbarung nicht zu einem Verstoss gegen das Truck-Verbot führen, indem die Verwendung des Lohnes im Sinne des Arbeitgebers vorgeschrieben wird (vgl. Art. 323b Abs. 3 OR; Reinert, a.a.O., S. 5).

Die Parteien haben in den Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag (act. 1/5, 1/7 und 1/8) vereinbart, dass die Klägerin einen jährlichen Bruttolohn von CHF 57'600.– erhalte, wenn sie mit der ursprünglichen Lohnvereinbarung nicht diese Lohnhöhe erreiche und das Arbeitsverhältnis nicht bis zu einem bestimmten Datum kündige. Ausbildungskosten und ein Anspruch auf Ausbildung durch die Arbeitgeberin wurden nicht vereinbart. Diese Abmachung zwischen den Parteien ist somit klar als Lohn zu qualifizieren und stellt nicht eine Übernahme von Ausbildungskosten dar, wie dies die Beklagte vorbringt (vgl. act. 13 S. 8 ff.). Die vorliegende Lohnvereinbarung betrifft zudem unbestrittenermassen nicht die Ausrichtung einer Bonuszahlung, weshalb die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den Bedingungen bei Bonuszahlungen ebenfalls nicht anwendbar ist. Vielmehr stellt die Vereinbarung zwischen den Parteien eine Vereinbarung über die Lohnhöhe dar (so auch die Klägerin, in: act. 10 S. 11), welche grundsätzlich an Bedingungen geknüpft werden darf.

6.2 Die Klägerin macht geltend, dass vorliegend dennoch die oben zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung der Bedingungsfeindlichkeit von Bonusvereinbarungen anzuwenden sei (act. 10 S. 11 und 13, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung betrifft die Frage, ob trotz Kündigung ein pro-rata-Anspruch eines vereinbarten Bonus mit Lohncharakter besteht oder der Bonus bei einer Kündigung während des vereinbarten Zeitraums entfallen kann (Urteil des Bundesgerichts 4C.426/2005 vom 28. Februar 2006 E. 5.2.1; Urteil des Bundesgerichts 4C.395/2005 vom 1. März 2006 E. 5.3). In der Lehre wurde die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum bedingten Bonus mit Lohncharakter stark kritisiert (Reinert, a.a.O., S. 6; Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 322d N 9 m.w.H), aber in der Rechtsprechung im Bereich der Bonuszahlungen trotz der Ungereimtheiten angewandt (Beschluss des Obergerichts Zürich VV130013-O/U vom 15. Mai 2014 E. 3.4 m.w.H.). Dabei gilt zu beachten, dass diese Rechtsprechung Klauseln betrifft, welche als Bedingung ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis enthalten, also auch eine Kündigung durch den Arbeitgeber den Wegfall des Lohnbestandteils bewirken könnte. Zudem bezieht sich die Rechtsprechung nur auf Vereinbarungen, bei welchen nach Eintritt der Bedingung überhaupt kein Anspruch auf Lohn bzw. auf den Lohnbestandteil mehr bestanden hätte. Vorliegend betrifft die Bedingung jedoch nur die Kündigung durch die Arbeitnehmerin und entzieht somit der Bedingung ein Willkürelement. Zudem steht vorliegend nicht der Wegfall des Lohnes oder eines Lohnbestandteils zur Diskussion, sondern nur eine Veränderung der Lohnhöhe. Eine direkte Anwendung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu bedingten Bonusvereinbarungen auf die vorliegende Situation wäre deshalb nicht sachgerecht. Inwieweit diese Rechtsprechung zu den Bonuszahlungen den Anspruch auf Lohn in anderen Bereichen berühren mag, ist hingegen bisher unklar (Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 322b N 2 m.H.). Da die Lohnhöhe jedoch unfraglich an Bedingungen geknüpft werden darf, ist zumindest dann von der Zulässigkeit von Bedingungen bezüglich der Lohnhöhe auszugehen, wenn die Vereinbarung trotz der Bedingung (1) eine angemessene Vergütung für die Tätigkeit sicherstellt, (2) nicht das Betriebsrisiko auf die Arbeitnehmerin abwälzt und (3) nicht die Verwendung von Lohn im Sinne des Arbeitgebers vorschreibt (siehe vorne E. 6.1).

Die Parteien haben zu Beginn des Arbeitsverhältnisses einen Lohn vereinbart, welcher aus einem Fixanteil und einer Provision besteht (act. 1/4). Beide Parteien scheinen somit davon ausgegangen zu sein, dass das vereinbarte Lohnmodell eine angemessene Vergütung sicherstellt. Die Klägerin hat nach dieser Vereinbarung im Jahr 2016 CHF 45'478.19 brutto verdient (act. 6/11). Dies ergibt einen Bruttolohn von rund CHF 3'790.00 pro Monat im Jahr 2016. Die Klägerin macht nicht geltend, dass dieser Lohn keine angemessene Vergütung darstellen würde. Da die Klägerin als Quereinsteigerin im Aussendienst tätig war (act. 10 S. 5), ist der von ihr erzielte Lohn auch mit Blick auf die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen nicht offensichtlich unangemessen (vgl. etwa BGE 129 III 664, wo ein Lohn von CHF 3'830.– für eine noch unerfahrene Finanzberaterin als angemessen beurteilt wurde; sowie Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 349a OR N 4 mit weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung). Die von den Parteien vereinbarte Bedingung lag zudem vollständig im Einflussbereich der Klägerin, da nur eine Kündigung von ihrer Seite einen tieferen Lohn zur Folge hatte. Es ist somit auch nicht ersichtlich, dass mit dieser Vereinbarung das Geschäftsrisiko auf die Klägerin geschoben würde. Ebenso fehlen Anhaltspunkte, dass das Truck-Verbot damit verletzt würde. Die Vereinbarung der Parteien, dass die Lohnhöhe von Bedingungen abhängig ist, ist somit grundsätzlich zulässig.

6.3 Die Klägerin macht gegen die Vereinbarung geltend, dass sie aufgrund der Rückwirkung bis am 1. Januar 2016 in ihrer wirtschaftlichen Freiheit zu stark eingeschränkt gewesen sei (act. 10 S. 6). Die Beklagte bringt dagegen vor, dass es sich bei den Nachteilen der Klägerin einzig um finanzielle Nachteile gehandelt habe, welche sie durch ihr eigenes Verhalten habe steuern können. So hätte sie jederzeit die Unterzeichnung eines neuen Addendums verweigern können. Auch habe die Klägerin nach wie vor ein jederzeitiges Kündigungsrecht gehabt, welches sie für eine lukrativere Stelle auch genutzt habe. Sie müsse nun halt auch die wirtschaftlichen Folgen dieser Entscheidung tragen. Die Beklagte habe die Klägerin trotz tiefer Umsatzzahlen und entgegen der Vereinbarung mit den übrigen Aussendienstmitarbeitenden unterstützt, um ihr den Einstieg zu erleichtern, und habe deshalb sicherstellen wollen, dass sich diese vorgeschossenen Kosten dann wenigstens langfristig lohnen würden. Die Abmachung habe die Klägerin denn auch nicht mehr eingeschränkt, als dies in den gängigen Ausbildungsvereinbarungen, bei welchen bei früherer Kündigung Ausbildungskosten zurückerstattet werden müssen, üblich sei (act. 13 S. 8 f.).

Nach Art. 27 Abs. 2 ZGB kann sich niemand seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. Diese Bestimmung sichert im rechtsgeschäftlichen Bereich die Voraussetzungen für die Ausübung der Privatautonomie und unterbindet gleichzeitig ihren exzessiven Gebrauch bzw. beschränkt ihn auf ein zulässiges Mass. Nicht nur unmögliche, rechts- und sittenwidrige, sondern auch persönlichkeitsrechtswidrige Verträge sind unzulässig (Huegenin/Reitze, Basler Kommentar, 5. A. 2014, Art. 27 ZGB N 1). Geht es um die Freiheit in der wirtschaftlichen Betätigung, ist das Bundesgericht zurückhaltend in der Annahme eines Verstosses gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB. So ist es niemandem verboten, sich über seine finanziellen Kräfte hinaus zu verpflichten (BGE 95 II 58). Eine vertragliche Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit wird nur dann als übermässig angesehen, wenn sie den Verpflichteten der Willkür eines anderen ausliefert, seine wirtschaftliche Freiheit aufhebt oder in einem Masse einschränkt, dass die Grundlagen seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet sind (BGE 143 III 480 E. 5.4 m.w.H.; Huegenin/Reitze, a.a.O., Art. 27 ZGB N 14).

Im vorliegend relevanten Addendum 3 vom 28. Februar 2017 (act. 1/8) haben die Parteien vereinbart, dass die Klägerin ihren Anspruch auf den höheren Fixlohn für die Jahre 2016 und 2017 verliert, wenn sie das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Dezember 2017 kündigt. Die Regelung der Rückwirkung im Addendum 3 betrifft somit die wirtschaftliche Freiheit der Klägerin, da eine Kündigung bis zu einem gewissen Zeitpunkt wirtschaftliche Einbussen mit sich bringt. Die vorliegende Regelung ist dabei jedoch nicht übermässig im Sinne von Art. 27 Abs. 2 ZGB. Sie überlässt die Auslösung der wirtschaftlichen Einbussen der alleinigen Verfügungsmacht der Klägerin, indem nur die Kündigung von ihrer Seite einen tieferen Lohn zur Folge hat. Die Klägerin war somit zu keinem Zeitpunkt der Willkür einer anderen Person ausgeliefert. Ebenso wurde ihre wirtschaftliche Freiheit nicht aufgehoben, da sie mit der Kündigung immer noch Anspruch auf einen angemessenen Lohn hatte (vgl. vorne E. 6.2). Entsprechend wurde mit dieser Vereinbarung auch nicht die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Vereinbarung nur jeweils einen relativ kurzen Zeitraum von maximal einem Jahr (act. 1/5) vorsah, während welchem die Klägerin bei einer Kündigung einen tieferen Lohn erhalten würde. Die Klägerin handelte somit innerhalb ihrer Privatautonomie, als sie das Addendum 1 vom 15. September 2015 mit dem Addendum 2 vom 12. Oktober 2016 und dann nochmals dem Addendum 3 vom 28. Februar 2017 verlängerte. Entsprechend ist es unter Art. 27 Abs. 2 ZGB unbedenklich, dass sie so ein grösseres Risiko von Lohneinbussen einging. Die Klägerin behauptet zu Recht nicht, dass sie bei der Verlängerung unter Druck gestanden hätte oder ihr bei Nichtunterzeichnung die Kündigung angedroht worden wäre. Die Vereinbarung, dass bei einer Kündigung der Lohn auch rückwirkend reduziert wird, schränkte die Klägerin in ihrer wirtschaftlichen Freiheit somit nicht übermässig ein. Auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 27 ZGB ist die Vereinbarung zwischen den Parteien somit zulässig.

6.4 Ergänzend ist anzumerken, dass die Klägerin selbst dann nicht Anspruch auf einen höheren Lohn hätte, wenn die vorliegende Vereinbarung einer Bedingung nicht zulässig gewesen wäre. Die Parteien haben den Lohn im Arbeitsvertrag gültig vereinbart (act. 1/4) und diesen durch die Nachträge 1, 2 und 3 (act. 1/5, 1/7 und 1/8) verändert, wobei die Bedingung nur in den Nachträgen enthalten war. Nach Art. 20 Abs. 2 OR ist bei Nichtigkeit einzelner Teile eines Vertrages der ganze Vertrag nichtig, sobald anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. Die Beklagte hat dabei dargelegt, dass sie nicht bereit gewesen wäre, den höheren Lohn zu bezahlen, wenn damit nicht eine Mindestverweildauer der Klägerin als Arbeitnehmerin verbunden gewesen wäre (act. 13 S. 8). Sie selbst hätte nur schon aus Gründen der Gleichbehandlung mit den anderen Aussendienstmitarbeitenden nicht eine bedingungslose Lohnerhöhung vereinbaren wollen (act. 13 S. 9). Die Bedingung, dass die Klägerin das Arbeitsverhältnis nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt kündigt, war die einzige Gegenleistung der Klägerin für den höheren Lohn (act. 1/8). Auch macht die Klägerin nicht geltend, dass für die Beklagte ihre Arbeitsleistung (z.B. wegen Erfahrung oder Beziehungen zu Kunden) besonders wichtig gewesen wäre oder die Klägerin das Arbeitsverhältnis ohne garantierten höheren Lohn gekündigt hätte. Auch andere Gründe, weshalb die Beklagte eine Lohnerhöhung ohne die strittige Bedingung hätte gewähren sollen, sind nicht ersichtlich. Es ist daher mit der Beklagten davon auszugehen, dass sie keinen höheren garantierten Lohn vereinbart hätte, wenn dieser bei einer frühzeitigen Kündigung durch die Klägerin nicht wegfallen würde. Gemäss Art. 20 Abs. 2 OR wäre somit im Falle der Nichtigkeit der Bedingungsabrede nicht nur diese Bedingung, sondern der gesamte Nachtrag betreffend Lohnhöhe nichtig. Ohne diese zusätzliche Vereinbarung gälte somit die ursprüngliche Lohnvereinbarung gemäss Arbeitsvertrag (act. 1/4). Entsprechend hätte die Klägerin auch dann nur Anspruch auf den ursprünglich vereinbarten Lohn, wenn die von den Parteien vereinbarte Bedingung der Nicht-Kündigung durch die Klägerin unzulässig gewesen wäre.

6.5 Die Klägerin hat somit Anspruch auf den (tieferen) Lohn gemäss dem ursprünglichen Arbeitsvertrag vom 1. Februar 2015 (act. 1/4, bestätigt in act. 1/5, 1/7 und 1/8). Die Berechnung des Lohns für die Jahre 2016 und 2017 durch die Beklagte hat sie nicht bestritten (act. 6 S. 13 f.; act. 10 S. 11). Für das Jahr 2016 hat die Klägerin somit einen Lohnanspruch von netto CHF 40'766.09, für das Jahr 2017 einen solchen von netto CHF 25'682.29 (vgl. act. 6/11 und act. 6/13; act. 6 S. 13 f.). Dies ergibt einen Lohnanspruch der Klägerin von insgesamt CHF 66'448.38 netto für den vorliegend strittigen Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Juli 2017. Da die Beklagte der Klägerin in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt CHF 73'300.– als Lohn ausbezahlt hat (CHF 52'800.– im Jahr 2016 und CHF 20'500.– im Jahr 2017; act. 6/11 und 6/13), besteht kein Lohnanspruch der Klägerin mehr. Die Klage ist deshalb abzuweisen.

7. Die Beklagte macht widerklageweise geltend, dass ihr die Klägerin CHF 6'503.95 des zu viel bezahlten Lohns zurückzahlen müsse (exkl. Entschädigung für die privat gefahrenen Kilometer, vgl. vorne E. 4). Aufgrund der Kündigung der Klägerin betrage der Lohn für das Jahr 2016 neu CHF 45'478.– (brutto, exkl. Spesen), die Beklagte habe ihr deshalb – abzüglich Sozialversicherungsbeiträge – CHF 11'134.95 netto zu viel bezahlt. Im Jahr 2017 habe die Beklagte CHF 20'050.00 netto bezahlt, wobei die Klägerin einen Lohnanspruch von netto CHF 25'682.30 gehabt habe. Mithin entstehe eine Differenz zugunsten der Klägerin von CHF 5'182.30. Hinzu kämen CHF 551.30 an zu viel bezahlten Vorschüssen. Insgesamt stehe der Beklagten deshalb noch ein Anspruch gegen die Klägerin von CHF 6'503.95 zu (act. 6 S. 13 f.). Die Klägerin bestreitet die Berechnungen der Beklagten nicht (act. 10 S. 11), weshalb von diesen auszugehen ist.

7.1 Die Klägerin bringt gegen die Widerklage vor, dass die Beklagte sich die Geltendmachung des zu viel bezahlten Lohns nicht bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses vorbehalten habe, weshalb der Anspruch verwirkt sei (act. 17 S. 3 f.).

Wie oben (E. 4) dargelegt, enthält das Gesetz keine Vorschrift, wonach Forderungen des Ar-beitgebers generell mangels Geltendmachung oder Vorbehalt vor der Auflösung des Arbeitsverhältnisses verwirkt wären. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann der Arbeit-nehmer beispielsweise von einem Verzicht ausgehen, wenn es der Arbeitgeber unterlässt, ihm bekannte Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, insbesondere unter vorbehaltloser Auszahlung des letzten Lohnes (Urteil des Bundesgerichts 4A_351/2011 vom 5. September 2011 E. 2.2; BGE 110 II 344 E. 2b; Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 321e OR N 14).

Aus dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann die Klägerin vorliegend jedoch nichts für sich ableiten. Die Beklagte hat den letzten Lohn gerade nicht vorbehaltslos ausbezahlt, sondern ab der Kündigung keinen Lohn mehr bezahlt und damit drei Monatslöhne mit ihren Forde-rungen verrechnet (act. 6 S. 14; act. 6/13). Andere Umstände, wonach die Klägerin nach Treu und Glauben von einem Verzicht hätte ausgehen dürfen, werden von ihr nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Es liegt somit kein Verzicht der Beklagten auf ihre Rückforderungsansprüche vor.

7.2 Die Klägerin bringt weiter vor, dass sie die bereits erhaltenen Lohnzahlungen natürlich längst verbraucht habe und diese somit auch nicht mehr zurückerstatten könne (act. 10 S. 6 und S. 9), was von der Beklagten nicht bestritten wurde (act. 13 S. 8 ff.). Dieses Vorbringen ist als Einre-de der Entreicherung (Art. 64 OR) zu werten, welche nur im Rahmen eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs vorgebracht werden kann.

Das Bundesgericht hat in BGE 126 III 119 klargestellt, dass in einem Arbeitsverhältnis die Rückzahlung von zu hohen Akontozahlungen eine vertragliche Pflicht darstelle und deshalb nicht unter das Bereicherungsrecht falle. Für das Gericht entscheidend war dabei, dass die Parteien ausdrücklich Akontozahlungen und eine Abrechnungspflicht vorgesehen hatten und sich somit der Rückforderungsanspruch aus dem Vertrag selbst ergeben habe (BGE 126 III 119 E. 3c; Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 322a N 12). Die Rückforderung von zu viel bezahltem Lohn untersteht ansonsten nach herrschender Lehre den bereicherungsrechtlichen Regeln von Art. 62 ff. OR (Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 322 N 13 m.w.H.). Nach Art. 64 OR kann dabei die Rückforderung der Bereicherung nicht gefordert werden, soweit der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hierbei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste. Hat der Bereicherte das rechtsgrundlos Erlangte für etwas verwendet, was er auch sonst aus eigenen Mitteln getätigt hätte, so hat er dies bei seinen Ausgaben erspart. Man spricht hierbei von einer sog. Ersparnisbereicherung. Das hat zur Folge, dass der Einwand des Wegfalls der Bereicherung entfällt. Soweit der Bereicherungsschuldner das Erlangte «nur» für seinen Lebensunterhalt ausgegeben hat, ist daher nicht vom Wegfall der Bereicherung auszugehen (BGE 61 II 12 E. 4; Oberhammer/ Fraefel, Kurzkommentar, 2014, Art. 64/65 OR N 8; Schulin, Basler Kommentar, a.a.O., Art. 64 OR N 5 m.w.H.).

Die Klägerin musste bereits aufgrund des Wortlauts der Addenda 1, 2 und 3 mit einer Rückerstattung des höheren Lohnes rechnen, soweit sie innerhalb des vereinbarten Zeitraums eine Kündigung in Betracht zog. Bereits deshalb wäre die Einrede des Wegfalls der Bereicherung nicht zu berücksichtigen. Die Klägerin führte ausserdem aus, sie habe den (höheren) Lohn lediglich für Miete, Steuern, Krankenkasse sowie Kleider und Verpflegung verwendet. Für Urlaub habe das Einkommen nie gereicht (act. 10 S. 5). Sie hat den von der Beklagten nun zurückgeforderten höheren Lohn somit ausschliesslich für ihren Lebensunterhalt verwendet, weshalb die Einrede der Entreicherung auch deshalb ausgeschlossen ist. Somit ist auch nicht zu entscheiden, ob der hier zu beurteilende Rückforderungsanspruch vertraglicher oder bereicherungsrechtlicher Natur ist. Da die Klägerin mit der Rückerstattung des höheren Lohnes rechnen musste und das Geld für ihren Lebensunterhalt verbraucht hat, kann die Einrede der Entreicherung ohnehin bei beiden Qualifikationen nicht berücksichtigt werden.

7.3 Die Beklagte hat somit einen Anspruch gegen die Klägerin auf Zahlung von CHF 6'503.95. Die Beklagte macht zudem Zins zu 5 % seit dem 1. August 2017 geltend. Das Arbeitsverhältnis wurde per 31. Juli 2017 beendet. Nach Art. 339 Abs. 1 OR werden mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig. Die Verzinsung als Verzugsfolge setzt sodann mit dem Ablauf der Kündigungsfrist ein (Urteil des Bundesgerichts 4C.67/2005 vom vom 4. Mai 2005 E. 2.3). Die Klägerin hat somit Verzugszins zu 5 % seit dem 1. August 2017 zu bezahlen.

Entscheid des Kantonsgerichts vom 11. März 2019 (EV 2018 22)

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