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§ 8 Abs. 3 EG BGFA

Art. 12 lit. a BGFA

Regeste:

Art. 12 lit. a BGFA – Rechtsanwälte sind in erster Linie verpflichtet, die Interessen ihrer Klienten bestmöglich zu vertreten. Die Parteilichkeit rechtfertigt allerdings nicht die Anwendung sämtlicher Mittel. Insbesondere hat der Rechtsanwalt alles zu unterlassen, was die Vertrauenswürdigkeit der Anwaltschaft in Frage stellt. Er hat daher exzessive Angriffe auf die Gegenpartei zu unterlassen. Ein unnötig forsches und unangebracht hartes Vorgehen entspricht in der Regel nicht dem Gebot der sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung.

Aus den Erwägungen:

1.1. Gemäss Art. 12 lit. a BGFA haben die Rechtsanwälte ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben. Diese Verpflichtung bezieht sich auf sämtliche Handlungen des Rechtsanwalts und erfasst sowohl die Beziehung zum eigenen Klienten wie auch Kontakte mit der Gegenpartei oder Behörden (BGE 130 II 270 E. 3.2; Urteil des Bundesgerichts 2C_620/216 vom 30. November 2016 E. 2.1). Ob ein Verhalten nicht mehr als sorgfältige und gewissenhafte Berufsausübung gewertet werden kann richtet sich danach, ob die zur Diskussion stehende Verfehlung über ihre Auswirkung im Einzelfall hinaus geeignet ist, das Vertrauen in die Kompetenz und Integrität der Anwaltschaft zu beeinträchtigen und damit die Funktion der Anwaltschaft im System der Rechtspflege zu stören (Fellmann, in: Fellmann/Zindel [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. A. 2011, Art. 12 BGFA N 12).

1.2. Zwar sind Rechtsanwälte in erster Linie verpflichtet, die Interessen ihrer Klienten bestmöglich zu vertreten. Sie vertreten Parteiinteressen und sind daher notwendigerweise einseitig tätig. Sie sind daher auch nicht verpflichtet, stets das für die Gegenpartei mildeste Vorgehen zu wählen (BGE 130 II 270 E. 3.2.2). Rechtsanwälte dürfen im Interesse ihres Klienten daher durchaus energisch auftreten und sich je nach den Umständen auch pointiert ausdrücken. Rechtsanwälte sind zur Parteilichkeit, nicht zur Objektivität berufen (Urteil des Bundesgerichts 2C_103/2016 vom 30. August 2016 E. 3.2.1).

1.3. Die Parteilichkeit rechtfertigt allerdings nicht die Anwendung sämtlicher Mittel. Insbesondere hat der Rechtsanwalt alles zu unterlassen, was die Vertrauenswürdigkeit der Anwaltschaft in Frage stellt. Aufgrund seiner besonderen Stellung ist er zu einer gewissen Zurückhaltung verpflichtet und gehalten, einer Eskalation von Streitigkeiten entgegenzuwirken. Er hat daher exzessive Angriffe auf die Gegenpartei zu unterlassen. Ein unnötig forsches und unangebracht hartes Vorgehen des Rechtsanwalts entspricht in der Regel nicht dem Gebot der sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung und liegt auch nicht im Interesse des Klienten (Urteil des Bundesgerichts 2C_103/216 vom 30. August 2016 E. 3.2.2.; Fellmann, a.a.O., Art. 12 BGFA N 50). Für die Beurteilung, ob eine Verletzung von Berufspflichten vorliegt, ist eine Würdigung der Gesamtumstände ausschlaggebend (Entscheid der Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte des Kantons Basel-Stadt AK.2018.1 vom 18. März 2019, in: ius.focus 10/2019 S. 31).

1.4. Widerrechtliche Drohungen, Nötigungen oder Erpressungen bleiben in jedem Fall untersagt. Drohungen sind nur zulässig, wenn das angedrohte Mittel und das verfolgte Ziel je für sich erlaubt sind und zudem zwischen Mittel und Zweck ein sachlicher Zusammenhang besteht. Zwar ist es grundsätzlich erlaubt, jemandem eine Strafanzeige anzudrohen, wenn diese nicht völlig unbegründet erscheint; unzulässig ist die Drohung mit einer Strafanzeige indessen, wenn zwischen dem Straftatbestand, der angezeigt werden soll, und der gestellten Forderung jeder sachliche Zusammenhang fehlt oder wenn mit der Drohung eine ungerechtfertigte Zuwendung bezweckt wird (Fellmann, Anwaltsrecht, 2. A. 2017, Rz 290).

2.1. Im Lichte dieser Ausführungen ist der E-Mail-Verkehr des Verzeigten vom 17. September 2019 zu werten. Dass der Verzeigte per E-Mail die Forderung einer Mandantin geltend machte, ist per se nicht zu beanstanden. Zu beanstanden ist indessen, dass der Verzeigte mit seinem Anschreiben an A. X. und B. X. nicht nur das Ehepaar X., sondern auch deren Tochter A. in Anspruch nahm. So behauptet nicht einmal der Verzeigte, dass die Forderung auch ihr gegenüber bestanden hätte. Der Verzeigte setzte B. und A. X. sodann eine Frist von 5 Werktagen zur Zahlung an und drohte mit einer Zivilklage, aber auch mit einer «Strafanzeige wegen Betrugs u.a.», sollten sie sich nicht kooperativ zeigen. Schon dieses Vorgehen geht eindeutig zu weit. Unzulässig ist die Drohung mit einer Strafanzeige nämlich, wenn zwischen dem Straftatbestand, der angezeigt werden soll, und der gestellten Forderung jeder sachliche Zusammenhang fehlt (Fellmann, a.a.O., N 290). Der Verzeigte machte in seiner E-Mail geltend, es sei ein Teil einer Forderung noch nicht bezahlt worden, erwähnte jedoch keinerlei Umstände, welche auf einen Betrug gegenüber seiner Mandantin schliessen liessen. Hinzu kommt, dass der Verzeigte die Forderung noch um mehr als einen Drittel zufolge ebenfalls nicht begründeter, geschweige denn belegter Kosten und Gebühren erhöhte.

2.2. Völlig überzogen ist dann die nur wenige Stunden später nachgesetzte Drohung des Verzeigten, er werde den Arbeitgeber des Ehemanns «informieren und die Strafanzeige am Freitag, den 20.09.2019 einreichen wenn das Geld nicht sofort […] überwiesen wird». Zum einen besteht zwischen der Drohung und der Forderung weder ein personeller noch ein sachlicher Zusammenhang. Zum anderen droht der Verzeigte nunmehr damit, bereits drei Tage später Strafanzeige einzureichen, wenn das Geld nicht sofort überwiesen wird. Damit wurde der Ehemann der Schuldnerin offensichtlich ungebührlich unter Druck gesetzt, Zahlungen zu leisten. Die Informierung des Arbeitsgebers über (angebliche) finanzielle Probleme des Arbeitnehmers kann zu erheblichen Problemen bis hin zum Stellenverlust führen.

2.3. Nur eine halbe Stunde später kündigte der Verzeigte an: «Morgen geht es rund». Faktisch wurden dadurch B. und A. X. genötigt, eine die angebliche Forderung übersteigende Geldsumme umgehend zu bezahlen, anderenfalls Zivilklage, Strafanzeige und eine unliebsame Information des Arbeitgebers drohten. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch die sehr hohe E-Mail-Kadenz; innert Stunden wurde ein massiver Druck auf die Angehörigen der Schuldnerin aufgebaut. Die für einen Anwalt indiskutable Sprachwahl («völliger Quatsch», «Schulden machen und noch den Mund aufreissen», «Das ist doch eine Sauerei») runden das Bild ab.

2.4. Gemäss der unbestritten gebliebenen Darstellung des Anzeigeerstatters hat der Verzeigte schliesslich seine Drohung, mit dem Arbeitgeber von B. X. Kontakt aufzunehmen, wahrgemacht und diesem telefonisch mitgeteilt, B. X. schulde der Firma F. Geldbeträge. Damit hat der Verzeigte wiederum den Rahmen des Erlaubten klar überschritten.

3. Zusammenfassend ist festzustellen, dass das aggressive Vorgehen des Verzeigten die Grenze des Zulässigen deutlich überschreitet. Allein schon die Drohung, er werde den Arbeitgeber des Ehemannes der Schuldnerin für den Fall der nicht sofortigen Bezahlung informieren, muss als nötigend bezeichnet werden, da jeder personelle und sachliche Zusammenhang fehlt. Hinzu kommt, dass der Verzeigte in der Folge seine Drohung wahrgemacht hat. Auch die Drohung einer Strafanzeige wegen Betrugs war völlig unbegründet und damit unzulässig. Der Verzeigte hat daher gegen Art. 12. lit. a BGFA verstossen.

Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte, 2. Juli 2020 (AK 2020 5)

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