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Vorsorgliche Massnahmen bei Kündigung eines Alleinvertriebsvertrags; Novenrecht

Art. 261 ZPO und Art. 229 ZPO

Regeste:

Art. 261 ZPO und Art. 229 ZPO – Novenrecht im vorsorglichen Massnahmeverfahren

Aus dem Sachverhalt:

1. Die Gesuchstellerin ist eine Gesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in (…)(act. 1/3). Sie bezweckt im Wesentlichen den Vertrieb diverser Eigenmarken im Bereich (…). Ausserdem vertreibt sie in Lizenz auch verschiedene Fremdmarken (act. 1 N 11 f.; act. 1/4; act. 13 Rz 136).

2. Die Gesuchsgegnerin ist eine Gesellschaft schweizerischen Rechts mit Sitz in (…). Ihr Zweck besteht insbesondere in der Produktion und dem Handel mit Waren aller Art (act. 1 N 13; act. 1/5; act. 13 Rz 136). Die Gesuchsgegnerin ist insbesondere für (…) bekannt. Diese werden in der Schweiz und in Deutschland unter der Bezeichnung (…) vertrieben, während sie andernorts (…) genannt werden (act. 1 N 14; act. 1/6; act. 13 Rz 136).

3. Die Parteien schlossen am (…)(act. 1/7) einen ersten und am (…)(act. 1/8) einen zweiten befristeten Alleinvertriebsvertrag über (…) ab. Damals firmierte die Gesuchstellerin als (…). Im Jahr (…) fusionierte die Gesuchstellerin mit der (…) und änderte ihre Firma in (…) um (act. 1 N 16; act. 1/4; act. 13 Rz 21, 136). Am (…) (act. 1/9) schlossen die Parteien einen dritten und am (…) (act. 1/2, der Alleinvertriebsvertrag vom (…) wird nachfolgend als «Alleinvertriebsvertrag» bezeichnet) einen vierten befristeten Alleinvertriebsvertrag über (…) ab. Die letzten bei-den Alleinvertriebsverträge erwähnten als «Supplier» nebst der Gesuchsgegnerin eine (…).

4. Mit E-Mail vom (…)(act. 1/14) kündigte die Gesuchsgegnerin den Alleinvertriebsvertrag. Zeitgleich nahm sie die Zusammenarbeit mit der (…) für den Vertrieb der (…) in Deutschland auf (act. 1/15; act. 1/16). In der darauffolgenden Korrespondenz zwischen den Parteien war im Wesentlichen strittig, ob die Kündigung Gültigkeit erlangte oder nicht (act. 1/19–25).

Aus den Erwägungen:

(…)

2. Die Gesuchstellerin beantragt die Anordnung vorsorglicher Massnahmen nach Art. 261 ff. ZPO. Darüber ist im summarischen Verfahren zu befinden (Art. 248 lit. d ZPO). Das summarische Verfahren ist ein Verfahren mit Beweisbeschränkung zum Ziel der Prozessbeschleunigung. Zudem zeichnet es sich durch eine summarische Prüfung der Rechtsfragen aus. Gemäss Art. 261 Abs. 1 ZPO trifft das Gericht die notwendigen vorsorglichen Massnahmen, wenn die gesuch-stellende Partei glaubhaft macht, dass ein ihr zustehender Anspruch verletzt ist oder eine Verletzung zu befürchten ist (Verfügungsanspruch) und ihr aus dieser (möglichen) Verletzung ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht (Verfügungsgrund). Ebenfalls zum Voraussetzungskatalog gehören das Glaubhaftmachen der zeitlichen Dringlichkeit sowie der Verhältnismässigkeit der beantragten Massnahme. Glaubhaft machen bedeutet weniger als beweisen, aber mehr als behaupten. Die Gesuchstellerin hat darzulegen, dass das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen wahrscheinlich ist. Notwendig ist der Nachweis objektiver Anhaltspunkte, nach welchen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die behaupteten Tatsachen spricht, wobei eine Restunsicherheit verbleiben kann (Huber, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessord-nung, 3. A. 2016, Art. 261 ZPO N 17 ff., N 25; Mazan, Basler Kommentar, 3. A. 2017, Art. 248 ZPO N 9; Presenti, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], a.a.O., Art. 248 ZPO N 1).

Wird die Anordnung einer Leistungsmassnahme verlangt, sind erheblich höhere Anforderungen an die Voraussetzungen der Hauptsache- und Nachteilsprognose sowie an die Dringlichkeit und die Verhältnismässigkeit zu stellen, denn die Massnahme darf nur sehr restriktiv angeordnet werden, da sie einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Rechtsstellung der Gegenpartei darstellt. Höhere Anforderungen sind zudem an die Begründetheit des Begehrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu stellen (vgl. BGE 131 III 473 E. 2.3, 3.2 [= Pra 2006 Nr. 95]; Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 2. November 2017, in: ZR 117/ 2018 S. 207 ff. E. 2.2; Sprecher, Basler Kommentar, a.a.O., Art. 261 ZPO N 65). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Entscheid über die anbegehrten Massnahmen eine definitive Wirkung haben kann, weil der Streit mit der Anordnung der Massnahmen endet und ein Urteil gegenstandslos wird (vgl. BGE 131 III 473 E. 2.3, 3.2 [= Pra 2006 Nr. 95]).

Nicht nur bei der beantragten vorsorglichen positiven Verpflichtung, die Gesuchstellerin weiter-hin mit (…) zu beliefern (Rechtsbegehren Ziff. 1), sondern auch beim vorsorglichen Verbot, (…) in (…) nicht an Dritte zu vertreiben (Rechtsbegehren Ziff. 2), wird eine Leistungsmassnahme anbegehrt (vgl. Sprecher, a.a.O., Art. 262 ZPO N 5, 7; act. 1 N 97 f.; act. 13 Rz 122). Dabei würde der befristete Alleinvertriebsvertrag ohnehin am 31. Dezember 2021 enden. Der Massnahmeentscheid würde folglich einen rechtskräftigen Entscheid in der Hauptsache aufgrund der zu erwartenden Prozessdauer des Hauptsacheverfahrens (zumindest wahrscheinlich) vollständig vorwegnehmen. Mithin sind erhöhte Anforderungen an die Voraussetzungen für den Erlass einer vorsorglichen Massnahme und an die Begründetheit des Begehrens zu stellen.

3. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob ein Verfügungsanspruch vorliegt. Basis jeder vorsorglichen Massnahme ist ein Verfügungsanspruch, d.h. ein zivilrechtlicher Anspruch der Gesuchstellerin (Huber, a.a.O., Art. 261 ZPO N 17). Wenn die Gesuchstellerin nicht nachweisen kann, dass ihr eine Berechtigung zukommt, so ist mittels vorsorglicher Massnahmen auch nichts zu schützen. Im vorsorglichen Massnahmeverfahren ist bereits eine rechtliche Würdigung vorzu-nehmen und der Hauptsacheanspruch ist einer ersten Beurteilung zu unterziehen. Die Rechtsanwendung soll dabei möglichst mit voller Kognition stattfinden, denn das Gericht hat auch im vorsorglichen Massnahmeverfahren die Rechtsprechungsaufgaben wahrzunehmen. Bei komplizierten Rechtsfragen, die umfangreiche Abklärungen erforderlich machen, ist jedoch eine Erleichterung zuzulassen. Im Interesse der Beschleunigung darf, soweit erforderlich, auch die Rechtsanwendung summarisch erfolgen und die umfassende Prüfung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten werden (Güngerich, Berner Kommentar, 2012, Art. 261 ZPO N 14 ff., 20). Der Entscheid betreffend die vorsorgliche Massnahme hat für das Hauptsacheverfahren keine Rechtskraftwirkung; weder die tatsächlichen Feststellungen noch die summarisch geprüfte Rechtsauffassung des Massnahmegerichts binden das Hauptsachegericht (Kofmel Ehrenzeller, in: Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], Kurzkommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. A. 2014, Art. 263 ZPO N 7).

Die Voraussetzungen für den Bestand eines Verfügungsanspruches richten sich nach dem an-wendbaren Recht, vorliegend mithin nach dem Schweizer Recht (lex causae; vgl. Art. 116 IPRG; act. 1/2 Ziff. 7g).

(…)

3.7 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Alleinvertriebsvertrag der Gesuchstellerin zwar das exklusive Vertriebsrecht von (…) der Gesuchsgegnerin für das Vertragsgebiet (…) einräumt. Vorliegend ist jedoch von einer gültigen und rechtzeitig ausgesprochenen Kündigung des Alleinvertriebsvertrags durch die Gesuchsgegnerin auszugehen. Die Kündigung wurde so-dann sofort wirksam. Somit ist das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs infolge Untergangs durch Kündigung zu verneinen.

4. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der Gesuchstellerin aus der Verletzung des (behaupteten) Anspruchs ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil gedroht hätte und mithin ein Verfügungsgrund gegeben wäre.

(…)

4.1 Die Gesuchstellerin hat den Verfügungsgrund glaubhaft zu machen, nämlich dass bei Zuwarten bis zum Entscheid im Hauptprozess durch eine bereits bestehende Verletzung oder eine Gefährdung des materiellen Anspruchs dieser so, wie er lautet (d. h. die Realvollstreckung), vereitelt würde oder seine gehörige Befriedigung wesentlich erschwert wäre, oder dass ihr ungeachtet der Möglichkeit nachträglichen Vollzugs ein nicht leicht zu ersetzender Schaden oder anderer Nachteil droht. Der Nachteil muss drohen, d.h. er darf noch nicht eingetreten sein. Ist der Nachteil bereits eingetreten und droht er nicht, sich zu vergrössern, besteht kein Anspruch auf Erlass einer vorsorglichen Massnahme, weil es dann nichts mehr vorzusorgen gibt. Unter einem Nachteil ist insbesondere jede Beeinträchtigung zu verstehen, welche durch das inkriminierte Verhalten verursacht wurde oder werden kann, egal ob rechtlicher oder tatsächlicher Natur. Ausreichend zur Begründung eines nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteils ist auch eine drohende Erschwerung der Vollstreckung des Verfügungsanspruches (Huber, a.a.O., Art. 261 ZPO N 18 ff., 20 ff. m.w.H.; Sprecher, a.a.O., Art. 261 ZPO N 16 ff., 23, 28b; Zürcher, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. A. 2016, Art. 261 ZPO N 17 ff., 23 ff. m.w.H.). Überdies kann ein drohender Vermögensschaden einen nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil darstellen, wobei nicht entscheidend ist, ob die drohende Beeinträchtigung schlussendlich mit Geld entschädigt werden kann (Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 28. Juni 2006, BBl 7221 ff., 7354; Huber, a.a.O., Art. 261 ZPO N 20, wobei ein primär auf Schadenersatz gerichteter Anspruch am Nachteilskriterium scheitert). Ein finanzieller Schaden genügt nur unter erhöhten Anforderungen für die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen, was dann der Fall ist, wenn der finanzielle Schaden später nur schwer eingefordert werden kann (Sprecher, a.a.O., Art. 261 ZPO N 28b mit Verweis auf N 34 sowie N 30), so beispielsweise bei einem Verlust der Kundschaft oder Marktverwirrung (Urteil des Kantonsgerichts Basel-Land vom 21. Mai 2012 E. 3, in: CAN 2012 Nr. 50 S. 145 ff.; Sprecher, a.a.O., Art. 261 ZPO N 34). Auch die längere Nichtbelieferung einer Vertreiberin ist generell geeignet, deren Kundenstamm nachhaltig zu erodieren, was zu Einbussen führt, die im Einzelnen nur schwer zu beweisen und mit Geld allein nicht zu beheben sind (BGE 123 III 451 E. 3c; Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 2. November 2017, in: ZR 117/2018 S. 207 ff. E. 4). Auch wenn ein Handeln oder eine Unterlassung grundsätzlich geeignet ist, einen nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil zu begründen, befreit dies die gesuchstellende Partei jedoch nicht davon, den Nachteil substanziiert zu behaupten und darzulegen. Trotz Beweismassreduktion gilt im vorliegenden Massnahmeverfahren die Verhandlungsmaxime, weshalb es nach Art. 55 Abs. 1 ZPO den Parteien obliegt, die Tatsachen, auf die sie ihre Begehren stützen, darzulegen und die Beweismittel anzugeben. Es trifft sie mithin je eine subjektive Behauptungs- und Beweislast. Die Gesuchstellerin muss das tatsächliche Fundament ihres Begehrens dabei schlüssig behaupten, d.h. jedenfalls so detailliert schildern, dass ihre Tatsachbehauptungen nachvollziehbar sind und unter eine bestimmte Norm subsumiert werden können. Folge dieser sog. Substanziierungslast ist, dass rechtserhebliche Sachverhaltselemente, die nicht oder nicht genügend substanziiert behauptet werden, als nicht glaubhaft gemacht anzusehen sind (vgl. Urteil des Obergerichts Zug vom 10. Januar 2012 E. 3.3, in: GVP 2012 S. 204 ff.; Sutter-Somm/Schrank, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], a.a.O., Art. 55 ZPO N 23 f.). Das Gericht nimmt auch keine über die Parteibehauptungen hinausgehenden Ermittlungen vor (Sutter-Somm/Schrank, a.a.O., Art. 55 ZPO N 12, 20). Es bleibt in Erinnerung zu rufen, dass vorliegend erhöhte Anforderungen an die Voraussetzungen für den Erlass einer vor-sorglichen Massnahme und an die Begründetheit des Begehrens zu stellen sind, da um Erlass einer vorsorglichen Leistungsmassnahme ersucht wird (vgl. E. 2 in fine vorne).

4.2 Neben dem Verfügungsgrund ist im Folgenden ferner zu prüfen, ob die Noveneingabe der Gesuchstellerin zulässig und im Weiteren zu berücksichtigen ist. Die Gesuchstellerin begründet die Zulässigkeit der Noveneingabe lediglich pauschal und gibt an, es handle sich bei den neu-en Tatsachen um echte Noven, da diese allesamt nach Einreichen des Massnahmegesuchs entstanden seien (act. 9 N 2).

Die Bestimmungen des ordentlichen Verfahrens gelten subsidiär für sämtliche übrigen und somit auch für das summarische Verfahren (Art. 219 ZPO). Das im ordentlichen Verfahren gel-tende System von Art. 229 ZPO kann jedoch nicht unbesehen auf das summarische Verfahren übertragen werden. Denn im summarischen Verfahren findet regelmässig nur ein einfacher Schriftenwechsel statt (vgl. Art. 253 ZPO) und das Gericht kann auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichten (Art. 256 Abs. 1 ZPO). Die unbeschränkte Möglichkeit zum Vorbringen von Noven widerspräche ausserdem der geforderten Schnelligkeit des summarischen Verfahrens im Allgemeinen. Bei Durchführung des summarischen Verfahrens mit einem einmaligen Schriftenwechsel tritt der Aktenschluss daher nach der erstmaligen umfassenden Äusserungsmöglichkeit ein. Die Parteien haben keinen Anspruch, sich zweimal unbeschränkt frei zur Sache zu äussern. Es trifft sie vielmehr die Last, sämtliche Tatsachenbehauptungen und Beweismittel mit dem ersten Vortrag einzureichen. Nach Aktenschluss können die Parteien neue Tatsachenbehauptungen oder Beweismittel mit spontanen Eingaben nur noch unter den Voraussetzungen für Noven gemäss Art. 229 Abs. 1 lit. a oder b ZPO vorbringen. Echte Noven lassen sich ohne Weiteres noch einbringen, sofern dies ohne Verzug erfolgt. Unechte Noven dürfen hingegen nur noch eingereicht werden, wenn sie trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon mit dem ersten Schriftenwechsel vorgetragen werden konnten. Werden unechte Noven vorgebracht, muss dargelegt werden, dass die Voraussetzungen nach Art. 229 Abs. 1 lit. b ZPO er-füllt sind (vgl. BGE 144 III 117 E. 2; Urteil des Obergerichts Zürich LF160046 vom 14. September 2016 E. II. 3.1; Urteil des Obergerichts Bern ZK 12 217 vom 21. September 2012 E. 25; Leuenberger, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/ Leuenberger [Hrsg.], a.a.O., Art. 229 ZPO N 17; Pahud, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], a.a.O., Art. 229 ZPO N 27; Sogo/Baechler, Ak-tenschluss im summarischen Verfahren, AJP 3/2020 S. 317, 323 f. Fn 59). Das Novenrecht nach Art. 229 ZPO dient gerade nicht zum Nachholen von ursprünglich Versäumtem oder zur Rückgängigmachung prozessualer Nachlässigkeiten (vgl. Moret, Aktenschluss und Novenrecht, 2014, N 600 ff.; Sprecher, a.a.O., Art. 261 ZPO N 101). Ferner sind Noven, deren Entstehung wesentlich vom Willen einer Partei abhängen und welche die Partei erst in einem Zeitpunkt entstehen lässt, nachdem Angriffs­ und Verteidigungsmittel nicht mehr unbeschränkt vorgebracht werden können (sog. Potestativ­Noven), nicht zu berücksichtigen. Da die Einbringung von Potestativ­ Noven mit zumutbarer Sorgfalt früher möglich gewesen wäre, widerspricht deren Berücksichtigung der Eventualmaxime sowie dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_439/2014 vom 16. Februar 2015 E. 5, in: SZZP 3/2015 S. 236, wobei sich das Prozessrecht aber nicht zur Frage äussert, ob eine Partei eine bestimmte Tatsache ins Leben rufen soll; Schmid/Hofer, Bestreitung von neuen Tatsachenbehauptungen in der schriftlichen Duplik, ZZZ 2016 S. 282 ff., 294 Fn 148).

(…)

4.3 (…) Das Novenrecht im Sinne von Art. 229 ZPO dient gerade nicht zum Nachholen von ursprünglich Versäumtem oder zur Rückgängigmachung prozessualer Nachlässigkeiten. Folglich ist daran festzuhalten, dass die ursprünglichen Ausführungen der Gesuchstellerin zu den behaupteten Schadenspositionen (Rufschädigungen, entgangene Gewinne, Geschäftschancen, Marktverwirrung) und zu deren behaupteten erschwerten prozessualen Durchsetzung zu generell gehalten sind, weshalb damit ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil nicht glaubhaft dargetan ist. (…)

5. Der Erlass einer vorsorglichen Massnahme muss zeitlich dringlich sein. Neben dem Verfügungsanspruch ist folglich ein Bedürfnis nach sofortigem Rechtsschutz erforderlich (Kofmel Ehrenzeller, a.a.O., Art. 261 ZPO N 7). Ausserdem muss die beantragte Massnahme verhältnismässig sein (Güngerich, a.a.O., Art. 261 ZPO N 39; Sprecher, a.a.O., Art. 261 ZPO N 112). Aufgrund des fehlenden Verfügungsanspruchs und -grundes besteht vorliegend auch keine Dringlichkeit, vorsorgliche Massnahmen anzuordnen. Hinsichtlich der Verhältnismässigkeit ist zu beachten, dass der Alleinvertriebsvertrag (…). Die beantragte Leistungsmassnahme und dessen Wirkungen auf die Gesuchsgegnerin erscheint im Vergleich zu den nicht genügend substanziierten drohenden Schadenspositionen der Gesuchstellerin vielmehr als unverhältnismässig.

6. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen von Art. 261 ZPO nicht erfüllt sind und dementsprechend der Entscheid des Kantonsgerichts Zug, Einzelrichter, vom 26. März 2020 (act. 4) zu bestätigen ist. In diesem Sinne erübrigen sich auch Erwägungen zu den beantragten Vollstreckungsmassnahmen im Sinne von Art. 267 ZPO.

Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 15. Mai 2020 ES 2020 148

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