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Staats- und Verwaltungsrecht

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Familienzulagen

Art. 8 BV, Art. 4 Abs. 1 FamZG

Regeste:

Art. 8 BV, Art. 4 Abs. 1 FamZG - Art. 4 Abs. 1 FamZG vermittelt keinen Anspruch auf Familienzulagen für das Kind der Konkubinatspartnerin (E. 4.2-4.5).

Es liegt zudem keine Ungleichbehandlung im Vergleich zu Stiefeltern vor, weshalb keine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots nach Art. 8 Abs. 1 BV gegeben ist (E. 5.3).

Aus dem Sachverhalt:

A. liess sich am 14. Dezember 2020 über seine Arbeitgeberin bei der Familienausgleichskasse swisstempfamily zum Bezug von Familienzulagen für das nichtleibliche Kind B., Sohn seiner Konkubinatspartnerin C., anmelden. Die Familienausgleichskasse swisstempfamily wies den Anspruch auf Familienzulagen ab. Auch die dagegen erhobene Einsprache wies die Familienausgleichskasse swisstempfamily mit Einspracheentscheid vom 2. Juni 2021 ab. Mit Verweis auf die einschlägigen Bestimmungen wurde erneut bestätigt, dass Kinder des Konkubinatspartners nicht zum Anspruch auf Familienzulagen berechtigten, wobei die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) – und insbesondere der in der Einsprache geltend gemachte Gleichbehandlungsgrundsatz des EuGH – auf die Schweiz nicht anwendbar sei. Ergänzend wurde im Einspracheentscheid darauf hingewiesen, dass je nach Erwerbssituation der Kindesmutter ein Anspruch auf Familienzulagen ab dem 1. Januar 2020 über ihre zuständige Ausgleichskasse geprüft werden könnte. Mit Beschwerde beantragte A. die Aufhebung des Einspracheentscheids der Familienausgleichskasse swisstempfamily vom 2. Juni 2021. Die Beschwerdegegnerin sei darüber hinaus zu verpflichten, dem Beschwerdeführer die Familienzulagen rückwirkend auszubezahlen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beschwerdegegnerin. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass die Abweisung seines Antrags auf Familienzulagen eine faktische Ungleichbehandlung von verheirateten und nicht verheirateten Personen sei, womit eine verfassungsrechtlich verbotene Diskriminierung von «Stiefvätern» vorliege. Mit Beschwerdeantwort vom 23. September 2021 (Datum des Poststempels) beantragte die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Beschwerdeführers.

Aus den Erwägungen:

(…)

3. Familienzulagen sind einmalige oder periodische Geldleistungen, die ausgerichtet werden, um die finanzielle Belastung durch ein oder mehrere Kinder teilweise auszugleichen (Art. 2 FamZG). Artikel 4 Abs. 1 FamZG bestimmt abschliessend, welche Kinder grundsätzlich zum Bezug von Familienzulagen berechtigen, nämlich: Kinder, zu denen ein Kindesverhältnis im Sinne des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210) besteht (lit. a); Stiefkinder (lit. b); Pflegekinder (lit. c) sowie Geschwister und Enkelkinder der bezugsberechtigten Person, sofern diese für deren Unterhalt in überwiegendem Mass aufkommt (lit. d). Basierend auf der Delegationsnorm von Art. 4 Abs. 2 FamZG hat der Bundesrat die Einzelheiten des Bezugs von Familienzulagen in den Art. 4–6 der Verordnung über die Familienzulagen (FamZV; SR 836.21) näher geregelt. Die Anspruchsvoraussetzungen für im Ausland wohnhafte Kinder werden vom Bundesrat in Art. 7 f. FamZV konkretisiert, wobei sich die Höhe des Anspruchs nach der Kaufkraft im Wohnsitzstaat richtet (Art. 4 Abs. 3 FamZG). Hierbei zu beachten sind die dem FamZG vorgelagerten staatsvertraglichen Regelungen in den in Art. 24 FamZG genannten Abkommen mit den Staaten der Europäischen Union (EU-Staaten) und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA-Staaten), ebenso wie Länderabkommen, für deren Anwendbarkeit die Staatsangehörigkeit des Leistungsansprechers massgebend ist (Kieser/Reichmuth, Bundesgesetz über die Familienzulagen, Praxiskommentar, 2010, Art. 4 N 49).

4.

4.1 Es gilt zu prüfen, ob der Anspruch des Beschwerdeführers auf Familienzulagen zu Recht von der Beschwerdegegnerin abgewiesen wurde. Aktenkundig ist, dass der Beschwerdeführer eine Konkubinatsbeziehung mit C., die geschiedene und leibliche Mutter von B. (geboren am xx.xx.2005), führt, weshalb das Konkubinatspaar am 25. September 2018 einen verbindlichen Konkubinatsvertrag abgeschlossen hat. Im Vertrag heisst es in der Vorbemerkung, dass das Paar schon seit dem 1. August 2013 zusammenlebt, zunächst in F. (G.), nachfolgend in H. (I.) und derzeit seit dem xx.xx.2018 in der Gemeinde J. in der Schweiz. Für die Deckung der Kosten des Lebensunterhaltes sowie in Bezug auf die Führung des Haushaltes wurde vereinbart, dass der Beschwerdeführer mit seinem Lohn für die verschiedenen Lebensunterhaltskosten sorgt, während seine nicht erwerbstätige Konkubinatspartnerin den Haushalt führt. B. ist das leibliche Kind von K., welcher nach Angaben des Beschwerdeführers dem Kind keinen Unterhalt zahlt. Am 25. September 2018 gab der Beschwerdeführer mit Unterzeichnung des entsprechenden Formulars des Departements L. des Kantons M. eine Unterhaltsgarantie ab, womit er sich verpflichtete, gegenüber den zuständigen Behörden von Bund, Kanton und Gemeinde für den Lebensunterhalt seiner Konkubinatspartnerin C. und ihres Kindes B. während des Aufenthalts in der Schweiz aufzukommen, falls sie dazu nicht in der Lage sind. Diese Unterhaltsgarantie umfasst alle durch die Anwesenheit der zwei Gäste verursachten Kosten, namentlich alle Auslagen für Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Arzt- und Spitalkosten sowie die Kosten der Rückreise in den Herkunfts- oder Heimatsstaat. Die Garantieleistung für Arzt- und Spitalkosten kann bei einer auf die Gäste lautenden Kranken- und Unfallversicherung ausgeklammert werden.

4.2 Anspruch auf Familienzulagen haben jene Personen, die zum Kind in einem Rechtsverhältnis stehen, das Art. 4 Abs. 1 FamZG entspricht. Unter dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 lit. a FamZG («Kindesverhältnis im Sinne des Zivilgesetzbuches») fallen ausschliesslich gemeinsame Kinder verheirateter und unverheirateter Eltern sowie adoptierte Kinder (Rz. 230 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherungen [BSV] zum FamZG [FamZWL], Stand 1. Januar 2021). Folglich besteht zwischen dem Beschwerdeführer und B. kein Kindesverhältnis im Sinne des ZGB.

4.3 Ein Anspruch auf Familienzulagen auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1 lit. d FamZG kann auf den ersten Blick ausgeschlossen werden, selbst wenn der Beschwerdeführer für den Unterhalt von B. in überwiegendem Mass aufkommt, da das Kind weder ein Geschwister noch ein Enkelkind des Beschwerdeführers ist.

4.4 «Stiefkind» im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. b FamZG ist das aussereheliche oder adoptierte oder aus einer früheren Ehe stammende Kind des Ehegatten (Christian Heinrich Schaeppi, Der Anspruch auf Kinderzulagen, 1974, S. 275). Dasselbe lässt sich aus Art. 299 ZGB ableiten, wo unter dem Titel «Stiefeltern» die Pflicht jedes Ehegatten, dem anderen bei der Ausübung der elterlichen Sorge gegenüber dessen Kindern beizustehen, geregelt ist (Kieser/Reichmuth, a.a.O., Art. 4 N 24). Jedenfalls setzt das Stiefkindverhältnis eine Ehe zwischen dem Stiefelternteil und dem anderen Elternteil voraus. Wird die Ehe, welche das Stiefkindverhältnis begründet hat, durch Scheidung aufgelöst, hat der Stiefelternteil keinen Anspruch mehr auf Familienzulagen für sein ehemaliges Stiefkind. Der Anspruch besteht nur für den Fall weiter, dass der mit dem Stiefelternteil verheiratete Elternteil stirbt, wobei auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müssen (Rz. 235.2 FamZWL). Bezüglich Kinder des Konkubinatspartners oder der Konkubinatspartnerin ist in Rz. 235.1 und 238 FamZWL ausdrücklich festgehalten, dass diese kein Anspruch auf Familienzulagen begründen. Vorliegend ist unbestritten wie auch aktenkundig, dass der Beschwerdeführer mit der leiblichen Mutter von B. im Konkubinat zusammenlebt. Der Bezug von Familienzulagen gestützt auf Art. 4 Abs. 1 lit. b FamZG wurde dem Beschwerdeführer zu Recht verwehrt.

4.5 Im Sinne einer allgemein anerkannten Definition sind Pflegekinder gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. c FamZG alle unmündigen Kinder, die zu ihrer Pflege und Erziehung nicht bloss vorübergehend bei anderen Personen als ihren natürlichen oder Adoptiveltern untergebracht sind (Christian Heinrich Schaeppi, a.a.O., S. 285). In der Rz. 239 FamZWL wird präzisiert, dass Kinder des Konkubinatspartners oder der Konkubinatspartnerin nicht anspruchsbegründend sind. Gleiches ist aus der Verordnung über die Aufnahme von Pflegekindern (PAVO; SR 211.222.338) abzuleiten. Die Aufnahme des Kindes des Konkubinatspartners stellt nämlich keine bewilligungspflichtige Familienpflege im Sinne von Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 ff. PAVO dar (Kieser/Reichmuth, a.a.O., Art. 4 N 38). Da der Beschwerdeführer mit der leiblichen Mutter von B. im Konkubinat zusammenlebt, bildet im vorliegenden Fall auch Art. 4 Abs. 1 lit. c FamZG keine Anspruchsgrundlage.

4.6 Der Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 2. Juni 2021 ist soweit nicht zu beanstanden.

5.

5.1 Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots von Art. 8 BV. In seiner Beschwerdeschrift vom 24. August 2021 behauptet er, dass die Abweisung seines Antrags auf Familienzulagen durch die Beschwerdegegnerin eine faktische Ungleichbehandlung von verheirateten und nicht verheirateten Personen sei, welche zu einer verfassungsrechtlich nicht haltbaren Ungleichbehandlung von «Stiefvätern» innerhalb einer Konkubinatspartnerschaft, die durch Unterhaltsgarantie gegenüber den kantonalen Behörden verpflichtet worden seien, für den Unterhalt des Kindes des Konkubinatspartners aufzukommen, führe. Einerseits sei er durch Unterhaltsgarantie zum Unterhalt gegenüber B. verpflichtet, anderseits würden ihm die staatlichen Familienzulagen versagt. Diese differenzierte Handhabung stelle eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes von Art. 8 Abs. 1 BV dar.

5.2 Art. 8 Abs. 1 BV statuiert, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Träger dieses Grundrechts sind nicht bloss natürliche, sondern auch juristische Personen des Privatrechts. Der Schutz steht in persönlicher Hinsicht insbesondere auch Ausländern und juristischen Personen mit Sitz im Ausland zu (Bernhard Waldmann, in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, 2015, Art. 8 N 19). Artikel 8 Abs. 1 BV ist ein sogenanntes Querschnittsgrundrecht, welches sowohl vor unsachlichen Differenzierungen – Ungleichbehandlungen im formellen Sinne – als auch vor unsachgerechten Gleichbehandlungen – Ungleichbehandlung im materiellen Sinne – schützt. Während sich Freiheitsrechte nur auf bestimmte, in den jeweiligen Schutzbereich fallende Lebenssachverhalte beziehen, zielt Art. 8 Abs. 1 BV auf eine gleiche, sachgerechte Behandlung in sämtlichen Bereichen staatlicher Aufgabenerfüllung (Bernhard Waldmann, a.a.O., Art. 8 N 21). Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung ist verletzt, wenn ein Erlass hinsichtlich einer für den Entscheid wesentlichen Tatsache rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn er Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Gleiches muss nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt werden. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden, je nach den herrschenden Anschauungen und Verhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots von Art. 9 BV ein breiter Gestaltungsspielraum (BGE 142 V 577 E. 4.2 m.w.H.). Insbesondere im Sozialversicherungsrecht ist dem Erfordernis der Gleichheit Genüge getan, wenn der Gesetzgeber nach sachlich einleuchtenden Motiven Gruppen formt. Es ist ihm gestattet, die soziale Gerechtigkeit als klassenmässige Gerechtigkeit zu verstehen. Ohne Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots darf der Gesetzgeber Gruppen von Rechtssubjekten (z.B. Arbeitgeber, Militärpersonen, Invalide, etc.) als soziale Kategorien erfassen und ihnen bestimmte Rechte und Pflichten zuordnen (Christian Heinrich Schaeppi, a.a.O., S.187 f.). Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung und gemäss herrschender Lehre bezieht sich das Gebot der rechtsgleichen Rechtsanwendung nur auf den Zuständigkeitsbereich ein und derselben Behörde. Von einer rechtsungleichen Behandlung kann nur dann die Rede sein, wenn ein und dieselbe Behörde eine Frage ohne sachlichen Grund das eine Mal so und das andere Mal anders beantwortet (BGE 138 I 321 E. 5.3.6; 90 I 1 E. 2).

5.3 Der im Konkubinat lebende Beschwerdeführer bringt vor, das Rechtsgleichheitsgebot sei verletzt, da er im Vergleich zu Stiefvätern benachteiligt werde. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung würde unter dem Lichte der obigen Ausführungen bedingen, dass die rechtsanwendende Behörde ohne sachlichen bzw. vernünftigen Grund im Wesentlichen vergleichbare Sachverhalte ungleich behandelt. Davon kann vorliegend nicht die Rede sein, da der unverheiratete Beschwerdeführer im Konkubinat lebt, während Stiefväter, die er als Vergleichsgruppe heranzieht, eine Ehe mit all den entsprechenden Rechten und Pflichten führen. So fehlt es schon von vornherein an vergleichbaren Lebensumständen, die hier eine rechtliche Gleichbehandlung des Beschwerdeführers mit Stiefvätern – und folglich die Leistung an ihn von Familienzulagen – gebieten würden. Der Berufung auf den Rechtsgleichheitssatz von Art. 8 Abs. 1 BV ist in vorliegender Situation, in welcher die Beschwerdegegnerin nach Massgabe des Gesetzes für zwei unterschiedliche Sachverhalte differenzierte Rechtsfolgen anwendet, nicht zu folgen. Anspruchsbegründend für Familienzulagen sind vom Gesetzgeber gewollt nur Kindesverhältnisse im Sinne von Art. 4 Abs. 1 FamZG. Das Verhältnis vom Beschwerdeführer zum Kind B. genügt nicht den rechtlichen Anforderungen für die Zusprache von Familienzulagen, womit die Ablehnung seines Anspruchs durch den Einspracheentscheid vom 2. Juni 2021 in Übereinstimmung mit dem Gesetz erfolgte, ohne eine Verletzung der Rechtsgleichheit gemäss Art. 8 Abs. 1 BV mit sich zu bringen.

5.4 Die vom Beschwerdeführer am 25. September 2018 unterschriebene Unterhaltsgarantie, womit er sich subsidiär zum Unterhalt von C. und B. gegenüber den Behörden von Bund, Kanton und Gemeinde verpflichtet hat, vermag daran nichts zu ändern. Gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG; SR 142.20) müssen Ausländer und Ausländerinnen, die in die Schweiz einreisen wollen, untere anderem die für den Aufenthalt notwendigen Mittel besitzen. Der Nachweis ausreichender finanzieller Mittel kann mit Bargeld, Bankguthaben, einer Verpflichtungserklärung oder auch einer anderen Sicherheit erbracht werden (Art. 3 Abs. 3 der Verordnung über die Einreise und die Visumerteilung [VEV; SR 142.204]; Valerio Priuli, in: Kommentar Migrationsrecht, 5. Aufl. 2019, Art. 5 N 4). Insbesondere können die zuständigen Bewilligungsbehörden zum Nachweis ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts von einer Ausländerin oder einem Ausländer die Verpflichtungserklärung (in casu: «Unterhaltsgarantie») einer zahlungsfähigen natürlichen oder juristischen Person mit Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz verlangen (Art. 14 Abs. 1 VEV). Diese Erklärung dürfen auch Ausländer oder Ausländerinnen mit einer Aufenthaltsbewilligung im Sinne von Art. 33 AIG abgeben (Art. 14 Abs. 3 lit. b VEV). Die Unterhaltsgarantie vom 25. September 2018 dient also dazu, auf Seiten von C. und B. die Erfüllung der Voraussetzung ausreichender finanzieller Mittel für den Aufenthalt bei der Einreise sowie während des Aufenthalts im Land sicherzustellen. Familienzulagen bezwecken hingegen den teilweisen Ausgleich finanzieller Belastung, welche durch ein oder mehrere Kinder entsteht (Art. 2 FamZG; s. auch E. 3). Arbeitnehmende, Selbständigerwerbende und Nichterwerbstätige mit einem bescheidenen Einkommen können unter gewissen Bedingungen für ihre Kinder wie auch unter zusätzlichen Voraussetzungen für Stief-, Pflege-, Grosskinder und Geschwister Familienzulagen beanspruchen (Botschaft vom 30. November 2018 zur Änderung des Familienzulagengesetzes, BBl 2019 1025; Art. 4 FamZG i.V.m. Art. 4 ff. FamZV). Einleuchtend ist die unterschiedliche bzw. nicht abdeckungsgleiche ratio legis des AIG und des FamZG mit entsprechenden Ausführungsbestimmungen. In der Tatsache, dass der Beschwerdeführer einerseits zur Abgabe einer Unterhaltsgarantie verpflichtet wurde, anderseits jedoch nicht in den Genuss von Leistungen der Beschwerdegegnerin kam, da er die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt, ist keine unter dem Blickwinkel des Rechtsgleichheitsgebots von Art. 8 Abs. 1 BV verfassungswidrige Rechtsanwendung zu erblicken.

6. Gemäss Art. 190 BV sind Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend (sog. Massgeblichkeitsregel). Damit kann Bundesgesetzen weder im Rahmen der abstrakten noch der konkreten Normenkontrolle die Anwendung versagt werden. Zwar handelt es sich dabei um ein Anwendungsgebot und kein Prüfungsverbot, mit der Folge, dass es sich unter Umständen rechtfertigen kann, vorfrageweise die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes zu prüfen. Wird eine solche festgestellt, muss das Gesetz dennoch angewandt werden, wobei das Gericht den Gesetzgeber bloss einladen kann, die fragliche Bestimmung zu ändern. Nicht in jedem Fall besteht Veranlassung zur Überprüfung der bundesgesetzlichen Regelung auf ihre Vereinbarkeit mit der Bundesverfassung. Vielmehr hängt es von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, ob sich dies rechtfertigt. Im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle ist entscheidend, ob ein genügendes allgemeines Interesse an der Feststellung einer allfälligen Verfassungswidrigkeit besteht (BGE 140 I 353 E. 4.1). Ein Anspruch auf Prüfung der Verfassungsmässigkeit von Bundesgesetzen besteht nicht (BGE 146 V 378 E. 4.4). Massgebend gemäss dem Wortlaut von Art. 190 BV sind Bundesgesetze, also rechtsetzende Bestimmungen, welche die Bundesversammlung in der Form eines Bundesgesetzes erlässt (Art. 163 Abs. 1 BV). Massgebend sind auch die dringlich erklärten Bundesgesetze, und zwar auch jene, die nicht länger als ein Jahr gelten und deshalb keinem nachträglichen Referendum unterstehen (Art. 165 BV). Ebenso massgebend sind Erlasse in Form eines Bundesgesetzes, mit denen die Bundesversammlung – entgegen der Definition von Art. 163 BV – nicht Recht setzt, sondern einen Einzelfall regelt. Entscheidend für die Massgeblichkeit ist somit einzig der Erlass eines Bundesgesetzes im formellen Verfahren der Bundesgesetzgebung. Massgebend sind selbst nicht wichtige oder nicht grundlegende rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Art. 164 Abs. 1 BV, die in der Form eines Bundesgesetzes erlassen wurden (Hangartner/Looser, in: St. Galler Kommentar, Die Schweizerische Bundesverfassung, 3. Aufl. 2014, Art. 190 N 15). Dem Beschwerdeführer wurden Familienzulagen auf der Grundlage der in Art. 4 Abs. 1 FamZG abschliessend geregelten Fälle verweigert, unter welche das Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und dem Kind B. nicht fällt. Entscheidungsgrundlage stellt vorliegend die Bestimmung eines Bundesgesetztes im Sinne der obigen Ausführungen dar, das vom Anwendungsbereich von Art. 190 BV erfasst ist und somit durch das Verwaltungsgericht unumgänglich angewendet werden muss. Eine Kontrolle von Art. 4 Abs. 1 FamZG in Bezug auf die Verfassungsmässigkeit ist in diesem Fall wegen fehlender vergleichbarer Sachverhalte (E. 5.3) und mangels genügenden Allgemeininteresses nicht durchzuführen. Weiterungen hierzu erübrigen sich.

7. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Beschwerdegegnerin mit Einspracheentscheid vom 2. Juni 2021 zu Recht dem Beschwerdeführer keine Familienzulagen zusprach, da sein Verhältnis zu B. die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 1 FamZG nicht erfüllt. Unbegründet ist die Rüge, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots von Art. 8 Abs. 1 BV zum Nachteil des Beschwerdeführers vorliege. Aus den oben genannten Gründen ist die Beschwerde (…) unbegründet und folglich abzuweisen.

(…)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 4. Oktober 2022, S 2021 173
Das Urteil ist rechtskräftig.

Vollständiges Urteil auf der Entscheiddatenbank https://www.verwaltungsgericht.zg.ch.

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