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Art. 8 BV, Art. 9 BV

Regeste:

Art. 8 BV, Art. 9 BV – Wird nach Einführung des uneingeschränkten Abstammungsprinzips durch die Korporation der Abstammungsnachweis für eine Wiederaufnahme auf die Dauer des Genossenregistereintrags der Eltern beschränkt, führt dies zu einer indirekten Diskriminierung von Personen, die ihres Genossenrechts unter früheren Statuten durch Ausheiratung verlustig gingen.

Aus dem Sachverhalt:

A. ist die Tochter eines Genossen (verstorben 1994) und einer Genossin (verstorben 1983) der Korporation Unterägeri. Sie trug ledig den Namen «D.» sowie das Bürgerrecht der Gemeinde Unterägeri und war infolge dessen von Geburt an ebenfalls Genossin der Korporation Unterägeri. Mit ihrer Heirat im Jahr 1980 übernahm A. entsprechend den damals geltenden zivilrechtlichen Bestimmungen neben dem Familiennamen auch das Bürgerrecht des Ehemannes und verlor damit ihr eigenes. Da § 4 Ziff. 1 Bst. a der damaligen Statuten der Korporation Unterägeri vorsah, dass derjenige des Genossenrechts verlustig geht, der das Bürgerrecht von Unterägeri verliert, verlor A. im Zuge ihrer Heirat nicht nur dieses, sondern damit gekoppelt auch ihr Genossenrecht. Sie war «ausgeheiratet». 

Am 23. Mai 2017 nahm die Korporationsversammlung Unterägeri eine Änderung ihrer Statuten an. Im Rahmen der Teilrevision wurde bezüglich des Erwerbs des Genossenrechts neu ein uneingeschränktes Abstammungsprinzip eingeführt. A. stellte im Jahr 2018 Antrag auf Eintrag in das Genossenregister der Korporation Unterägeri. Anlässlich der Ratssitzung vom 8. Januar 2019 lehnte der Korporationsrat das Aufnahmegesuch ab. Dasselbe Schicksal erlitt ihr Wiedererwägungsgesuch (Entscheid vom 17. März 2020).

Der von A. angerufene Regierungsrat des Kantons Zug wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 22. September 2020 ab. Daraufhin gelangte A. mit Beschwerde vom 25. April 2022 an das Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung des Regierungsratsentscheides und die Gutheissung ihres Wiederaufnahmegesuchs.

Aus den Erwägungen:

(…)

5.        

5.1 Gemäss dem neuen Korporationsstatut der Beschwerdegegnerin 1 vom 23. Mai 2017 (nachfolgend: Statuten) ist der Erwerb des Genossenrechts wie folgt geregelt:

Ǥ 3 Erwerb des Genossenrechtes

1. Die neun Korporationsgenossen-Geschlechter der Korporation Unterägeri heissen:

Häusler, Heinrich, Henggeler, Hess, Hugener, Iten, Merz, Müller und Senz

2. Korporationsgenossinnen und Korporationsgenossen sind Personen, welche das Schweizer Bürgerrecht besitzen und (alternativ)
    a)  am 1. Januar 2012 im Genossenregister der Korporation eingetragen waren.
    b)  das Genossenrecht zwischen dem 1. Januar 2012 und dem Datum des Inkrafttretens dieser Statuten durch Einkauf nach Heirat, durch nachträgliche Aufnahme, durch Wiederaufnahme oder Ausübung des Zugrechts von Oberägeri erworben haben. 
     c) als Kind in einem Kindsverhältnis gemäss Art. 252 des Zivilgesetzbuches (ZGB) zu entweder (i) einer am 1. Januar 2012 noch nicht verstorbenen Korporationsgenossin und/oder einem noch nicht verstorbenen Korporationsgenossen (Mutter und/oder Vater) oder (ii) einer Person, welche zwischen dem 1. Januar 2012 und dem Datum des Inkrafttretens dieser Statuten das Genossenrecht durch Einkauf nach Heirat, durch nachträgliche Aufnahme, durch Wiederaufnahme oder Zugrecht von Oberägeri erwarb (Mutter oder Vater), stehen.
     d) direkte Nachkommen (mit Verwandtschaft ersten Grades) mindestens einer Person sind, welche im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2005 und dem 31. Dezember 2011 während mindestens 365 Tagen in das Genossenregister der Korporation eingetragen war.»

Unter § 23 der Statuten mit dem Titel «Übergangsrecht» ist in Ziff. 5 zu § 3 (Erwerb des Genossenrechts) weiter festgehalten:

«Personen, die die Voraussetzungen für Erwerb oder Beibehaltung des Genossenrechtes gemäss diesen Statuten im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Statuten erfüllen, dieses aber gestützt auf frühere Statuten nicht erwerben konnten oder verloren haben, können durch schriftliches Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch an die Korporationskanzlei mit dokumentarischem Nachweis über den Erwerbsgrund die Aufnahme bzw. Wiederaufnahme ins Genossenrecht verlangen. Das entsprechende Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch ist innert drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Statuten einzureichen, ansonsten der Anspruch auf Aufnahme bzw. Wiederaufnahme verwirkt.»

5.2 Die Beschwerdeführerin hatte ihr Genossenrecht aufgrund früherer Statuten verloren und stellte unbestrittenermassen im Jahr 2018 und damit innert der in § 23 Ziff. 5 der Statuten vorgesehenen Übergangsfrist, ein Gesuch um Wiederaufnahme in die Korporation Unterägeri. Diese hat das Gesuch anhand der vorgenannten Regelung geprüft und kam zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin die in § 3 Ziff. 2 der Statuten festgelegten Voraussetzungen für eine (Wieder-)Aufnahme nicht erfüllt. Sie war weder am 1. Januar 2012 im Genossenregister der Korporation eingetragen (Bst. a) noch hat sie das Genossenrecht zwischen dem 1. Januar 2012 und dem Inkrafttreten der neuen Statuten erworben (Bst. b) noch steht sie in einem Kindsverhältnis gemäss Art. 252 ZGB zu einer am 1. Januar 2012 noch nicht verstorbenen Korporationsgenossin und/oder einem Korporationsgenossen (Bst. c). Wohl waren ihre Eltern beide unbestrittenermassen Korporationsgenossen, ihr Vater war jedoch 1994 und ihre Mutter bereits 1983 verstorben. Geht man davon aus, dass eine Person mit ihrem Tod aus dem Genossenregister gelöscht wird, war es der Beschwerdeführerin daher auch nicht möglich, eine direkte Nachkommenschaft (mit Verwandtschaft 1. Grades) zu einer zwischen dem 1. Januar 2005 und dem 31. Dezember 2011 für mindestens 365 Tage im Genossenregister eingetragenen Person nachzuweisen wie in § 3 Ziff. 2 Bst. d der Statuten gefordert (vgl. Protokoll Korporationsratssitzung vom 8. Januar 2019, Beschluss des Korporationsrates vom 6. Dezember 2019, Entscheid des Korporationsrates vom 17. März 2020). Wie vom Regierungsrat im angefochtenen Entscheid bestätigend festgestellt wurde und unter den Parteien auch nicht strittig ist, erfolgte die Abweisung des Wiederaufnahmegesuchs somit statutenkonform.

Umstritten ist vorliegend jedoch, ob die betreffenden Statutenbestimmungen, insbesondere die darin vorgenommenen zeitlichen Einschränkungen in Bezug auf den Abstammungsnachweis, rechtmässig sind oder ob sie für die Beschwerdeführerin zu einer Ungleichbehandlung und indirekten Diskriminierung führen und daher nicht verfassungskonform sind.

6.

6.1 Gemäss Art. 8 Abs. 1 BV sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Das Gebot rechtsgleicher Behandlung nach Art. 8 Abs. 1 BV ist ein selbständiges verfassungsmässiges Recht. In allgemeiner Weise ist Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln. Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung nach Art. 8 Abs. 1 BV ist verletzt, wenn ein Erlass hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn er Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen (BGE 143 I 361 E. 5.1; 132 I 68 E. 4.1).

Gemäss Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. Auf diese Weise soll Angehörigen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen ein spezifischer Schutz gewährt werden (BGE 143 I 361 E. 5.1; 132 I 68 E. 4.1). Wie allgemein anerkannt ist, kann mitunter die Diskriminierung Folge einer gesetzlichen Regelung sein, die keine offensichtliche Benachteiligung von besonders geschützten Gruppen enthält, hingegen in der praktischen Anwendung zu einer unzulässigen Schlechterstellung führt (zum ganzen BGE 132 I 68 E. 4.1 mit Hinweisen). Artikel 8 Abs. 2 BV behält als Individualrecht eine subsidiäre Bedeutung zur Korrektur einer diskriminierenden Schlechterstellung von Frauen (Rainer J. Schweizer, in: St. Galler Kommentar zur BV, 3. Aufl. 2014, Art. 8 N 69, mit Hinweis auf BGE 132 I 68 E. 4.2).

Nach Art. 8 Abs. 3 Satz 1 BV sind Mann und Frau gleichberechtigt. Gemäss Literatur und Praxis ist eine Unterscheidung aufgrund des Geschlechts im Prinzip unzulässig und bedarf einer besonderen Rechtfertigung (Bigler-Eggenberger/Kägi-Diener, in: St. Galler Kommentar zur BV, 3. Aufl. 2014, Art. 8 N 105; BGE 138 I 265 E. 4.3). Mann und Frau dürfen wegen ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden. Eine indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn eine formal geschlechtsneutrale Regelung im Ergebnis wesentlich mehr bzw. überwiegend Angehörige des einen Geschlechts gegenüber denjenigen des anderen benachteiligt, ohne dass dies sachlich begründet wäre (vgl. statt vieler BGE 141 II 411 E. 6.1.2). Formal geschlechtsneutrale Kriterien können unter Umständen eine indirekte Diskriminierung bewirken, wenn sie in der gesellschaftlichen Realität geschlechtsspezifisch vorkommen (BGE 142 II 49 E. 6.1). Keine Diskriminierung liegt vor, wenn die Benachteiligung sachlich begründet und auf objektive Kriterien gestützt ist (vgl. BGE 141 II 411 E. 6.1.2 betreffend Lohndiskriminierung).

Insgesamt gewährt Art. 8 BV ein verfassungsmässiges Recht auf sachgerechte Differenzierung. Der Staat kann zwar beliebig auf einen Bürger einwirken, hat aber unsachgerechte Differenzierungen zu unterlassen. Er verletzt das Rechtsgleichheitsgebot, wenn er Differenzierungen vornimmt, für die sachliche und vernünftige Gründe fehlen (vgl. BGE 131 I 1 E. 4.2; Belser/Waldmann, Grundrechte II, 2. Aufl. 2021, S. 281 Rz. 12; Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O, Rz. 753 und 756). Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden, je nach den herrschenden Anschauungen und Verhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein weiter Gestaltungsspielraum (BGE 143 I 361 E. 5.1; 139 I 242 E. 5.1 mit Hinweisen).

6.2 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Erlass willkürlich im Sinn von Art. 9 BV, wenn er sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist (BGE 134 I 23 E. 8; 133 I 259 E. 4.3). In solchen Fällen verletzt der Erlass meist gleichzeitig auch das Rechtsgleichheitsgebot oder andere Grundrechte. Die Sachgerechtigkeit beurteilt sich nicht nach dem historischen Willen des Gesetzgebers, sondern nach den Wertungsmassstäben zum Zeitpunkt der richterlichen Überprüfung (Belser/Waldmann, a.a.O, S. 309 Rz. 62; Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr, a.a.O., Rz. 811).

6.3 Wird neues Recht auf einen bereits bestehenden Sachverhalt angewendet, so spricht man von der sog. Rückwirkung. Dabei unterscheidet man zwischen der echten Rückwirkung und der unechten Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn neues Recht auf einen Sachverhalt angewendet wird, der sich abschliessend vor Inkrafttreten dieses Rechts verwirklicht hat. Von unechter Rückwirkung wird einerseits gesprochen, wenn neues Recht auf zeitlich offene Dauersachverhalte angewendet wird. Andererseits umfasst die unechte Rückwirkung auch den Fall, dass das neue Recht nur für die Zeit nach seinem Inkrafttreten zur Anwendung gelangt, dabei aber in einzelnen Belangen auf Sachverhalte abstellt, die bereits vor Inkrafttreten vorgelegen haben (sog. Rückanknüpfung). Während die echte Rückwirkung grundsätzlich verboten ist, ist die unechte Rückwirkung grundsätzlich zulässig, sofern ihr nicht wohlerworbene Rechte oder der Vertrauensschutz gegenüberstehen (vgl. zum Ganzen Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2020, Rz. 266 ff. mit weiteren Hinweisen; BGE 113 Ia 412 E. 6).

7.        

7.1 In Bezug auf den vorliegenden Sachverhalt ist vorab zu erwähnen, dass sich die Rechtsanschauung seit dem Zeitpunkt der «Ausheiratung» der Beschwerdeführerin im Jahr 1980 in Bezug auf die Gleichstellung von Mann und Frau wesentlich verändert hat, wie dies auch die Parteien ausführen. Bereits kurz nach ihrer «Ausheiratung» wurde am 14. Juni 1981 der Gleichstellungsartikel angenommen und mit ihm die Gleichstellung der Geschlechter in der BV verankert. Er verpflichtet den Gesetzgeber dazu, für rechtliche und tatsächliche Gleichstellung zu sorgen. In Folge dessen wurden erste Anpassungen des Eherechts in Bezug auf Namen und Bürgerrecht vorgenommen, welche am 1. Januar 1988 in Kraft traten. Neu konnte die Ehefrau ihr angestammtes Kantons- und Gemeindebürgerrecht bei der Heirat behalten und erhielt zusätzlich dasjenige des Ehemannes (aArt. 161 ZGB, gültig vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 2012). Frauen, die bereits verheiratet waren, wurde im Rahmen Art. 8b SchlT ZGB die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen des ZGB – mithin bis zum 31. Dezember 1988 – mittels einfacher Erklärung ihr ursprüngliches Gemeindebürgerrecht wieder anzunehmen. In Bezug auf den Namen hatten die Frauen neu die Möglichkeit einen Doppelnamen zu führen und ihren Ledignamen dem Namen des Ehemannes voran zu stellen. Seit dem Inkrafttreten der heute geltenden Art. 160 Abs. 1 und Art.  161 ZGB per 1. Januar 2013 wirkt sich die Eheschliessung nicht mehr auf den Namen und das Bürgerrecht der Eheschliessenden aus. Grundsätzlich behält heute jeder Ehegatte seinen Namen und sein Bürgerrecht. Damit wurde in dieser Hinsicht die Gleichstellung von Mann und Frau bewirkt und der gesellschaftlichen und rechtlichen Entwicklung Rechnung getragen (vgl. BGer 5A_164/2017 vom 29. Januar 2018 E. 4.4.6; vgl. zum Ganzen u.a. Roland Bühler, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, 6. Aufl. 2018, Art. 160 N 1 ff.; Ivo Schwander in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, 6. Aufl. 2018, Art. 161 N 3).

7.2 Diese Entwicklung hin zur Gleichstellung von Mann und Frau in Bezug auf Namen und Bürgerrecht zeigt sich auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichts im Zusammenhang mit den Aufnahmebedingungen von Korporationen.

7.2.1    Im Jahr 1991 hielt das Bundesgericht in BGE 117 Ia 107 fest, dass die Korporation Zug einer ausgeheirateten Frau, die gestützt auf Art. 8b SchlT ZGB das Bürgerrecht der Stadt Zug wieder annahm, nicht aber ihren ursprünglichen Namen (Art. 8a SchlT ZGB), die Wiederaufnahme in die Korporation gewähren muss. Die damaligen Statuten der Korporation Zug verlangten kumulativ zum Bürgerrecht die Führung eines Korporationsgeschlechts, hierzu hielt das Bundesgericht fest, die Namensführung sei – mit Blick auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau – kein sachgemässes Kriterium für eine Korporationszugehörigkeit (BGE 117 Ia 107 E. 6b). Es erachtete es zudem als mit dem Rechtsgleichheitsgebot nicht vereinbar, die Wiederaufnahme in die Korporation von einer Namensänderung nach Art. 8a SchlT ZGB abhängig zu machen.

7.2.2    Im Jahr 2006 ging das Bundegericht in BGE 132 I 68 einen Schritt weiter. Um Aufnahme in die Genossame Lachen ersuchte damals die Tochter einer verheirateten Genossenbürgerin. Die Tochter trug weder ein Genossengeschlecht als Namen wie ihre Mutter noch einen der vorgegebenen Bürgerorte, denn in beidem folgte sie gemäss ZGB ihrem Vater. Die damaligen Statuten der Genossame Lachen setzten für eine Zugehörigkeit jedoch beides voraus. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die entsprechenden Statutenbestimmungen zu einer indirekten Benachteiligung von verheirateten Genossenbürgerinnen und unverheirateten Genossenbürgern führe, weil ihnen so eine Weitergabe der Mitgliedschaft an ihre Nachkommen verunmöglicht werde (BGE 132 I 68 E. 4.3.4). Das Bundesgericht führte weiter aus, die Abstammung könne ein massgebendes Kriterium für die Mitgliedschaft in einer Genossame darstellen, diese könne durch die moderne Führung des Zivilstandsregisters auch unabhängig von Bürgerrecht und Familienname festgestellt werden. Dem Wunsch der Genossame, die Zahl ihrer Mitglieder und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand begrenzt zu halten, könne im Übrigen durch die Einführung neuer Kriterien wie zum Beispiel dem Wohnsitz oder dem Verbot in mehreren Genossamen Mitglied zu sein, Rechnung getragen werden (BGE 132 I 68 E. 4.3.5). Das Bundesgericht bekräftigte letztlich, dass die Namensführung kein sachgerechtes Kriterium für die Zugehörigkeit zu einer Korporation darstelle und auch ein Abstellen auf das bundesrechtlich nicht zwingend mit der Abstammung verknüpfte Bürgerrecht zur Diskriminierung, hier der Tochter, führe und daher verfassungsrechtlich nicht haltbar sei (BGE 132 I 68 E. 4.3.6). Die Genossame wurde dazu angehalten, der Tochter die Aufnahme als Genossenbürgerin zu gewähren. Zudem wurde sie aufgefordert, ihre Statuten anzupassen.

7.2.3    In BGE 134 I 257 aus dem Jahr 2008 war erneut die Genossame Lachen betroffen, deren Statuten waren zwischenzeitlich im Jahr 2006 revidiert und das unmittelbare Abstammungsprinzip eingeführt worden. Im Rahmen der Übergangsbestimmungen trugen die neuen Statuten der Abstammung von eingetragenen Genossenbürgern bis zurück zum Stichtag vom 14. Juni 1981 Rechnung. Um Aufnahme in die Genossame ersuchte die Enkelin eines Genossenbürgers und Tochter einer bis zur Verheiratung Genossenbürgerin gewesenen Mutter, welche bereits 1970 verstorben war. Die statutarischen Voraussetzungen der direkten Abstammung erfüllte die Antragstellerin nicht, weil ihre Mutter das Genossenrecht verloren hatte. Umstritten war, ob sie durch das Erfordernis der unmittelbaren Abstammung im Vergleich zu Altersgenossen diskriminiert wurde, deren Eltern noch im Genossenregister verzeichnet waren oder nach dem Stichtag noch verzeichnet werden konnten (BGE 134 I 257 E. 3.3). Das Bundesgericht hielt fest, der Aufnahme der Betroffenen in die Genossame stehe einzig der Umstand entgegen, dass ihre Mutter das Genossenrecht mit der Heirat verloren und nie mehr wieder erlangt habe oder nach den zu ihren Lebzeiten geltenden Verfassung und Rechtsanschauung hätte wieder erlangen können (BGE 134 I 257 E. 3.4.1). Es kam zum Schluss, dass es in diesem Fall um die Abfolge der Generationen gehe, die es zuweilen mit sich bringe, dass bestehende Rechte nicht ohne Weiteres und unbegrenzt übertragen würden. Könnten sie von einem Inhaber nicht weitergegeben werden, so gingen sie verloren, sofern der Gesetzgeber keine entsprechende Rückwirkung angeordnet und kein Eintrittsrecht des Nachkommen vorgesehen habe, wie dies beispielsweise im Erbrecht der Fall sei, oder die gesetzlichen Voraussetzungen zur Wiedererlangung untergegangener Rechte nicht erfüllt seien (vgl. Art. 8b SchlT ZGB; zum Ganzen: BGE 134 I 257 E. 3.4.2). Der Betroffenen fehlte also die notwendige unmittelbare Abstammung. Das Bundesgericht hielt weiter fest, dass eine unterschiedliche Behandlung von mittelbaren und unmittelbaren Nachkommen zulässig sei.

Zum gleichen Schluss kam das Bundesgericht auch in BGer 5A_429/2009 vom 26. August 2009, in dem es der Antragstellerin ebenfalls nicht gelang, gegenüber der Genossame Lachen eine unmittelbare Abstammung von einem Genossenbürger oder einer Genossenbürgerin nachzuweisen. Auch ihre 1988 verstorbene Mutter hatte das Genossenrecht durch Ausheiratung verloren und hätte es aufgrund der im massgebenden Zeitpunkt vom 14. Juni 1981 bzw. bis zu ihrem Tod geltenden Statuten nicht wiedererlangen können.

7.2.4    Die Korporation Unterägeri nahm BGer 5A_208/2012 vom 27. September 2012 betreffend die Korporation Zug zum Anlass einer Überarbeitung ihrer Statuten. Darin bestärkte das Bundesgericht gegenüber der Korporation Zug seine Haltung, dass anstelle des bisher geltenden, nicht verfassungskonformen Namensprinzips, das geschlechtsneutrale Abstammungsprinzip für Korporationsbürgerinnen und Korporationsbürger gelten solle.

7.2.5 Beachtenswert ist auch BGer 5A_164/2017 vom 29. Januar 2018, in welchem das Bundesgericht der Korporation Stans vorhält, sie blende aus, dass trotz des bereits am 14. Juni 1981 angenommenen Gleichstellungsartikels und insbesondere des einschlägigen Urteils (BGE 132 I 68) aus dem Jahre 2006 bisher keine genügende Anpassung der Korporationsregel vorgenommen worden sei, um die Diskriminierung der Korporationsbürgerinnen – worunter auch die Mutter des Betroffenen falle – zu beheben.

8.        

8.1 Vorliegend bezieht sich die neue Regelung des Erwerbs des Genossenrechts in § 3 der Statuten nicht mehr auf die von der Rechtsprechung als nicht verfassungskonform qualifizierten Voraussetzungen des Gemeindebürgerrechts und der Namensführung. Die Geschlechter (Namen) der Korporationsgenossen werden wohl in Ziff. 1 noch erwähnt, spielen jedoch in Ziff. 2 keine eigenständige Rolle mehr dabei, wer als Korporationsgenosse bzw. Korporationsgenossin aufzunehmen ist (vgl. E. 5.1). Neben dem Schweizer Bürgerrecht braucht es nach Ziff. 2 Bst. c und d für den Erwerb des Korporationsbürgerrechts allein den Nachweis der direkten Abstammung von einer Person, welche im von den Statuten vorgegebenen Zeitraum im Genossenregister der Beschwerdegegnerin 1 eingetragen war oder ist. Damit gilt neu das geschlechtsneutrale Abstammungsprinzip, was nicht zu bemängeln ist. Wie das Bundesgericht bereits in BGE 117 Ia 107 festgestellt hat, ist es unter dem Gesichtswinkel der Rechtsgleichheit grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass eine Korporation die Aufnahme in das Genossenrecht auf die Nachkommen und die Ehegatten von Korporationsmitgliedern beschränken will. Das Bundesgericht führte aus, vom Zweck der Korporation her, nämlich das Stammgut zu verwalten und aus dessen Ertrag das Nutzentreffnis an die Berechtigten auszurichten, stelle die Mitgliedschaft weitgehend ein Vermögensrecht dar. Für die Nachfolge in ein vermögensrechtliches Verhältnis könne daher ohne weiteres auf die verwandtschaftliche Beziehung abgestellt werden, dies in Analogie zum schweizerischen Erbrecht (BGE 117 Ia 107 E. 6b). Die Abstammung ist in Anbetracht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung also ein zulässiges Kriterium zur Weitergabe des Genossenrechts bzw. für dessen Erwerb (vgl. auch vorne E. 7.2.2). Das Verwaltungsgericht ging im Urteil V 2013 53 vom 25. März 2014 gar davon aus, dass die Abstammung für die Aufnahme in eine Korporation letztlich das einzig massgebliche Kriterium darstellen kann, wobei sie durch die moderne Führung des Zivilstandsregisters leicht und insbesondere unabhängig von Bürgerrecht und Familiennamen festgestellt werden kann (BGE 132 I 68 E. 4.3.5, vgl. VGer ZG V 2013 53 vom 25. März 2014 E. 6).

Es ist weiter nicht ersichtlich, dass die neuen Statutenbestimmungen der Korporation Unterägeri zu einer direkten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts führen würden, denn im Gegensatz zu den früheren Statuten knüpfen sie an keinerlei Kriterien an, die ein Geschlecht mehr betreffen würden als das andere. Die Voraussetzungen für den Erwerb des Genossenrechts sind damit für die Zukunft grundsätzlich geschlechtsneutral ausgestaltet.

8.2      

8.2.1 Es stellt sich nun die Frage, ob die festgelegten, das Kriterium der direkten Abstammung zeitlich eingrenzenden Rahmenbedingungen (direkte Abstammung von einer am Stichtag des 1. Januars 2012, oder zwischen dem 1. Januar 2005 und 31. Dezember 2011 während mindestens 365 Tagen im Genossenregister eingetragenen Person) gerechtfertigt sind oder ob sie willkürlich sind und im Fall der Beschwerdeführerin einer Prüfung vor dem Hintergrund von Art. 8 BV nicht standhalten, weil sie zu einer indirekten Diskriminierung führen.

8.2.2 Der Regierungsrat hielt in seinem Entscheid fest, diese zeitliche Regelung durch die Statuten stelle eine zulässige Rückwirkung eines begünstigenden Erlasses dar, wobei kein Anspruch auf eine solche Rückwirkung bestehe. Er führt aus, es hätte der Beschwerdegegnerin 1 offen gestanden, keine Rückwirkung vorzusehen und das uneingeschränkte Abstammungsprinzip erst ab dem Inkrafttreten der Statuten zur Anwendung kommen zu lassen. Umso weniger bestehe ein Anspruch der Beschwerdeführerin darauf, dass die vorgesehene Rückwirkung weiter zurück erstreckt werde, als dies in den Statuten vorgesehen sei. Die getroffene Regelung bewirke, dass das mit der Statutenrevision eingeführte, in § 3 Ziff. 2 enthaltene uneingeschränkte Abstammungsprinzip auch vor dem Inkrafttreten der revidierten Statuten bis zu einem gewissen Zeitpunkt zurück zur Anwendung komme. Damit bliebe auch in Fällen der Ausheiratung unter den gegebenen Voraussetzungen ein Anspruch auf Wiederaufnahme bestehen (Beschluss des Regierungsrates vom 22. September 2020 E. 3). Diesen Standpunkt vertritt er auch im vorliegenden Verfahren.

Dem schloss sich die Beschwerdegegnerin 1 an. Sie verneint eine Diskriminierung und führt an, durch die neuen Statuten würde die vorbestehende rechtsungleiche Behandlung von Mann und Frau gemäss den alten Statuten für die Zukunft und rückwirkend beseitigt, was eine Begünstigung der Frauen sei. Die Beschwerdeführerin als Privatperson habe jedoch keinen Anspruch auf Rückwirkung des begünstigenden Erlasses. Selbst dann nicht, wenn die Anpassung des Erlasses aufgrund einer im Vorgängererlass enthaltenen Grundrechtsverletzung erfolgen musste. Ob und wie lange ein Erlass Rückwirkung entfalte, liege im freien Ermessen des Gesetzgebers.

8.2.3 Bei Personen, die sich im Zeitpunkt ihres Gesuchs nicht auf eine im Genossenregister eingetragene Person beziehen können, wird nach § 3 der Statuten darauf abgestellt, ob ein Elternteil am Stichtag des 1. Januar 2012 im Genossenregister eingetragenen war (§ 3 Ziff. 2 Bst. c) oder ob sie direkt von einer Person abstammen, die zwischen dem 1. Januar 2005 und dem 31. Dezember 2011 für mindestens 365 Tage im Genossenregister eingetragen war (§ 3 Ziff. 2 Bst. d). Es wird für die Aufnahme in die Korporation also an Tatsachen angeknüpft, die vor der zeitlichen Geltung der neuen Statutenbestimmung eingetreten sind, dies führt jedoch nicht zu einer eigentlichen Rückwirkung der Bestimmung selbst, sondern zu einer unechten Rückwirkung im Sinne einer Rückanknüpfung, erfolgt die mögliche Aufnahme doch nur für die Zukunft (vorne E. 6.3, vgl. auch zur sogenannten «Rückanknüpfung» BGE 144 I 81 E. 4.1 mit Hinweisen).

Aufgrund dieser Regelung greift das Abstammungsprinzip nur für Personen, die nicht nur nachweisen können, dass mindestens ein Elternteil Korporationsgenosse war, sondern zusätzlich auch, dass dieser mindestens bis zum 31. Dezember 2005 lebte und im Genossenregister eingetragen war. Dies führt – wie der Fall der Beschwerdeführerin zeigt – dazu, dass nach wie vor nicht alle noch lebenden direkten Nachkommen von Korporationsgenossen und -genossinnen das Genossenrecht erwerben können. Neben der Abstammung ist neu der Todeszeitpunkt der Eltern und deren damit offensichtlich verbundenes Ausscheiden aus dem Genossenregister massgebendes Kriterium für den Erwerb des Genossenrechts.

Ziel der unter dem Druck der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der gewandelten Rechtsauffassung durchgeführten Statutenänderung der Beschwerdegegnerin musste eine Beseitigung der unter den alten Statuten bestehenden Diskriminierung mindestens für die Zukunft sein. Dafür ist die Einführung des unmittelbaren Abstammungsprinzip praxisgemäss das richtige Instrument (BGE 132 I 68 E. 4.3.5; vgl. BGer 5A_208/2012 vom 27. September 2012). Vorliegend wird dessen Wirkung durch die gesetzten zeitlichen Rahmenbedingungen jedoch in Bezug auf die Gleichstellung von Mann und Frau teilweise eingeschränkt. So können gerade ehemalige Korporationsgenossinnen, die ihr Genossenrecht infolge Heirat verloren haben, nach wie vor das Nachsehen gegenüber anderen, insbesondere männlichen, direkten Nachkommen von Korporationsgenossen ihrer Generation haben. Unter den bis 2017 geltenden – spätestens seit 2006 (BGE 132 I 68) nicht mehr verfassungskonformen – Statuten war es ihnen trotz ihrer Abstammung nicht ohne Weiteres möglich, wieder Korporationsgenossinnen zu werden, sofern sie das Gemeindebürgerrecht verloren hatten. Unter den neuen Statuten ist ihre Wiederaufnahme nun trotz ihrer Abstammung davon abhängig, wann ihre Eltern verstarben. Für männliche Korporationsgenossen, deren Namen und Bürgerrecht auch bei Heirat beständig blieb, sowie für Korporationsgenossinnen, die ledig blieben oder die das Genossenrecht bereits unter den alten Statutenbestimmungen wiedererlangen konnten, spielt der Todeszeitpunkt der Eltern hingegen keine Rolle. Damit trifft die zeitliche Beschränkung insbesondere Frauen einer bestimmten Generation, die bereits unter den alten Statuten durch nicht verfassungskonforme Bestimmungen diskriminiert wurden. Ein vernünftiger, sachlicher Grund für diese erneute Ungleichbehandlung der direkten Nachkommen untereinander für die Zukunft ist nicht erkennbar. Daran ändert, entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin 1 nichts, dass das Abstellen auf den Vorgang der "Ausheiratung" selbst bis zur Annahme des Gleichstellungsartikels 1981 nicht per se verfassungswidrig war. Massgebend ist vielmehr, dass sich die Rechtsauffassung zur Gleichstellung der Geschlechter sowie die Statuten der Beschwerdegegnerin 1 zu Lebzeiten dieser Frauen so verändert haben, dass eine Heirat nicht mehr zum Verlust des Genossenrechts führen darf.

Dadurch, dass die neuen Statuten der Beschwerdegegnerin 1 eine Wiederaufnahme davon abhängig machen, wie lange der Elternteil, von welchem sich das Genossenrecht ableitet, lebte, ergibt sich zudem auch eine Ungleichbehandlung unter den noch lebenden "ausgeheirateten" Korporationsgenossinnen, wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt. Haben sie Glück und der Elternteil lebte bis mindestens zum 31. Dezember 2005, haben sie Anspruch auf eine Wiedereintragung, verstarb er vorher, haben sie das Nachsehen. Dies erscheint willkürlich. Gerade bei einer Person, die aufgrund ihrer Abstammung bereits einmal im Genossenregister eingetragen war, erscheint es im Rahmen der Einführung des Abstammungsprinzips zudem willkürlich, wenn sie ihre Abstammung erneut nachweisen muss und die Akzeptanz des Nachweises zusätzlich vom Todeszeitpunkt der Person abhängig gemacht wird, von der sich das Genossenrecht in unmittelbarer Abstammung ableiten soll. Zumindest ist kein vernünftiger Grund erkennbar, der ein solches Vorgehen rechtfertigt.

Die zeitliche Einschränkung drängt sich auch nicht aufgrund ausserhalb des Rechts liegender Verhältnisse auf. So hilft es der Beschwerdegegnerin 1 nicht, wenn sie vorbringt, eine Anwendung des Abstammungsprinzips über Generationen zurück sei für sie nicht tragbar, zum einen wegen des damit verbundenen Administrativaufwands und zum anderen weil dies die Umsetzung des Korporationszwecks deutlich beinträchtigen würde, da insbesondere die Baulandreserven nicht grösser würden, die sie für ihre Korporationsmitglieder verwalten und ihnen zur Nutzung zur Verfügung stellen müsse. Das Bestreben der Beschwerdegegnerin 1, möglichst viel von ihrer historischen Substanz und Tradition zu erhalten und ihre Vermögenswerte zu schützen, ist verständlich, dennoch sollten die neuen Statuten nicht nur verhindern, dass aus diesem Bestreben künftig neue Diskriminierungen entstehen, sondern auch dafür sorgen, dass bestehende Diskriminierungen nicht aufrecht erhalten bleiben. Mit der Einführung des Abstammungsprinzips geht eine gewisse, mehr oder weniger starke Öffnung der Korporation einher, was angesichts der Errungenschaften des heutigen Rechtstaates und der betroffenen Rechtsgüter hinzunehmen ist. Vorliegend geht es denn auch nicht um eine Anwendung des Abstammungsprinzips über Generationen zurück, sondern um eine zeitlich uneingeschränkte Anwendung des Prinzips auf noch lebende, «ausgeheiratete» direkte Nachkommen von Korporationsgenossen und deren Wiederaufnahme für die Zukunft auf Gesuch hin. Dass bei Einführung einer entsprechenden Regelung mit einer Unmenge an Gesuchen und Folgegesuchen der Nachkommen der Wiederaufgenommenen zu rechnen wäre, legte die Beschwerdegegnerin 1 nicht substanziiert dar und ist auch nicht anzunehmen. Es wäre zudem durchaus zulässig, den Zeitraum für das Stellen entsprechender Gesuche im Rahmen des Übergangsrechts zu beschränken, wie es bereits anlässlich der jüngsten Statutenrevision gemacht wurde. Auch liesse sich der legitime Schutz der Vermögenswerte der Beschwerdegegnerin 1 durch eine differenzierte Regelung des Anspruchs auf Vermögensleistungen bewerkstelligen (vgl. BGE 132 I 68 E. 4.3.5; VGer ZG V 2013 53 vom 25. März 2014)

8.2.4 Um dem vor mehr als 40 Jahren am 14. Juni 1981 angenommenen Gleichstellungsartikel und der seit dem Jahr 2006 (BGE 132 I 68) geltenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung sowie der heutigen Rechtsanschauung Rechnung zu tragen und die unbestrittenermassen für Korporationsgenossinnen diskriminierenden Auswirkungen der früheren Statuten zu beheben, ist deshalb für die Wiederaufnahme von noch lebenden, ehemaligen Korporationsgenossinnen einzig darauf abzustellen, dass ihre direkte unmittelbare Abstammung bereits einmal nachgewiesen und akzeptiert war und daher unter dem neu geltenden Abstammungsprinzip für die Zukunft ebenfalls als gegeben zu betrachten ist, soweit das Zivilstandsregister dem nicht widerspricht. Nur so wird die Ungleichbehandlung unter den direkten Nachkommen durch die früheren Statuten für die Zukunft behoben. Dies führt, entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin 1, nicht zu einer – neuen – Begünstigung der Frauen, sondern es wird vielmehr die frühere Schlechterstellung in Bezug auf ihre heutigen Auswirkungen korrigiert (vgl. BGE 138 II 217; Bigler-Eggenberger/Kägi-Diener, a.a.O., Art. 8 N 103).

Letztlich ist zu erwähnen, dass eine «ausgeheiratete» Frau gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung durchaus gute Chancen gehabt hätte, eine Wiederaufnahme in die Korporation Unterägeri unter den alten Statuten zu erstreiten (vgl. vorne E. 7.2). Es irritiert daher umso mehr, dass die neuen Statuten einigen von ihnen trotz eines Wiederaufnahmegesuchs eine solche verwehren.

8.3 Die Beschwerdegegnerin 1 bringt vor, die Beschwerdeführerin hätte das Bürgerrecht von Unterägeri im Jahr 1988 gestützt auf Art. 8b SchlT ZGB ohne grossen Aufwand wieder annehmen können, was richtig ist. Zu diesem Zeitpunkt hätte dies jedoch nicht genügt, um wieder in die Korporation aufgenommen zu werden. Die Statuten verlangten damals zusätzlich zum Gemeindebürgerrecht von Unterägeri, das Tragen eines Korporationsgeschlechts als Namen. Die Beschwerdeführerin hätte sich das Genossenrecht also auch bei einer Wiederannahme des Bürgerrechts noch gerichtlich erstreiten müssen, was ihr aus heutiger Sicht, mit Blick auf den später ergangenen BGE 117 Ia 107 aus dem Jahr 1991 wohl hätte gelingen können. Ihr heute aber aufgrund ihres damaligen Verhaltens einen mangelnden Willen, wieder Teil der Korporation zu werden, vorzuwerfen, ist bei dieser Ausgangslage stossend.

8.4 Die Beschwerdegegner 1 und 2 beziehen sich weiter auf BGE 134 I 257. Der dortige Sachverhalt unterscheidet sich allerdings in wesentlichen Punkten vom vorliegenden Fall. Anders als die Beschwerdeführerin war die Betroffene in BGE 134 I 257 selbst nie Korporationsgenossin und konnte auch keine direkte Abstammung von einem (verstorbenen) Korporationsmitglied nachweisen. Ihrer Aufnahme in die Genossame Lachen stand der Umstand entgegen, dass ihre 1970 verstorbene Mutter das Genossenbürgerrecht mit der Heirat verloren und nie mehr wiedererlangt hatte oder nach der zu ihren Lebzeiten geltenden Verfassung und Rechtsanschauung wieder hätte erlangen können (BGE 134 I 257 E. 3.4.1). Anders bei der Beschwerdeführerin, bei der nicht ihre Eltern des Genossenrechts verlustig gingen, sondern sie selbst. Das Genossenrecht ging also nicht durch die Abfolge von Generationen verloren. Wie oben ausgeführt, hat sich zudem die Rechtsanschauung zu Lebzeiten der Beschwerdeführerin so geändert, dass ihr heute eine Wiederaufnahme in die Korporation für die Zukunft unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit zu gewähren ist. Es geht um die künftige Gleichbehandlung von direkten bzw. unmittelbaren Nachkommen untereinander.

Letztlich ist vorliegend auch nicht die rückwirkende Anwendung des Abstammungsprinzips auf eine bereits verstorbene Person und deren rückwirkende Wiederaufnahme ins Genossenrecht Thema. Entsprechendes könnte von einer Korporation im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht verlangt werden, solange sie selbst eine solche Rückwirkung in den Statuten nicht explizit vorsieht. Vorliegend geht es um die Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin selbst zu Lebzeiten, in Umsetzung des neu in den Statuten verankerten Abstammungsprinzips.

8.5 Nach dem Gesagten führen die neuen Statuten der Beschwerdegegnerin 1, obgleich formal geschlechtsneutral ausgestaltet, aufgrund der festgelegten zeitlichen Beschränkung des Abstammungsnachweises auf die Dauer des Genossenregistereintrags der Eltern, im Falle der Beschwerdeführerin zu einer indirekten Diskriminierung, für die es keine sachliche oder vernünftige Begründung gibt. Es rechtfertigt sich vorliegend daher, allein die unbestrittene Tatsache zu berücksichtigen, dass ihre Eltern beide Genossen der Korporation Unterägeri waren und sie bis zu ihrer Heirat 1980 aufgrund ihrer Abstammung bereits Korporationsgenossin gewesen war. In verfassungskonformer Umsetzung des Abstammungsprinzips ist ihr daher die Wiederaufnahme in das Genossenrecht zu gewähren. Der angefochtene Entscheid stellt somit eine Verletzung von Verfassungsrecht dar.

9. Folglich ist die Beschwerde gutzuheissen. Der angefochtene Regierungsratsbeschluss vom 22. September 2020 ist aufzuheben und der verfassungswidrigen Statutenbestimmung ist – soweit sie für die Wiederaufnahme in die Korporation über die Abstammung hinaus zeitliche Anforderungen an den Genossenregistereintrag der unmittelbaren Vorfahren (Eltern) stellt – die Anwendung im konkreten Einzelfall zu versagen. Die Beschwerdeführerin, welche unstrittig von Korporationsgenossen abstammt, deren Genossenrecht gar bei Geburt auf sie übergegangen war, ist gestützt auf ihr Gesuch von 2018, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung, wieder in das Genossenrecht der Korporation Unterägeri aufzunehmen.

(…)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. April 2022, V 2020 67
Das Urteil ist rechtskräftig.
Bestätigt durch BGer 5A_427/2022.
Vollständiges Urteil auf der Entscheiddatenbank www.verwaltungsgericht.zg.ch

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