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Franchisevertrag

Nachvertragliches Konkurrenzverbot im Franchisevertrag

Regeste:

Anforderungen an ein in einem Franchisevertrag enthaltenes nachvertragliches Konkurrenzverbot. Analoge Anwendung von Art. 418d Abs. 2 OR auf Subordinationsfranchising-Verträge. Im vorliegenden Fall bleibt es der Klägerin verwehrt, sich auf das im Franchisevertrag enthaltene nachvertragliche Konkurrenzverbot zu berufen, da sie dem Beklagten keine Karenzentschädigung ausgerichtet hat (E. 5).

Aus dem Sachverhalt:

Die Klägerin A. B. AG führt und verwaltet unter der Firma «A.» eine Unternehmensgruppe im Bereich der Personal- und Unternehmensberatung.

Im Jahr 2018 schlossen die Klägerin (als Franchisegeberin), die A. AG V. (als Masterfranchisenehmerin) und der Beklagte C. (als Franchisenehmer) einen Franchisevertrag ab (hiernach «Franchisevertrag»). Gemäss Franchisevertrag war der Beklagte ab (…) 2018 als selbständiger Personalberater in der Niederlassung A. AG V. tätig, fokussiert auf die Branche (…) und den Grossraum V. (Ziff. 6, 10–11). Entsprechend gewährte die Klägerin dem Beklagten mit Wirkung ab (…) 2018 das Recht, unter dem Namen A. AG V. tätig zu sein und berechtigte ihn, das gesamte mit dem «A. Personalberatungssystem» verbundene Know-how zu nutzen. Der Beklagte verpflichtete sich unter anderem, dieses Geschäftssystem in allen Teilen zu übernehmen und einzuhalten (Ziff. 7–8). Nebst Bestimmungen zum Abrechnungsmodell (u.a. Ziff. 20) sieht der Franchisevertrag insbesondere ein nachvertragliches Konkurrenzverbot (Ziff. 24–25) vor. Als Gerichtsstand wurde Zug vereinbart (Ziff. 29).

Wie im Franchisevertrag (Ziff. 12) vorgesehen, gründete der Beklagte am (…) 2018 eine Gesellschaft, die C. GmbH, welche die Erbringung von Dienstleistungen als Personalvermittler und Unternehmensberater bezweckte. Nachdem der Beklagte im Jahr 2019 der Klägerin gegenüber erklärte, vom Franchisevertrag zurückzutreten, antwortete die Klägerin dem Beklagten, sie sei bereit, den Franchisevertrag per Ende (…) 2019 als aufgehoben zu betrachten. Am (…) 2020 beschloss der Beklagte bzw. die Gesellschafterversammlung die Auflösung der C. GmbH.

Am (…) 2020 reichte die Klägerin beim Kantonsgericht Zug gegen den Beklagten eine Klage ein, worin sie u.a. verlangte, der Beklagte sei zur Bezahlung einer Konventionalstrafe von CHF 150'000.00 zu verpflichten, weil er gegen das nachvertragliche Konkurrenzverbot verstossen habe. Der Beklagte schloss auf Abweisung der Klage.

Aus den Erwägungen:

(…)

3. Die Parteien sind sich vorliegend einig, dass der streitgegenständliche Vertrag als Franchisevertrag zu qualifizieren ist (…). Der Franchisevertrag lässt sich keinem herkömmlichen Vertragstypus des schweizerischen Rechts zuordnen. Es handelt sich um einen Innominatkontrakt. Franchiseverträge dienen dem Vertrieb von Waren und Dienstleistungen über selbständige Händler oder Unternehmer, aber nach einer einheitlichen Vertriebskonzeption. Der einzelne Franchisenehmer vertreibt die vom Franchisegeber hergestellten bzw. organisierten Waren und Dienstleistungen zwar auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko, befolgt dabei aber das einheitliche Absatz- und Werbekonzept, das ihm der Franchisegeber zur Verfügung stellt, erhält dessen Beistand, Rat und Schulung und verwendet dessen Namen, Marken, Ausstattungen oder sonstige Schutzrechte. Der Franchisegeber behält sich in der Regel das Recht vor, Weisungen zu erteilen und eine Kontrolle über die Geschäftstätigkeit auszuüben (Urteil des Bundesgerichts 4A_148/2011 vom 8. September 2011 E. 4.1; BGE 118 II 157 E. 2a).

Franchiseverträge treten in derart vielgestaltigen Erscheinungsformen auf, dass weder eine hinreichend scharfe begriffliche Umschreibung dieses Vertragstypus möglich erscheint noch ein für allemal gesagt werden könnte, welchen Rechtsregeln solche Verträge unterstehen. Das anwendbare Recht muss deshalb in jedem Einzelfall aufgrund des konkreten Vertrages ermittelt werden. Dabei wird der Vertrag selten einheitlich einem bestimmten gesetzlichen Vertragstypus zugeordnet werden können, herrscht doch bei Franchiseverträgen gewöhnlich nicht die Natur eines einzigen gesetzlichen Vertragstypus derart vor, dass typenfremde Elemente ohne weiteres darin aufgingen (Absorptionsprinzip). In der Regel muss vielmehr für jede sich stellende Rechtsfrage gesondert geprüft werden, nach welchen gesetzlichen Bestimmungen oder nach welchen Rechtsgrundsätzen sie zu beurteilen ist. Denn Franchiseverträge werden meist von mehreren verschiedenartigen Komponenten entscheidend geprägt, so namentlich von Elementen eines Überlassungsvertrages (Überlassung des Franchisepackage durch den Franchisegeber) und eines Arbeitsleistungsvertrages (Absatzförderungspflicht des Franchisenehmers). Häufig finden sich auch Elemente des Warenlieferungsvertrages. Im gemeinsamen Ziel der Maximierung des Umsatzes kann – ähnlich wie beim Alleinvertretungsvertrag – zudem ein gesellschaftsvertraglicher Einschlag erblickt werden. Das rechtfertigt die Heranziehung von Normen des Gesellschaftsrechts insbesondere dann, wenn zwischen den Parteien nicht ein Unterordnungs-, sondern ein partnerschaftliches Verhältnis besteht (sog. Partnerschaftsfranchising). Ist hingegen der Franchisenehmer, wie dies typischerweise der Fall ist, dem Franchisegeber untergeordnet (sog. Subordinationsfranchising), tritt die Frage einer analogen Anwendung arbeitsvertrags- oder agenturvertragsrechtlicher Schutzvorschriften in den Vordergrund (Urteil des Bundesgerichts 4A_148/2011 vom 8. September 2011 E. 4.1; BGE 118 II 157 E. 2c).

(…)

5. Andererseits ist umstritten, ob der Beklagte gegen das nachvertragliche Konkurrenzverbot verstossen hat und deshalb eine Konventionalstrafe schuldet.

5.1 Die Parteien machen im Wesentlichen Folgendes geltend:

5.1.1 Nach Ansicht der Klägerin ist es dem Beklagten gestützt auf das im Franchisevertrag vereinbarte nachvertragliche Konkurrenzverbot untersagt, im Radius von 80 km in und um V. konkurrenzierend tätig zu sein. Das Konkurrenzverbot erfülle die gesetzlichen Anforderungen, denn es sei zeitlich, räumlich und sachlich beschränkt sowie schriftlich vereinbart. Eine unbillige Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens des Beklagten sei ausgeschlossen (…). Zwar habe sich der Beklagte als Franchisenehmer auf die Branchen (…) fokussiert; das Konkurrenzverbot beziehe sich aber auf die gesamte Tätigkeit der Klägerin (Personalvermittlung und Unternehmensberatung, (…)). Der Zweck der C. GmbH habe auch nach Vertragsende in der Personalvermittlung und Unternehmensberatung bestanden. Da deren Auflösung erst am (…) 2020 beschlossen worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der Beklagte noch während rund eines Jahres nach Vertragsbeendigung entsprechende Dienstleistungen in und um V. erbracht habe (…). Überdies sei der Beklagte nach Vertragsbeendigung Partner bei der D. AG geworden, deren Zweck u.a. in der Vermittlung von Kader- und Fachpersonal liege. Dies entspreche exakt dem Zweck der Klägerin bzw. A. AG V.. D. AG sei zu (…) % für die (…)- und zu (…) % für die (…)-branche tätig. Da der Beklagte gegen das Konkurrenzverbot verstossen habe, schulde er die vereinbarte Konventionalstrafe von CHF 150'000.00 (…).

5.1.2 Der Beklagte wendet ein, die herrschende Lehre spreche sich für eine analoge Anwendung von Art. 418d Abs. 2 Satz 2 OR auf in Franchiseverträgen enthaltene nachvertragliche Konkurrenzverbote aus. Begründet werde dies damit, dass der Franchise- und der Agenturvertrag enger miteinander verwandt seien als der Franchise- und der Arbeitsvertrag. Als selbständig Erwerbende seien der Agent und der Franchisenehmer von einem Konkurrenzverbot tendenziell stärker betroffen als ein Arbeitnehmer. Im Franchiseverhältnis herrsche in der Regel ein Machtgefälle zu Ungunsten des Franchisenehmers vor. Bei analoger Anwendung von Art. 418d Abs. 2 Satz 2 OR müsse ein Konkurrenzverbot zwingend eine Karenzentschädigung vorsehen, andernfalls das Konkurrenzverbot ungültig sei. Eine Karenzentschädigung sei vorliegend aber nicht vereinbart worden (…). Bei Anwendung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen sei zwar keine Karenzentschädigung vorgeschrieben, inhaltliche Schranken seien aber ebenfalls zu beachten. So werde vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer Spezialkenntnisse erlangt habe, bspw. durch Einblicke in den Kundenkreis. Der Kundenkreis der Klägerin sei für die Vermittlungstätigkeit des Beklagten praktisch bedeutungslos gewesen, zumal die Datenbank der Klägerin nicht mehr aktuell gewesen sei. Er habe sich beinahe ausschliesslich seines eigenen umfassenden Netzwerks bedient. Damit sei ausgeschlossen, dass der Beklagte Spezialkenntnisse im rechtserheblichen Sinne habe erlangen können. Ausserdem erweise sich das Konkurrenzverbot nach Ort, Zeit und Gegenstand als geradezu krass grenzüberschreitend. So sei praktisch das gesamte Gebiet der Deutschschweiz betroffen. In sachlicher Hinsicht dürfe ein Konkurrenzverbot bei Kenntnissen über den Kundenkreis nicht weiter gehen, als die intensiven Geschäftsbeziehungen des Arbeitnehmers reichten. Schliesslich könne ein Konkurrenzverbot nur solange wirken, als dass der Arbeitgeber noch ein Interesse an der Geheimhaltung der Spezialkenntnisse habe. Mangels vermittelter Spezialkenntnisse fehle es der Klägerin von Vornherein an einem solchen Interesse. Bei Gültigkeit des Konkurrenzverbots würde der Beklagte seiner Existenzgrundlage beraubt (…). Sodann macht der Beklagte geltend, seit Vertragsbeendigung nicht mehr in den Branchen (…) tätig gewesen zu sein (…).

5.2 Das im Franchisevertrag vereinbarte nachvertragliche Konkurrenzverbot lautet wie folgt (…): «Der Franchisenehmer verpflichtet sich, während der Dauer von zwei Jahren nach Beendigung dieses Vertrages jede konkurrenzierende Tätigkeit zu unterlassen. Insbesondere verpflichtet er sich, weder eine Firma, die ganz oder teilweise den gleichen Zweck wie die A. verfolgt, zu gründen, noch sich an einer solchen zu beteiligen, noch eine Stellung in einer solchen anzunehmen, für eine solche Firma Leistungen irgendwelcher Art zu erbringen oder bestehende beziehungsweise potentielle Kundschaft der A. abzuwerben (Ziff. 24). Das Konkurrenzverbot erstreckt sich auf das Vertragsgebiet, d.h[.] im geographischen Bereich in und 80 Km um V.. Bei Zuwiderhandlungen gegen das Konkurrenzverbot schuldet der Franchisenehmer eine Konventionalstrafe in der Höhe von CHF 150'000.– (Hundertfünfzigtausend). Durch die Bezahlung der Konventionalstrafe ist der Franchisenehmer vom Konkurrenzverbot befreit» (Ziff. 25). Eine Karenzentschädigung haben die Parteien unbestrittenermassen weder vereinbart, noch wurde eine solche bei Vertragsbeendigung ausgerichtet (…).

5.3 Dass die Vereinbarung eines nachvertraglichen Konkurrenzverbots in einem Franchisevertrag grundsätzlich zulässig ist, ist in der Lehre anerkannt (statt vieler: Amstutz/Morin, Basler Kommentar, 7. A. 2020, Einl. vor Art. 184 ff. OR N 160). Umstritten ist, welchen Anforderungen ein nachvertragliches Konkurrenzverbot genügen muss bzw. welche gesetzlichen Bestimmungen (analog) zur Anwendung gelangen.

5.3.1 Die herrschende Lehre ist der Ansicht, Art. 418d Abs. 2 OR sei analog anwendbar, weshalb dem Franchisenehmer ein unabdingbarer Anspruch auf eine Karenzentschädigung zustehe. Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, aufgrund des nachvertraglichen Konkurrenzverbotes könne der Franchisenehmer trotz Wiedererlangen seiner Unabhängigkeit während einer bestimmten Zeit in seiner angestammten Branche und in seinem Betrieb nicht mehr wirtschaften. Für einen selbständig Erwerbenden bedeute ein Konkurrenzverbot oftmals die Aufgabe der beruflichen Selbständigkeit, wohingegen der Arbeitnehmer als solcher die Branche wechseln könne. Die allgemeinen Schranken der Art. 27/28 ZGB und 19/20 OR böten hier keinen genügenden Schutz. Die besondere Schutzbedürftigkeit des Franchisenehmers, welche sich aus dem typischerweise vorhandenen Unterordnungsverhältnis ergebe, rechtfertige die Übernahme der agenturvertragsrechtlichen Regel (Baudenbacher, Die Behandlung des Franchisevertrages im schweizerischen und im europäischen Recht, in: Kramer [Hrsg.], Neue Vertragsformen der Wirtschaft: Leasing, Factoring, Franchising, 2. A. 1992, S. 380; Amstutz/Morin, a.a.O., Einl. vor Art. 184 ff. OR N 160; Huguenin, Obligationenrecht - Allgemeiner und Besonderer Teil, 3. A. 2019, Rz 3903; Giger, Systematische Darstellung der Franchisevertragsproblematik, 2016, S. 137; Cotti, Das vertragliche Konkurrenzverbot, 2001, Rz 858 ff.; Fisch, Die Anwendbarkeit zwingenden Privatrechts auf Franchiseverträge, AJP 2016 S. 830 f.; Kull, Die Verbindlichkeit des nachvertraglichen Konkurrenzverbotes, in: Bäni/Obrist [Hrsg.], Festschrift zur Emeritierung von Jean-Fritz Stöckli, 2014, S. 370; Schulthess, Der Franchise-Vertrag nach schweizerischem Recht, 1975, S. 192; wohl auch Lang, Rechtsschutz im Franchising durch vorvertragliche Information, 2014, S. 113). Das Handelsgericht Zürich hat sich in einem Fall, in welchem es (ebenfalls) um Franchising im Bereich Personalvermittlung und -beratung ging, dieser Lehrmeinung angeschlossen. Dabei hat es ausgeführt, die agenturvertraglichen Schutzvorschriften seien bei Franchiseverträgen, bei welchen die Elemente der Subordination überwiegen (Subordinationsfranchising), angemessen, weshalb Art. 418d Abs. 2 OR analog Anwendung finde (Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 14. Juni 2001, in: ZR 102/2003 S. 49 f.).

Ein anderer Teil des Schrifttums spricht sich gegen einen Anspruch des einem nachvertraglichen Konkurrenzverbot unterworfenen Franchisenehmers auf eine Karenzentschädigung aus. Die Ablehnung wird primär mit Verweis auf ein Urteil des Obergerichts Zürich vom 26. April 1978 (SJZ 1981 S. 213 ff. und ZR 78/1979 S. 148 ff.) begründet. Das Obergericht hat in diesem Entscheid – indes mit Bezug auf einen Alleinvertriebsvertrag – erwogen, die arbeitsvertragliche Regelung sei lex posterior zum Agenturrecht, weshalb der Gesetzgeber den Wertungsentscheid gegen eine nachvertragliche Karenzentschädigung im Arbeitsvertragsrecht (Art. 340–340c OR) bewusst getroffen haben müsse. Art. 418d Abs. 2 OR komme damit singulärer Charakter zu, was gegen eine analoge Anwendung spreche. Weiter wird vorgebracht, wenn die Schutzbedürftigkeit und die Integration in das Organisationskonzept der Vertragsgegenseite massgeblich sein solle, dann sei – wenn überhaupt – von einer Wertungskonkurrenz zum Arbeitsvertragsrecht und nicht von einer solchen zum Agenturrecht auszugehen, weshalb ein Anspruch des Franchisenehmers auf eine Karenzentschädigung entfalle (Wildhaber, in: Müller-Chen/Huguenin [Hrsg.], Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3. A. 2016, Vorb OR 184 ff/Franchisevertrag N 44; Kramer, Aktuelle Judikatur zum Vertragsrecht der Absatz- und Geschäftsmittler, AJP 1997 S. 170 und Fn 42, indes mit Bezug auf den Alleinvertriebsvertrag; im Ergebnis gl.M. Wang, Die Funktionsweise des Franchising im Gastgewerbe und in der Hotellerie, in: Kramer [Hrsg.], Neue Vertragsformen der Wirtschaft: Leasing, Factoring, Franchising, 2. A. 1992, S. 362 f., der seine Ablehnung aber primär mit Bedenken hinsichtlich der Bemessbarkeit der Karenzentschädigung begründet; ohne Begründung ablehnend: Ebneter, Der Franchise-Vertrag, 1997, S. 173).

5.3.2 Die Frage der analogen Anwendung von arbeits- oder agenturvertraglichen Schutzvorschriften auf in Franchiseverträgen enthaltene nachvertragliche Konkurrenzverbote stellt sich nur dann, wenn ein Subordinationsfranchising vorliegt. Besteht zwischen den Parteien hingegen eher ein partnerschaftliches Verhältnis (Partnerschaftsfranchising), so überwiegt bei der Arbeitsleistung die gesellschaftsrechtliche Komponente. In diesem Fall sind die gesellschaftsrechtlichen Normen heranzuziehen, die keinen speziellen Schutz vor nachvertraglichen Konkurrenzverboten vorsehen (Cotti, a.a.O., Rz 858 m.H.). Ist von Subordinationsfranchising auszugehen, ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre Art. 418d Abs. 2 OR analog anzuwenden. Dem Franchisenehmer steht für ein nachvertragliches Konkurrenzverbot mithin zwingend eine Karenzentschädigung zu. Zur Begründung ist anzuführen, dass Ausnahmevorschriften zur Schliessung einer Gesetzeslücke dann analog anzuwenden sind, wenn ein nicht geregelter Sachverhalt dem durch die Ausnahmevorschrift geregelten ähnlich ist. Nicht der singuläre Charakter einer Norm entscheidet über deren Analogiefähigkeit, sondern die allfällige wertungsmässige Kongruenz der verglichenen Sachverhalte. Dieser methodische Einwand entkräftet die im vorstehenden Absatz wiedergegebene Argumentation des Obergerichts Zürich. Folgende Punkte sprechen für eine analoge Anwendung von Art. 418d Abs. 2 (Satz 2) OR: Der Franchisevertrag und der Agenturvertrag sind enger miteinander verwandt als der Franchisevertrag und der Arbeitsvertrag, denn sowohl der Agent als auch der Franchisenehmer sind rechtlich selbständige Absatzmittler. Der Arbeitnehmer hingegen ist ein unselbständig Erwerbender, und seine Tätigkeit liegt nicht notwendig im Bereich der Absatzmittlung. Als selbständig Erwerbende werden der Agent und der Franchisenehmer von einem Konkurrenzverbot tendenziell stärker getroffen als ein Arbeitnehmer. Für einen selbständig Erwerbenden bedeutet ein Konkurrenzverbot oftmals die Aufgabe der beruflichen Selbständigkeit, wohingegen der Arbeitnehmer als solcher eher die Branche wechseln kann. Dem Franchiseverhältnis ist in der Regel ein Machtgefälle inhärent. Der Franchisegeber verwendet zumeist einen Formularvertrag, dessen Bestimmungen nicht einzeln ausgehandelt werden. Der Franchisenehmer ist bei Vertragsabschluss oftmals in einer «take it or leave it»-Position. Eine freiwillige Karenzentschädigung dürfte demzufolge kaum je vereinbart werden (vgl. Fisch, a.a.O., S. 830 f.; vgl. Cotti, a.a.O., Rz 858–860).

5.3.3 Wie hiernach darzulegen ist, ist der Franchisevertrag der Parteien als Subordinationsfranchising zu qualifizieren. Dem Beklagten oblag die Erbringung von Personal- und Unternehmens-beratungsleistungen unter Beachtung und Befolgung des «A. Personalberatungssystems» (Ziff. 7–8). Der Beklagte arbeitete zwar selbständig, auf eigene Rechnung und Risiko (Ziff. 6 und 12), er stand jedoch gleichwohl in einem Unterordnungsverhältnis zur Klägerin bzw. Masterfranchisenehmerin. Er hatte sich seiner Aufgabe vollberuflich anzunehmen; die Aufnahme einer «betriebswirtschaftlich relevanten» Nebentätigkeit war ihm nur mit vorgängiger (schriftlicher) Erlaubnis der Masterfranchisenehmerin und unter Beteiligung derselben sowie der Franchisegeberin an den Nebeneinkünften möglich (Ziff. 19). Der Franchisevertrag schrieb einen Mindestumsatz von jährlich CHF 200'000.00 vor (Ziff. 20), was einer faktischen Absatzförderungspflicht gleichkommt. Dem Beklagten war es ferner nicht erlaubt, selber Rechnung an Kunden oder Dritte zu stellen (Ziff. 21). Weiter enthält der Franchisevertrag Vorschriften über die vom Beklagten zu führende Buchhaltung und das Recht der Klägerin, jederzeit darin Einsicht zu nehmen (Ziff. 16). Der Beklagte war verpflichtet, Richtlinien der «A.» und der Klägerin einzuhalten (Ziff. 12). Er übte seine Geschäftstätigkeit mit den ihm von der Masterfranchisenehmerin zur Verfügung gestellten Betriebsmitteln aus (Büroräumlichkeiten, Sekretariat etc. [Ziff. 20]). Schliesslich hält der Vertrag ausdrücklich fest, dass sämtliche Kandidaten- und Kundendaten im Eigentum der Klägerin bzw. A. stehen (Ziff. 23), und verbietet dem Beklagten, die Unternehmensgruppe der Klägerin nach Vertragsbeendigung zu konkurrenzieren (Ziff. 24 f.). Zwar enthält der Franchisevertrag auch kooperative Elemente (Partnermeetings bezüglich Marketingaktivitäten, Schulung, Strategien etc. [Ziff. 13]; Schiedsgericht [Ziff. 27]), diese treten aber gegenüber den oben erwähnten Elementen der Subordination in den Hintergrund. Der Franchisevertrag beschränkte den Beklagten somit in seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit und führte zu einer nicht unerheblichen Abhängigkeit (vgl. zur Abgrenzung Subordinations- und Partnerschaftsfranchising: Urteil des Obergerichts Zürich LB120080 vom 4. April 2013 E. 3.1–3.5 und Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 14. Juni 2001, in: ZR 102/2003 S. 48 f.). Im Übrigen gehen die Parteien auch selbst von einem Subordinationsfranchising aus, denn sie verweisen jeweils entweder auf die arbeitsvertraglichen oder agenturvertraglichen Schutzvorschriften (Klägerin: (…); Beklagter: (…)), was bei einem Partnerschaftsfranchising gerade nicht erforderlich wäre (vgl. E. 5.3.2).

5.4 Bei diesem Ergebnis stellt sich die Frage, wie sich das Fehlen einer Karenzentschädigung auf das nachvertragliche Konkurrenzverbot auswirkt. Ein Teil der Lehre geht davon aus, dass das Konkurrenzverbot entfällt, wenn es der Auftraggeber nach Auflösung des Agenturverhältnisses versäumt, die Karenzentschädigung zu bezahlen (Spühler, Zürcher Kommentar, 2000, Art. 418d OR N 34; Mathys, in: Müller-Chen/Huguenin [Hrsg.], a.a.O., Art. 418d OR N 8; gl.M. Kull, a.a.O., S. 376, der zudem festhält, auch eine zu geringe Karenzentschädigung lasse das Konkurrenzverbot dahinfallen). Nach anderer Ansicht ist das nachvertragliche Konkurrenzverbot auch ohne Vereinbarung einer Karenzentschädigung gültig, solle es aber wirksam werden, müsse der Auftraggeber dem Agenten vor Auflösung des Vertragsverhältnisses eine angemessene Entschädigung ausrichten (Cotti, a.a.O., Rz 228 mit Verweis auf Urteil des Obergerichts Zürich vom 26. April 1978 E. 4, in: ZR 78/1979 S. 148 ff.). Damit kann festgehalten werden, dass die Wirksamkeit des nachvertraglichen Konkurrenzverbots von der Ausrichtung einer (angemessenen) Karenzentschädigung abhängt. Dies gilt selbst dann, wenn der Agent den Vertrag selbst kündigt (vgl. BGE 95 II 143 E. II.3; Spühler, a.a.O., Art. 418d OR N 49). Das Gesagte hat analog auch für den Subordinationsfranchising-Vertrag zu gelten. Da die Klägerin dem Beklagten bei Vertragsbeendigung keine Karenzentschädigung ausgerichtet hat (E. 5.2), bleibt es ihr verwehrt, sich gegenüber dem Beklagten auf das im Franchisevertrag enthaltene nachvertragliche Konkurrenzverbot zu berufen und eine Konventionalstrafe geltend zu machen. Die Klage ist mithin teilweise abzuweisen und es erübrigt sich, auf die weiteren Behauptungen der Parteien (insbesondere bezüglich der Frage der Verletzung des Konkurrenzverbots) einzugehen.

Entscheid des Kantonsgerichts Zug A2 2020 46 vom 9. Januar 2023
Der Entscheid ist nicht rechtskräftig.

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