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Art. 738 ZGB, Art. 973 Abs. 1 ZGB

Regeste:

Art. 738 ZGB, Art. 973 Abs. 1 ZGB – Bedeutung der natürlichen Publizität für Inhalt und Umfang eines Wegrechts. Im vorliegenden Fall ist Inhalt und Umfang des Wegrechts anhand der Stufenordnung von Art. 738 ZGB zu ermitteln; die natürliche Publizität ist nicht massgeblich (E. 3.4). Unter den gegebenen Umständen stellt der Bau der Strasse in den heute bestehenden Dimensionen durch die vormalige Eigentümerin kein teilweiser Verzicht auf das Wegrecht dar. Das Wegrecht, wie es sich nach der Stufenordnung von Art. 738 ZGB ergeben hat, hat sich nicht ausserbuchlich verändert (E. 3.5).

Aus dem Sachverhalt:

Im Jahr 2002 erteilte der Gemeinderat Z. die Baubewilligung für eine Arealbebauung auf dem damaligen Grundstück Nr. 1, GB Z. («Arealbebauung Y.»). Die Arealbebauung Y. sah vor, dass im südlichen Teil des Grundstücks zwei versetzt zueinander angeordnete Reihen an je fünf Mehrfamilienhäusern realisiert werden sollten. Der nördliche Teil des Grundstücks war für einen Gewerbebau vorgesehen. Die Erschliessung des Gewerbebaus sollte von der T.-Strasse via X.-Weg und die Strasse Y. erfolgen, während für die Wohnbauten anfangs der Strasse Y. eine Tiefgarageneinfahrt geplant war. Gleichentags sprach der Gemeinderat Z. die Baubewilligung für die erste Etappe der Arealbebauung Y. aus. Diese umfasste den Neubau der ersten fünf Mehrfamilienhäuser mit Einstellhalle.

Mit öffentlicher Urkunde vom (…) 2003 parzellierte die damalige Eigentümerin, U. AG (Z.), das Grundstück Nr. 1, GB Z., und schuf dadurch die heutigen Grundstücke Nrn. 2–10. Die zehn Mehrfamilienhäuser sollten auf den Parzellen Nrn. 2 bis 9 errichtet werden, die Gewerbebaute auf Parzelle Nr. 10. Gleichzeitig begründete U. AG zahlreiche neue Dienstbarkeiten, u.a. das streitgegenständliche Fuss- und Fahrwegrecht zugunsten des Grundstücks Nr. 10 zulasten der Grundstücke Nrn. 2 und 7 (hiernach «Wegrecht»).

Im Jahr 2004 bewilligte der Gemeinderat Z. die zweite Etappe der Arealbebauung Y. (fünf Mehrfamilienhäuser mit Einstellhalle). Die Bauarbeiten für die erste Etappe wurden im Jahr 2005 abgeschlossen, diejenigen für die zweite Etappe im Jahr 2007. Im Rahmen dieser Bauarbeiten wurde auch die heutige Strasse Y. erstellt, und zwar mit einer Breite von 6,3 m im Strassenverlauf und 6,75 m beim Einlenker in den X.-Weg (hiernach auch «Knoten X.-Weg/Zufahrtsstrasse Y.»). Die Strasse Y. verbindet das Grundstück Nr. 10 mit dem X.-Weg und ist vom streitgegenständlichen Wegrecht erfasst.

Das während der ersten Etappe bebaute Grundstück Nr. 2 (Mehrfamilienhaus A), GB Z., ist in neun Stockwerkeigentumseinheiten unterteilt. Die Beklagten 1-15 sind die Eigentümer dieser Stockwerkeigentumseinheiten.

Im Jahr 2008 erteilte der Gemeinderat Z. die Baubewilligung für eine Änderung der Arealbebauung Y. Die Änderungen bezogen sich auf das auf Grundstück Nr. 10 geplante Gewerbegebäude, wobei dessen Erschliessung weitestgehend identisch blieb und nach wie vor via X.-Weg und die Strasse Y. erfolgen sollte. Gleichentags gewährte der Gemeinderat Z. die Bewilligung für den Neubau des Gewerbegebäudes auf Grundstück Nr. 10 als dritte Etappe der Arealbebauung Y. Das bewilligte Projekt wurde nicht realisiert.

Im Jahr 2012 erwarben die Klägerinnen A. AG und B. AG ein Kaufrecht am Grundstück Nr. 10 und reichten am (…) 2013 ein Baugesuch für eine (weitere) Änderung der Arealbebauung Y. und den Neubau eines Gewerbegebäudes auf Grundstück Nr. 10 ein. Im Jahr 2014 erteilte der Gemeinderat Z. die Bewilligung für die Änderung der Arealbebauung Y. und den Neubau eines Gewerbegebäudes. Mit Entscheid vom (…) 2016 hob der Regierungsrat des Kantons Zug die erteilten Baubewilligungen wieder auf. Der Entscheid des Regierungsrates erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Im Jahr 2016 übten die Klägerinnen ihr Kaufrecht aus und wurden Miteigentümerinnen des Grundstücks Nr. 10, GB Z.

In der Folge reichten die Klägerinnen im Jahr 2017 ein weiteres Baugesuch für die Änderung der Arealbebauung Y. und den Neubau eines Gewerbegebäudes ein. Das Verkehrskonzept sollte gegenüber dem im Jahr 2008 bewilligten Arealbebauungsplan nicht abgeändert werden, sprich die Erschliessung (einzig) via X.-Weg und die Strasse Y. erfolgen. Mit Entscheid vom (…) 2018 erteilte der Gemeinderat Z. wiederum die Bewilligung. Mit Entscheid vom (…) 2019 hob der Regierungsrat des Kantons Zug auch diese Bewilligung auf und hielt bezüglich der Erschliessung des geplanten Gewerbegebäudes zusammenfassend fest, dass für dessen Realisierung der Knoten «X.-Weg/Zufahrtsstrasse Y.» ausgebaut werden müsse, indem zumindest die Strasse bis zu der von den Klägerinnen geltend gemachten Wegrechtsfläche (unter Einhaltung der im Entscheid genannten Schleppkurven) baulich verbreitert werde.

Im Jahr 2021 reichten die Klägerinnen beim Kantonsgericht Zug gegen die Beklagten eine Klage ein und verlangten u.a. die Feststellung, dass das Wegrecht an jeder Stelle eine Breite von mindestens 6,55 m sowie beim Knoten «X.-Weg/Zufahrtsstrasse Y.» eine Breite von mindestens 7,53 m aufweist und sie zum Ausbau der Strasse befugt sind. Während der Beklagte 5 die Klage anerkannte, beantragten die Beklagten 1-4 und 6-15 deren Abweisung.

Aus den Erwägungen:

(…)

3. Die vormalige Eigentümerin (U. AG) hat die heutige Strasse Y. mit einer Breite von 6,3 m im Strassenverlauf und 6,75 m beim Einlenker in den X.-Weg erstellt (…); die Strasse wurde im Bereich des Einlenkers also um 78 cm schmaler gebaut, als es gemäss dem nach Art. 738 ZGB ausgelegten Wegrecht erforderlich wäre (vgl. E. 2.6). Es stellt sich die Frage, inwiefern sich dieser Umstand auf das Wegrecht der Klägerinnen auswirkt.

Vorab ist im ersten Schritt zu prüfen, ob der Umfang des Wegrechts ausnahmsweise nicht gemäss den Grundsätzen von Art. 738 ZGB zu ermitteln ist, sondern gestützt auf die natürliche Publizität (E. 3.4). Sollte diese Frage zu verneinen sein, ist im zweiten Schritt zu klären, ob die damalige Eigentümerin im über die gebaute Strasse Y. hinausgehenden Ausmass auf das Wegrecht verzichtet hat (E. 3.5). 


3.1 Gemäss Art. 973 Abs. 1 ZGB ist im Erwerb zu schützen, wer sich in gutem Glauben auf einen Eintrag im Grundbuch – wobei der Dienstbarkeitsvertrag als Beleg beim Grundbuchamt aufbewahrt wird (Art. 948 Abs. 2 ZGB) und ebenfalls einen Bestandteil des Grundbuchs bildet (Art. 942 Abs. 2 ZGB; (…)) – verlassen und daraufhin Eigentum oder andere dingliche Rechte erworben hat. Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten (Art. 3 Abs. 1 ZGB). Aus der gesetzlichen Regelung folgt einerseits, dass der Inhalt des Grundbuchs grundsätzlich als richtig fingiert wird (positive Seite des Publizitätsprinzips), und andererseits, dass der Grundbucheintrag als vollständig gilt (negative Seite des Publizitätsprinzips). Der gute Glaube ist jedoch nicht absolut geschützt. Vielmehr darf sich nicht auf seinen guten Glauben berufen, wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte (Art. 3 Abs. 2 ZGB). Selbst ein an sich gutgläubiger Erwerber muss daher nähere Erkundigungen einziehen, sofern ihm besondere Umstände Zweifel an der Genauigkeit des Eintrags aufkommen lassen (BGE 137 III 153 E. 4.1; 137 III 145 E. 3.3.1 f.).


Gemäss Bundesgericht besteht die natürliche Publizität darin, dass der Rechtsbestand im physischen Zustand der Liegenschaft nach aussen sichtbar in Erscheinung tritt. Der Erwerber muss ein Rechtsverhältnis, das ihm auf dem Grundstück selber durch seine eindeutige äussere Erscheinung entgegentritt, gegen sich gelten lassen. Dabei ist nicht vorausgesetzt, dass er das sichtbare wirkliche Rechtsverhältnis auch tatsächlich wahrgenommen hat, vielmehr genügt, dass er es hätte wahrnehmen können und müssen, wenn er mit der im Rechtsverkehr gebotenen Sorgfalt vorgegangen wäre (BGE 137 III 153 E. 4.1.3; 137 III 145 E. 3.3.3). Der physische Zustand der Liegenschaft kann demnach den guten Glauben des Erwerbers in den Grundbucheintrag zerstören (vgl. statt vieler: Schmid-Tschirren/Pfäffli, Einzelfragen zum Sachenrecht und Grundbuchrecht, BN 2019, S. 3 und 5).


Für Wegrechte bedeutet die natürliche Publizität insbesondere, dass dort, wo für die Ausübung der Dienstbarkeit bauliche Anlagen erforderlich sind, diese in der Regel auch den Inhalt und den Umfang der Dienstbarkeit bestimmen, und zwar mit voller Wirkung gegenüber dem Dritterwerber, der sich grundsätzlich alles entgegenhalten lassen muss, was sich aus der Lage und der nach aussen in Erscheinung tretenden Beschaffenheit der Grundstücke ergibt. In diesem Sinn hat das Bundesgericht festgehalten, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung niemand ein wegrechtsberechtigtes Grundstück kaufe, ohne es vorher zu besichtigen, und dass – Ausnahmefälle vorbehalten – kein Dritterwerber in gutem Glauben geltend machen könne, er habe die im Grundbucheintrag (wozu – wie erwähnt – auch der Dienstbarkeitsvertrag zählt) nicht erwähnten Besonderheiten des Wegrechts nicht gekannt, die für ihn bei einer Besichtigung erkennbar gewesen wären. Wird folglich der Inhalt und Umfang des Wegrechts durch die örtlichen Gegebenheiten für jedermann sichtbar beschränkt, hat sich der Erwerber dies grundsätzlich entgegenhalten zu lassen (BGE 137 III 145 E. 3.3.3; 137 III 153 E. 4.2.3; vgl. Urteile des Bundesgerichts 5C.71/2006 vom 19. Juli 2006 E. 2.3.1; 5A_117/2013 vom 9. Juli 2013 E. 3.3.3; 5A_856/2014 vom 26. Januar 2015 E. 3.3.3; 5A_431/2011 vom 2. November 2011 E. 4.2.3; 5A_472/2021 vom 29. März 2022 E. 4.1; 5A_361/2017 vom 1. März 2018 E. 3.4.1; 5A_873/2018 vom 19. März 2020 E. 5.6).


3.2 Gemäss der Lehre hat das Prinzip der natürlichen Publizität zwei Wirkungsweisen. Die erste wird aus der Erwägung des Bundesgerichts abgeleitet, wonach «dort, wo für die Ausübung der Dienstbarkeit bauliche Anlagen erforderlich sind, diese in der Regel auch den Inhalt und den Umfang der Dienstbarkeit bestimmen […]» (vgl. vorstehender Absatz). Demnach wird die Stufenordnung von Art. 738 ZGB dahingehend ergänzt, dass für die Konkretisierung einer Dienstbarkeit im Rahmen von Grundbucheintrag und Erwerbsgrund auf die natürliche Publizität abgestellt wird, mithin die äusseren Gegebenheiten der Dienstbarkeitsausübung – ergänzend – den Dienstbarkeitsinhalt bestimmen. Ergibt sich also beispielsweise die Breite eines dienstbarkeitsbelasteten Wegs weder aus dem Grundbuch noch aus dem Erwerbsgrund, so ist auf die tatsächliche (z.B. durch einen Teerbelag) markierte Breite abzustellen. Die natürliche Publizität kommt aber nicht nur als zusätzliches, den Art. 738 ZGB ergänzendes Mittel zur inhaltlichen Umschreibung einer Dienstbarkeit in Betracht, sondern sie kann auch zur teilweisen Unbeachtlichkeit der Kriterien von Art. 738 ZGB führen (zweite Wirkungsweise): Hat sich die Dienstbarkeit, wie sie sich nach der Stufenordnung von Art. 738 ZGB ergibt, ausserbuchlich verändert, etwa indem der Berechtigte auf seine Ausübungsbefugnis teilweise verzichtet hat, so kann sich ein Erwerber des berechtigten Grundstücks grundsätzlich nicht mehr auf die Stufenordnung von Art. 738 ZGB berufen. Ausgenommen sind Fälle, in denen er die Diskrepanz zwischen tatsächlicher Rechtslage und Grundbucheintrag nicht erkannte und auch nicht erkennen musste, er also beim Erwerb des Grundstücks in berechtigtem gutem Glauben war. In diesem Kontext kommt wieder die natürliche Publizität zum Tragen, und zwar in dem Sinne, als sie den guten Glauben in aller Regel zerstört, falls sich die ausserbuchliche Veränderung in den für die Ausübung der Dienstbarkeit massgeblichen äusseren Gegebenheiten niedergeschlagen hat (Koller, Das Prinzip der natürlichen Publizität und die Stufenordnung von Art. 738 ZGB, ZBGR 103/2022 S. 1 ff.; Schmid-Tschirren/Pfäffli, a.a.O., S. 10 ff.; Byland/Küffer, Natürliche Publizität contra Grundbucheintrag, in: Festschrift für Roland Pfäffli, BN 2014, S. 245; Hürlimann-Kaup, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2015, ZBJV 9/2017 S. 654 f.).


3.3 In BGE 137 III 145 ff. wurde die natürliche Publizität für die Auslegung eines Wegrechts herangezogen. Der Entscheid lässt sich wie folgt zusammenfassen: Ein im Jahr 1957 im Grundbuch eingetragenes «Fuss- und Fahrwegrecht mit allen Fahrzeugen» wurde anfänglich auf einer lediglich gekiesten Fläche ausgeübt, wobei sich die exakte Breite weder aus dem Eintrag noch aus dem Dienstbarkeitsvertrag ergab. Da die Fläche jedoch im Zeitpunkt des Erwerbs des wegrechtsberechtigten Grundstücks durch die Beschwerdeführer im Jahr 1980 (bereits) asphaltiert und mit Randsteinen versehen war, ist diese bauliche Anlage gemäss Bundesgericht für die Bestimmung von Inhalt und Umfang massgebend, und die Beschwerdeführer mussten sich diesen im Zeitpunkt des Erwerbs bestehenden und nach aussen in Erscheinung tretenden Zustand aufgrund der natürlichen Publizität entgegenhalten lassen.


3.3.1 BGE 137 III 145 ff. weist einige Parallelen zum vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt auf. Hier wie da lassen sich dem Grundbucheintrag keine Einzelheiten zum Inhalt und Umfang des Wegrechts entnehmen (E. 2.3). Massangaben bezüglich der Breite des Wegrechts enthält die Wegrechtsurkunde keine, der Umfang des Wegrechts lässt sich (nur, aber immerhin) durch Auslegung ermitteln (E. 2.6). Ähnlich dem genannten BGE war die Strasse Y. im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks Nr. 10 durch die Klägerinnen unbestrittenermassen asphaltiert und gegen Osten durch die Mauer der Tiefgarageneinfahrt sowie gegen Westen durch einen Randstein (in Form von zwei Reihen Pflastersteinen) mit anschliessender Rabatte abgegrenzt (…). 


3.3.2 Es bestehen aber auch zentrale Unterschiede: Im genannten BGE war zum Zeitpunkt des Erwerbs des dienstbarkeitsberechtigten Grundstücks nicht nur die Wegrechtsfläche asphaltiert, sondern es waren sowohl das belastete als auch das berechtigte Grundstück mit Gebäuden bebaut (BGE 137 III 145 Lit. A.b). Im vorliegenden Fall hingegen lag das berechtigte Grundstück im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerinnen brach. Sämtliche Parteien des vorliegenden Verfahrens wussten im Zeitpunkt des Kaufs ihrer jeweiligen Grundstücke jedoch unbestrittenermassen, dass sowohl das belastete (Nr. 2) als auch das berechtigte Grundstück (Nr. 10) Teil einer grösseren Arealbebauung sind, welche in Etappen realisiert wird. Ihnen war (und ist) bekannt, dass die Errichtung der auf dem Grundstück Nr. 10 vorgesehenen Gewerbebaute erst als dritte (und letzte) Etappe geplant war (E. 2.4.4). Mit anderen Worten haben die Parteien ihre Grundstücke im Wissen darum erworben, dass diese Teile eines grösseren, in mehreren Schritten und über einen längeren Zeitraum zu verwirklichenden Bauprojekts sind, welches Wohn- und Gewerbenutzung kombiniert. Auch die Beklagten kannten die Wegrechtsurkunde (…). Wie dargelegt, kann aus der Wegrechtsurkunde nach Treu und Glauben einzig geschlossen werden, dass das streitgegenständliche Wegrecht die Erschliessung des Gewerbegrundstücks Nr. 10 sicherstellen soll (E. 2.4.4 und 3.4.1). 


3.4 Wie hiernach darzulegen ist, rechtfertigen es die genannten Umstände (E. 3.3.2), vom Grundsatz, wonach für die Ausübung der Dienstbarkeit erforderliche bauliche Anlagen «in der Regel» auch den Inhalt und den Umfang der Dienstbarkeit bestimmen, abzuweichen und Inhalt und Umfang des Wegrechts gemäss der Stufenordnung von Art. 738 ZGB zu ermitteln.


3.4.1 Der Situationsplan ist ein Bestandteil der Wegrechtsurkunde (E. 2.4.3). Letztere nimmt am öffentlichen Glauben des Grundbuchs nach Art. 973 ZGB teil (Eschmann, Auslegung und Ergänzung von Dienstbarkeiten, 2005, S. 91; Schmid, Basler Kommentar, a.a.O., Art. 973 ZGB N 10; E. 2.7.1). Aus der Wegrechtsurkunde folgt, dass das streitgegenständliche Wegrecht dazu bestimmt ist, das einer Gewerbenutzung dienende Grundstück Nr. 10 im Hinblick auf dessen Überbauung zonenkonform und öffentlich-rechtlich hinreichend zu erschliessen, was die Erreichbarkeit mit Schwerverkehr einschliesst (vgl. E. 2.4.5). Die Klägerinnen durften gestützt auf die Wegrechtsurkunde grundsätzlich darauf vertrauen, dass sie zur Verwirklichung dieses Zwecks die bestehende Strasse Y. (nötigenfalls) entsprechend ausbauen können, auch wenn in der Wegrechtsurkunde in Meter und Zentimeter ausgedrückte Angaben zur Breite des Wegrechts fehlen (vgl. Eschmann, a.a.O., S 91; vgl. Urteil des Bundesgerichts 5D_103/2016 vom 15. März 2017 E. 4.1 und 4.2.3; vgl. auch Schmid/Hürlimann-Kaup, a.a.O., Rz 1286, die festhalten, dass die Wegrechtsberechtigte, die ein Recht zur Benutzung eines gebahnten Fahrwegs hat, befugt ist, diesen Weg so auszubauen und zu unterhalten, dass er den Zweck des Wegrechts erfüllt).


3.4.2 Wie die Klägerinnen zu Recht vorbringen, handelt es sich vorliegend um einen Spezialfall (…), da ein grosses Bauprojekt in mehrere Etappen realisiert werden sollte, wobei die Strasse, welche der Erschliessung der letzten Etappe (Gewerbegebäude) dienen sollte und darum mit einem Wegrecht belastet ist, bereits im Rahmen der Bauarbeiten der ersten Etappen (Wohngebäude) erstellt wurde, wovon sämtliche Parteien des vorliegenden Verfahrens Kenntnis hatten (vgl. zum Ganzen E. 3.3.2). In einer solchen Konstellation muss – sofern weder der Grundbucheintrag noch der Erwerbsgrund den Umfang exakt vorschreiben – grundsätzlich damit gerechnet werden, dass die erstellte Strasse im Zeitpunkt der Realisierung des Gewerbegebäudes gegebenenfalls weiter ausgebaut wird, damit diese ihre Erschliessungsfunktion erfüllen kann. Inhalt und Umfang des Wegrechts einzig anhand der gebauten Strasse Y. zu bestimmen, würde bedeuten, diese besonderen Umstände ausser Acht zu lassen und das berechtigte Vertrauen der Klägerinnen in die Wegrechtsurkunde und das Grundbuch zu enttäuschen (E. 3.4.1). Dass die der Erschliessung dienende Strasse nicht auf Anhieb im letztlich erforderlichen Umfang errichtet wurde, entspricht wohl auch in einer solchen Konstellation (Arealbebauung in Etappen) nicht der Regel. Ausgeschlossen ist dies allerdings nicht, sei es, weil die Erschliessungstrasse irrtümlicherweise ungenügend ausgebaut wurde, oder mit dem Vollausbau bewusst bis zum Bau der zu erschliessenden Liegenschaft zugewartet werden sollte. Die Klägerinnen haben jedenfalls aufgezeigt, dass die Strasse Y. nicht wie am (…) 2002 vom Gemeinderat Z. bewilligt ausgeführt wurde: Gemäss den bewilligten Plänen (…) sollte die Strasse im Verlauf eine Breite von 6,5 m aufweisen (statt der gebauten 6,3 m; (…)). Weiter zeigt ein Vergleich der bewilligten Pläne (…) mit im Recht liegenden Fotos (…), dass der Einlenker deutlich "abgerundeter" und (flächenmässig) grosszügiger geplant (und auch bewilligt) war, als er schliesslich ausgeführt wurde. Ob darin allenfalls ein teilweiser Verzicht auf das Wegrecht durch die damalige Eigentümerin zu erblicken ist, weshalb die Klägerinnen nicht mehr berechtigt wären, sich auf den Inhalt und Umfang des Wegrechts gemäss Wegrechtsurkunde zu berufen (vgl. E. 3.2), ist nicht auf Stufe Auslegung zu würdigen (dazu E. 3 und 3.5; vgl. Koller, a.a.O., Rz 3).


3.4.3 Angesichts des berechtigten Vertrauens in die Wegrechtsurkunde und der in Etappen zu realisierenden Arealbebauung gereicht es den Klägerinnen nicht zum Nachteil, dass sie das Grundstück Nr. 10 erworben haben, obwohl sie wussten, dass der Regierungsrat für die Erteilung der Baubewilligung u.a. den Ausbau des Einlenkers bzw. Knotens voraussetzt und die Beklagten 1–4 und 6–15 einen solchen Ausbau ablehnen (…). In diesem Zusammenhang weiter zu berücksichtigen ist, dass für die Parteien anlässlich der Besichtigung des Grundstücks (…) ohne weiteres erkennbar war, dass der Einlenker bzw. Knoten nötigenfalls mit verhältnismässig geringem Aufwand verbreitert werden kann, schliesslich grenzt der Einlenker gegen Westen einzig an eine durch Pflastersteine abgegrenzte Rabatte mit einem darauf positionierten Felsblock (…). Anzumerken bleibt, dass die von den Beklagten 1–4 und 6–15 angesprochenen Parkplätze von einem Ausbau des Einlenkers nicht betroffen wären, liegen diese doch alle ausserhalb des belasteten Grundstücks Nr. 2 (…).


3.4.4 Im Ergebnis ist der Inhalt und Umfang des streitgegenständlichen Wegrechts somit anhand der Stufenordnung von Art. 738 ZGB zu ermitteln; die natürliche Publizität ist – jedenfalls auf Stufe Auslegung – nicht massgeblich.


3.5 Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die damalige Eigentümerin, U. AG, auf das Wegrecht (teilweise) verzichtet hat, indem sie die Strasse Y. in den heute bestehenden Dimensionen bauen liess (E. 3).


3.5.1 Das Bundesgericht hat die natürliche Publizität wiederholt als Grundlage für die Abänderung der aus dem Grundbuch ersichtlichen materiellen Rechtslage herangezogen (vgl. auch E. 3.2 «zweite Wirkungsweise»):


BGE 137 III 153 ff. lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das im Jahr 1952 errichtete Wegrecht mit einer ursprünglichen Breite von, je nach Stelle, drei bis vier Metern führte damals einer Parzellengrenze entlang zwischen zwei Gebäuden hindurch. Mit dem Wegrecht waren die zwei Nachbarparzellen Nr. 11 (südliche Parzelle) und 44 (nördliche Parzelle) gleichmässig belastet, das heisst, die Mitte des Weges entsprach der Parzellengrenze. Der Abstand zwischen den beiden Gebäuden betrug 5,5 Meter. Mitte der Siebzigerjahre wurde der Weg infolge einer Neuüberbauung um 1,5 Meter nach Norden verschoben und lag nun ausschliesslich auf Parzelle Nr. 44. Ausserdem führte er nicht mehr durch die zwei Gebäude hindurch, sondern durch einen Tunnel von 2,75 Metern Höhe; die Breite des Weges betrug nun teilweise weniger als drei Meter. Diese Änderungen bezüglich der örtlichen Lage und des Verlaufs der im Grundbuch nach wie vor als Wegrecht eingetragenen Dienstbarkeit wurden anlässlich der Neuüberbauung weder schriftlich vereinbart noch im Grundbuch nachgetragen. Im Jahr 1981 wurden die Parzellen Nr. 11 und 44 vereinigt. 2008 erwarb der Kläger das wegrechtsberechtigte Grundstück Nr. 2477 und forderte kurze Zeit später die Wiederherstellung des ursprünglichen Wegrechts. Das Bundesgericht erwog, Inhalt und Umfang des Wegrechts würden durch die bauliche Anlage, sprich den Tunnel, bestimmt. Der Erwerber müsse sich das Verhalten der Rechtsvorgänger anrechnen lassen, welche sich mit der Verschiebung des Wegrechts trotz fehlender schriftlicher Vereinbarung bzw. Änderung des Grundbucheintrags abgefunden und die Verlegung des Verlaufs während über dreissig Jahren widerstandslos akzeptiert und genutzt hätten.


Der Entscheid des Bundesgerichts 5C.71/2006 vom 19. Juli 2006 lässt sich wie folgt zusammenfassen: Im Jahr 1978 wurde eine Dienstbarkeit in Form eines 3 m breiten Durchfahrts- bzw. Fahrwegrechts («servitude passage à véhicule, larg. 3 m»), welches die Zufahrt für Fahrzeuge zu einer 1975 erbauten Garage ermöglichen sollte, im Grundbuch eingetragen. 1995 wurde auf dem belasteten Grundstück ein Musiklokal mit einem Vordach errichtet, infolgedessen das Durchfahrts- bzw. Fahrwegrecht nicht mehr auf der ganzen Breite von 3 m ausgeübt werden konnte. Der Eigentümer des berechtigten Grundstücks nahm diese Einschränkung hin, was den teilweisen Untergang der Dienstbarkeit zur Folge hatte. Da die Beschränkung der Ausübung der Dienstbarkeit auf dem Gelände deutlich sichtbar gewesen sei, so das Bundesgericht, hätten sich die Käufer, die das berichtigte Grundstück im Jahr 1998 erwarben, nicht auf ihren guten Glauben berufen können.


In beiden vom Bundesgericht zu beurteilenden Fällen wurde das entsprechende Wegrecht nach dessen Begründung eingeschränkt, wobei der Eigentümer des berechtigten Grundstückes dem (konkludent) zustimmte und die Einschränkung auf dem Grundstück durch bauliche Anlagen kenntlich gemacht wurde. Obwohl die Änderung des Wegrechts weder in der vorgeschriebenen Form (öffentliche Beurkundung) erfolgte noch Aufnahme in das Grundbuch fand, ist sie dem Erwerber des belasteten Grundstücks infolge natürlicher Publizität entgegenzuhalten. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verschafft die natürliche Publizität der Änderung der Dienstbarkeit mit anderen Worten dingliche Wirkung (Hürlimann-Kaup, Die sachenrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2010, ZBJV 4/2012 S. 292; Schmid/Hürlimann-Kaup, a.a.O., Rz 1281c; Eberhard, Die Rechtsfigur der "natürlichen Publizität", SJZ 3/2021 S. 137).


3.5.2 Der Untergang einer Dienstbarkeit ist durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzicht auf das dingliche Recht möglich, unter Einschluss von entsprechend eindeutigem konkludentem Verhalten des Berechtigten. Als Verzicht anerkannt hat die Rechtsprechung die Gestattung der Verbauung des Wegrechts durch ein Geschäftshaus (BGE 127 III 440 E. 2) oder die Vereinbarung von Wegrechten, wo bereits frühere Wegrechte bestanden (BGE 128 III 265 E. 4a). Allein die Tatsache hingegen, dass eine Dienstbarkeit während längerer Zeit weder ausgeübt noch geltend gemacht wird und der Eigentümer insoweit den Besitz unbelastet geniessen kann, führt nicht "per se" zum Untergang der Dienstbarkeit. Die Nichtausübung eines Rechts während längerer Zeit kann nur dann als Verzichtserklärung aufgefasst und damit rechtsgeschäftlich bedeutsam werden, wenn die Umstände unzweideutig auf diese Absicht hinweisen und eine andere Auslegung als ausgeschlossen oder zumindest als höchst unwahrscheinlich anzusehen ist. Verneint wurde deshalb ein (vollständiger oder teilweiser) Verzicht auf die Dienstbarkeit in der Rechtsprechung, wo der Eigentümer des berechtigten Grundstücks gegen Bäume, Sträucher, Zäune, Pfosten, Whirlpool und Fahrnisbauten nicht opponierte oder die Erstellung einer leicht zu beseitigende Bruchsteinmauer oder eines leicht zu entfernenden Metallzauns gestattete, die die Ausübung des Wegrechts erschwerten oder während Jahrzehnten den Rückschnitt von Bäumen und Sträuchern nicht verlangte, die eine Pflanzungsbeschränkung verletzten (Urteile des Bundesgerichts 5A_873/2018 vom 19. März 2020 E. 5.7; 5A_361/2017 vom 1. März 2018 E. 3.5.1 f.; 5A_898/2015 vom 11. Juli 2016 E. 3.2; Schmid/Hürlimann-Kaup, a.a.O., Rz 1281b; je m.H.).


3.5.3 Derjenige, der sich auf den Untergang eines Rechts beruft oder der seine Entstehung oder seine Anwendbarkeit bestreitet, trägt die Beweislast für die rechtsvernichtenden oder rechtshin-dernden Tatsachen (BGE 139 III 13 E. 3.1.3.1 [= Pra 2013 Nr. 105]). Demzufolge obliegt den Beklagten 1–4 und 6–15 der Hauptbeweis dafür, dass U. AG durch den Bau der Strasse Y. (teilweise) auf das Wegrecht verzichtet hat.


3.5.4 Wie die Auslegung gemäss Art. 738 ZGB ergeben hat, ist das Wegrecht einzig im Bereich des Einlenkers bzw. Knotens breiter als die tatsächlich gebaute Strasse (E. 2.6 und 3). Damit kommt ein Teilverzicht auf bzw. eine Abänderung des Wegrechts lediglich in diesem Bereich in Betracht. Indessen gelingt es den Beklagten 1–4 und 6–15 nicht, einen Teilverzicht seitens U. AG zu beweisen, wie hiernach aufzuzeigen ist.


Der Verzichtswille von U. AG muss sich aus ihrem Verhalten eindeutig ergeben (E. 3.5.2). Der Umstand, dass der Einlenker schmaler gebaut wurde, als von den Baubehörden bewilligt (E. 3.4.2), lässt indes nicht auf einen eindeutigen Verzichtswillen schliessen. Denn aus den Umständen geht deutlich hervor, dass U. AG ihr ursprüngliches Grundstück Nr. 1 «entwickeln» und anschliessend verkaufen wollte. Dies zeigt sich namentlich in den vorgenommenen Parzellierungen und neu begründeten Dienstbarkeiten (u.a. Fortbestandsrecht «der auf den Grundstücken Nr. 1 und 2 bis 10 im Rahmen der Überbauung «Y.» erstellten Bauten, Anlagen und Einrichtungen», (…)). U. AG konnte demnach vernünftigerweise kein Interesse daran haben, das der Erschliessung von Grundstück Nr. 10 dienende Wegrecht durch den Bau der Strasse Y. sogleich wieder einzuschränken, noch bevor das Grundstück Nr. 10 überbaut oder verkauft ist. Mit einem Verzicht auf das Wegrecht ginge faktisch auch ein Verzicht auf eine zonenkonforme verkehrstechnische Erschliessung des Gewerbegrundstücks Nr. 10 einher, was U. AG vernünftigerweise nicht beabsichtigt haben konnte.


Es ist zudem nicht ausgeschlossen, dass U. AG, wie von den Klägerinnen geltend gemacht (…), im ersten Schritt lediglich die für die zehn Wohnhäuser nötige Erschliessung erstellen wollte, um diese dann anlässlich der Überbauung der Gewerbeliegenschaft gegebenenfalls zu erweitern. Aus Ziff. IV.3 der Wegrechtsurkunde sowie der dazugehörigen Planbeilage 3 (…) ergibt sich jedenfalls, dass sämtlichen Eigentümern der Wohnhäuser ein Mitbenützungsrecht u.a. an den Besucherparkplätzen und dem Containerplatz zusteht, allerdings erst nach Erstellung der entsprechenden Anlagen. Aufgrund der Architektur musste zuerst die Strasse Y. gebaut werden, damit auch die Besucherparkplätze und der Containerplatz errichtet werden konnten (vgl. Planbeilage 3). Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass der Einlenker irrtümlicherweise schmaler erstellt wurde, als bewilligt. Den beweisbelasteten Beklagten 1–4 und 6–15 wäre es freigestanden, zum Beweis ihrer Behauptung, U. AG habe die Strasse Y. nach ihren Wünschen gebaut und nie vorgehabt, die Strasse weiter auszubauen (…), die damaligen Vertreter von U. AG als Zeugen zu offerieren. Dies ist nicht erfolgt. Die Folgen der Beweislosigkeit sind von ihnen zu tragen. 


Weiter ist zu berücksichtigen, dass bislang keine eigentliche Nutzung der Strasse Y. durch die jeweiligen Eigentümer von Grundstück Nr. 10 erfolgt ist, schliesslich liegt Grundstück Nr. 10 nach wie vor brach (…). Von einer (widerspruchslosen) Nutzung der (beschränkten) Wegrechtsfläche durch die Dienstbarkeitsberechtigten kann mithin nicht die Rede sein. Nichts Gegenteiliges kann sodann daraus abgeleitet werden, dass der Gemeinderat Z. im (…) 2008 eine Baubewilligung für einen Gewerbebau auf Grundstück Nr. 10 (rechtskräftig) erteilt hat (…). Dies zeigt lediglich, dass die Erschliessung für das damalige – nach Dienstbarkeitserrichtung und Bau der Strasse Y. noch einmal abgeänderte (…) – Projekt als hinreichend erachtet wurde. Ein Verzichtswille von U. AG kann daraus nicht abgeleitet werden.


Während die Strasse Y. auf Höhe des Einlenkers in den X.-Weg gegen Osten durch die Mauer der Tiefgarageneinfahrt begrenzt ist, grenzt sie gegen Westen an einen Randstein (in Form von zwei Reihen Pflastersteinen) mit anschliessender Rabatte (vgl. E. 3.3.3). Auf dieser Rabatte befindet sich ein grosser Felsblock bzw. Findling (…), welcher unbestrittenermassen von den Beklagten 1–4 und 6–15 dort positioniert wurde. Das Bundesgericht hat festgehalten, aufgrund der Duldung eines Mäuerchens oder eines Baumes durch den Dienstbarkeitsberechtigten könne nicht von einem Verzicht ausgegangen werden, denn eine Mäuerchen könne auch wieder abgebrochen und ein Baum gefällt werden (Urteil des Bundesgerichts 5A_873/2018 vom 19. März 2020 E. 5.7). Dies hat ebenso für den Felsblock und die durch einen Randstein abgegrenzte Rabatte zu gelten. Die bauliche Vergrösserung des Einlenkers in Richtung Westen ist somit mit überschaubarem Aufwand grundsätzlich möglich.


3.5.5 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nicht von einem eindeutigen konkludenten Verzicht seitens U. AG ausgegangen werden kann. Dementsprechend hat sich das Wegrecht, wie es sich nach der Stufenordnung von Art. 738 ZGB ergeben hat (E. 2.6), nicht ausserbuchlich verändert. Eine Diskrepanz zwischen tatsächlicher Rechtslage und Grundbucheintrag besteht nicht.


3.6 Den vorstehenden Erwägungen entsprechend sind die Klägerinnen in ihrem Vertrauen in den Grundbucheintrag und die Wegrechtsurkunde zu schützen und ihr Rechtsbegehren Ziff. 1 ist teilweise gutzuheissen. Das Wegrecht weist eine Breite von 6,3 m im Strassenverlauf und von 7,53 m beim Einlenker (lotrecht gemessen ab der Grenze von Grundstück Nr. 1 zum östlichen Grenzpunkt von Grundstück Nr. 11, beide GB Z.) auf. Der Einlenker ist «abgerundet» ausgestaltet und geht nach 1,97 m (senkrecht gemessen ab der gedanklich verlängerten, in West-Ost-Richtung verlaufenden Grundstücksgrenze von GS 11, GB Z.) in den Strassenverlauf über (E. 2.6). Ebenfalls teilweise gutzuheissen ist ihr Rechtsbegehren Ziff. 2. Die Klägerinnen sind im genannten Rahmen zum Ausbau der Strasse befugt (vgl. dazu E. 1.2).

Entscheid des Kantonsgerichts Zug A1 2021 14 vom 20. Juli 2022
Das Urteil ist rechtskräftig.

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