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Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Zivilrecht

Vertrags-, Gesellschaftsrecht und Covid-19-Kredit

Art. 2 Abs. 2 lit. b und Abs. 3 COVID-19-SBüG

Regeste:

Die Rückzahlung von Darlehen von Gesellschaftern oder von nahestehenden Personen während der Dauer der Solidarbürgschaft ist gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. b des COVID-19-SBüG ausgeschlossen. Das Risiko aus der Vergabe eines Darlehens hat beim Aktionär zu verbleiben. Die Schweizerische Eidgenossenschaft soll nicht für die Rückzahlung von Aktionärsdarlehen einstehen müssen. Die starken Beschränkungen während der Inanspruchnahme des COVID-Kredites haben auch zum Ziel, dass die Kreditnehmer den COVID-Kredit schnellstmöglich zurückzahlen, um sich von diesen Beschränkungen (Art. 2 Abs. 2 SBüG) auch wieder befreien zu können z.B. Aktionärsdarlehen zurückzahlen zu dürfen (E. 3.4).

Aus dem Sachverhalt:

1. Bei der Klägerin handelt es sich um ein internationales Öl- und Gasexplorations- und -produktionsunternehmen mit Sitz in Zug. Der Beklagte ist Aktionär der Klägerin.

2. Am 6. März 2020 unterzeichneten der Beklagte (als Darlehensgeber) und die Klägerin (als Darlehensnehmerin) einen Darlehensvertrag über den Betrag von CHF 45'000.–. Darin wurde eine Laufzeit bis zum 12. März 2020, ein Zinssatz von pauschal 1 % und ein zur Rückzahlung fälliger Betrag von insgesamt CHF 45'450.– vereinbart.

3. Ende März 2020 bezog die Klägerin einen COVID-19-Kredit über CHF 500'000.–. Dieser Kredit ist unbestrittenmassen noch nicht zurückbezahlt.

4. Mit Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 17. Dezember 2020 wurde dem Beklagten provisorische Rechtsöffnung für CHF 45'450.– nebst Zins zu 5 % seit 13. März 2020 erteilt.

5. Mit Eingabe vom 19. Januar 2021 reichte die Klägerin beim Kantonsgericht Zug gegen den Beklagten eine Aberkennungsklage ein.

Zur Begründung führte sie aus, sie sei aufgrund der Verordnung zur Gewährung von Krediten und Solidarbürgschaften infolge des Coronavirus vom 25. März 2020 [SR 951.261; nachfol-gend COVID-19-SBüV] nicht berechtigt, dem Beklagten als Grossaktionär sein Darlehen zurückzuzahlen, solange der COVID-19-Kredit nicht zurückbezahlt worden sei. Gemäss Art. 6 Abs. 3 lit. b COVID-19-SBüV sei grundsätzlich die Refinanzierung von als Aktivdarlehen ausgestalteten Privat- und Aktionärsdarlehen ausgeschlossen. Gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes über Kredite mit Solidarbürgschaft infolge des Coronavirus vom 18. Dezember 2020 [SR 951.26; nachfolgend COVID-19-SBüG] sei grundsätzlich die Rückzahlung von Darlehen von Gesellschafterinnen und Gesellschaftern oder von nahestehenden Personen ausgeschlossen. Das Verbot gelte während der Dauer der Solidarbürgschaft umfassend, da die Mittel aus den COVID-19-Krediten von den übrigen Finanzen nicht abgesondert werden könnten. Vor diesem Hintergrund könne es auch keine Rolle spielen, ob das hier in Frage stehende Darlehen bereits vor der Inanspruchnahme des COVID-19-Kredits zur Rückzahlung fällig ge-worden sei. Massgebend sei, dass die Rückzahlung nicht mit den Mitteln des COVID-Kredites getätigt werden dürften. Genau dazu würde die Klägerin aber verpflichtet, würde der vorliegenden Betreibung resp. dem Rechtsöffnungsbegehren stattgegeben werden. Entsprechend sei das Darlehen am 2. Oktober 2020 zum Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls gestundet und nicht fällig gewesen.

6. In der Klageantwort vom 15. Februar 2021 schloss der Beklagte auf vollumfängliche und kostenfällige Abweisung der Klage.

Der Beklagte brachte im Wesentlichen vor, die Fälligkeit des Darlehens über CHF 45'000.– einschliesslich den Zinsen von CHF 450.– sei vor Aufnahme des COVID-Kredites eingetreten. Im Zeitpunkt der Betreibung und Zustellung des Zahlungsbefehls sei die Forderung des Beklagten längst zur Rückzahlung fällig gewesen. Von einer Stundung könne keine Rede sein. Die COVID-19-SBüV sei nicht mehr in Kraft. Art. 2 COVID-19-SBüG beinhalte eine Aufzählung über die unzulässige Verwendung der gewährten Mittel. Gemäss Art. 2 Abs. 3
COVID-19-SBüG werde hingegen das Erfüllen vorbestehender ordentlicher Zins- und Amortisationszahlungspflichten als explizit zulässig erachtet und von der Auflistung in Abs. 2 ausgenommen. Die Klägerin habe dem Beklagten daher das Darlehen über CHF 45'450.– nebst Zins zu 5 % seit 13. März 2020 zurückzuzahlen.

(…)

Aus den Erwägungen:

(…)
3. Es ist unbestritten, dass der Beklagte der Klägerin ein Darlehen von CHF 45'000.– gewährt hat und die Rückzahlung von CHF 45'450.– (inkl. Zinsen) bis 12. März 2020 vereinbart wurde. Es ist ebenfalls unbestritten, dass der Beklagte Aktionär ist. Strittig ist jedoch, ob diese Rückzahlung des Darlehens aufgrund des der Klägerin gewährten COVID-19-Kredites gestützt auf das COVID-19-SBüG gestundet ist. Die COVID-19-SBüV ist nicht mehr in Kraft (vgl. AS 2020 1077; Art. 25 Abs. 2 COVID-19-SBüV).

3.1 Im Aberkennungsprozess sind die Parteirollen insofern vertauscht, als der Schuldner Kläger und der Gläubiger Beklagter ist. Dies berührt jedoch die allgemeine Beweislastregel von Art. 8 ZGB nicht. Der Gläubiger ist gehalten, seinen aufgrund der Schuldanerkennung glaubhaft erscheinenden Anspruch voll zu beweisen, wofür er – sofern er keine gesetzliche Vermutung anrufen kann – die volle Beweislast trägt. Andererseits muss der Kläger als Schuldner das Nichtbestehen oder die Nichtvollstreckbarkeit der vom Rechtsöffnungstitel festgestellten Schuld beweisen (BGE 131 III 268 = Pra 2006 Nr. 19 E. 3.1; Staehelin, Basler Kommentar, 3. A. 2021, Art. 83 SchKG N 55 mit Hinweisen).

3.2 Durch eine Stundung wird durch Vertrag, Gesetz oder Urteil nachträglich die Fälligkeit während einer bestimmten Frist aufgehoben bzw. aufgeschoben. Sie verhindert daher den Eintritt des Schuldnerverzugs und dessen Rechtsfolgen oder lässt den bereits eingetretenen Schuldnerverzug für die Dauer der Stundung entfallen. Der Schuldner trägt die Beweislast für die Be-hauptung, dass die Fälligkeit noch nicht eingetreten ist (Schroeter, Basler Kommentar, 7. A. 2020, Art. 75 OR N 16 und 21; vgl. für die Rechtsöffnung: Stücheli, Die Rechtsöffnung, 2000, S. 242 ff.).

3.3 Die Klägerin ist der Ansicht, es sei der Kreditnehmerin während der Dauer der Solidarbürgschaft untersagt, Darlehen von Gesellschaftern und somit auch bzw. gerade von Aktionären zu-rückzuzahlen. Gemäss Art. 2 Abs. 3 COVID-19-SBüG dürften die Mittel aus dem COVID-19-Kredit nicht zur Umschuldung vorbestehender Kredite verwendet werden. Art. 2 Abs. 2 lit. b COVID-19-SBüG mache eben gerade keine Ausnahme für die ordentlichen Zins- und Amortisationszahlungspflichten bei Aktionärsdarlehen. Die allgemein gehaltene Ausnahme gemäss Art. 2 Abs. 3 lit. b COVID-19-SBüG solle eben gerade keine Anwendung auf Aktionärsdarlehen finden. Auch unter dem COVID-19-SBüG sei es somit untersagt, dem Beklagten das Aktionärsdarlehen während der Dauer der Solidarbürgschaft zurückzuzahlen. Es könne heute nicht mehr gesagt werden, aus welchen Mitteln diese Darlehensrückzahlung erfolgen würde, da sich die wenigen Mittel, welche die Klägerin noch gehabt habe, und die Mittel aus dem COVID-19 Kredit sich vermischt hätten. Die Rückzahlung sei nicht zulässig, unabhängig vom Zeitpunkt, wann das Darlehen gewährt worden sei. Wenn die Rückzahlungen unter dem COVID-19-SBüG zulässig wären, dann hätten die Aktionäre kein Risiko. Sie würden das Geld aus dem COVID-Kredit erhalten. Die Schweizerische Eidgenossenschaft würde die Haftung übernehmen, was nicht sein könne.

Der Beklagte wendet dagegen ein, der Gesetzestext des COVID-19-SBüG beinhalte gegenüber der COVID-19-SBüV punktuelle Präzisierungen. Die Botschaft zum Gesetzestext des COVID-19-SBüG führe aus, dass ordentliche, vertragliche Amortisationen und Zinszahlungen für vorbestehende Kredite und die Erfüllung für vorbestehende Verpflichtungen zur Gewährung eines Darlehens unter einem bereits vor der Aufnahme eines COVID-19 Kredites abgeschlossenen Kreditvertrags zulässig seien. Art. 2 Abs. 2 lit. b COVID-19-SBüG komme vielmehr auf Sachverhalte zur Anwendung, in denen die Gesellschaft mit einem Gesellschafter einen neuen Darlehensvertrag eingegangen sei, was einen Liquiditäts- oder Vermögenswertabfluss zur Folge habe. Das COVID-19-SBüG sei darauf ausgelegt, Situationen zu regeln, die nach der Kreditvergabe eintreffen würden. Da das Darlehen bereits vor Aufnahme des COVID-19-Kredits – welcher erst Ende März 2020 beantragt worden sei – fällig gewesen sei, sei die vorliegende Situation grundsätzlich nicht Regelungsgegenstand dieses Gesetzes.

3.4 Gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. b des COVID-19-SBüG ist die Rückzahlung von Darlehen von Gesellschaftern oder von nahestehenden Personen während der Dauer der Solidarbürgschaft ausgeschlossen. Gemäss Botschaft verbietet lit. b ab Erhalt des COVID-19-Kredits die Rückzahlung von Darlehen von Gesellschaftern (z.B. Aktionäre, Gesellschafter einer GmbH und Genossen-schaftern) oder von nahestehenden Personen (BBL 2020 S. 8501). Somit umfasst Art. 2 Abs. 2 lit. b COVID-19-SBüG auch Darlehen von Aktionären, unabhängig davon, wann diese Darlehen gewährt wurden. Auch Art. 6 Abs. 3 lit. d der COVID-19-SBüV verbot einer Gesellschaft während der Laufzeit des Kredits, der im Rahmen der Verordnung gewährt wurde, jegliche Privat- und Aktionärsdarlehen zurückzubezahlen (WalderWyss Rechtsanwälte, Kredite mit Bundesgarantie zur Erhaltung der Liquidität schweizerischer Unternehmen in der COVID-Krise). Wäre die Rückzahlung von Aktionärsdarlehen während der Solidarbürgschaft zulässig, könnte dies zu einer Umschuldung vorbestehender Kredite führen, was gemäss Art. 2 Abs. 3 COVID-19-SBüG nicht zulässig ist. Die Mittel aus dem
COVID-Kredit vermischen sich mit den übrigen Finanzen und können nicht abgesondert werden. Die starken Beschränkungen während der Inanspruchnahme des COVID-Kredites haben auch zum Ziel, dass die Kreditnehmer den COVID-Kredit schnellstmöglich zurückzahlen, um sich von diesen Beschränkungen (Art. 2 Abs. 2 SBüG) auch wieder befreien zu können und z.B. Aktionärsdarlehen zurückzahlen zu dürfen (WalderWyss Rechtsanwälte, a.a.O., S. 15 Ziff. 6). Wie die Klägerin zu Recht ausführt, kann es nicht sein, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft letztlich für die Rückzahlung von Aktionärsdarlehen einstehen muss, nachdem sie einen COVID-Kredit vergeben hat. Vielmehr hat das Risiko aus der Vergabe eines Darlehens beim Aktionär zu verbleiben. Zwar sieht Art. 3 lit. b COVID-19-SBüG vor, dass das Erfüllen vorbestehender ordentlicher Zins- und Amortisationszahlungspflichten zulässig ist. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die gesamte Rückzahlung des gewährten Darlehens, und nicht um die erwähnte Erfüllung. Bei einer missbräuchlichen Verwendung der COVID-Kreditmittel ist mit Haftungsfolgen und Bussen zu rechnen (Art. 22 und 25 COVID-19-SBüG). Es ist der Klägerin damit unter Strafandrohung untersagt, während der Inanspruchnahme des COVID-19-Kredites das Aktionärsdarlehen an den Beklagten zurückzubezahlen.

3.5 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Forderung des Beklagten, für welche provisorische Rechtsöffnung im Betrag von CHF 45'450.– nebst Zins zu 5 % seit 13. März 2020 erteilt worden ist, zurzeit nicht durchgesetzt werden kann, d.h. aufgrund der Inanspruchnahme des COVID-19-Kredites der Klägerin gestundet ist.

Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 24. Januar 2022 A3 2021 2

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