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§ 39 VRG
Art. 93 Abs. 1 BGG, § 21bis SHG

Zwischenentscheid betreffend Antrag auf Sistierung

Regeste:

Die Sistierung ist eine vorsorgliche Massnahme im Sinne von § 17 VRG. Wenn die Parteien die Sistierung nicht einvernehmlich beantragen oder ihr nicht zugestimmt haben, hat der Regierungsrat als zuständige Beschwerdeinstanz darüber zu entscheiden. Wird eine Sistierung nur von einer Partei verlangt, ist eine Abwägung zwischen den dafür und dagegen sprechenden Interessen vorzunehmen.

Aus dem Sachverhalt:

Die Schulanlage A. in X. (nachfolgend: das Objekt) ist im Inventar der schützenswerten Denkmäler i.S.v. § 5 des Gesetzes über Denkmalpflege, Archäologie und Kulturgüterschutz vom 26. April 1990 (Denkmalschutzgesetz, DMSG; BGS 423.11) verzeichnet. Mit Schreiben vom 27. September 2016 reichte die Gemein­de X. als Eigentümerin und Standortgemeinde beim Amt für Denkmalpflege und Archäologie (nachfolgend: ADA) ein Gesuch um Abklärung der Schutzwürdigkeit des Objekts ein. Das ADA leitete daraufhin das entsprechende Verfahren ein. Am 8. Februar 2021 verfügte die Direktion des Innern (nachfolgend: Vorinstanz) die Entlassung des Objekts aus dem Inventar der schützenswerten Denkmäler. Dagegen erhoben M., vertreten durch N., N. und O. (nachfolgend: Beschwerdeführer) am 1. März 2021 beim Regierungsrat eine Verwaltungsbeschwerde. Die Vorinstanz reichte am 27. Mai 2021 eine Stellungnahme ein. Ebenso reichte die Gemeinde X. am 2. Juni 2021 eine Stellungnahme ein.

Am 12. November 2021 reichten die Beschwerdeführer eine Replik ein und stellten den Zusatzantrag, das Beschwerdeverfahren sei bis zum Abschluss der von der Einwohnergemein­de X. in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie für die Planung einer neuen Primarschule auf dem E.-Areal zu sistieren. Gemäss einem Artikel in der Zuger Zeitung vom 2. November 2021 lasse die Gemeinde X. überprüfen, ob ein Primarschulhaus mit zwei Klassenzügen auf einem Teilstück des E.-Areals möglich sei. Sie habe ihre Schulraumplanung aufgrund neuer Entwicklungen angepasst. Da der Kanton beschlossen habe, die Kantonsschule Ennetsee in Rotkreuz zu bauen, ermögliche dies der Gemeinde X., die Standorte E. und H. wieder in eigene Überlegungen einzubeziehen. Das vorliegende Verfahren sei deshalb zu sistieren, bis die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zum Schulstandort E.-Areal vorlägen und feststehe, wie das weitere Vorgehen aussehe. Die Vorinstanz hat einer Verfahrenssistierung am 26. November 2021 zugestimmt. Die Gemeinde X. hat den Antrag mit Stellungnahme vom 30. November 2021 abgelehnt. Sie hat dies damit begründet, dass der Abschluss der von der Einwohnergemeinde X. in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie für eine neue Primarschulanlage auf dem E.-Areal keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren habe. Die Einwohnergemeinde X. verfolge eine langfristige Planung in der Schulraumentwicklung. Um den benötigten Schulraum zur richtigen Zeit zur Verfügung stellen zu können, sei eine Planungssicherheit über die sich im Entwicklungsperimeter befindenden Schulanlagen für eine verlässliche und nachhaltige Planung unabdingbar.

Aus den Erwägungen:

I.

Die Sistierung ist eine vorsorgliche Massnahme im Sinne von § 17 VRG. Gemäss dieser Bestimmung kann die Behörde zur Erhaltung des Zustandes oder zur Sicherung bedrohter rechtlicher Interessen vorsorgliche Massnahmen treffen. Vorsorgliche Massnahmen können von Amtes wegen oder auf entsprechenden Antrag hin ergehen. Antragsberechtigt sind sämtliche natürlichen und juristische Personen, denen im fraglichen Verfahren Parteistellung zukommt (Regina Kiener, in: Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. Aufl. 2014, § 6 N. 22). Über einen Sistierungsantrag entscheidet die verfahrensleitende Direktion, sofern die Parteien die Sistierung einvernehmlich beantragen oder ihr zugestimmt haben (§ 3 Abs. 3 der Delegationsverordnung vom 28. November 2017 [DelV; BGS 153.3]). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, hat der Regierungsrat als zuständige Beschwerdeinstanz darüber zu befinden (§ 40 Abs. 2 i.V.m. § 17 VRG).

 

II.

1.     Unter Sistierung versteht man die vorläufige Einstellung eines hängigen Verfahrens. Eine entsprechende prozessleitende Verfügung bedarf zwar keiner besonderen Rechtsgrundlage, doch ist deren Anordnung nur aus hinreichenden Gründen zulässig. Eine Sistierung kann namentlich dann angezeigt und sinnvoll sein, wenn ein Beschwerdeentscheid von einem künftigen Ereignis, so etwa von einem Entscheid in einem anderen Verfahren, abhängt oder beeinflusst wird. Wird sie nur von einer Partei verlangt, so ist ein solches Begehren unter Abwägung aller dafür und dagegen sprechenden Interessen zu beurteilen, denn eine unnötige Sistierung des Verfahrens kann mithin auch eine Rechtsverzögerung und damit einen Verstoss gegen Art. 29 Abs. 1 BV bedeuten (Attilio R. Gadola, Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren, Zürich 1991, S. 398).

2.     In der Gemeinde X. werden aufgrund des starken Bevölkerungswachstums künftig mehr Schulräume benötigt. Am 19. August 2020 (rev. 7. Dezember 2020) wurde ein «Strategisches Papier Schulraumplanung» erarbeitet, wobei es sich dabei um ein Arbeitsinstrument handelt, das bei Bedarf angepasst wird. Gemäss den Informationen auf der Homepage der Gemeinde X. (…) besteht Handlungsbedarf wie folgt: Schaffung von drei zusätzlichen Klassenzügen im «Schulkreis G.», Schaffung von Raumangeboten für die Modularen Tagesschulen und Schaffung von zusätzlichen Räumen für die Musikschule bzw. eines Musikschulzentrums. Weiter wird ausgeführt, dass sich gewisse Rahmenbedingungen der Schulraumplanung inzwischen geändert hätten. Demnach habe der Gemeinderat X. eine Machbarkeitsstudie für ein Primarschulhaus mit zwei Klassenzügen auf dem E.-Areal in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse die Grundlage für die Verhandlungen mit der Grundeigentümerin bilden werden.

3.     Mehrere Faktoren und Rahmenbedingungen für die Schulraumplanung in der Gemeinde X. sind noch unklar und nur beschränkt beeinflussbar. Ob, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen die Möglichkeit besteht, auf dem E.-Areal Schulraum zu schaffen, ist derzeit nicht absehbar. Der Abschluss der Machbarkeitsstudie wird der erste Schritt zur Klärung dieser Fragen sein. Gleichzeitig ist das Vorbringen des Gemeinderats X. nachvollziehbar, dass er für eine verlässliche Planung eine gewisse Planungssicherheit benötige. Sein Interesse, in Bezug auf die Frage der Schutzwürdigkeit des Schulstandorts A. baldmöglichst über einen rechtskräftigen Entscheid zu verfügen, ist daher als gewichtig zu beurteilen. Demgegenüber fällt das Interesse der Beschwerdeführer an der Sistierung des Verfahrens gering aus, zumal in Kürze mit dem Abschluss der Machbarkeitsstudie und der Planung der weiteren Schritte zu rechnen ist. Gemäss den Angaben des zuständigen Gemeinderats der Gemeinde X. gegenüber den Medien dürfte die Überprüfung der Studie bis Anfang 2022 abgeschlossen sein (vgl. dazu den von den Beschwerdeführern ins Recht gelegten Beitrag in der Zuger Zeitung vom 2. November 2021). Das Sistierungsbegehren ist deshalb abzulehnen.

III.

1.        Über die Kosten- und Entschädigungsfolgen wird im Endentscheid oder in der Abschreibungsverfügung beschlossen.

2.1    Der Entscheid über eine vorläufige Einstellung eines Verfahrens stellt eine prozessleitende Anordnung und damit einen Zwischenentscheid dar. Das zugerische Verwaltungsrechtspflegegesetz enthält keine Bestimmung darüber, ob Zwischenentscheide selbstständig anfechtbar sind. Nach herrschender Lehre sind prozessleitende Anordnungen im Allgemeinen erst zusammen mit dem Endentscheid anfechtbar. Selbstständig weiterziehbar sind sie jedoch dann, wenn sie für den Betroffenen einen Nachteil zur Folge haben, der sich später voraussichtlich nicht mehr beheben lässt (Marco Weiss, Verfahren der Verwaltungsrechtspflege im Kanton Zug, Zürich 1983, S. 124f.; Regina Kiener, a.a.O., § 6 N. 36).

2.2    Es ist davon auszugehen, dass der Abschluss der Machbarkeitsstudie für eine Primarschule auf dem E.-Areal in Kürze bevorsteht und der Gemeinderat X. bald darauf über die nächsten Schritte in der Schulraumplanung entscheiden wird. Da der Schriftenwechsel im vorliegenden Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, werden sich die Parteien in diesem Rahmen zu den neuen Entwicklungen äussern können. Die Beschwerdeführer erleiden durch die Ablehnung des Sistierungsantrags daher keinen Nachteil, der sich zu einem späteren Zeit­punkt voraussichtlich nicht mehr beheben lassen würde. Daher ist der vorliegende Zwischenentscheid nicht selbstständig anfechtbar.

Zwischenentscheid des Regierungsrates vom 18. Januar 2022

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