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Pergola, §§ 4a und 25a V PBG

Regeste:
§§ 4a und 25a V PBG – Das Einreichen eines Baugesuchs bzw. das Einholen einer Bewilligung ist notwendig, wenn Bauten oder Anlagen errichtet oder geändert werden (E. 3 b). Pergolen stellen in der Regel keine Kleinbauten gemäss § 4a V PBG dar, da sie über keine feste Überdachung und Seitenwände verfügen und damit keinen Schutz für Menschen, Tiere oder Sachen bieten. Folglich ist für deren Errichtung das Einreichen eines Baugesuchs nicht notwendig. Jedoch handelt es sich bei Pergolen grundsätzlich um geringfügige Bauvorhaben, welche gemäss § 44a Abs. 1 PBG der zuständigen Gemeindebehörde mit einer Bauanzeige zu melden sind (E. 3 c und d). Die Anforderungen an Umfang und Inhalt einer Bauanzeige sind dabei dem § 25a V PBG zu entnehmen (E. 3 d).

Aus dem Sachverhalt:
A. Das Grundstück Nr. xx (nachfolgend: GS xx) ist im Miteigentum von A. und B. und befindet sich in der Wohnzone 2 (W2).

B. Am 5. Juni 2020 reichten A. und B. eine Bauanzeige (zz) beim Gemeinderat yy für eine Änderung ihres Sitzplatzes auf dem GS xx ein. Darin wurde festgehalten, dass die Rückwand der bestehenden Sitzplatzkonstruktion auf die südliche Grundstücksgrenze hin zurückgebaut und das bestehende Sicht­mauerwerk mit Wechselsichtmauerwerk Santuro ersetzt werde.

C. Am 1. Juli 2020 reichten A. und B. eine «Nacheingabe Pergola» bei der Bauabteilung der Gemeinde yy ein. Zu den bereits am 5. Juni 2020 eingereichten skizzierten Schnitten fügten sie einen Grundrissplan hinzu, auf welchem im Südwesten des Grundstücks ein rotes Rechteck mit Massangaben eingezeichnet ist.

D. Mit «Entscheid über Baugesuch (Bauanzeige)» vom 6. Juli 2020 stimmte die Abteilung Bau der Einwohnergemeinde yy (nachfolgend: Abteilung Bau) der Bauanzeige zz inkl. Eingabe vom 1. Juli 2020 unter Bedingungen und Auflagen zu.

E. Mit Schreiben vom 22. September 2021 wies die Abteilung Bau A. und B. darauf hin, dass sie festgestellt hätten, dass sich auf dem Sitzplatz des GS xx eine Pergola befinde, die auf den eingereichten Plänen nicht ersichtlich sei. Dies bedürfe gestützt auf § 44 Planungs- und Baugesetz einer Baubewilligung und es sei innert 45 Tagen ein entsprechendes Baugesuch einzureichen.

F.  Am 19. Oktober 2021 gaben A. und B. in einem Schreiben kund, dass sie den «Entscheid» bzw. das Schreiben vom 22. September 2021 der Abteilung Bau nicht akzeptieren würden.

G. Mittels Verfügung vom 5. Oktober 2022 forderte der Gemeinderat yy A. und B. erneut auf, für die Pergola ein nachträgliches Baugesuch einzureichen. Werde für die Pergola kein Baugesuch eingereicht, sei diese innerhalb von 6 Monaten nach Rechtskraft der Verfügung abzubrechen und der gesetzliche Zustand sei wiederherzustellen. Falls dies unterlassen werde, drohe die Gemeinde yy eine Ersatzvornahme an.

H.  Am 6. Oktober 2022 erhoben A. und B. (nachfolgend: Beschwerdeführende) Verwaltungsbeschwerde beim Regierungsrat des Kantons Zug gegen die Verfügung des Gemeinderats yy (nachfolgend: Beschwerdegegner) vom 5. Oktober 2022 und beantragten darin deren Aufhebung.

Zur Begründung machten die Beschwerdeführenden geltend, dass es sich bei einer «ungedeckten Pergola» nicht um eine Kleinbaute handle. Zudem sei mit dem «Entscheid über Baugesuch (Bauanzeige)» vom 6. Juli 2020 der Pergola bereits zugestimmt worden. Grundriss und Schnitt der Baueingabe würden mit der heute gebauten Anlage übereinstimmen, einzig die Balken der Pergola hätten gefehlt. Aus dem Titel der Nacheingabe vom 1. Juli 2020 sei jedoch ersichtlich gewesen, dass es sich um eine Pergola handeln würde. Die geforderte nachträgliche Baueingabe könne sich aus diesem Grund lediglich auf die Balken beziehen. Dass für diese nun Näherbaurechte verlangt würden, sei unverhältnismässig, da die Balken keine erhebliche Einwirkung auf die Nachbarschaft hätten.

(…)

J. Der Beschwerdegegner nahm am 9. November 2022 zu der Verwaltungsbeschwerde Stellung und beantragte, dass an der Aufforderung, ein nachträgliches Baugesuch einzureichen, festzuhalten sei. Ferner beantragte er die Durchführung eines Augenscheins.

(…)

L.  Am 6. März 2023 führte die Baudirektion in Anwesenheit der Beschwerdeführenden sowie Vertretern des Beschwerdegegners einen Augenschein auf dem GS xx durch. In der Folge wurde den Parteien das Augenscheinprotokoll zugestellt und ihnen die Gelegenheit gegeben, allfällige Ergänzungen und Berichtigungen zum Protokoll sowie eine abschliessende Stellungnahme einzureichen.

(…)

Aus den Erwägungen:
(…)

2. Die Revision des Planungs- und Baugesetzes vom 26. November 1998 (neu PBG; BGS 721.11) sowie die Totalrevision der Verordnung zum Planungs- und Baugesetz vom 20. November 2018 (neu V PBG; BGS 721.111) sind per 1. Januar 2019 in Kraft getreten. Die Bauanzeige zz wurde am 5. Juni 2020 eingereicht. Übergangsrechtlich gelangt daher die Bestimmung § 71a Abs. 1 Bst. b neu PBG zur Anwendung, wonach auf Baugesuche und Sondernutzungspläne in denjenigen Gemeinden, welche ihre Bauvorschriften noch nicht an die sich an der Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (IVHB) orientierenden Baubegriffe und Messweisen angepasst haben, das bisherige Recht (in Kraft bis 31. Dezember 2018) Anwendung findet (nachfolgend: PBG und V PBG).

3. Die Beschwerdeführenden monieren, dass es in casu um eine Pergola gehe, die keine Kleinbaute darstelle und deshalb keiner Baubewilligung bedürfe. Zudem sei mit dem «Entscheid über Baugesuch (Bauanzeige)» vom 6. Juli 2020 der Pergola bereits zugestimmt worden; Grundriss und Schnitt der Baueingabe würden mit der heute gebauten Anlage übereinstimmen, einzig die Balken der Pergola hätten gefehlt. Aus dem Titel der Nacheingabe vom 1. Juli 2020 sei jedoch ersichtlich gewesen, dass es sich um eine Pergola handle. Die geforderte nachträgliche Baueingabe könne sich aus diesem Grund lediglich auf die Balken beziehen. Dass für diese nun Näherbaurechte verlangt würden, sei unverhältnismässig, da die Balken keine erhebliche Einwirkung auf die Nachbarschaft hätten.

a) Zunächst ist festzuhalten, dass sich beide Verfahrensparteien darüber einig sind, dass es sich bei der fraglichen Konstruktion um eine sogenannte Pergola handelt. Dies ist somit unbestritten, weswegen sie im Weiteren als solche bezeichnet wird. Uneinig sind sich die Parteien jedoch darüber, ob die Pergola als Kleinbaute zu qualifizieren ist. Dies wird nachfolgend geklärt werden, zumal die Notwendigkeit eines Baugesuchs von dieser Qualifikation abhängt.

b) Gemäss Art. 22 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) dürfen Bauten und Anlagen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden. Auch im kantonalen Recht bedarf es für die Erstellung, Änderung oder Nutzungsänderung von Bauten und Anlagen einer Bewilligung der zuständigen Gemeindebehörde (§ 44 Abs. 1 PBG). Bauten und Anlagen sind gemäss § 4 Abs. 1 V PBG künstlich geschaffene und auf Dauer angelegte Einrichtungen, die den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen. Unter den Begriff der Baute fallen auch Kleinbauten. Kleinbauten werden als eingeschossige, nicht Wohn- oder Gewerbezwecken dienende selbständige Nebengebäude von höchstens 50 m² Grundfläche, 3,50 m Gebäudehöhe und 5 m Firsthöhe definiert (§ 4a Abs. 1 V PBG). Von Bauten bzw. Kleinbauten sind geringfügige Bauvorhaben zu unterscheiden. Geringfügige Bauvorhaben und Solaranlagen, welche die nachbarlichen und die öffentlichen Interessen nicht erheblich berühren, sind der zuständigen Gemeindebehörde nur mittels Bauanzeige zu melden (§ 44a Abs. 1 PBG). Massstab dafür, ob eine bauliche Massnahme erheblich genug ist, um sie dem Baubewilligungsverfahren zu unterwerfen, ist die Frage, ob mit der Realisierung der Baute oder Anlage im Allgemeinen, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, so wichtige räumliche Folgen verbunden sind, dass ein Interesse der Öffentlichkeit oder der Nachbarschaft an einer vorgängigen Kontrolle besteht. Die Baubewilligungspflicht soll es mithin der Behörde ermöglichen, das Bauprojekt in Bezug auf seine räumlichen Folgen vor seiner Ausführung auf die Übereinstimmung mit der raumplanerischen Nutzungsordnung und der übrigen einschlägigen Gesetzgebung zu überprüfen (BGE 139 II 134, E. 5.2; Urteil des Bundesgerichts 1C_658/2013 vom 24. Januar 2014, E. 4.1, je mit Hinweisen). In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird also zwischen dem einfachen bzw. ordentlichen Baubewilligungsverfahren und der Bauanzeige unterschieden. Zu beachten ist, dass die Bauanzeige kein förmliches Baubewilligungsverfahren darstellt, sondern dem Zweck dient, bei der zuständigen Baubewilligungsbehörde vorfrageweise abzuklären, ob ein Bauvorhaben einer Baubewilligung bedarf bzw. ob ein förmliches Baugesuch einzureichen ist.

c) Es stellt sich hier die Frage, ob eine Pergola eine Klein- oder eine geringfügige Baute darstellt. Gemäss kantonaler Rechtsprechung handelt es sich bei Pergolen üblicherweise nicht um Kleinbauten gemäss § 4a V PBG, da sie über keine feste Überdachung und Seitenwände verfügen und damit keinen Schutz für Menschen, Tiere oder Sachen bieten (vgl. Regierungsratsbeschluss vom 20. Dezember 2022 i.S. S. u. A., E. 7). Mit anderen Worten kommt ihnen aufgrund dessen kein Gebäudecharakter zu, womit sie die Schwelle zur Kleinbaute nicht überschreiten. Es rechtfertigt sich an dieser Stelle in wegleitender Weise einen Blick auf das neue Recht zu werfen: Zum einen wurde in § 15 neu V PBG eine Legaldefinition von Gebäuden aufgenommen, wonach Gebäude ortsfeste Bauten sind, die zum Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen eine feste Überdachung und in der Regel weitere Abschlüsse aufweisen. Zum anderen äussert sich § 44 Abs. 2 neu V PBG dazu, welche Bauten und Anlagen in der Bauzone keiner Baubewilligung, aber einer Bauanzeige bedürfen – also als geringfügig zu betrachten sind; unter anderem sind dies nicht gewerblichen Zwecken dienende bauliche Anlagen der Garten- oder Aussenraumgestaltung wie Pergolen ohne Gebäudecharakter bis zu einer Grösse von 20 m², Gartenwege und -treppen, Sitzplatzbefestigungen, Sandkästen und saisonal aufgestellte Gartenpools und dergleichen (Bst. e). Weiter sei auch gemäss Luzerner Rechtsprechung eine Pergola dann als baubewilligungsfreie Anlage zu qualifizieren, wenn sie als Balkenkonstruktion kein Dach und keine Seitenwände aufweise. Der typische Pflanzenbewuchs gelte dabei nicht als Dach im baurechtlichen Sinne bzw. als Witterungsschutz (Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 20 131 vom 21. Mai 2021, E. 6 und 7). Es zeigt sich, dass eine Pergola, die keinen Witterungsschutz bietet, nicht etwa als Kleinbaute, sondern – je nach Ausmass – als geringfügiges Bauvorhaben zu qualifizieren ist.

Am 6. März 2023 wurde ein Augenschein durchgeführt, um die Sitzplatzsituation auf GS xx darzulegen. Zu sehen war ein Sitzplatz, welcher leicht erhöht, mit Steinplatten versehen und mit Mauern umkreist ist. Gemäss vorgenommenen Messungen betragen die Aussenmasse des Sitzplatzes 4,1 m auf 3,53 m, was einer Fläche von rund 14,5 m2 entspricht. An den vier Ecken befinden sich jeweils Pfeiler aus Stein, die an drei Seiten mit halbhohen Steinmauern verbunden sind. Über dem Sitzplatz sind zehn Holzbalken mit Ausrichtung Nord-Süd und drei Holzbalken mit Ausrichtung Ost-West angebracht. Auf der südlichen Seite befinden sich zudem zwischen der Steinmauer und dem Holzbalken drei Milchglasscheiben, welche mit Letzterem nicht verbunden sind. Es konnte somit festgestellt werden, dass die ausgeführte Konstruktion weder eine feste Überdachung, noch geschlossene Seitenwände aufweist und damit als Pergola in Erscheinung tritt (vgl. auch Fotoprotokoll vom 24. März 2023). Wie vorstehend ausgeführt, stellt eine Pergola grundsätzlich keine Kleinbaute im Sinne von § 4a Abs. 1 V PBG dar. Mit einer Fläche vom rund 14.5 m2 ist eine solche denn auch als geringfügiges Bauvorhaben zu qualifizieren, da sie in optischer und baulicher Hinsicht weder nachbarliche noch öffentliche Interessen erheblich berührt. Aus diesem Grund wird festgehalten, dass für die Pergola kein nachträgliches Baugesuch eingereicht werden muss.

d) Wie bereits erwähnt, sind geringfügige Bauvorhaben, welche die nachbarlichen und die öffentlichen Interessen nicht erheblich berühren, gemäss § 44a Abs. 1 PBG der zuständigen Gemeindebehörde mit einer Bauanzeige zu melden. Die Bauanzeige muss einen aktuellen Situationsplan mit Darstellung des vermassten Vorhabens sowie einen Beschrieb in Stichworten enthalten und ist vom Grundeigentümer bzw. der Grundeigentümerin zu unterzeichnen (§ 25a V PBG). Da die vorliegende Pergola eine geringfügige Baute darstellt, ist deren Errichtung der Baubewilligungsbehörde mit einer Bauanzeige zu melden. Vorliegend haben die Beschwerdeführenden am 5. Juni 2020 eine Bauanzeige eingereicht. Die entsprechenden Pläne beschränkten sich jedoch auf den ummauerten Sitzplatz, ohne auch das darüberliegende aus Holzbalken bestehende Dachgitter aufzuzeigen. Die Nacheingabe vom 1. Juli 2020 trug zwar den Namen «Nacheingabe Pergola», auf dem Grundriss und den eingereichten Skizzen der Schnitte ist das Dachgitter aber wiederum nicht ersichtlich. Da aus dem Titel der Nacheingabe nicht zweifelsohne geschlossen werden konnte, dass die baulichen Tätigkeiten auf GS xx das Anbringen von Holzbalken mitumfasst, war die Darstellung des Bauvorhabens in der Bauanzeige undeutlich bzw. unvollständig. Entsprechend hat die Baubewilligungsbehörde, nachdem sie vom hölzernen Dachgitter Kenntnis genommen hat, die Beschwerdeführenden mit Schreiben vom 22. September 2021 und mit Verfügung vom 5. Oktober 2022 aufgefordert, ein nachträgliches Baugesuch einzureichen. Wie vorliegend festgestellt werden konnte, handelt es sich bei der fraglichen Pergola nun aber um ein geringfügiges Bauvorhaben, das kein förmliches Baugesuch erfordert. Die von den Beschwerdeführenden eingereichten Darstellungspläne waren zwar nicht ganz vollständig, mit dem durchgeführten Augenschein und den hier gemachten Feststellungen erübrigt sich aber das Einverlangen von nachträglichen Plänen.

4. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Beschwerde vollumfänglich gutzuheissen ist. Die Verfügung des Beschwerdegegners zur Bauanzeige zz vom 5. Oktober 2021 ist aufzuheben. Die Pergola auf dem GS xx stellt keine Kleinbaute dar und die Beschwerdeführenden müssen dementsprechend kein nachträgliches Baugesuch einreichen. Das Einreichen einer nachträglichen Bauanzeige erübrigt sich mit dem vorliegenden Entscheid (vgl. E. 3d).

(…)

Regierungsratsbeschluss vom 11. Juli 2023, BD 2023-114

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