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Steuern (Nichteintreten auf Einsprache zufolge Verspätung)

Regeste:

Art. 5 Abs. 3, Art. 9 und Art. 29 Abs. 1 und 2 BV; Art. 116 Abs. 1 DBG und § 19 Abs. 1 Ziff. 4 VRG

Der Versand einer auf den 8. April 2024 datierten Veranlagungsverfügung am 4. April 2024 macht die Verfügung mangelhaft, da das kantonale Recht verlangt, dass Entscheide die Daten von Entscheidung und Versand enthalten müssen. Der Mangel ist jedoch nicht als krass einzustufen (E. 3.1 f.).

Grundsätzlich dürfen einer Partei als Ausfluss des verfassungsmässigen Vertrauensschutzes aus der mangelhaften Eröffnung eines amtlichen Schriftstücks keine Nachteile erwachsen. Nicht auf den Vertrauensschutz berufen kann sich jedoch nach ständiger Rechtsprechung eine Steuerpflichtige, welche die berufsmässige Vertretung von Parteien in Steuerverfahren zum Gesellschaftszweck hat, und welche einen eingeschrieben versandten Entscheid tatsächlich vor dem darauf aufgedruckten Datum in Empfang genommen hat. Von ihr kann erwartet werden, dass sie im Sinne einer elementaren Sorgfaltspflicht festhält bzw. anhand der Sendungsverfolgungsnummer nachprüft, wann ihr ein fristauslösendes Dokument zugestellt worden ist (E. 3.3).

Im Gegensatz dazu muss der unbedarfte Bürger grundsätzlich nicht damit rechnen, dass der Entscheid einer Behörde falsch datiert ist (E. 4).  

Aus dem Sachverhalt:

A.          

A.a Die A. AG, domiziliert in B./ZG, verfolgt gemäss Handelsregistereintrag den Gesellschaftszweck der «Beratung von natürlichen und juristischen Personen in Sachen Einnahmen des Staates, wie Steuern, Gebühren, Abgaben. Die Beratung umfasst die Prüfung der gesetzlichen Bestimmungen sowie die Vertretung im Rahmen der Rechtsmittel und die Vertretung vor den Behörden und den Gerichtsinstanzen. […]». Mit Veranlagungsverfügung datiert vom 8. April 2024 und versandt am 4. April 2024 wurde die A. AG für das Steuerjahr 2022 ermessensveranlagt (für die Kantons- und Gemeindesteuer sowie auch die direkte Bundessteuer) und mit Ordnungsbusse belegt (StV-act. 3). Die Zustellung der Veranlagungsverfügung erfolgte gemäss Sendungsnachverfolgung der Post am 5. April 2024 um 10:05 Uhr eingeschrieben gegen Unterschrift von Frau C. an der Domiziladresse in B./ZG (StV-act. 5; Zefix-Abfrage).

A.b Hiergegen erhob die A. AG, vertreten durch ihren einzelzeichnungsberechtigten Verwaltungsrat D., am 8. Mai 2024 (Datum des Poststempels) Einsprache und reichte gleichzeitig die ausgefüllte Steuererklärung für das Geschäftsjahr 2022 samt Jahresrechnung 2022 nach (StV-act. 6). Mit Einspracheentscheid vom 5. Juni 2024 stellte die Steuerverwaltung des Kantons Zug fest, dass die angefochtene Verfügung am 5. April 2024 zugestellt und die Einsprache demnach verspätet erfolgt sei. Entsprechend trat sie auf die Einsprache mit Einspracheentscheid vom 5. Juni 2024 nicht ein (StV-act. 7).

B. Mit Schreiben vom 8. Juli 2024 erhob die Steuerpflichtige Beschwerde bzw. Rekurs an das Verwaltungsgericht. Dabei bestätigte sie die Entgegennahme der Veranlagungsverfügung am 5. April 2024, stellte sich jedoch auf den Standpunkt, massgeblich für den Lauf der Einsprachefrist müsse in jedem Fall das auf einer Verfügung aufgeführte Datum sein, und nicht das Datum des tatsächlichen Erhalts. Andernfalls entstehe eine Rechtsunsicherheit, wenn die Rechtsunterworfenen jedes Mal prüfen müssten, wann die Zustellung erfolgt sei. Entsprechend beantragte sie die Aufhebung des Nichteintretensentscheids vom 5. Juni 2024 (act. 1). Den verfügten Gerichtskostenvorschuss von Fr. 1'000.– leistete sie fristgerecht (act. 2, 3).

C. Die Steuerverwaltung schloss mit Stellungnahme vom 3. September 2024 auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei (act. 5).

Aus den Erwägungen:

(…)

3. Vorliegend ist unbestritten, dass die auf den 8. April 2024 datierte Veranlagungsverfügung bereits am 4. April 2024 eingeschrieben verschickt und am 5. April 2024 durch die Steuerpflichtige in Empfang genommen wurde. Unstrittig ist auch, dass die Einsprachefrist 30 Tage beträgt und vorliegend grundsätzlich nicht gewahrt wurde. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die Ausführungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid verwiesen werden; Weiterungen erübrigen sich. Zu beantworten ist durch das Gericht einzig die Frage danach, welche Auswirkungen der Aufdruck eines falschen Entscheiddatums auf einer Verfügung zeitigt (Vordatierung).

3.1 Verfügungen der Steuerbehörden werden der Steuerpflichtigen schriftlich eröffnet und müssen eine Rechtsmittelbelehrung enthalten (Art. 116 Abs. 1 DBG). Weitere Formvorschriften stellt das Gesetz nicht auf (BGer 2C_392/2017 vom 11. Januar 2018 E. 2.1; 2C_570/2011 / 2C_577/2011 vom 24. Januar 2012 E. 4.1). Nach allgemeinen Grundsätzen muss die Eröffnung dem Adressaten ermöglichen, von der Verfügung oder der Entscheidung Kenntnis zu erlangen, um diese gegebenenfalls sachgerecht anfechten zu können. Die Verfügung gilt als eröffnet, wenn er ordnungsgemäss zugestellt ist und die Steuer­pflichtige davon Kenntnis nehmen kann. Das Bundesrecht verlangt nicht, dass sie zu datieren sind (vgl. BGer 9C_624/2022 vom 15. März 2023 E. 3.2.2 mit Hinweisen). Im Kanton Zug verlangt § 19 Abs. 1 Ziff. 4 VRG grundsätzlich danach, dass Behörden ihre Entscheide schriftlich eröffnen. Der Entscheid muss die Daten von Entscheidung und Versand enthalten. Im hier zu beurteilenden Fall ist die dem Streit zugrunde liegende Verfügung datiert; das Datum ihres Versandes ergibt sich aus der oben links aufgedruckten Sendungsverfolgungsnummer der Post.

3.2 Die Verfügung, die unstrittig am 5. April 2024 zugestellt wurde, war auf den 8. April 2024 vordatiert. Sie trug mithin ein unzutreffendes Datum. Die entsprechende Verfügung leidet dadurch an einem Mangel, der jedoch rechtsprechungsgemäss nicht als krass einzustufen ist (BGer 9C_624/2022, a.a.O., E. 3.2.3).

3.3 Grundsätzlich dürfen einer Partei aus der mangelhaften Eröffnung eines amtlichen Schriftstücks keine Nachteile erwachsen. Diese Regel entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der den verfassungsmässigen Vertrauensschutz (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV) sowie Art. 29 Abs. 1 und 2 BV konkretisiert (BGer 9C_624/2022, a.a.O., E. 3.3). Nicht auf den Vertrauensschutz berufen kann sich jedoch nach ständiger Rechtsprechung eine Steuerpflichtige, welche die berufsmässige Vertretung von Parteien in Steuerverfahren zum Gesellschaftszweck hat, und welche einen eingeschrieben versandten Entscheid tatsächlich vor dem darauf aufgedruckten Datum in Empfang genommen hat. Von ihr kann erwartet werden, dass sie im Sinne einer elementaren Sorgfaltspflicht festhält bzw. anhand der Sendungsverfolgungsnummer nachprüft, wann ihr ein fristauslösendes Dokument zugestellt worden ist (BGer 8C_84/2014 vom 14. Oktober 2014 E. 4.3 und 5.1).

4. Zusammenfassend ist der Rekurrentin zwar darin zuzustimmen, dass die Vordatierung von Entscheiden eine Rechtsunsicherheit verursacht, und deshalb die Behörden ihre Entscheide korrekt zu datieren haben. Dies gilt umso mehr, als jedenfalls unbedarfte Bürger grundsätzlich nicht damit rechnen müssen, dass ein Entscheid falsch datiert ist (BGer 8C_84/2014, a.a.O., E. 5.1). Die hier am Recht stehende Rekurrentin, welche im Bereich der berufsmässigen Steuerberatung tätig ist, kann sich jedoch nach dem Gesagten nicht auf den Schutz berechtigten Vertrauens in eine falsche Datierung einer Veranlagungsverfügung berufen, weshalb ihre Beschwerde sowie ihr Rekurs abzuweisen sind.

(…)

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. November 2024 A 2024 21
Das Urteil ist rechtskräftig.
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