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Art. 12 lit. d BGFA

Regeste:

Art. 12 lit. d BGFA – Fassadenanschrift Anwaltskanzlei

Aus dem Sachverhalt:

Eine Zuger Anwaltskanzlei beabsichtigte am Bürogebäude, in dem sich ihre Kanzlei befindet, die Fassadenanschrift «XY Advokatur & Notariat» anzubringen. Das Bürogebäude liegt an einer stark befahrenen Verkehrskreuzung. Am Gebäude bestehen bereits Fassadenanschriften zweier weiterer Gewerbebetriebe. Die vorgesehene Beschriftung sollte eine Gesamtlänge von ca. 9.4 m und eine Höhe von 70 cm («XY») bzw. 32 cm («Advokatur & Notariat») aufweisen und mit weissen LED-Lichtern ausgeleuchtet werden. Die Fronten sollten blau (blaues Plexiglas) und die Seitenteile vorne 1/3 weiss opal und hinten 2/3 silbern leuchten.

Aus den Erwägungen:

1. Gemäss Art. 12 lit. d BGFA können Anwältinnen und Anwälte Werbung machen, solange diese objektiv bleibt und solange sie dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entspricht.

1.1 Als Werbung ist jedes Verhalten zu verstehen, das planvoll darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistungen des Werbenden in Anspruch zu nehmen. Ob diese Merkmale erfüllt sind, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung; massgebend sind objektive Kriterien (Walter Fellmann, in: Fellmann/Zindel [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. A., Zürich 2011, N 113 zu Art. 12 BGFA; Walter Fellmann, Anwaltsrecht, Bern 2010, § 2 N 369). Unter Aussenwerbung versteht man jede Werbemassnahme, welche ausserhalb von Räumen oder Gebäuden erfolgt. Zu denken ist v.a. an Geschäfts- und Reklameschilder, Lichtreklamen, Plakate und Transportmittelwerbung (Schütz, Anwaltswerbung in der Schweiz - UWG als Alternative zu Art. 12 lit. d BGFA?, Diss. Zürich 2010, S. 323). Die von der Beschwerdeführerin geplante Fassadenbeschriftung fällt unter diese Definition der Aussenwerbung. Es handelt sich um eine Fassadenbeschriftung an einer vielbefahrenen Verkehrskreuzung, die einer unbestimmten Anzahl Personen zur Kenntnis gebracht werden soll.

1.2 Nach Art. 12 lit. d BGFA muss die Anwaltswerbung objektiv bleiben. Das Bundesgericht hat offen gelassen, ob angesichts dieser Formulierung wie bis anhin in vielen kantonalen Erlassen die aufdringliche, marktschreierische Werbung verboten bleibt, oder ob damit lediglich geradezu unlautere bzw. täuschende Werbung untersagt ist (vgl. Entscheid Nr. 2A.98/2006, Erw. 4, vom 24. Juli 2006). Nach Fellmann bedeutet der Vorbehalt der Objektivität, dass der Anwalt an die Grundsätze des UWG gebunden ist. Anwaltswerbung dürfe daher nicht unlauter sein. Sie dürfe den Klienten nicht täuschen und habe den Grundsatz von Treu und Glauben zu respektieren (Fellmann, in: Fellmann/Zindel [Hrsg.], a.a.O., N 115; Fellmann, Anwaltsrecht, a.a.O., § 2 N 372; Fellmann, Recht der Anwaltswerbung im Wandel, in: AJP 2/1998 S. 182). Bernhart weist darauf hin, dass bei Rechtsanwälten Werbung mit einer besonderen Aktivierungserzeugung oder Suggestivkraft nicht erlaubt sein solle. Weder in gestalterischer noch inhaltlicher Hinsicht sollten intensive Reize eingesetzt werden können. Ein wesentlicher Aspekt der Anwaltswerbung liege somit auf der formalen Sachlichkeit. Deshalb könnten auch Praxisschilder und Hinweistafeln hinsichtlich Gestaltung, Grösse und Anbringung als unzulässig qualifiziert werden (Die professionellen Standards des Rechtsanwalts, Ein Handbuch zum Anwaltsrecht, 2. A., Zürich 2011, S. 150).

1.3 Neben dem Erfordernis der Objektivität verlangt Art. 12 lit. d BGFA, dass die Anwaltswerbung «dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entspricht». Dies ist immer dann der Fall, wenn die Werbung Informationen über Identität, Ausbildung, Qualifikation, Tätigkeitsgebiete und Spezialisierungen des Anwalts enthält. Was darüber hinaus noch vom Begriff des Informationsbedürfnisses umfasst wird, muss durch das Publikum bzw. den Nachfrager festgelegt werden. Da die vom Rechtsuchenden festzulegenden Kriterien subjektiv sind, können die Inhalte des Informationsbedürfnisses zahlreich und sehr unterschiedlich sein (Hauser, Wettbewerbsrechtliche Aspekte des Anwaltsrechts, Diss. Zürich/St. Gallen 2008, N 310; vgl. auch Bohnet/Martenet, Droit de la profession d'avocat, Bern 2009, N 1496 und FN 693). Werbung entspricht beispielsweise einem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, wenn es um ein politisch und planerisch sehr aktuelles Thema handelt, an welchem breite Kreise der Bevölkerung grosses Interesse und auch Engagement zeigen (Projektierung von Anflugszonen; vgl. Beschluss der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte des Kantons Zürich vom 5. Juli 2007) oder wenn sich ein Anwalt anlässlich eines Informationsabends an eine bestimmte Gruppe von möglichen Klienten wendet, welche erschienen sind, um sich über ein besprochenes Problem und damit verbunden für allfällige Entschädigungsverfahren zu informieren (vgl. Beschluss der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte des Kantons Zürich vom 6. Mai 2004, publiziert in ZR 104 [2005] Nr. 40).

1.4 Das BGFA enthält keine spezielle Bestimmung zur anwaltlichen Aussenwerbung. Aus der Generalklausel von Art. 12 lit. a BGFA wird aber die Pflicht zur Führung einer Kanzlei abgeleitet. Die herrschende Lehre ist der Auffassung, dass es zur sorgfältigen und gewissenhaften Berufausübung eines Anwalts gehört, auf seine Anwaltskanzlei mit einem Geschäftsschild hinzuweisen. Das Anbringen eines Kanzleischildes ist somit nicht nur zulässig, sondern berufsrechtlich geboten. Das BGFA lässt aber offen, welchen formellen Anforderungen solche Kanzleischilder genügen müssen. Zudem ist daraus nicht ersichtlich, ob auch andere Formen von Aussenwerbung zulässig sind. Diese Fragen bleiben der Auslegung von Art. 12 lit. d BGFA überlassen. Nach Schütz ist das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit bei allen Formen der anwaltlichen Aussenwerbung zu bejahen, unabhängig davon, ob Hinweise auf Plakaten, Banden oder Transportmitteln erfolgen. Eine höherer Schranke stelle hier das Objektivitätserfordernis von Art. 12 lit. d BGFA dar. Die Zulässigkeit des Kanzleischildes könne dabei sicher bejaht werden. Fraglich sei jedoch, ob ein solches beleuchtet werden dürfe und welchen weiteren gestalterischen und inhaltlichen Voraussetzungen dieses unterliege (vgl. Schütz, a.a.O., S. 324 f.).

2.1 Die Vorinstanz prüfte das Kriterium der Objektivität unter lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten und kam zum Schluss, dass kein Verstoss gegen das UWG vorliege.

2.1.1 Wie in Erw. 1.2 hiervor dargelegt, hat das Bundesgericht in seinem Entscheid aus dem Jahre 2006 offen gelassen, ob angesichts der Formulierung von Art. 12 lit. d BGFA wie bis anhin in vielen kantonalen Erlassen die aufdringliche, marktschreierische Werbung verboten bleibe oder lediglich unlautere bzw. täuschende Werbung untersagt sein solle. In seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Schranken der Werbetätigkeit von Anwälten hat das Bundesgericht aber stets betont, das Publikum solle darauf vertrauen können, dass Rechtsanwälte, wenngleich Gewerbetreibende, sich in ihrer Berufsausübung nicht von Gewinnstreben beherrschen liessen, sondern in erster Linie ihrer Verantwortung als «Diener des Rechts» und «Mitarbeiter der Rechtspflege» wahrnehmen und in dieser Funktion die Rechtsuchenden bei der Verfolgung ihrer subjektiven Rechtsschutzinteressen beraten und unterstützen würden, sie gegebenenfalls aber auch davon abhalten sollten, aussichtslose Prozesse zu führen. Kommerzielle Werbemethoden dürften darum im Interesse des Schutzes von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr und zur Erhaltung der Vertrauenswürdigkeit und der Unabhängigkeit der Anwaltschaft ausgeschlossen werden, während zurückhaltende und sachlich zutreffende Werbung dem Bedürfnis des Publikums nach Informationen entgegenkomme und dem Anwalt deshalb nicht grundsätzlich verwehrt werden könne (vgl. BGE 123 I 16 f.). An diesen Kriterien ist die vorgesehene Fassadenbeschriftung zu messen.

2.1.2 Die von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Fassadenbeschriftung weist auf Firmenname und Tätigkeit der Anwaltskanzlei hin («XY Advokatur und Notariat»). Solche Texte für Kanzleibeschriftungen sind durchaus üblich, insbesondere auch der Zusatz «Notariat», kann doch im Kanton Zug die öffentliche Beurkundung auch durch freiberufliche Anwälte ausgeübt werden (vgl. § 7 des Gesetzes über die öffentliche Beurkundung und die Beglaubigung in Zivilsachen vom 3. Juni 1946, BGS 223.1). Der Text ist weder irreführend noch täuschend und enthält auch keine übermässig aggressiven Angaben, wie die Vorinstanz zutreffend festhält. Fraglich ist indes, ob die beabsichtigte Beschriftung hinsichtlich Gestaltung, Grösse und Anbringung noch als zulässig qualifiziert werden kann. Die vorgesehene Beschriftung hat eine Gesamtlänge von ca. 9.4 m und eine Höhe von 70 cm («XY») bzw. 32 cm («Advokatur und Notariat»). Zudem sollen die Fronten blau (blaues Plexiglas) und die Seitenteile vorne 1/3 opal und hinten 2/3 silber leuchten. Schliesslich stehen die Buchstaben 10 cm von der Fassade ab. Die Vorinstanz führte aus, auch wenn die beabsichtigte Firmenbeschriftung kleiner ausgestaltet und diskreter hätte platziert werden können, sei sie deswegen noch nicht unlauter, und auch der Umstand, dass die Firmenbeschilderung im Bereich des öffentlichen Verkehrsraums von einem unbestimmten Publikum als Blickfangwerbung wahrgenommen werde, stelle für sich genommen noch keinen Verstoss gegen das UWG dar. Dem ist zwar grundsätzlich beizupflichten. Indes wird damit nur das Kriterium der Lauterkeit beleuchtet. Anwaltswerbung muss nach dem Gesetzestext aber insgesamt «objektiv» sein. Sie hat daher wie in Erw. 1.2 hiervor dargelegt auch dem Erfordernis der formalen Sachlichkeit zu genügen, d.h. bei der Anwaltswerbung dürfen weder in gestalterischer noch inhaltlicher Hinsicht intensive Reize eingesetzt werden. Die von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Fassadenbeschriftung ist aussergewöhnlich gross, soll hell beleuchtet und im dritten Stock eines Gewerbe- und Dienstleistungsgebäudes an einer stark befahrenen Verkehrskreuzung angebracht werden. Eine solche Beschriftung ist nicht zurückhaltend und entspricht daher dem Erfordernis der formalen Sachlichkeit nicht.

2.1.3 Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, vermag nicht zu überzeugen: Ein Vergleich mit den beiden bereits bestehenden Schriftzügen am Gebäude hinkt von vornherein, weil es sich bei diesen Gesellschaften nicht um Anwaltskanzleien handelt. Die Beschriftung der Zürcher Anwaltskanzlei «A & B», auf welche die Beschwerdeführerin verweist, ist sodann deutlich kleiner und bezüglich Gestaltung und Anbringung zurückhaltender als die vorgesehene Fassadenbeschriftung der Beschwerdeführerin, und die Aussenbeschriftung der Kanzlei «C & Partner» in D. mag in Deutschland zulässig sein, entspricht aber hinsichtlich Ausmass und Grösse nicht den schweizerischen Gepflogenheiten. Aus der Bestätigung der E. AG geht ferner einzig hervor, dass «eine zusätzliche Beschriftung an dem derzeit vorhandenen Aufhänger (…) nicht möglich» sei. Dass eine andere - zurückhaltende - Kanzleibeschriftung als die Fassadenbeschriftung ausgeschlossen ist, lässt sich dieser Bestätigung nicht entnehmen. Im Übrigen kann es nicht darauf ankommen, ob eine Beschriftung durch eine Drittperson erlaubt wird oder nicht. Die Dimensionen der vorgesehenen Fassadenbeschriftung (9.4 m x 70 cm bzw. 32 cm) lassen auch einen Vergleich mit dem von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 26. April 2010 nicht zu, in dem es um eine Tafel auf einem Golfplatz (40 cm x 20 cm) und um eine Klebefolie auf der Rückseite eines Postautos (80 cm x 200 cm) ging. Nicht zu vergleichen mit der vorliegend zu beurteilenden Aussenwerbung ist auch die Werbung im NZZ Folio vom April 2012. Die anwaltliche Pressearbeit wird in der Rechtspraxis vorwiegend durch die Generalklausel von Art. 12 lit. a BGFA und nicht durch Art. 12 lit. d BGFA beschränkt (vgl. Schütz, a.a.O., S. 343). Schliesslich steht dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin die Rückmeldung erhalten habe, Mandanten würden die Kanzlei nicht finden, entgegen, dass die modernen Navigationsgeräte den Weg auch ohne auffällige Beschriftungen weisen. Der vorgesehenen «Praxisbeschilderung» fehlt es mithin an der erforderlichen Zurückhaltung und formalen Sachlichkeit, weshalb sie das Kriterium der Objektivität im Sinne von Art. 12 lit. d BGFA nicht erfüllt.

2.2 Die Vorinstanz hielt sodann fest, die geplante Firmenbeschriftung widerspreche der Intention des Gesetzgebers, wonach Anwaltswerbung nur zugelassen sei, wenn sie dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entspreche. Dem ist beizupflichten. Die Einschränkung der Anwaltswerbung durch das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit ist vor dem Hintergrund der vormaligen Werberestriktionen zu sehen. Werbeschranken wurden zur Hauptsache mit der Aufrechterhaltung der Würde des Anwaltsberufes bzw. des Ansehens des Berufsstandes begründet, weshalb eine Kommerzialisierung des Anwaltsberufs verhindert werden sollte. Ferner sollte das Vertrauen in den Anwalt sowie dessen Unabhängigkeit und Selbstverantwortlichkeit nicht beeinträchtigt werden. Schliesslich waren die entsprechenden Werbeschranken aus standesrechtlichen Gründen mit weitestgehendem Freihalten von Konkurrenz bzw. dem Aufrechterhalten eines faktischen Konkurrenzverbots begründet (vgl. Hauser, a.a.O., N 270 f.). Eine völlige Liberalisierung der Werbung, wie sie offenbar der Beschwerdeführerin vorschwebt, hat der Gesetzgeber nicht gewollt. Grundsätzlich besteht zwar ein Bedürfnis der Öffentlichkeit, dass Anwaltskanzleien beschriftet werden. Vorliegend handelt es sich indes nicht um eine gewöhnliche Kanzleibeschriftung, sondern angesichts der Grösse, Gestaltung und Anbringung um eine eigentliche Aussenwerbung. Ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit für eine solche Werbung ist nicht ersichtlich. Die vorgesehene Firmenbeschriftung ist von einer unbestimmten Vielzahl von Verkehrsteilnehmern (Autofahrer, Motorradfahrer, Velofahrer, Fussgänger) einsehbar. Die Gruppe derjenigen Verkehrsteilnehmer der Kreuzung, welche die Anwaltskanzlei der Beschwerdeführerin zum ersten Mal oder nach sehr langer Zeit wieder einmal aufsuchen, ist verschwindend klein. Die meisten Verkehrsteilnehmer der Kreuzung sind nicht auf eine Beschriftung des Gebäudes im Sinne einer «Kanzleibeschriftung» angewiesen. Sie haben kein Bedürfnis an einer solchen Information. Damit fehlt es am erforderlichen Kriterium des Informationsbedürfnisses im Sinne von Art. 12 lit. d BGFA.

2.3 Zusammenfassend ist mithin die Feststellung der Vorinstanz, dass die beabsichtigte Firmenbeschriftung der Beschwerdeführerin gegen die Berufsregeln gemäss Art. 12 lit. d BGFA verstosse, nicht zu beanstanden.

II. Beschwerdeabteilung des Obergerichts Zug, Urteil vom 14. Juni 2012

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