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Art. 255 Abs. 1 lit. a StPO, Art. 260 Abs. 1 StPO

Regeste:

Art. 255 Abs. 1 lit. a StPO, Art. 260 Abs. 1 StPO – Voraussetzungen zur Durchführung erkennungsdienstlicher Massnahmen (Entnahme einer DNA-Probe, Erstellen eines DNA-Profils, erkennungsdienstliche Erfassung)

Aus den Erwägungen:

(...)

2.2 Gemäss Art. 255 Abs. 1 lit. a StPO kann der beschuldigten Person zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens eine Probe genommen und ein DNA-Profil erstellt werden. Die Polizei kann bei Personen die nicht invasive Probenahme anordnen (Art. 255 Abs. 2 lit. a StPO). Nach Art. 260 Abs. 1 StPO werden bei der erkennungsdienstlichen Erfassung die Körpermerkmale einer Person festgestellt und Abdrücke von Körperteilen genommen. Die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte, in dringenden Fällen ihre Verfahrensleitung, können die erkennungsdienstliche Erfassung anordnen (Abs. 2). Die erkennungsdienstliche Erfassung wird in einem schriftlichen, kurz begründeten Befehl angeordnet. In dringenden Fällen kann sie mündlich angeordnet werden, ist aber nachträglich schriftlich zu bestätigen und zu begründen (Abs. 3). Weigert sich die betroffene Person, sich der Anordnung der Polizei zu unterziehen, so entscheidet die Staatsanwaltschaft (Abs. 4).

2.3 Identitätsfeststellungen durch Polizeiorgane und die Aufbewahrung entsprechender Daten berühren die Garantien von Art. 10 Abs. 2 sowie Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK. Der Eingriff ist jedoch leichter Natur, namentlich auch der Wangenschleimhautabstrich zwecks Erstellens eines DNA-Profils (BGE 136 I 87, E. 5.1; 128 II 259, E. 3.2 und 3.3, je mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 6B_251/2008 vom 14. August 2008, E. 4). Die Durchführung erkennungsdienstlicher Massnahmen stellt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der Lehre einen bloss geringfügigen Grundrechtseingriff dar (Werlen, in: Niggli/Heer/ Wiprächtiger [Hrsg.], Schweizerische Strafprozessordnung, Basler Kommentar, 2011, Art. 260 N 5; Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich 2009, Art. 260 N 5; Schmid, Handbuch des Schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich 2009, N 1100; BGE 128 II 259, E. 3.3). Trotzdem müssen solche Massnahmen den Voraussetzungen von Art. 36 BV, welche in Art. 197 StPO umgesetzt sind, genügen. Es muss somit ein hinreichender Tatverdacht vorliegen. Ausserdem dürfen die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können und die Bedeutung der Straftat muss die Zwangsmassnahme rechtfertigen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung können erkennungsdienstliche Massnahmen gerechtfertigt sein, um eine Täterschaft ausfindig zu machen sowie um Delikte präventiv zu vermeiden und so Rechte und Freiheiten Dritter zu schützen. Zudem besteht in einem Strafverfahren ein besonderes Interesse daran, Personenverwechslungen zu vermeiden und dadurch letztlich auch zu verhindern, dass allenfalls die falschen Personen verurteilt werden. Dieser Zweck bedingt, dass nicht nur solche Daten erhoben werden, die relativ leicht durch kosmetische Massnahmen verändert werden können, wie etwa die fotografisch erfassbare äussere Erscheinung des Gesichts, sondern auch Daten, welche die Identifikation mit hoher Zuverlässigkeit ermöglichen, so dass deren Erfassung als verhältnismässig zu betrachten ist (Urteil des Bundesgerichts 2C_257/2011 vom 25. Oktober 2011, E. 6.7.4, mit Verweis auf BGE 128 II 259).

2.4 Der Beschwerdeführer ist Beschuldigter in einer Strafuntersuchung wegen Drohung, somit eines Vergehens. Die rechtliche Qualifikation der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Handlung rechtfertigt somit die Erstellung eines DNA-Profils i.S. von Art. 255 Abs. 1 StPO. Dem Beschwerdeführer wird namentlich vorgeworfen, seiner mit ihm im gleichen Haushalt lebenden Freundin im Anschluss an einen Streit gedroht zu haben, «er steche sie ab». Es wird im Lauf der Untersuchung zu prüfen sein, ob sich dem Beschwerdeführer ein tatbestandsmässiges und rechtswidriges Verhalten nachweisen lässt. Insbesondere wird abzuklären sein, ob der Beschwerdeführer seiner Partnerin durch sein Verhalten in objektiver Hinsicht einen schweren Nachteil i.S. von Art. 180 Abs. 1 StGB in Aussicht gestellt hat und ob seine Partnerin durch dieses Verhalten in Angst und Schrecken versetzt worden ist. Soweit der Beschwerdeführer ausführt, seine Partnerin habe zu keinem Zeitpunkt Angst gehabt bzw. um ihr Leben gefürchtet und die Angelegenheit sei für sie erledigt, ist darauf hinzuweisen, dass seine Partnerin sich zum damaligen Zeitpunkt immerhin entschlossen hat, bei der Polizei wegen häuslicher Gewalt vorstellig zu werden und Strafanzeige zu erstatten. Insofern kann jedenfalls nicht zum vornherein ausgeschlossen werden, dass sie durch das Verhalten des Beschwerdeführers zum damaligen Zeitpunkt nicht in Angst und Schrecken versetzt worden wäre. Zum jetzigen Zeitpunkt sind jedenfalls Anhaltspunkte dafür gegeben und ein hinreichender Tatverdacht somit zu bejahen. Schliesslich erweist sich auch der Einwand des Beschwerdeführers, die erkennungsdienstliche Erfassung diene in keiner Weise, die ihm zur Last gelegt verbale Drohung zu bestätigen oder zu beweisen, als unbegründet. Gemäss Lehre und Rechtsprechung bedeutet die Einschränkung «zur Aufklärung von Verbrechen oder Vergehen» gemäss Art. 255 Abs. 1 StPO nicht, dass einem Verdächtigen nur eine DNA-Probe abgenommen werden darf, wenn vom Anlassdelikt eine DNA-haltige Spur vorliegt. Es geht vielmehr darum, dass bei Personen, die sich eines strafrechtlichen Delikts von einer gewissen Schwere schuldig gemacht haben, gegenüber dem Durchschnittsbürger eine leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, sie könnten auch in Zukunft in ein Delikt verwickelt werden (Thomas Hansjakob, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur schweizerischen Strafprozessordnung, 2010, Art. 255 N 10). Entsprechendes gilt für die erkennungsdienstliche Erfassung (Hansjakob, a.a.O., Art. 260 N 6, mit Hinweis).

2.5 Die angeordnete erkennungsdienstliche Erfassung sowie der angeordnete Wangenschleimhautabstrich erweisen sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch als verhältnismässig. Wie vorstehend ausgeführt, handelt es sich dabei nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur um leichte Eingriffe, welche etwa auch bei Wirtschaftsdelikten als verhältnismässig zu betrachten sind (BGE 128 II 258, E. 3.2). Damit stossen auch die Behauptungen des Beschwerdeführers, es seien keine Waffen im Spiel gewesen und er habe keine Gewalt ausgeübt, ins Leere.

2.6 Schliesslich sind sowohl die angeordnete erkennungsdienstliche Erfassung als auch der angeordnete Wangenschleimhautabstrich zwecks DNA-Analyse bei der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Straftat auch hinsichtlich des Grundsatzes der Proportionalität ohne Weiteres zulässig. Immerhin steht der Verdacht im Raum, der Beschwerdeführer habe seiner Partnerin durch seine Aussage im Anschluss an einen Streit, «er steche sie ab», einen schweren Nachteil in Aussicht gestellt. Angesichts dessen vermag die Bedeutung der in Frage stehenden Straftat die angeordnete erkennungsdienstliche Erfassung sowie den angeordneten Wangenschleimhautabstrich zwecks DNA-Analyse sehr wohl zu rechtfertigen.

Obergericht, I. Beschwerdeabteilung, 20. Dezember 2012

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