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Art. 21 Abs. 1 lit. b DBG, § 20 Abs. 1 lit. b StG, § 7 VV StG

Art. 132 Abs. 1 StG; Art. 132 Abs. 1 DBG; §§ 10 und 21 VRG

Regeste:

Art. 132 Abs. 1 StG; Art. 132 Abs. 1 DBG; §§ 10 und 21 VRG - Wird ein eingeschrieben zugestellter Veranlagungsentscheid von den Steuerpflichtigen trotz einer Abholungseinladung durch die Post nicht abgeholt, beginnt die Rechtsmittelfrist am letzten Tag der siebentätigen Abholungsfrist zu laufen (Zustellfiktion). Ein trotz angeblich gewährter Fristerstreckung zugestellter Veranlagungsentscheid ist nicht nichtig, sondern anfechtbar.

Aus dem Sachverhalt:

Mit eingeschriebenem Brief vom 28. November 2011 eröffnete die Steuerverwaltung des Kantons Zug gegenüber dem Ehepaar A. und B. die Veranlagung für die Kantonssteuer und die Direkte Bundessteuer 2010 nach Ermessen. Der Ermessensveranlagungsentscheid wurde in der Folge von den Steuerpflichtigen nicht abgeholt und deshalb am 5. Dezember 2011 von der Post wieder an die Steuerverwaltung zurückgesandt. Am 25. Januar 2012 reichten A. und B. die Steuererklärung 2010 ein, welche die kantonale Steuerverwaltung aufgrund der für die Veranlagung nach Ermessen vom 28. November 2011 geltenden Zustellfiktion als «Einsprache» behandelte. Mit Einspracheentscheid vom 8. Februar 2012 trat die Rechtsmittelkommission der Steuerverwaltung auf die Einsprache mit der Begründung nicht ein, sie sei zu spät erfolgt. Mit Schreiben vom 9. März 2012 erhoben A. und B. gegen diesen Einspracheentscheid Rekurs und beantragen sinngemäss die Aufhebung der Veranlagung nach Ermessen. Zur Begründung führten sie an, es sei wohl richtig, dass sie es anfangs Dezember 2011 verpasst hätten, den Einschreibebrief abzuholen. Dies habe damit zu tun, dass sie in dieser Zeit von C. nach D. umgezogen seien. Man habe erst mit Schreiben vom 8. Februar 2012 erfahren, dass man im November 2011 eingeschätzt worden sei. Es sei nie ihre Absicht gewesen, die Steuererklärung verspätet einzureichen. Weil sie anfangs November 2011 realisiert hätten, dass sie die Steuererklärung wegen des bevorstehenden Umzugs nicht hinkriegen würden, hätten sie telefonisch um eine Fristverlängerung zur Einreichung der Steuererklärung gebeten, welche ihnen auch gewährt worden sei. Im Computer-System der Steuerverwaltung sei dies vermerkt, wobei die Fristerstreckung angeblich nur bis Ende November 2011 gegolten haben solle. Ihrer Meinung nach sei die Fristerstreckung bis Ende Dezember 2011 bewilligt worden. So oder so habe aber zum Zeitpunkt der Einschätzung am 28. November 2011 eine Fristerstreckung bestanden. Man erachte daher die Einschätzung der Steuerbehörde zum damaligen Zeitpunkt als nicht korrekt. Mit Vernehmlassung vom 16. März 2012 beantragt die Rechtsmittelkommission der kantonalen Steuerverwaltung die Abweisung des Rekurses. Zur Begründung wird zusammengefasst angeführt, die Veranlagung nach Ermessen vom 28. November 2011 sei infolge Annahmeverweigerung am 5. Dezember 2011 wieder an die Steuerverwaltung zurückgeschickt worden. Der Einwand der Rekurrenten, welche sich darauf berufen würden, sie hätten es versäumt, die Verfügung abzuholen, sei unbehelflich, da in diesem Fall die Zustellungsfiktion greife. Im Weiteren sei anzufügen, dass die Rekurrenten gemäss eigenen Ausführungen im Rekursschreiben Mitte Dezember 2011 bei der Steuerverwaltung angerufen hätten. Somit hätten sie spätestens zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der erfolgten Veranlagung 2010 nach Ermessen gehabt und rechtzeitig Einsprache erheben können. Die vereinbarte Frist der telefonisch gewährten Fristerstreckung könne nicht zweifelsfrei eruiert werden. Schriftlich seien die Rekurrenten letztmals am 4. November 2011 zur Einreichung der Steuererklärung 2010 gemahnt worden, wobei eine Frist von 20 Tagen gewährt worden sei. Eine allfällig zum Zeitpunkt der Veranlagung am 28. November 2011 noch laufende, mündlich vereinbarte Frist vermöge ohnehin nichts an der rechtsgültigen Zustellung der Veranlagung 2010 nach Ermessen und der Nichteinhaltung der Einsprachefrist zu verändern.

Aus den Erwägungen:

(...)

2. a) Gemäss § 132 Abs. 1 StG bzw. Art. 132 Abs. 1 DBG kann die steuerpflichtige Person gegen die Veranlagungsverfügung innert 30 Tagen schriftlich Einsprache bei der kantonalen Steuerverwaltung erheben. Im Verwaltungsrecht beginnen Fristen, die durch eine behördliche Mitteilung ausgelöst werden, normalerweise ab der Zustellung zu laufen, wobei der Tag der Eröffnung nicht mitgezählt wird (§ 10 Abs. 1 VRG). Nach § 21 Abs. 1 VRG lässt die Behörde ihre Entscheide durch die Post zustellen. Eine Postsendung gilt grundsätzlich in dem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem der Adressat sie tatsächlich in Empfang nimmt. Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt eine behördliche Sendung nicht erst dann als zugestellt, wenn der an einem hängigen Verfahren beteiligte Adressat sie tatsächlich in Empfang genommen hat, sondern es genügt, dass sie in seinen Machtbereich gelangt und er sie demzufolge zur Kenntnis nehmen kann. Wird der Empfänger einer eingeschriebenen Briefpostsendung oder Gerichtsurkunde nicht angetroffen und wird daher gemäss den Allgemeinen Geschäftsbedingungen «Postdienstleistungen» der Post vom April 2009 (AGB Post) eine Abholungseinladung in seinen Briefkasten (Ziff. 2.3.7 a AGB Post) oder in sein Postfach gelegt, so wird die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt betrachtet, in dem sie auf der Poststelle abgeholt wird. Geschieht dies nicht innert der Abholfrist von sieben Tagen (Ziff. 2.3.7 b AGB Post), so gilt die Sendung als am letzten Tag dieser Frist zugestellt. Ein allfälliger zweiter Versand oder eine beispielsweise mit der Post vereinbarte (Ziff. 2.3.7 c AGB Post) spätere Entgegennahme der Sendung vermögen an diesem Ergebnis - unter Vorbehalt des verfassungsmässigen Rechts auf Vertrauensschutz - nichts zu ändern und sind rechtlich unbeachtlich (vgl. BGE 119 V 94, 127 I 31). Diese Zustellfiktion rechtfertigt sich, weil die an einem Verfahren Beteiligten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben dafür zu sorgen haben, dass behördliche Akte sie erreichen können. Diese Pflicht entsteht mithin als prozessuale Pflicht mit der Begründung eines Verfahrensverhältnisses und gilt insoweit, als während des hängigen Verfahrens mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit der Zustellung eines behördlichen Aktes gerechnet werden muss (vgl. GVP 2003, 333; BGE 123 III 492, 120 III 3, 119 V 94 Erw. 4b/aa). Damit soll verhindert werden, dass der Betroffene eine Zustellung durch Untätigkeit vereiteln kann (fingierte Zustellung).

b) Die siebentägige Abholungsfrist ist wie erwähnt als Grundsatz, von dem abweichende Abmachungen zulässig sind, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Post vorgesehen und damit allgemein bekannt. Sie ist nach der Rechtsprechung auf die Frage, wann eine Sendung als zugestellt gilt, anwendbar. Die Frist bis zum Eintreten der Zustellfiktion wird deshalb nicht verlängert, wenn ein Abholen nach den anwendbaren Bestimmungen der Post auch noch länger möglich ist, etwa in Folge eines Zurückbehaltungsauftrags (BGE 123 III 492 E. 1), d.h. die durch die Rechtsprechung entwickelte Siebentagefrist für die Auslösung der Zustellfiktion ist von der postalischen Abholfrist zu unterscheiden. Auch andere Abmachungen mit der Post können den Eintritt der Zustellfiktion nicht hinausschieben. Für die Festlegung des Zeitpunkts der Zustellfiktion ist aus Gründen der Rechtssicherheit eine klare, einfache und vor allem einheitliche Regelung notwendig. Aus diesem Grund tritt die Zustellfiktion immer sieben Tage nach dem erfolglosen Zustellungsversuch ein. Dies gilt sogar auch dann, wenn der letzte Tag der siebentägigen Frist auf einen Samstag oder einen anerkannten Feiertag fällt, d.h. aufgrund der Zustellfiktion beginnt an diesem Tag zugleich die Rechtsmittelfrist zu laufen. Der Zeitpunkt der Zustellfiktion ist immer erkennbar, da die sieben Tage mit dem erfolglosen Zustellversuch beginnen, dessen Datum auf der Abholungseinladung erscheint (BGE 127 I 31 E. 2). Im Gegensatz zur Berechnung der Rechtsmittelfrist ist also bei der siebentägigen Abholfrist der Tag der versuchten Zustellung mitzuzählen. Der erste Tag der für die Zustellung des Entscheides massgebenden Abholfrist ist somit in der Regel der Tag nach der Postaufgabe (BGE 123 III 492 E. 1).

c) Die Rekurrenten machen vorliegend sinngemäss geltend, sie hätten es verpasst, den eingeschriebenen Brief abzuholen und hätten deshalb von der Veranlagung nach Ermessen vom 28. November 2011 erst am 8. Februar 2012 erfahren. Die am 25. Januar 2012 eingereichte Steuererklärung sei deshalb rechtzeitig erfolgt. Nach Angaben der Schweizerischen Post sind diese Ausführungen jedoch nicht zutreffend. Gemäss Auskunft der Post «Track & Trace» vom 7. Februar 2012 wurde nämlich die Veranlagung nach Ermessen den Rekurrenten am 3. Dezember 2011 zugestellt und infolge Weigerung der Annahme am 5. Dezember 2011 wieder an die Rekursgegnerin retourniert. Es erübrigt sich hinsichtlich des Sachverhaltes ein Beweisverfahren durchzuführen, da die divergierenden Angaben auf die Beurteilung der vorliegenden Rechtsfrage keinen Einfluss haben. Auch wenn man den Ausführungen der Rekurrenten folgen würde, ändert dies nichts am Umstand, dass sie es verpasst haben, gegen die Ermessensveranlagung rechtzeitig Einsprache zu erheben, wodurch diese in Rechtskraft erwachsen ist. Aufgrund der bereits erfolgten Mahnungen wussten die Rekurrenten, dass sie sich in einem Verfahren betreffend Kantons- und Direkte Bundessteuer 2010 befanden und diesbezüglich jederzeit mit einem Entscheid der Rekursgegnerin rechnen mussten. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben hatten sie dementsprechend dafür zu sorgen, dass behördliche Akte sie erreichen konnten. Die Ermessensveranlagung vom 28. November 2011 wurde als eingeschriebene Postsendung versandt und am 29. November 2011 zur Abholung gemeldet. Somit begann in Anwendung der Zustellfiktion die Rechtsmittelfrist am 5. Dezember 2011 zu laufen und endete am 3. Januar 2012. Die Einreichung der Steuererklärung am 25. Januar 2012 erfolgte demnach klar nach Ablauf der dreissigtägigen Rechtsmittelfrist. Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn man den Angaben der Schweizerischen Post folgt. In diesem Fall begann die Rechtsmittelfrist sogar noch früher, nämlich bereits nach der Weigerung der Annahme der Postsendung, zu laufen, da sie bereits zu diesem Zeitpunkt in den Machtbereich der Rekurrenten hätte gelangen können.

d) Bezüglich ihrer verspäteten Eingabe machen die Rekurrenten geltend, es sei ihnen von der Steuerverwaltung telefonisch eine Fristverlängerung bis Ende Dezember 2011 gewährt worden. Im Computer-System der Steuerverwaltung sei dies vermerkt, wie Herr X. von der Steuerverwaltung telefonisch bestätigt habe. Die Rekursgegnerin bestreitet eine solche Fristerstreckung. Auch hier erübrigen sich weitere Abklärungen, ob und bis zu welchem Zeitpunkt die telefonische Fristverlängerung genau gewährt wurde, da dies auf den Ausgang dieses Verfahrens ebenfalls keinen Einfluss hat. Selbst wenn man annehmen würde, es sei telefonisch eine Frist bis Ende Dezember 2011 gewährt worden, ist die Ermessensveranlagung trotzdem nicht nichtig und durch die Nichtanfechtung in Rechtskraft erwachsen, da fehlerhafte Verwaltungsentscheide im Allgemeinen nicht nichtig, sondern bloss anfechtbar sind. Sie werden durch Nichtanfechtung rechtsgültig. Nur in seltenen Fällen gelten Verwaltungsverfügungen als nichtig. Als Nichtigkeitsgründe fallen hauptsächlich schwerwiegende Verfahrensfehler in Betracht (wie z.B. der Umstand, dass der Betroffene keine Gelegenheit hatte, am Verfahren teilzunehmen; das Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Form der Eröffnung) sowie funktionelle oder sachliche Unzuständigkeit (vgl. hierzu Richner, Frei, Kaufmann, Meuter, Handkommentar zum DBG, Art. 116 N 52 ff.). Vorliegend liegt kein solcher Nichtigkeitsgrund vor, da die Steuerbehörde sowohl sachlich als auch funktionell zuständig war und die Rekurrenten, indem sie bereits mehrfach zur Einreichung einer Steuererklärung gemahnt wurden, sehr wohl Gelegenheit hatten, am Verfahren teilzunehmen. Wenn man also von einer fehlerhaften Verfügung ausginge, so wäre diese lediglich anfechtbar und durch die Nichtanfechtung in Rechtskraft erwachsen. Diese Nichtanfechtung ist auch einzig den Rekurrenten anzulasten (vgl. hierzu Ziff. 2 lit. c). Anzufügen bleibt, dass die Rekurrenten die rechtzeitige Einreichung der Steuererklärung auch bei einer allfällig erfolgten Fristverlängerung bis Ende Dezember 2011 durch die Eingabe am 25. Januar 2012 ohnehin klar verpasst hätten. Zudem wurden sie eigenen Angaben zufolge bereits Mitte Dezember mündlich über die erfolgte Zustellung der Veranlagung informiert.

Zusammengefasst ergibt sich, dass die Rekurrenten die 30tägige Rechtsmittelfrist, mit der sie die Ermessensveranlagung mittels Einsprache hätten anfechten müssen, deutlich versäumt haben, weshalb die Vorinstanz zu Recht nicht auf die verspätete Eingabe eingetreten ist. Der Rekurs muss daher vollumfänglich abgewiesen werden. Die Kosten des Rekursverfahrens werden in Anwendung von § 120 Abs. 1 StG bzw. Art. 144 Abs. 1 DBG den Rekurrenten auferlegt.

Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. Mai 2012 A 2012 6

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