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§ 5 Abs. 1 kant. BüG, § 12 VRG

§ 4 VRG

Regeste:

§ 4 VRG - Verfügungscharakter von gemeindlichen Anordnungen bzw. Beschlüssen: Die Benennung bzw. Umbenennung von Strassen stellt kein anfechtbarer Entscheid im Sinne von § 4 VRG dar. Eine Beschwerdemöglichkeit ist daher nicht gegeben.

Aus dem Sachverhalt:

A. Mit Schreiben vom 23. Januar 2012 reichte H. K., X (nachfolgend Beschwerdeführer genannt) gegen den «Entscheid Gemeinderat X, 6.10.2011: Strassenbezeichnung Yrainweg» Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Zug ein. Er beantragt, die Strassenbezeichnung bzw. deren Schreibweise «Yrainweg», Gemeinde X, sei neben der gegenwärtigen Schreibweise «Yreinweg» ebenfalls oder eventuell ausschliesslich als amtlich zu erklären. Die daraus entstehenden Kosten seien durch die Gemeinde X (nachfolgend Beschwerdegegner genannt) zu tragen. Zur Begründung führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er im August 2011 von Zug nach X ins Gebiet am Yrain an den Yrainweg bzw. den Yreinweg umgezogen sei. Im Zusammenhang mit dem Umzug hätten sich dann - bedingt durch die Schreibweise «Yreinweg» (geschrieben mit «ei» anstatt «ai») unnötige Verwirrungen ergeben. Die Konsultation amtlicher, historischer und namenskundlicher Quellen, aber auch die Wahrnehmungen aus dem Alltag und der nächsten Umgebung hätten ihn (den Beschwerdeführer) zur Überzeugung gebracht, dass die seit 15 Jahren amtliche Schreibweise «Yreinweg» weder fundiert noch akzeptiert und im Gesamtkonzept abwegig und somit falsch sei. Dieser Standpunkt werde durch verschiedene Belege breit abgestützt. Aus diesen Gründen habe er am 20. August 2011 die Gemeindeverwaltung X schriftlich und begründet gebeten, die Strassenbezeichnung «Yrainweg» ebenfalls zu «offizialisieren» und ihn über die Gründe, die zur aussergewöhnlichen Schreibweise «Yreinweg» geführt hätten, zu informieren. Mit schriftlichem Entscheid vom 6. Oktober 2011 habe der Gemeinderat X seine Bitte abgelehnt, ohne dabei auch nur ansatzweise auf seine Darlegungen einzugehen. Die Argumentation des Gemeinderates erscheine oberflächlich, unausgewogen und sei nicht überzeugend. Am 21. November 2011 habe er deshalb den Gemeinderat um einen formellen, begründeten und beschwerdefähigen Entscheid gebeten. Zumal bis zum heutigen Zeitpunkt keine beschwerdefähige Verfügung ergangen sei, wende er sich nun an den Regierungsrat.

B. Mit Schreiben vom 23. Februar 2012 beantragt der Beschwerdegegner, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten bzw. diese sei abzuweisen. Einführend hält der Beschwerdegegner fest, dass die Schreibweise «Yrein» bereits anlässlich der Grundbuchvermessung im Jahre 1984 durch kantonale Stellen festgelegt worden sei. Mit Beschluss vom 9. April 1997 habe der Gemeinderat X zudem entschieden, dass der rechtwinklig zur Alten Landstrasse entstehende Weg als Yreinweg bezeichnet werde. Der Beschwerdegegner macht weiter geltend, dass gemäss zugerischer Rechtsprechung keine Verfügung vorliege, wenn durch eine Anordnung oder einen Beschluss keine individuellen Rechte oder Pflichten rechtsgestaltend oder feststellend geregelt werden. In derartigen Fällen mangle es an einem wesentlichen Verfügungselement. Dies sei namentlich bei organisatorischen Anordnungen regelmässig der Fall. Bei der Strassenbenennung handle es sich um eine rein organisatorische Anordnung, die somit nicht anfechtbar sei.

Aus den Erwägungen:

I.

1. Gestützt auf § 17 Abs. 1 des Gesetzes über die Organisation und die Verwaltung der Gemeinden vom 4. September 1980 (Gemeindegesetz, GG; BGS 171.1) sowie § 40 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 1. April 1976 (VRG; BGS 162.1) können Entscheide des Gemeinderates beim Regierungsrat mit Verwaltungsbeschwerde angefochten werden. Als Entscheide gelten dabei Anordnungen und Feststellungen der dem Verwaltungsrechtspflegegesetz unterstellten Verwaltungsbehörden mit hoheitlicher Wirkung sowie Urteile des Verwaltungsgerichts (§ 4 VRG). Es stellt sich deshalb die Frage, ob im konkreten Fall ein anfechtbarer Entscheid im Sinne von § 4 VRG vorliegt oder nicht. Da die Begriffe «Anordnungen» und «Feststellungen» grundsätzlich dem Verfügungsbegriff von Art. 5 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (VwVG; SR 172.021) entsprechen (Alfred Kölz / Jürg Bosshart / Martin Röhl, VRG, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Auflage, Zürich 1999, Vorbem. zu §§ 4 - 31, N 11), kann bei der Prüfung dieser Frage weitgehend auf die in der Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Verfügung im Sinne des Bundesrechts zurückgegriffen werden.

2. Wie vorstehend unter Bst. B erwähnt, beschloss der Gemeinderat X am 9. April 1997, dass der rechtwinklig zur Alten Landstrasse entstehende Weg als Yreinweg bezeichnet werde. Über diesen Entscheid wurde der Beschwerdeführer auf dessen Verlangen mit Schreiben des Beschwerdegegners vom 6. Oktober 2011 orientiert.

3. Gemäss der Praxis des Verwaltungsgerichts, das den Verfügungsbegriff des Bundesrechts auch im kantonalen Recht anwendet, liegt ein Entscheid bzw. eine Verfügung im Sinne von § 4 VRG dann vor, wenn der Staat den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber als Träger der Staatshoheit auftritt, diese kraft öffentlichen Rechts zu einer Handlung oder zu einer Leistung auffordert und nötigenfalls diese Handlung oder Leistung erzwingen kann, ferner dann, wenn er hoheitlich über einen Anspruch des Einzelnen gegenüber dem Staat entscheidet (GVP 1979/80, S. 81; Marco Weiss, Verfahren der Verwaltungsrechtspflege im Kanton Zug, Diss. Zürich, 1983, S. 116 f.). Eine Verfügung im Sinne von § 5 Abs. 1 VwVG wie auch im Sinne von § 4 VRG hat somit die behördliche Begründung, Feststellung, Änderung oder Aufhebung von Rechten und Pflichten im Einzelfall zur Folge, d.h. die Regelung eines konkreten und individuellen Rechtsverhältnisses, in verbindlicher und erzwingbarer Weise (GVP 1991/92, S. 341 mit Hinweisen). Die Verfügung ist in jedem Falle auf Rechtswirkungen ausgerichtet (Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, Zürich 2010, N. 862).

4. Der Regierungsrat hatte sich in der Vergangenheit nur vereinzelt mit dem Verfügungscharakter von gemeindlichen Anordnungen bzw. Beschlüssen zu befassen. Im Jahre 1991 hatte er die Frage zu beurteilen, ob die Benennung bzw. Umbenennung von Strassen ein anfechtbarer Entscheid im Sinne von § 4 VRG darstellt (GVP 1991/92, S. 340 - 344). In seinem Grundsatzentscheid gelangte er zum Schluss, dass es an einem anfechtbaren Entscheid fehle und eine Beschwerdemöglichkeit daher nicht gegeben sei. Weil durch die Anordnung oder den Beschluss keine individuellen Rechte oder Pflichten rechtsgestaltend oder feststellend geregelt bzw. keine Rechtsfolgen verbindlich festgelegt würden, fehle es an einem wesentlichen Verfügungselement. Es liege mithin gar keine Verfügung vor (GVP 1991/92, S. 342 mit Hinweisen). Und selbst wenn die mittelbaren Auswirkungen des angefochtenen Beschlusses dergestalt seien, dass sie die Legitimation zur Anfechtung einer solchen Anordnung an sich zu begründen vermöchten, genüge dies nicht für die Zulässigkeit einer Beschwerde, die per definitionem nur gegen Verfügungen möglich ist (vgl. zum Ganzen auch RRB vom 30. Oktober 2007 i.S. B.K., H.H. und E.B. gegen den Gemeinderat Hünenberg betreffend neue Postanschrift für das Gemeindegebiet Kemmatten, in dem die vorstehend geschilderte Praxis bestätigt wurde).

5.  Im hier zu beurteilenden Fall geht es um die Frage einer Strassenbezeichnung bzw. deren Schreibweise. Während sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt stellt, die besagte Strasse habe auf den Namen «Yrainweg» zu lauten, oder diese Schreibweise mindestens neben dem Strassennamen «Yreinweg» bestehen müssen dürfe, stützt sich der Beschwerdegegner wie gesagt auf seinen Entscheid vom 9. April 1997, gemäss dem die Strasse auf den Namen «Yreinweg» lautet. Gestützt auf die vorstehend unter Ziff. 4 gemachten Ausführungen, handelt es sich bei diesem Entscheid jedoch nicht um einen Entscheid im Sinne von § 4 VRG, sondern um eine organisatorische Anordnung ohne Verfügungscharakter. Selbst wenn die Anordnung vom 9. April 1997 mit Aussenwirkungen verbunden wäre, würde es sich hierbei nicht um Rechtswirkungen handeln, die mittels der gemeinderätlichen Anordnung statuiert werden. Es ist gerade nicht so, dass der Beschwerdeführer durch besagte Anordnung selbst unmittelbar zu einem hoheitlich durchsetzbaren Tun, Dulden oder Unterlassen gezwungen würde. Da es sich vorliegend lediglich um eine organisatorische Anordnung handelt, die keinen Verfügungscharakter besitzt, ist eine Anfechtungsmöglichkeit (selbst im Falle einer Aussenwirkung auf die faktische Stellung des Beschwerdeführers) nicht gegeben (BGE 109 Ib 255 mit Hinweisen).

6. Zusammenfassend ergibt sich, dass weder die Anordnung des Gemeinderats X vom 9. April 1997 noch dessen Schreiben vom 6. Oktober 2011, in welchem er dem Beschwerdeführer die Schreibeweise "Yreinweg" erläutert, einen Entscheid im Sinne von § 4 VRG darstellt. Aufgrund der dargelegten Rechtslage war der Gemeinderat auch nicht gehalten, der Forderung des Beschwerdeführers, ihm sei eine anfechtbare Verfügung zuzustellen, nachzukommen. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten.

II.

1. …

2. …

Regierungsrat, 20. Mai 2012

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