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§ 6 Abs. 1 Übertrittsreglement; § 23 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m. § 24 Abs. 2 i.V.m. § 28 Abs. 2 Ziff. 2 VRG

Regeste:

§ 6 Abs. 1 Übertrittsreglement; § 23 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m. § 24 Abs. 2 i.V.m. § 28 Abs. 2 Ziff. 2 VRG – Die Möglichkeit für eine Repetition der 6. Primarklasse ist eingeschränkt. Der Rektor, die Rektorin kann in Ausnahmefällen die Repetition der 6. Klasse bewilligen, insbesondere aufgrund der familiären Situation oder eines längerdauernden Schulausfalles. Die Repetition der 6. Klasse soll nicht dazu dienen, einem Kind, das nach der 6. Klasse ordnungsgemäss in eine bestimmte Stufe übertreten kann, ein Jahr später einen Übertritt in eine höhere Stufe zu ermöglichen (Erw. 3 und 4). Die Verletzung der Begründungspflicht ist ein grober Verfahrensmangel (Erw. 1). Der Vorinstanz ist trotz vollständigem Obsiegen im Beschwerdeverfahren die Hälfte der Verfahrenskosten zu überbinden (Erw. 5).

Aus dem Sachverhalt:

A. besuchte im Schuljahr 2011/2012 die 6. Klasse der Primarschule in der Gemeinde X. Die Eltern von A. (fortan Beschwerdeführerin und Beschwerdeführer) stellten beim Rektor der Gemeinde X. ein Gesuch um Repetition der 6. Klasse. Dieses Gesuch lehnte der Rektor ab. Da-raufhin erhoben die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer Einsprache beim Rektor, welche dieser wiederum ablehnte. Gegen diesen Einspracheentscheid erhoben die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer bei der Direktion für Bildung und Kultur Verwaltungsbeschwerde.

Aus den Erwägungen:

(...)

1. Es ist zunächst zu prüfen, ob der Vorinstanz die Verletzung von Verfahrensvorschriften vorzuwerfen ist. Die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer machen geltend, der Entscheid sei nicht hinreichend begründet worden. Die Vorinstanz widerspricht dieser Darstellung.

a) Gemäss § 20 Abs. 1 VRG sind Entscheide in der Regel schriftlich zu begründen. Bei einseitigen Verwaltungsentscheiden kann auf eine schriftliche Begründung verzichtet werden, wenn sie dem Begehren des Antragstellers voll entsprechen und keine Rechte Dritter betreffen (§ 20 Abs. 2 VRG). Der Anspruch auf Begründung von Verfügungen und Beschlüssen ergibt sich aber auch aus Art. 29 Abs. 2 BV. Eine summarische Begrünung reicht aus. Die erste Instanz muss sich im angefochtenen Entscheid mit den wichtigsten Rügen der beschwerdeführenden Personen befasst haben. Es muss aus den Erwägungen hervorgehen, worauf sich die Vorinstanz bei ihrem Entscheid gestützt hat. An die Begründung von erstinstanzlichen Anordnungen sind in der Regel keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, Zürich 2010, Rz. 1705 ff).

b) Diesen Minimalanforderungen genügt der Einspracheentscheid der Vorinstanz vom 12. März 2012 in keiner Weise. Als Begründung wird im angefochtenen Einspracheentscheid lediglich festgehalten, nach erneuter Prüfung und aufgrund der im ersten Schreiben bereits erwähnten Gründe werde nach wie vor am Entscheid festgehalten, das Gesuch um Repetition der 6. Klasse abzulehnen. Damit ist der Vorinstanz ihrer Pflicht zur Begründung des Entscheides nicht nachgekommen.

c) Die Begründungspflicht ist Teil des rechtlichen Gehörs und der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Dies bedeutet, dass eine Rechtsmittelinstanz, welche eine Verletzung der Begründungspflicht feststellt, den angefochtenen Entscheid grundsätzlich aufheben muss. Nach der Praxis des Bundesgerichts kann die Verletzung der Begründungspflicht ausnahmsweise «geheilt» werden, wenn die Begründung im Rechtsmittelverfahren nachgeholt wird und die Rechtsmittelinstanz über eine umfassende und freie Überprüfungsbefugnis verfügt. Zudem soll den beschwerdeführenden Personen aus der Heilung eines Begründungsmangels kein Nachteil erwachsen (BGE 129 I 129).

d) Der Direktion für Bildung und Kultur kommt im vorliegenden Verfahren volle Überprüfungsbefugnis zu (§ 47 Abs. 1 VRG). Mit der Stellungnahme der Vorinstanz vom 10. Mai 2012 wird eine Begründung nachgeliefert. Diese wurde der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme zugestellt. Der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdeführer erwachsen daraus keine Nachteile. Sie sind gleichgestellt, wie wenn die Vorinstanz von Beginn an die Verfügung korrekt erlassen hätte.

e) Zusammengefasst ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Heilung der Verletzung der Begründungspflicht im vorliegenden Fall gegeben sind. Dieser Verfahrensfehler ist jedoch im Kostenpunkt zu berücksichtigen.

(...)

3. Es bleibt zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht das Gesuch um Repetition der 6. Klasse abgelehnt hat. Gemäss § 6 Abs. 1 des Reglements über das Übertrittsverfahren vom 17. Dezember 1991 (BGS 412.114; nachfolgend Übertrittsreglement) kann der Rektor in Ausnahmefällen die Repetition der 6. Klasse bewilligen, insbesondere aufgrund der familiären Situation oder eines länger dauernden Schulausfalls.

a) Unbestritten ist, dass die in § 6 Abs. 1 Übertrittsreglement aufgeführten Gründe vorliegend nicht gegeben sind. Die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer verweisen auf die Informationsbroschüre «Übertritt, Primarstufe - Sekundarstufe I, Wechsel Sekundarklasse - Gymnasium», Ausgabe 2011, des Amtes für gemeindliche Schulen, welche eine «eindeutige psychische Retardierung» als einen möglichen Grund für eine Repetition der 6. Klasse nennt. Sie gehen zudem davon aus, dass die von ihnen bei A. in den letzten beiden Schuljahren festgestellten Symptome berechtigen, die 6. Klasse zu repetieren.

b) Es gibt keinen Rechtsanspruch auf die Wiederholung der 6. Klasse. Aus den Materialien folgt insbesondere auch, dass nach dem klaren Willen des Gesetzgebers nur objektive, d.h. durch das schulische Umfeld feststellbare, offensichtliche Gründe eine Repetition rechtfertigen. Dies bedeutet, dass an die Wiederholung der 6. Klasse sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Der Grund für diese erhöhten Anforderungen liegt darin, dass die Schülerinnen und Schüler im Übertrittsverfahren am Ende der Primarschule entsprechend ihren Fähigkeiten und ihrer mutmasslichen Entwicklung derjenigen Schulart der Sekundarstufe I zugewiesen werden, in der sie am besten gefördert werden können (§ 2 Abs. 1 Übertrittsreglement). Diese hohen Anforderungen, welche im Kanton Zug an eine Repetition der 6. Klasse gestellt werden, sind nicht zu beanstanden. In der herrschenden Lehre wird darauf hingewiesen, dass «Eltern gelegentlich die freiwillige Repetition missbrauchen, um Kindern, die den Anforderungen sehr wohl genügen, bessere Chancen beim folgenden Übertrittsverfahren zu verschaffen, indem die Kinder ein Jahr älter und reifer sind. Daher haben einige Kantone die freiwillige Repetition der letzten Klasse vor Übertritt in die nächstfolgende Stufe ausgeschlossen oder sehr erschwert» (Plotke Herbert, Schweizerisches Schulrecht, 2. Auflage, Bern 2003, S. 438). Die Informationsbroschüre weist zudem darauf hin, die Rektorin, der Rektor entscheidet über die Repetition der 6. Klasse, wenn die Gesamtbeurteilung durch die beteiligten Lehrpersonen dies als angezeigt erscheinen lasse. Beim Kind müsse zudem eine Diskrepanz zwischen real erbrachter und möglicher Leistung feststellbar sein. Motivation und Lernbereitschaft des Kindes müssten vorhanden sein.

c) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Informationsbroschüre im Verlauf der letzten 20 Jahre mehrmals neu aufgelegt wurde. Der Begriff «eindeutige psychische Retardierung» wurde als möglicher Grund jeweils in die neue Auflage übernommen. Allerdings hat sich der wissenschaftliche Kenntnisstand - wie der Amtsbericht des Schulpsychologischen Dienstes zweifelsfrei ergab - mit der Zeit gewandelt. Dies muss bei einer Neuauflage der Broschüre berücksichtigt werden.

(…)

4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Anforderungen an eine Repetition der 6. Klasse sehr hoch sind. Die Vorinstanz hat ihr Ermessen nicht überschritten, indem sie das Gesuch abgelehnt hat. Die Beschwerde ist somit abzuweisen und der angefochtene Entscheid der Vorinstanz zu bestätigen.

5. Gemäss § 23 Abs. 1 Ziff. 3 VRG trägt im Beschwerdeverfahren vor der Direktion für Bildung und Kultur die unterliegende Partei die Kosten. Im vorliegenden Verfahren unterliegen die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer, weil ihre Beschwerde abgewiesen wird. Der Vorinstanz ist jedoch eine Verletzung der Begründungspflicht und damit ein grober Verfahrensmangel vorzuwerfen (§ 24 Abs. 2 VRG). Somit ist es gerechtfertigt, die Verfahrenskosten je zur Hälfte der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdeführer sowie der Vorinstanz zu überbinden. Die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer sind im vorliegenden Rechtsmittelverfahren anwaltlich vertreten. Der Rechtsanwalt macht einen Zeitaufwand von X Stunden zu einem Stundenansatz von X Franken geltend. Diese Honorarrechnung ist nicht zu beanstanden. In Anwendung von § 28 Abs. 2 Ziff. 2 VRG ist der Vorinstanz die Hälfte des geltend gemachten Honorars inkl. Spesen und Mehrwertsteuer von Fr. X zu überbinden.

Direktion für Bildung und Kultur, 9. Juli 2012

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