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Art. 35 URG

Regeste:

Art. 35 URG – Wer im Handel erhältliche Ton- oder Tonbildträger zum Zweck der Sendung, der Weitersendung, des öffentlichen Empfangs oder der Aufführung verwendet, schuldet den ausübenden Künstlern hierfür gemäss Art. 35 Abs. 1 URG eine Vergütung. Nach Art. 35 Abs. 3 URG können die Vergütungsansprüche nur von zugelassen Verwertungsgesellschaften (Art. 40 ff. URG) geltend gemacht werden. Die Verwertungsgesellschaften sind somit kraft ihrer gesetzlichen Monopolstellung aktivlegitimiert, sämtliche den jeweiligen Künstlern zustehenden Vergütungen in eigenem Namen geltend zu machen, unbekümmert darum, ob ihnen die Künstler ihre Ansprüche abgetreten haben oder nicht. Die Ansprüche aus einer begangenen Urheberrechtsverletzung nach Art. 62 Abs. 2 URG i.V.m. Art. 41 ff. OR stehen ebenfalls den Verwertungsgesellschaften zu (E. 3, 4). Untere Limite für die Schadensberechnung ist dabei derjenige Betrag, den die Verwertungsgesellschaft bei erlaubtem Gebrauch des Werks als Vergütung hätte beanspruchen können (E. 4). Lässt sich eine Partei durch einen bei ihr selbst angestellten Rechtsanwalt vertreten, wird ihr eine Umtriebsentschädigung zugesprochen, wobei der Anwaltstarif als Richtlinie herangezogen und den besonderen Gegebenheiten durch eine entsprechende Reduktion Rechnung getragen wird (E. 8).

Aus den Erwägungen:

3. Vorab stellt sich die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin, welche sich nach materiellem Recht bestimmt und von Amtes wegen zu prüfen ist (iura novit curia; vgl. BGE 136 III 365 E. 2.1; 130 III 550 E. 2).

3.1 Werke der Musik und andere akustische Werke sind urheberrechtlich geschützt, sofern sie einen individuellen Charakter aufweisen (Art. 2 Abs. 2 lit. b URG). Der Urheber eines Werks hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen, ob, wann und gegebenenfalls wie sein Werk verwendet wird, worunter insbesondere die öffentliche Aufführung des Werks zählt (Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c URG). Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts verwaltet die Klägerin gestützt auf ihre Mitglieder- und Gegenseitigkeitsverträge praktisch das gesamte Weltrepertoire der nicht-theatralischen Musik (BGE 107 II 57 E.1). Es ist unbestritten, dass die von der Beklagten aufgeführte Musik zu dem von der Klägerin verwalteten Weltrepertoire gehört. Bei der Klägerin ist daher als Inhaberin der entsprechenden Rechte die Erlaubnis für die öffentliche Aufführung der verwalteten Musik einzuholen und es ist ihr gemäss Art. 46 URG die in den anwendbaren Tarifen vorgesehene Entschädigung zu leisten.

3.2 Von den Urheberrechten zu unterscheiden sind die verwandten Schutzrechte gemäss Art. 33 ff. URG. Wer im Handel erhältliche Ton- oder Tonbildträger zum Zweck der Sendung, der Weitersendung, des öffentlichen Empfangs oder der Aufführung verwendet, schuldet den ausübenden Künstlern hierfür gemäss Art. 35 Abs. 1 URG eine Vergütung. Gemäss Art. 35 Abs. 3 URG können Vergütungsansprüche jedoch nur von zugelassen Verwertungsgesellschaften (Art. 40 ff. URG) geltend gemacht werden. Das Gesetz sieht mithin zwingend die kollektive Verwertung dieser Ansprüche vor. Eine individuelle Geltendmachung durch die Künstler ist ausgeschlossen. Die Verwertungsgesellschaften sind also kraft ihrer gesetzlichen Monopolstellung aktivlegitimiert, sämtliche den jeweiligen Künstlern zustehenden Vergütungen gemäss Art. 35 Abs. 1 URG in eigenem Namen geltend zu machen, unbekümmert darum, ob ihnen die Künstler ihre Ansprüche abgetreten haben oder nicht (vgl. BGE 124 III 489 E. 2a und b). Die Verwertungsgesellschaften unterliegen dabei der Tarifpflicht (Art. 46 Abs. 1 URG). Für die verwandten Schutzrechte ist die SWISSPERFORM, Gesellschaft für Leistungsschutzrechte, mit Sitz in Zürich zuständig. Die Klägerin ist jedoch berechtigt, den Anspruch auf Entschädigung geltend zu machen, da sie nach Art. 47 Abs. 1 URG i.V.m. 13 Abs. 1 des vorliegend für die öffentliche Aufführung urheberrechtlich geschützter Musik massgeblichen, gemeinsam mit der SWISSPERFORM aufgestellten gemeinsamen Tarifs H als deren Zahlstelle fungiert. Die Klägerin kann mithin die der SWISSPERFORM geschuldeten Vergütungen im eigenen Namen geltend machen.

3.3 Demzufolge ist die Aktivlegitimation der Klägerin sowohl in Bezug auf die Geltendmachung der Urheberrechte als auch der verwandten Schutzrechte zu bejahen.

4. Es ist unbestritten, dass die Beklagte im Zeitraum vom 1. November 2009 bis zum 31. August 2012 im X.-Klub in Basel diverse Anlässe veranstaltet hat, an denen zu Tanz und Unterhaltung urheberrechtlich geschützte Musik ab Tonträgern abgespielt und an Live-Konzerten aufgeführt wurde. Eine Erlaubnis für diese öffentlichen Musikaufführungen holte die Beklagte jedoch trotz Hinweisen der Klägerin nicht ein. Aus der damit begangenen Urheberrechtsverletzung stehen der Klägerin Ansprüche nach Art. 62 Abs. 2 URG i.V.m. Art. 41 ff. OR zu. Untere Limite für die Schadensberechnung muss dabei derjenige Betrag sein, den die Klägerin bei erlaubtem Gebrauch des Werks als Vergütung hätte beanspruchen können. Wer Urheberrechte verletzt, soll schliesslich nicht bessergestellt werden als derjenige, der eine entsprechende Erlaubnis für die Werknutzung einholt und somit nicht widerrechtlich handelt (Urteil des Obergerichts Zürich vom 1. Februar 2008, in: sic! 2008, S. 630). Ebenso ist die Klägerin – wie bereits erwähnt – berechtigt, den aus der Verwendung von Tonträgern entstandenen (gesetzlichen) Vergütungsanspruch für die ausübenden Künstler nach Art. 35 Abs. 1 URG geltend zu machen.

5.1 Die öffentlichen Musikaufführungen im X.-Klub stellen eine Musikverwendung zu Tanz und Unterhaltung im Gastgewerbe dar. Die Bedingungen für solche urheberrechtlich geschützten Musikaufführungen ergeben sich aus dem von der eidgenössischen Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (ESchK) genehmigten gemeinsamen Tarif H 2006 (GT H 2006; Musikaufführungen zu Tanz und Unterhaltung im Gastgewerbe), der vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2011 gültig war, und dem gemeinsamen Tarif H 2012 (GT H 2012; Musikaufführungen zu Tanz und Unterhaltung im Gastgewerbe), der vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 gültig ist. Diese Tarife sind für die Gerichte verbindlich (Art. 59 Abs. 3 URG). Der GT H richtet sich an Inhaber und Pächter von Gastgewerbebetrieben (Ziff. 1 GT H) und bezieht sich auf Musikaufführungen zu Tanz und Unterhaltung im Gastgewerbe (Ziff. 3 GT H). Gemäss Ziff. 22 GT H müssen der Klägerin musikalische Veranstaltungen innerhalb von 10 Tagen seit Durchführung gemeldet werden. Gleichzeitig muss der Veranstalter der Klägerin die Berechnungsgrundlagen für die Entschädigung bekannt geben. Werden die Angaben oder Belege auch nach einer schriftlichen Mahnung nicht innert Nachfrist eingereicht, so kann die Klägerin nach Ziff. 24 GT H die Angaben schätzen und gestützt darauf Rechnung stellen. Bei der Berechnung der Vergütung für Aufführungen mit Musik ab Tonträgern wird gemäss Ziff. 14 GT H auf die Summe aus der Höhe des Eintrittspreises und des Preises für das billigste (gebräuchliche) alkoholische Getränk sowie auf die Anzahl der an einem Tag anwesenden Personen abgestellt. Hinzu kommt die Mehrwertsteuer (Ziff. 17 GT H). Schliesslich ist die Vergütung in Anwendung von Ziff. 20 GT H zu verdoppeln, wenn die Musik ohne die Erlaubnis der Klägerin verwendet wird.

5.2 In der Rechnungsperiode 1. November 2009 bis 31. Dezember 2009 haben unbestrittenermassen je acht entschädigungspflichtige Anlässe an Freitagen und Samstagen stattgefunden. Ebenso wenig bestreitet die Beklagte, dass in der Rechnungsperiode vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2010 sowie in dieser vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011 je 52 entschädigungspflichtige Anlässe an Freitagen und Samstagen durchgeführt wurden. Schliesslich bestreitet sie auch nicht, dass in der Abrechnungsperiode vom 1. Januar 2012 bis 31. August 2012 je ein Musikanlass an einem Dienstag, Mittwoch und Sonntag, 16 Anlässe an Donnerstagen, elf an Freitagen und 28 an Samstagen stattgefunden haben. Die Klägerin forderte daher die Beklagte mehrmals auf, diese Anlässe anzumelden und die hierfür notwendigen Angaben zu machen. Mangels Reaktion der Beklagten schätzte die Klägerin die entsprechende Entschädigung für die Musiknutzung in den Jahren 2009 und 2010 und stellte diese der Beklagten am 24. November 2010 in Rechnung. Gestützt auf die im Fragebogen der Beklagten nachträglich gemachten Angaben errechnete die Klägerin die Entschädigung für die Jahre 2009 und 2010 neu und stellte der Beklagten am 8. April 2011 zusätzlich die Musiknutzung für das Jahr 2011 in Rechnung. In der Folge wurde jedoch unbestrittenermassen keine der gestellten Rechnungen beglichen.

5.3 Für die Berechnung der geforderten Entschädigung im Umfange von CHF 28'724.60 geht die Klägerin zusammengefasst von den folgenden Angaben bzw. Grundlagen aus:

(…)

5.4 Diese klägerische Berechnung der Entschädigung ist unbestritten geblieben. Die Klägerin hat den Forderungsbetrag gemäss Ziff. 20 GT H zu Recht verdoppelt, da zu keinem Zeitpunkt eine Bewilligung der Klägerin zur Aufführung der fraglichen Musikwerke vorlag. Die Berechnung für die Jahre 2009, 2010 und 2011 erfolgten gestützt auf die Angaben im Fragebogen der Beklagten vom 12. Januar 2011. Für das Jahr 2012 liegen jedoch der Klägerin für die Berechnung der Vergütung der Musiknutzung keine Angaben vor. Nach Ziff. 24 GT H ist die Klägerin berechtigt, die relevanten Angaben zu schätzen und gestützt darauf Rechnung zu stellen. Die Schätzung für das Jahr 2012 wird durch Informationen, die auf den Internetseiten (…) veröffentlicht wurden und an denen sich die Klägerin orientierte, untermauert. Es ist daher ohne Weiteres auf die Berechnung der Klägerin abzustellen.

6. Nebst dem Forderungsbetrag von CHF 28'724.60 macht die Klägerin Schadenszinsen geltend. Der Zinsenlauf beginnt bei Forderungen aus unerlaubten Handlungen vom Zeitpunkt an, in welchem sich das schädigende Ereignis finanziell ausgewirkt hat (BGE 122 III 53 E. 4a), vorliegend also mit Datum der jeweiligen unerlaubten Musiknutzung. Die Zinshöhe ist in Anlehnung an Art. 73 Abs. 1 OR auf 5 % festzusetzen. Die vorliegend in Frage stehenden, unerlaubten Musiknutzungen betreffend die Forderung von CHF 1'629.40 erfolgten vom 1. November 2009 bis zum 31. Dezember 2009, diejenigen betreffend die Forderung von CHF 10'588.60 vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2010, diejenigen betreffend die Forderung von CHF 10'604.70 vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2011 sowie diejenigen betreffend die Forderung von CHF 5'901.90 vom 1. Januar bis zum 31. August 2012. Daher ist der Klägerin – wie von ihr gefordert – auf den Betrag von CHF 1'629.40 Zins zu 5 % seit dem 31. Dezember 2009, auf den Betrag von CHF 10'588.60 Zins zu 5% seit dem 31. Dezember 2010, auf den Betrag von CHF 10'604.70 Zins zu 5 % seit dem 31. Dezember 2011 und auf den Betrag von CHF 5'901.90 Zins zu 5 % seit dem 31. August 2012 zuzusprechen.

(…)

8. Bei diesem Ausgang ist die Entscheidgebühr für das gerichtliche Verfahren der Beklagten aufzuerlegen, und diese ist zu verpflichten, der Klägerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidgebühr richtet sich dabei nach § 11 Abs. 1 KoV OG. Wird eine Partei – wie vorliegend – durch einen bei ihr selbst angestellten Rechtsanwalt vertreten, bemisst sich die Parteientschädigung nicht ohne Weiteres nach der Verordnung über den Anwaltstarif (AnwT), regelt doch diese nach einhelliger Ansicht ihrem Zwecke nach einzig die berufsmässige Parteivertretung durch einen freiberuflich, d.h. selbständig tätigen patentierten Rechtsanwalt (ZR 2007 Nr. 78 E. III/2/a m.w.H.). Ihr wird allerdings eine Umtriebsentschädigung ex aequo et bono zugesprochen (vgl. Suter/von Holzen, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 95 N 42), wobei der Anwaltstarif als Richtlinie herangezogen und den besonderen Gegebenheiten durch eine entsprechende Reduktion Rechnung getragen wird (vgl. GVP 1991/92, S. 211 f.). Es rechtfertigt sich im vorliegenden Fall, die nach dem Anwaltstarif berechnete Parteientschädigung (§ 3 Abs. 1 AnwT) um einen Drittel zu reduzieren (vgl. auch Suter/von Holzen, a.a.O., Art. 95 N 42 m.w.H.). Der Klägerin ist mithin eine Parteientschädigung von CHF 2'500.– zuzusprechen.

Obergericht, II. Zivilabteilung, 20. Februar 2013

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