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§ 34 SchulG, Art. 301 ZGB und § 44 Abs. 2 EG ZGB

Regeste:

§ 34 SchulG, Art. 301 ZGB und § 44 Abs. 2 EG ZGB – Die Rektorin, der Rektor der gemeindlichen Schule kann eine Schülerin oder einen Schüler einer Sonderschule zuweisen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind (Erw. 2). Sie oder er ist aber nicht berechtigt, gegen den Willen der Erziehungsberechtigten den Besuch des Internats einer Sonderschule anzuordnen. Diese Zuweisung ist ein Eingriff in die elterliche Obhut und nur im Rahmen einer Kindesschutzmassnahme möglich (Erw. 3). Allenfalls ist der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde eine entsprechende Gefährdungsmeldung zuzustellen (Erw. 5).

Aus dem Sachverhalt:

A. besucht in diesem Schuljahr (2013/2014) die 3. Primarklasse in F. Nachdem er im Kindergarten besonders gefördert wurde, absolvierte er die Kleinklasse für teilweise schulbereite Kinder. Seit seinem Eintritt in die 2. Primarklasse sind die Lernziele in mehreren Fächern angepasst. Der Rektor von F. (nachfolgend Vorinstanz) verfügte mit Entscheid vom 27. Mai 2013 für A. den Besuch der Sonderschule M. mit Aufenthalt im dazugehörigen Internat vom 1. August 2013 bis am 31. Juli 2015. Gegen diesen Entscheid reichten die Eltern von A. (nachfolgend Beschwerdeführerin und Beschwerdeführer) mit Eingabe vom 6. Juni 2013 eine Verwaltungsbeschwerde bei der Direktion für Bildung und Kultur ein.

Aus den Erwägungen:

I.

(…)

II.

1. Die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer fechten mit ihrer Beschwerde die interne Sonderschulung (Internat) von A. in der Sonderschule M. ab dem kommenden Schuljahr (Schulbeginn: 19. August 2013) an. Dies bedeutet, dass die Vorinstanz neben dem Besuch der Sonderschule als Tagesschule auch den Aufenthalt im Internat der Sonderschule M. verfügt hat.

2. Es ist zunächst zu prüfen, ob bei A. die Voraussetzungen für den Besuch der Sonderschule M. als Tagesschule gegeben sind.

a) Der Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht ist gestützt auf Art. 19 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV; SR 101) gewährleistet. Die Kantone sorgen für einen ausreichenden Grundschulunterricht, der allen Kindern offen steht (Art. 62 Abs. 2 BV). Sie sorgen ausserdem für eine ausreichende Sonderschulung aller behinderten Kinder und Jugendlichen bis längstens zum vollendeten 20. Altersjahr (Art. 62 Abs. 3 BV). Im Kanton Zug sorgen die Gemeinden dafür, dass Kinder, die aus intellektuellen, sozialen, psychischen, physischen Gründen in den gemeindlichen Schulen nicht angemessen gefördert werden können, eine entsprechende Sonderschulung erhalten (§ 34 Abs. 1 SchulG). Nach § 34 Abs. 2 SchulG trifft der kantonale Schulpsychologe, allenfalls unter Beizug weiterer Fachpersonen, die notwendigen Abklärungen. Er bezieht alle Beteiligten, insbesondere den Rektor und die Erziehungsberechtigten in eine Gesamtbeurteilung mit ein und stellt der Direktion für Bildung und Kultur Antrag für eine Kostengutsprache. Die Direktion für Bildung und Kultur entscheidet über die Mitfinanzierung (§ 34 Abs. 3 SchulG). Der Rektor er Wohnsitzgemeinde des betreffenden Kindes entscheidet gestützt auf § 34 Abs. 4 SchulG über die Zuweisung in Kenntnis des Antrags des kantonalen Schulpsychologischen Dienstes und des Mitfinanzierungsentscheides der Direktion für Bildung und Kultur.

b) Die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer führen die Probleme von A. darauf zurück, dass er etwas faul sei und ausserdem an Bronchitis leide und deshalb regelmässig zum Arzt müsse. Sie gehen davon aus, dass keine Lernbehinderung vorliegt, welche eine Sonderschulung nach sich ziehe. Demgegenüber hält die Vorinstanz fest, die Voraussetzungen für eine Sonderschulung in der Sonderschule M. lägen bei A. vor. Die Möglichkeiten an der gemeindlichen Schule von F. für die Beschulung von A. seien ausgeschöpft.

c) Die Vorinstanz verfügte den Besuch der Sonderschule M. gestützt auf eine Abklärung der zuständigen Schulpsychologin vom 2. April 2013 sowie in Kenntnis des Mitfinanzierungsentscheids der Direktion für Bildung und Kultur. (…)

d) (…)

e) Die Abklärungen der zuständigen Schulpsychologin enthalten alle notwendigen Angaben, welche die Beurteilung erlauben, ob die Sonderschulung für A. in der Sonderschule M. nötig, zweck- und verhältnismässig ist. Die gesamten Abklärungen zeigen vollständig, klar und begründet auf, dass A. den Anforderungen in der Regelklasse nicht gewachsen ist, weil er an einer Lernbehinderung leidet. Seine Leistungen sind trotz zahlreicher zusätzlicher Unterstützungsangebote durch die gemeindliche Schule F. nach wie vor ungenügend. Nachdem A. bereits die Kleinklasse für teilweise schulbereite Kinder besucht hat und seine Lernziele angepasst wurden, ist eine Schulung in der gemeindliche Schule von F. nicht mehr möglich. Hinzukommt eine schwierige familiäre Situation mit unsicherer Betreuung und Zuwendung, welche sich ebenfalls auf den Schulerfolg auswirkt. Diese Abklärungen decken sich zudem mit den Feststellungen der Klassenlehrperson und des Psychologen des Ambulanten Psychiatrischen Dienstes für Kinder und Jugendliche. Die Einwände der Beschwerdeführerin und des Beschwerdeführers betreffend Faulheit bzw. gesundheitlicher Probleme von A. sind bei dieser Sachlage unbehilflich: A. kann aufgrund seiner Lernbehinderung keine besseren Leistungen erzielen. Damit ist erstellt, dass A. in der gemeindlichen Schule aus intellektuellen, sozialen und psychischen Gründen nicht ausreichend gefördert werden kann und einer Sonderschulung bedarf. Die Sonderschule M. ist für Schülerinnen und Schüler der Primarstufe mit einer schweren Verhaltens- und/oder Sprachbehinderung vorgesehen und damit im vorliegenden Fall für die weitere Schulung von A. geeignet.

f) Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass bei A. die Voraussetzungen für den Besuch der Sonderschule M. als Tagesschule gegeben sind und die Zuweisung der Vorinstanz in Bezug auf diese Sonderschulung nicht zu beanstanden ist.

3. Weiter ist zu prüfen, ob die Vorinstanz berechtigt ist, gegen den Willen der Beschwerdeführerin und des Beschwerdeführers, den Besuch des Internats in der Sonderschule M. anzuordnen.

a) Jedes bildungsfähige Kind ist gemäss § 5 Abs. 1 SchulG berechtigt, einen Jahreskurs des Kindergartens, sechs Jahreskurse der Primarstufe und drei Jahreskurse der Sekundarstufe I zu besuchen. Die Schulpflicht umfasst ein Jahr Kindergarten und neun Jahre der Primar- und Sekundarstufe I (§ 5 Abs. 2 SchulG). Art. 301 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember 1907 (ZGB; SR 210) regelt den Inhalt der elterlichen Sorge im Allgemeinen. Die elterliche Sorge ist die gesetzliche Befugnis der Eltern, die für das unmündige Kind nötigen Entscheidungen zu treffen. Sie bildet die rechtliche Grundlage für die Erziehung und Vertretung des Kindes sowie die Verwaltung des Kindesvermögens durch die Eltern (Cyril Hegnauer, Grundriss des Kindesrechts, 5. überarbeitete Auflage, Bern 1999, Rz. 25.02). Nach Art. 301 Abs. 3 ZGB darf das Kind ohne Einwilligung der Eltern die häusliche Gemeinschaft nicht verlassen; es darf ihnen auch nicht widerrechtlich entzogen werden.

b) Die Zuweisung eines Kindes in eine Sonderschule mit dessen Unterbringung in einem Internat wird nicht durch die allgemeine Schulpflicht nach § 5 Abs. 2 SchulG gedeckt. Es liegt vielmehr ein Eingriff in die elterliche Obhut vor (Art. 301 Abs. 3 ZGB). Die Zuweisung in die Sonderschule M. mit einem Aufenthalt im dazugehörigen Internat ist durch die Vorinstanz deshalb nur mit dem Einverständnis der Beschwerdeführerin und des Beschwerdeführers möglich. Sind die Eltern, wie im vorliegenden Fall, mit dem Aufenthalt im Internat nicht einverstanden, kann diese Zuweisung als Eingriff in die elterliche Obhut nur als Kindesschutzmassnahme i.S. von Art. 307 ff. ZGB verfügt werden. Dafür ist jedoch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde zuständig (EGV-SZ 2010 C8.2, S. 172f.; SH Amtsbericht 1998 S. 149; AGVE 1997 S. 458; SG GVP 1985 Nr. 77 S. 167).

c) Nachdem die Vorinstanz gegen den Willen der Beschwerdeführerin und des Beschwerdeführers nicht berechtigt ist, A. dem Internat der Sonderschule M. zuzuweisen, ist die Beschwerde diesbezüglich gutzuheissen.

4. Zusammengefasst ergibt sich, dass die Beschwerde teilweise gutzuheissen ist. A. hat ab dem Schuljahr 2013/14 (Schulbeginn: 19. August 2013) die Sonderschule M. als Tagesschule zu besuchen. Er wird jedoch nicht verpflichtet, im dazugehörigen Internat zu übernachten. Der tägliche Transport von A. von F. nach B. ist von der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdeführer in Zusammenarbeit mit der Sonderschule M. sicherzustellen. Diese Kosten gehen je zu Hälfte zu Lasten der Gemeinde F. und des Kantons Zug.

5. Jede Person, die eine Gefährdung des Kindeswohls wahrnimmt, insbesondere die Amtspersonen und diejenigen Personen die beruflich mit der Ausbildung, Betreuung oder der medizinischen oder psychologischen Behandlung von Kindern zu tun haben und im Rahmen ihrer Tätigkeit eine Gefährdung des Kindeswohls wahrnehmen, ist nach § 44 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches für den Kanton Zug vom 17. August 1911 (EG ZGB; BGS 211.1) verpflichtet, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Anzeige zu erstatten. Nach Art. 302 Abs. 1 ZGB haben die Eltern das Kind ihren Verhältnissen entsprechend zu erziehen und seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung zu fördern und zu schützen. Sie haben dem Kind insbesondere auch dem körperlich oder geistig gebrechlichen, eine angemessene, seinen Fähigkeiten und Neigungen soweit möglich entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung zu verschaffen (Abs. 3). Zu diesem Zweck sollen sie nach Art. 302 Abs. 3 ZGB in geeigneter Weise mit der Schule und, wenn es die Umstände erfordern, mit der öffentlichen und gemeinnützigen Jugendhilfe zusammenarbeiten. Auch das kantonale Recht verpflichtet die Eltern zur Zusammenarbeit mit der Schule und den Schuldiensten (§ 21 Abs. 3 Bst. a SchulG).

a) Die zuständige Schulpsychologin hält in ihrem Antrag vom 2. April 2013 fest, seit dem Eintritt von A. in den Kindergarten gebe es Hinweise auf Verwahrlosung. Es bestünden Zweifel über die tatsächliche Betreuungssituation zu Hause, z.B. darüber, ob tagsüber jemand zu Hause sei und ob A. regelmässig Mahlzeiten erhalte. Er sei oft alleine unterwegs, auch über Mittag. Im Winter trage er oft keine angemessene Kleidung. Dem Bericht von X. vom 25. Februar 2013 ist zu entnehmen, dass er sich vorwiegend für den älteren Bruder von A. engagiere. Verschiedene Faktoren im familiären Bereich führten zu einem ungünstigen Lernklima von allen Kindern und trügen wohl auch zum Verhalten von A. bei. Weiter führt er aus, aufgrund gewisser Erfahrungswerte gehe er davon aus, dass bei A. eine «Lernhinderung» bestehe. Deren Ursache seien fehlende und nicht kindgerechte familiäre Strukturen und ungünstige Aufwachsbedingungen. Der Klassenlehrer von A. informiert in seiner E-Mail vom 22. März 2013 die zuständige Schulpsychologin, den Rektor von F. und weitere Personen, er habe mit X. die Variante Gefährdungsmeldung diskutiert. Aus den Akten des SPD geht zudem hervor, dass die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer zahlreiche vereinbarte Termine oder Abmachungen nicht bzw. nicht vollständig eingehalten haben (Teilnahme an Gesprächen mit den Lehr- und Fachpersonen im Schulbereich, Anmeldung beim Ambulanten Psychiatrischen Dienst für Kinder und Jugendliche, Medikamentenabgabe).

b) Die zuständige Schulpsychologin kommt in Übereinstimmung mit den zuständigen Lehr- und Fachpersonen der gemeindlichen Schule F. zum Schluss, dass für eine angemessene Schulung von A. der Schulbesuch sowie der Aufenthalt im Internat der Sonderschule M. erforderlich ist. Nachdem die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer damit nicht einverstanden sind, wird der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Zug dieser Entscheid inkl. die Akten des SPD gestützt auf § 44 Abs. 2 EG ZGB als Gefährdungsmeldung zugestellt, damit sie prüfen kann, ob die Unterbringung von A. im Internat der Sonderschule M. bzw. andere Kindesschutzmassnahmen anzuordnen sind.

6. (…)

Entscheid der Direktion für Bildung und Kultur vom 10. Juli 2013

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