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18.01.2019

Eine Raubkatze im neu glänzenden Fell

18.01.2019
Buchtipp von Ines Trezzini, Praktikantin am Info-Z der Kantonsschule Zug in der Zuger Zeitung vom 18. Januar 2019.
Ines Trezzini
Bild Legende:

Ein Ritterleben ist schwer, erst recht, wenn man Liebeskummer hat. Das erfahren in «Der Held im Pardelfell» gleich zwei kühne Recken am eigenen Leib: Awtandil verzehrt sich nach der unerreichbaren Königstochter Tinatin. Sein Freund Tariel ist aus Leidenschaft zur verschollenen Nestan Daredschan gar dem Irrsinn verfallen und haust seitdem in einer einsamen Felshöhle, gehüllt in ein Gewand aus Pardelfell. Kämpfend und meuchelnd stürzen sich beide Helden in ihre Aventiuren, um die geliebten Prinzessinnen zurückzugewinnen...

Awtandils Wagnisse erinnern nicht von ungefähr an höfische Ritterromane: Georgiens Nationaldichter Schota Rustaweli ersann sie vor über 800 Jahren und kleidete sie in mehr als 1500 Strophen. Nun hat Tilman Spreckelsen dieses farbenprächtige Epos für ein modernes Publikum nacherzählt. Er zaubert aus dem geschichtsträchtigen Stoff ein zeitloses Märchen, indem er das Gros aller historisch-religiösen Bezüge ebenso tilgt wie sämt­liche Sprachschnörkel der gereimten Vorlage. Für die zwangsläufig folgende Vereinfachung entschädigt Spreckelsens poetisches Gespür: Seine sparsame, zurückhaltend-elegante und gleichwohl gehaltvolle Prosa schenkt dem Abenteuer ein neues, heutiges Kleid.

Auf inhaltlicher Ebene betont Spreckelsen die zeitübergreifend relevanten Themen wie Freundschaft, Liebe und Selbstverantwortung. Seine Stärken zeigen sich besonders in der unaufdringlichen Figurenzeichnung. So strotzen die Schicksale der beiden Ritter vor Gemeinsamkeiten, was es dem Autor ermöglicht, verschiedene Verhaltensweisen im Umgang mit vergleichbaren Problemen aufzuzeigen. Die Hauptfiguren gewinnen dadurch trotz ihrer stereotypen Anlage psychologischen Facettenreichtum – auch die Damen, die zwar vom Leben arg gebeutelt werden, ihre Macht jedoch mit erfrischender Selbstverständlichkeit ausüben.

Veredelt wird das Buch durch betörende Illustrationen. Mit einer reduzierten, aber satten Farbpalette, klaren Linien und grossen Flächen kreierte Kat Menschik faszinierende Bilder, die bei aller Detailfreude niemals überladen wirken, sondern überirdische Anmut und zugleich erdige Vitalität ausstrahlen. Nicht zuletzt dank ihnen scheint zwischen den Zeilen von Spreckelsens Nacherzählung eine seelenvolle Menschlichkeit auf, die unmittelbar berührt – jener ewig junge Zauber, wie er nur Märchen und mittelalter­licher Ritterepik eignet.

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