Beitrag in der Rubrik «U20» der Zuger Zeitung vom 14. März 2022

Fast jeden Morgen sitze ich im Zug zur Schule und beobachte, mit laufender Musik in den Ohren, die Gesellschaft. Mir fällt auf, wie unterschiedlich die Menschen sich zur Arbeit anziehen. Ich identifiziere meistens zwei Fraktionen: Lederschuhe, Stoffhose, Hemd, Sakko und Krawatte sind Attribute der ersten Fraktion, Turnschuhe, Jeans, Shirt und ein Pullover Attribute der zweiten. Weshalb kleiden sich die Menschen aber so verschieden?

Eine Bankerin zum Beispiel ist immer elegant angezogen. Man könnte vermuten, dass sie sich schön anzieht, weil sie Kundenkontakt hat und einen guten Eindruck hinterlassen möchte. Das möchte aber wohl auch der Coiffeur. Auch er ist immer in Kontakt mit Menschen, kleidet sich aber meistens so, wie er sich auch in der Freizeit anzieht. Wieso also ziehen sich Bankangestellte tagtäglich an, als würden sie auf eine Hochzeit gehen?

Der Grund dafür liegt wohl eher in der gesellschaftlichen Erwartung an den Beruf. Anzug und Krawatte stehen für Seriosität. Woher das kommt, darüber kann ich nur spekulieren. Werbung und die Selbstdarstellung der Banken tragen aber sicherlich dazu bei. Ein Banker trägt nie T-Shirt und Jeans. So was bleibt in den Köpfen der Menschen verankert. Würde ein Banker trotzdem T-Shirt und Jeans tragen, würde man ihn womöglich nicht ernst nehmen und er hinterliesse einen unglaubwürdigen Eindruck.

«Kleider machen Leute», so heisst es schon seit langem. Kleider sind häufig das Erste und Offensichtlichste, was Menschen bei ihrem Gegenüber wahrnehmen. Meiner Meinung nach, sind besonders elegante Kleider aber in keinem Beruf nötig, denn die Kleidung soll Ausdruck der eigenen Persönlichkeit sein und den eigenen Charakter widerspiegeln. Sie soll so ausgewählt werden, wie ein Mensch ist und wie er sich wohlfühlt. Wieso sollte man sich für die Arbeitswelt verkleiden, nur damit das Äussere dem entspricht, was von einem erwartet wird? Ob man elegante oder bequeme Kleider trägt, sollte weniger von der Erwartung anderer als vielmehr von der eigenen Entscheidung jedes Einzelnen abhängen.

Hinweis
In der Kolumne «U20» äussern sich Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Zug zu einem frei gewählten Thema. Ihre Meinung muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.