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15.06.2020

«Mal luege»

15.06.2020
Beitrag in der Rubrik «U20» der Zuger Zeitung vom 15. Juni 2020

Beitrag in der Rubrik «U20» der Zuger Zeitung vom 15. Juni 2020

Ich trinke an einem Samstagmorgen entspannt meinen Orangensaft, den ich frisch aus dem Tetrapak herausgepresst habe. Dabei werde ich von meinem Handy gestört. Mit einem beiläufigen Blick schaue ich auf den Bildschirm und es ist wie üblich eine neue Whatsapp-Nachricht, mit der mich eine Freundin zu einem Bingonachmittag mit ihrer Grossmutter einlädt. Was antworte ich ihr jetzt?

Ich ertappe andere wie auch mich, wie wir oft auf Schweizerdeutsch «Mal luege» oder «Ich melde mich spöter no mal» antworten. Wenn wir zusagen, entgeht uns vielleicht ein anderes Abenteuer, wenn wir absagen, enttäuschen wir Familie oder Freunde. Wir alle führen gerne einen Terminkalender und wollen alles genau planen, so vermeidet man schliesslich das Chaos. Gleichzeitig möchten wir uns nicht festlegen, da es sein könnte, dass sich eine vermeintlich «bessere» Möglichkeit ergibt, zum Beispiel die noch tollere Party. Verbringe ich jetzt einen Nachmittag mit lauter Bingo-Rufen oder gehe ich in die Van-Gogh-Ausstellung nach Zürich, in die mich eine andere Freundin eingeladen hat? Eine Einladung auszuschlagen oder einer Person einen Wunsch nicht zu erfüllen, fällt uns schwer. Uns plagt ein schlechtes Gewissen oder wir haben Angst vor den Konsequenzen.

Ausserdem sagen wir viel zu schnell und zu oft «Ja», obwohl wir «Nein» meinen. Wir bringen oft den Mut nicht auf, die Einladung abzulehnen. Wir sind so erzogen worden, dass wir anderen Leuten zu Diensten stehen sollten. Wenn wir «Nein» sagen, denken wir, dass andere uns für egoistisch, faul und überkritisch halten und uns Ablehnung und Verurteilung erwarten. Wir wollen niemanden enttäuschen oder verletzen, dabei stellen wir jedoch oft unsere eigenen Bedürfnisse in den Schatten.

Wir sparen Zeit und Energie, wenn wir uns jeweils sofort entscheiden. Mit «Mal luege» schieben wir unsere Entscheidung nur hinaus und verunsichern diejenigen umso mehr, die meist hoffnungsvoll vor ihren Handys auf unsere Antwort warten. Werde ich weiterhin mit «Mal luege» antworten? Zwischendurch garantiert. Kann man das vermeiden? Auf jeden Fall.


Hinweis

In der Kolumne «U20» äussern sich Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Zug zu einem freigewählten Thema.

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