Navigieren auf Kanton Zug

Inhaltsnavigation auf dieser Seite

Navigation

Gerichtspraxis

Staats- und Verwaltungsrecht

Zivilrecht

Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Strafrecht

Rechtspflege

Stimmrecht

Strafrechtspflege

Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO

§ 79 Abs. 1 lit. b GOG, § 2 und 5 DSG

Regeste:

§ 79 Abs. 1 lit. b GOG, § 2 und 5 DSG - Beim Entscheid über die Einsichtnahme in Akten abgeschlossener Verfahren handelt es sich um einen Justizverwaltungsakt, womit die Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren zu Anwendung gelangen (E. 2.2). Die Auskunftserteilung und die  Einsicht in die noch nicht archivierten Akten eines abgeschlossenen Verfahrens richten sich nach dem kantonalen Datenschutzgesetz (E. 3). Handelt es sich dabei um besonders schützenswerte Daten, darf Dritten Einsicht gewährt werden, wenn ein formelles Gesetz es ausdrücklich vorsieht, es für eine in einem formellen Gesetz umschriebene Aufgabe offensichtlich unentbehrlich ist oder die betroffene Person im Einzelfall ausdrücklich eingewilligt oder ihre Daten allgemein zugänglich gemacht hat (E. 4).

Aus den Erwägungen:

1. Der Beschwerdeführer beanstandet in seiner Beschwerde, dass die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdegegner das Recht auf Akteneinsicht in das abgeschlossene Strafverfahren Nr. 1A 2009 94 eingeräumt hat. Nach § 79 Abs. 1 lit. b GOG entscheidet die Beschwerdeabteilung des Obergerichts über Beschwerden gegen Verfügungen betreffend die Akteneinsicht bei abgeschlossenen Verfahren. Die Beschwerdeabteilung ist daher zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig.

(...)

2.2 Beim Entscheid über die Akteneinsicht handelt es sich um einen Justizverwaltungsakt (§ 79 Abs. 1 lit. b GOG). Unter diesen Umständen gelangen die Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG) nicht nur für das betreffende Beschwerdeverfahren zur Anwendung, wie dies § 79 Abs. 2 GOG ausdrücklich festhält. Vielmehr sind diese Bestimmungen auch für das erstinstanzliche Verfahren vor der Staatsanwaltschaft massgebend.

(...)

3. Nach dem Gesagten ist im Folgenden zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdegegner zu Recht Einsicht in die Akten des abgeschlossenen Strafverfahrens Nr. 1A 2009 94 eingeräumt hat.

3.1 Gemäss § 90 GOG richten sich die Auskunftserteilung und die Einsicht in die Akten eines abgeschlossenen Verfahrens nach der Datenschutzgesetzgebung. Die Einsicht in archivierte Akten richtet sich nach dem Archivgesetz vom 29. Januar 2004.

3.2 Die Staatsanwaltschaft hat die Akten Nr. 1A 2009 94 noch nicht an das Staatsarchiv abgeliefert, sondern verwahrte sie bis zur Übergabe an die Beschwerdeabteilung in den eigenen Räumlichkeiten. Es handelt sich damit nicht um archivierte Akten, weshalb das Archivgesetz nicht zur Anwendung gelangt. Nicht anwendbar ist sodann das Gesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz), das am 10. Mai 2014 in Kraft getreten ist. Abgesehen davon, dass dieses Gesetz nicht für den Zugang zu amtlichen Dokumenten betreffend Zivil- und Strafverfahren gilt (§ 4 Abs. 1 Öffentlichkeitsgesetz), ist es ohnehin nur für jene Dokumente massgebend, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erstellt oder empfangen wurden (§ 18 Abs. 1 Öffentlichkeitsgesetz).

3.3 Massgebende Rechtsgrundlage für die Akteneinsicht des Beschwerdegegners ist damit nach § 90 GOG die Datenschutzgesetzgebung. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers richtet sich die Akteneinsicht jedoch nicht nach dem eidgenössischen Datenschutzgesetz (DSG CH). Dieses Gesetz gilt nach dessen Art. 2 Abs. 1 nur für das Bearbeiten von Daten (Art. 3 lit. e DSG CH) durch private Personen und Bundesorgane und regelt damit nicht die Datenbearbeitung durch kantonale Behörden (vgl. BGE 136 I 80 E. 2.2). Ob ein Recht des Beschwerdegegners auf Einsichtnahme in die Akten Nr. 1A 2009 94 besteht, ist demnach anhand des Datenschutzgesetzes des Kantons Zug (§ 2 Abs. 1 lit b, c, d, f und i i.V.m. § 3 DSG ZG) zu entscheiden.

4.1 Bei den Akten Nr. 1A 2009 94 der Staatsanwaltschaft handelt es sich gemäss § 2 Abs. 1 lit. b DSG ZG um besonders schützenswerte Daten. In solche Daten darf nach § 5 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. c und d DSG ZG Dritten Einsicht gewährt werden, wenn ein formelles Gesetz es ausdrücklich vorsieht (§ 5 Abs. 2 lit. a), es für eine in einem formellen Gesetz umschriebene Aufgabe offensichtlich unentbehrlich ist (§ 5 Abs. 2 lit. b) oder die betroffene Person im Einzelfall ausdrücklich eingewilligt oder ihre Daten allgemein zugänglich gemacht hat (§ 5 Abs. 2 lit. c).

4.2 Ein Einsichtsrecht des Beschwerdegegners nach § 5 Abs. 2 lit. a und c DSG ZG besteht nicht. Weder sieht das Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten (OHG) vor, dass der Beschwerdegegner nach rechtskräftiger Einstellung eines Strafverfahrens zur Prüfung von Regressansprüchen Einsicht in die entsprechenden Strafakten erhält, noch hat der Beschwerdeführer seine Zustimmung zur Einsichtnahme durch den Beschwerdegegner erklärt. Vielmehr wehrte er sich in der Einsprache vom 2. Dezember 2013 und in der vorliegenden Beschwerde gegen die vom Beschwerdegegner beantragte Einsichtnahme in die Strafakten.

4.3 Damit bleibt zu prüfen, ob dem Beschwerdegegner Einsicht in die Strafakten gewährt werden kann, weil es für eine in einem formellen Gesetz umschriebene Aufgabe offensichtlich unentbehrlich ist.

4.3.1 Hat ein Kanton gestützt auf das OHG Opferhilfe geleistet, so gehen die Ansprüche für Leistungen gleicher Art, die dem Opfer oder dessen Angehörigen auf Grund der Straftat zustehen, im Umfang der kantonalen Leistungen von der anspruchsberechtigten Person auf den Kanton über (Art. 7 Abs. 1 OHG).

4.3.2 Der Beschwerdeführer bestreitet in der Beschwerde, dass der Beschwerdegegner während des laufenden Strafverfahrens Leistungen nach dem OHG an A. erbracht hat. Soweit aus den wenigen vorhandenen Akten und insbesondere dem Schreiben des Psychotherapeuten von A. vom 7. Februar 2011 erkennbar sei, habe der Beschwerdegegner seine Leistungen erst nach Abschluss des Strafverfahrens erbracht. Damit fehle es A. an der Opferstellung gemäss Art. 1 OHG. Als Konsequenz gelange das OHG überhaupt nicht zur Anwendung und es könne mithin der Beschwerdegegner auch keine Regressansprüche gemäss Art. 7 OHG stellen.

Der Beschwerdegegner, der vom Abteilungspräsidenten mit Schreiben vom 21. August 2014 zum Nachweis aufgefordert worden war, dass er während des hängigen Strafverfahrens Nr. 1A 2009 94 (16. Dezember 2008 bis 19. Oktober 2010) Leistungen nach dem OHG an A. erbracht hat, liess sich mit Eingabe vom 8. September 2014 vernehmen und leistete den entsprechenden Nachweis (act. 12). Diese Sachdarstellung blieb unbestritten. Der Argumentation des Beschwerdeführers, wonach dem Beschwerdegegner mangels Leistungen nach OHG kein Regressanspruch zusteht, ist damit der Boden entzogen. Der Beschwerdegegner, auf den gemäss Art. 7 Abs. 1 OHG die Ansprüche von A. übergegangen sind, kann diese nach Art. 7 Abs. 3 e contrario OHG gegen den Täter geltend machen. Der Beschwerdegegner hat damit zur Wahrnehmung dieser Ansprüche grundsätzlich das Recht auf Einsichtnahme in die Strafakten.

4.3.3 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Staatsanwaltschaft habe bei ihrem Entscheid, ob dem Beschwerdegegner Akteneinsicht zu gewähren sei, keine Interessenabwägung vorgenommen. Wäre eine solche erfolgt, hätte sich klar ergeben, dass seine Interessen an einer Verschlusshaltung dieser Akten gegenüber den nur ansatzweise behaupteten Interessen des Beschwerdegegners (unbelegte Regressforderung) stark überwögen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist bei der Beurteilung eines nach Abschluss eines Strafverfahrens gestellten Akteneinsichtsgesuchs nicht eine Abwägung der verschiedenen Interessen der Beteiligten vorzunehmen. Massgebend ist vielmehr, ob - wie dargestellt - eine der in § 5 Abs. 2 DSG ZG erwähnten Voraussetzungen erfüllt ist. Wie ausgeführt, stützt sich das Recht des Beschwerdegegners auf Einsichtnahme in die Strafakten auf § 5 Abs. 2 lit. b DSG ZG. Allerdings ist dieses Recht auf diejenigen Akten beschränkt, welche die Abklärungen der vom Vater von A. erhobenen Vorwürfe zum Gegenstand haben. Die übrigen Akten, welche die Abklärung weiterer Vorwürfe gegen den Beschwerdeführer betreffen, sind indes vom Akteneinsichtsrecht ausgenommen. Die Einsichtnahme in diese Akten ist zur Prüfung, ob aufgrund den vom Beschwerdegegner an A. erbrachten Leistungen Regressansprüche gegen den Beschwerdeführer bestehen, nicht erforderlich.

4.3.4 Der Beschwerdeführer fordert unter Hinweis auf Art. 121 Abs. 2 StPO sodann eine weitergehende Beschränkung des Akteneinsichtsrechts des Beschwerdegegners. Nach dieser Bestimmung ist, wer von Gesetzes wegen in die Ansprüche der geschädigten Person eingetreten ist, nur zur Zivilklage berechtigt und hat nur jene Verfahrensrechte, die sich unmittelbar auf die Durchsetzung der Zivilklage beziehen. Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, wenn nun schon während eines laufenden Strafverfahrens der Beschwerdegegner nur diejenigen Akten einsehen dürfe, welche für die Begründung seiner Forderung notwendig seien, so dürfe nach Abschluss eines Strafverfahrens das Akteneinsichtsrecht sicher nicht weitergehen. In diesem Zusammenhang beanstandet der Beschwerdeführer insbesondere, dass die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdegegner insbesondere auch Einsicht in Videoaufnahmen eingeräumt habe.

Soweit der Beschwerdeführer damit ein Verbot zur Einsicht in die polizeiliche Videobefragung von A. fordert, erweist sich dieser Standpunkt als unbegründet. Zur Prüfung, ob Regressansprüche gegen den Beschwerdeführer geltend gemacht werden können, ist der Beschwerdegegner auf umfassende Sachverhaltsabklärungen angewiesen. Dazu gehört nicht nur die polizeiliche Videobefragung von A. Vielmehr fallen darunter auch die weiteren Erhebungen im Zusammenhang mit den vom Vater von A. erhobenen Vorwürfen gegen den Beschwerdeführer.

5. Nach dem Gesagten ist in teilweiser Gutheissung der Beschwerde dem Beschwerdegegner Einsicht in die Akten des Strafverfahrens Nr. 1A 2009 94 zu erteilen, soweit sie die vom Vater A. erhobenen Vorwürfe betreffen. Die Aussonderung dieser Akten zur Einräumung der Akteneinsicht ist von der Staatsanwaltschaft vorzunehmen. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

Obergericht, II. Beschwerdeabteilung, 18. November 2014

Weitere Informationen

Fusszeile

Deutsch