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Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO

Regeste:

Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO –  Entschädigung der Auwendungen für die angemessene Ausübung der Verfahrensrechte.

Aus den Erwägungen:

(...)

3.1 Unter diesem Titel sind primär die Kosten der frei gewählten Verteidigung relevant, die im vorliegenden Fall grundsätzlich zu vergüten sind, weil von Anfang an eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr drohte und der Beizug eines Rechtsbeistands daher notwendig war (Art. 130 lit. b StPO).

Die Entschädigung der Verteidigung richtet nach dem kantonalen Anwaltstarif. Gestützt auf § 2 der Verordnung des Obergerichts über den Anwaltstarif (BGS 163.4; AnwT) sind die Honorare der Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen innerhalb der in diesem Tarif festgelegten Grenzen nach der Schwierigkeit des Falls sowie nach dem Umfang und der Art der angemessenen Bemühungen festzulegen. Für den Bereich der Strafsachen wird in § 15 AnwT präzisiert, das Honorar bemesse sich nach dem angemessenen Zeitaufwand des Rechtsanwalts oder der Rechtsanwältin (Abs. 1), wobei der Stundenansatz in der Regel CHF 220.00 betrage; er könne in besonderen Fällen bis auf CHF 300.00 erhöht werden (Abs. 2). (...)

3.2 Die Vorinstanz erwog, die Rechtsvertreterin des Berufungsklägers habe in ihrer Kostennote ohne Berücksichtigung der Hauptverhandlung und der Nachbesprechung einen Zeitaufwand von 263.5 Stunden angegeben, der zwar hoch erscheine, aber im Detail ausgewiesen sei und angesichts ihres grossen und notwendigen Engagements grundsätzlich akzeptiert werden könne. Ausgenommen seien die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Beschwerdeverfahren vor der Beschwerdeabteilung des Obergerichts im Umfang von 7.5 Stunden, weil der Berufungskläger dafür bereits entschädigt worden sei. Hingegen seien zusätzlich 8 Stunden Aufwand für die Hauptverhandlung und die Nachbesprechung zu berücksichtigen. Mithin seien insgesamt 264 Stunden zu entschädigen. (...)

3.3 Die Rechtsvertreterin des Berufungsklägers legte ihrer Kostennote einen Stundenansatz von CHF 250.00 zugrunde. Die Vorinstanz rechnete indes einen Stundenansatz von CHF 220.00 an und entschädigte den Berufungskläger mit CHF 65'000.00 (inklusive der Auslagen von CHF 1'968.60 und der Mehrwertsteuer von 7.6 % bis Ende 2010 bzw. 8.0 % ab 2011). Sie führte aus, das Verfahren habe zwar einen hohen zeitlichen Aufwand erfordert, jedoch habe es weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten aufgewiesen, sodass ein Stundenansatz von CHF 250.00 nicht gerechtfertigt sei.

Der Berufungskläger verlangt eine Erhöhung der Entschädigung für die anwaltliche Verteidigung auf CHF 73'309.30 (inklusive Auslagen und MWST). Er macht einen besonderen Fall geltend, der einen Stundenansatz von CHF 250.00 als angemessen erscheinen lasse.

Dieser Auffassung ist nicht beizupflichten. § 15 Abs. 2 AnwT lässt dem Gericht zwar einen Ermessensspielraum. Mit der Formulierung, der Stundenansatz betrage in der Regel CHF 220.00, der in besonderen Fällen bis auf CHF 300.00 erhöht werden könne, wird aber zum Ausdruck gebracht, dass der Regelansatz nicht nur leichte Fälle abdeckt, sondern auch solche von durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad. Daher ist der Regeltarif anzuwenden, wenn – wie im vorliegenden Fall – die sich stellenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen weder besonders komplex noch sehr anspruchsvoll waren. Zwar mag es zutreffen, dass es nicht leicht war, die Aussagen der Privatklägerin aufgrund «suggestiver Fragestellungen durch die Polizei und durch die Therapeutin» zu entkräften. Die Fähigkeit, suggestiv angelegte Fragestellungen aufzudecken, kann aber von einer erfahrenen Strafverteidigung erwartet werden. Auch die weiteren Gründe des Berufungsklägers, weshalb ein besonderer Fall vorliegen soll, der einen höheren Stundenansatz rechtfertige, erweisen sich bei näherer Betrachtung als nicht stichhaltig. Insbesondere kann nicht von einer aussergewöhnlichen Komplexität gesprochen werden. Der vorliegende Straffall hatte behauptete Sexualdelikte zum Gegenstand, wie sie für derartige Strafverfahren typisch sind. Sie konnten nur vom angeblichen Täter und dem angeblichen Opfer unmittelbar wahrgenommen werden. Somit ging es im Wesentlichen um die Beweiswürdigung. Diese war zwar zeitlich aufwändig, aber für einen Rechtsanwalt bzw. eine Rechtsanwältin in rechtlicher Hinsicht nicht besonders kompliziert. Hinzu kommt, dass der grosse zeitliche Aufwand bereits in der sehr hohen Anzahl der aufgewendeten Stunden berücksichtigt wurde. (...) Somit ist bei der Bemessung des Ersatzes der Verteidigungskosten in Übereinstimmung mit der Vorinstanz von einem Stundenansatz von CHF 220.00 auszugehen, sodass es bei der vom Strafgericht zugesprochenen Entschädigung von rund CHF 65'000.00 (inkl. Auslagen und MWST) bleibt.

Obergericht, Strafabteilung, 25. September 2014

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